Schlagwort-Archive: Türkisch

Nachgedanken zum Jugendwort 2014

Von Anatol Stefanowitsch

Da ich für den Lon­don­er Radiosender Mon­o­cle (der mich immer anruft, wenn in Deutsch­land etwas sprach­lich Sig­nifikantes passiert) noch ein­mal den Siegern von Lan­gen­schei­dts Jugend­wort-Wet­tbe­werