Dieser Tage bin ich im frühneuhochdeutschen Wörterbuch auf den Eintrag ackerrobot ‘Frondienst der Bauern’ gestoßen. Das hat mich etwas aus dem Konzept gebracht: Es geht um Arbeit und das zweite Wort sieht quasi aus wie Roboter, Zufall wird das kaum sein. Nun kam der Roboter im 20. Jh. ins Deutsche, Frühneuhochdeutsch sprach man aber zwischen 1350 und 1650 — das eine kann also nicht direkt vom anderen abstammen. Also habe ich etwas in der Vergangenheit herumgegraben, wo ich auf viel Plackerei und arme Waisenkinder gestoßen bin: Weiterlesen
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Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem
Wenn ich meiner Tochter früher die Bücher Pippi Langstrumpf geht an Bord und Pippi auf Taka-Tuka-Land vorgelesen habe, sah ich mich zu redaktionellen Änderungen gezwungen: Die Bücher enthalten eine Reihe rassistischer Ausdrücke, die ich beim Vorlesen stillschweigend durch annähernd neutrale Wörter ersetzt habe.
[Hinweis: Der folgende Beitrag enthält Beispiele rassistischer Sprache.} Weiterlesen
Keine macht den Drogen
Vor ein paar Monaten habe ich meinen Kleiderschrank durchgesehen und eine Menge Zeug zum Roten Kreuz gebracht. Dieses Kleidungsstück lag lange auf dem Weggabestapel, aber schließlich habe ich es aus nostalgischen Gründen doch behalten.
Ja, genau, da gabs mal so ne Kampagne. Ich war in der ersten Klasse, wir bekamen alle diese T‑Shirts, mussten damit für Pressefotos auf dem Schulhof herumlaufen und sahen aus wie kleine Gespenster. Die nächsten zehn Jahre benutzte ich das Ding als Nachthemd, heute passt es halbwegs (siehe links). Und die ganze Zeit über war ich jedes Mal, wenn ich den Slogan sah, leicht irritiert.
Hätte man für das Logo (das heute sehr telekomartig anmutet, aber damals war die Post ja noch gelb) keine Blockbuchstaben genutzt, hätte ich die mir damals unbekannte Konstruktion “Keine Macht dem/den/der …” gelernt und gut wär’s gewesen. So aber war meine persönliche Analyse Keine macht den Drogen, was ich für höchst kurios hielt, müsste es doch Keine macht die Drogen heißen. Nicht, dass das dann irgendeinen Sinn gehabt hätte, denn wer sollte diese Keine eigentlich sein und warum war es so bemerkenswert, dass sie nicht an der Drogenproduktion beteiligt war?
Ich glaube so gegen Ende meiner Schulzeit wurde mir irgendwann klar, wie der Spruch gemeint war.
Die Keine Macht+Dativ-Konstruktion scheint mir durch diese Kampagne ziemlich beliebt geworden zu sein, so findet sich in der Buchsuche bei Google recht gut als direkte Anspielung erkennbar:
Keine Macht den Drögen, Keine Macht den Proben, Keine Macht den Doofen
Und weitere Beispiele, die sich nicht sicher auf die Kampagne zurückführen lassen (erste 300 Suchergebnisse ausgewertet): Weiterlesen
Ichi, ni, san …
Eben habe ich in einem Zeit-Artikel gelesen:
Die zwei Atomanlagen in Fukushima‑1 (Daiini) und ‑2 (Daiichi) wurden nach Angaben des Betreibers Tepco am Tag des Erdbebens vor gut einer Woche von einer 14 Meter hohen Flutwelle getroffen.
Bei den Benennungen in Klammern, Daiini und Daiichi, liegt ein bißchen was im Argen. Zunächst mal hat das erste ein i zu viel abbekommen (richtig: Daini). Und dann sind die beiden Wörter vertauscht. Das kann man mit geringfügigen Japanischkenntnissen erschließen: Es reicht, bis zwei zählen zu können. In Daini steckt ni ‘zwei’, in Daiichi steckt ichi ‘eins’.
Und das dai? Weiterlesen
Ein Apfel am Tag hält den Doktor weg
Manchmal glaube ich, dass nicht wir als Gesellschaft andere Probleme hätten, sondern dass Nachrichtenredaktionen die Masse an Praktikanten irgendwie beschäftigen müssen. Und so schaffte es eine abkömmliche Meldung auf die Startseiten der Onlinemedien, die eigentlich mit Libyen, Fukushima und Knut in diesen Tagen genug zu tun haben dürften.
In der letzten Woche besuchten Prinz William und Kate Middleton die Hochwassergebiete im australischen Queensland und die Erdbebenregion in Neuseeland. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Besuch des Prinzen und seiner Zukünftigen wird den dortigen Menschen viel bedeuten. Aufhänger für die Nachricht war in den allermeisten Medien allerdings die Frage, ob das Bald-Prinzenpaar seine Flitterwochen im Sonnenstaat Queensland verbringt. Damit ist die Meldung eigentlich doch recht überflüssig bis zynisch.
Aber zur sprachlichen Seite. Heute: Idiomatische Sprachverwendung.
Mehr Spaß mit Ngrams
Heute gibt es ein buntes Sammelsurium von Abfragen mit dem Ngram Viewer. Ich finde sie alle aus dem einen oder anderen Grund ganz erhellend. Vielleicht ja sonst noch wer?
Ab wann ist das Korpus brauchbar?
Meine “schönste” Abfrage ist sicher die folgende, die ich kürzlich (in einer minimal abweichenden Version) auch in den Sprachlog-Kommentaren gepostet habe:
Wie man sieht, wenn man draufklickt, habe ich Allerweltswörter abgefragt: der, die, und, in, … Das sind Wörter, die so häufig sind, dass man in einem ausgewogenen Korpus eigentlich keine großen Schwankungen erwarten würde. Man braucht sie einfach immer, für jeden Text. Klar, das geht nicht unbegrenzt weit zurück, irgendwann sind die Artikel ja auch entstanden, und Personalpronomen waren z.B. im Althochdeutschen noch lange nicht so gebräuchlich wie heute. Aber für die späte frühneuhochdeutsche und neuhochdeutsche Zeit, die der Ngram Viewer abdeckt, sollte es doch einigermaßen passen. Weiterlesen
Wenn ein Wort entzweit
Wann ist ein ‘Wort’ ein Wort und wann ist ein Wort zwei Wörter?
Diese Frage spaltete auf der StuTS beim abendlichen Grillen die Gruppe. Wir spielte das StuTS-Traditionsspiel, bei dem sich die Mitspieler eine Person ausdenken und anonym auf einen Zettel schreiben. Diese Zettel kommen in einen Topf. Zwei Gruppen werden gebildet; dann soll im Wechsel jeweils ein Mitglied einen Zettel ziehen und die Person auf dem gezogenen Zettel seiner eigenen Gruppe in maximal drei Wörtern erklären. Beispiel: Ich hatte Heinz Erhardt gezogen und beschrieb ihn mit ‘Schauspieler’, ‘Nachkriegszeit’, ‘witzig’ (kam keiner drauf). Wird die Person von der Gruppe erraten, bekommt die Gruppe einen Punkt; wenn nicht, wandert der Zettel in den Topf zurück.
Für Runde Zwei kommen die Zettel wieder in den Topf, das Spiel wiederholt sich mit den gleichen zu erratenden Personen — in der zweiten Runde dürfen aber nur noch zwei Wörter zur Umschreibung verwendet werden, da die Personen ja bekannt sind und Wörter aus der ersten Runde wiederholt werden dürfen. In der dritten Runde das gleiche Spiel, dieses Mal darf nur noch ein Wort benutzt werden. Alles klar? Wichtig für den weiteren Verlauf ist lediglich, dass es um die Regel ging, ein Wort zur Umschreibung einer Person zu verwenden, um den Punkt zu erhalten.
Die zu erratende Person war ‘Robin Hood’. Und der Begriff, um den es in der dritten Runde ging, war Sherwood Forest. Weiterlesen
Neulich im Fast-Food-Tempel
Beim aktuellen Besuch von McDonald’s war ich ja ob der Neukreation des Nürnburgers nicht unwesentlich verwirrt. Was mir darüber hinaus aufgefallen ist, als ich auf meine Fritten wartete: wie spricht der Deutsche sie eigentlich aus, die Hamburger, Cheeseburger, Fischburger oder Nürnburger?
An mehreren besonders schönen Exemplaren muttersprachlicher Eimsbüttler fiel mir auf, dass zumindest in Hamburg folgende Aussprachemuster vorliegen (phonologisch besser geschulte Linguisten und technisch versiertere Menschen mögen mir die Abwesentheit einer Transkription auf professionellerem Niveau verzeihen):
- Cheesebörger
- Fischbörger
ABER:
- Hamburger
(Wer Cheesebörger sagte, sagte auch Hamburger.)
Ich würde es übrigens nicht anders aussprechen — die Frage ist, ob dieses Muster auch für andere Teile des deutschen Sprachraums gilt (vermutlich). Die viel spannendere Frage dürfte natürlich sein, welche morphophonologischen Prozesse im Gang sind (d.h. -börger/-burger sind hier lexikalisch bedingte Allomorphe). Ungeklärt bleibt deshalb, wie man seinen Nürnburger bestellt: Nürnburger, Nürnberger, Nürnbörger?
Ich gehe nicht zu McDonald’s, sie nennen es Feldforschung.
[Lesetipp] Kleine Auslese
In letzter Zeit habe ich einiges gelesen, was ich euch nicht unverlinkt lassen will …
Lost in Translation von Lera Boroditsky (die auf dem Foto irgendwie an Bones erinnert) …
… handelt davon, ob Sprache die Art und Weise beeinflusst, wie wir denken. Die Autorin ist Psychologin und hat eine ganze Menge spannende Experimente zu solchen Fragestellungen gemacht, deren Ergebnisse in diesen Text einfließen. Wirklich sehr empfehlenswert. Auch wer sich nicht so für die Theorie dahinter interessiert, wird eine Menge faszinierende Details über Sprachen entdecken.
Do the languages we speak shape the way we think? Do they merely express thoughts, or do the structures in languages (without our knowledge or consent) shape the very thoughts we wish to express?
(Gefunden bei Language Log.)
Von Duden-DNA und einer Außerirdischensprache von Stephan Matthiesen …
… ist eine ganz ungewöhnliche Art von Artikel: ein Bericht über einen wissenschaftlichen Workshop (“Language as an Evolutionary System”). Matthiesen gibt einen Überblick über die verschiedenen Standpunkte und Forschungsansätze und liefert am Ende sogar Links und Literaturhinweise: Respekt.
Ob und wie sich das Konzept Evolution auf Sprache übertragen lässt, ist noch völlig offen. Ein Workshop brachte kürzlich verschiedene Ansätze zusammen: Was formt unsere Sprachen?
Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …
Schon seit Beginn des Aschewolkendramas schreibt FAZ.net (nicht als einzige) ziemlich konsequent vom Eyjafjalla. Eine Miniauswahl:
- Nach dem Ausbruch des Eyjafjalla muss man nun die Eruption des Katla befürchten.
- Aber sonst geht das Leben weiter wie eh und je – jedenfalls wie in den knapp 200 Jahren, die der Eyjafjalla unter seiner dicken Gletscherdecke geschlummert hatte …
- Die Aschewolke des Eyjafjalla hat sich fürs Erste verzogen.
- Und yeah: Comeback des Eyjafjalla
Zu Beginn des ganzen Dramas schrieb man zuweilen noch vom Eyjafjalla-Gletscher und dem Ausbruch des isländischen Vulkans am Eyjafalla-Gletscher, aber auch schon vom Eyjafjalla-Vulkan.
Gletscher = Berg = Vulkan?
Ich habe hin- und hergerätselt warum, denn wirklich Sinn ergibt das für mich nicht. Ich erinnere: Eyjafjallajökull heißt ‘Insel(n)bergegletscher’. Der Gletscher heißt so und der Vulkan unter dem Gletscher heißt auch so, sagt die deutsche Wikipedia.
Wenn man den ‘Gletscher’ weglässt, wie die FAZ das tut, erhält man also nicht den “echten” Namen des Vulkans.
Die Hartnäckigkeit der FAZ hat mich dann aber doch verunsichert, und so zog ich aus zu klären, ob das Wort auch wirklich den gesamten Berg inklusive Vulkan bezeichnet. Weiterlesen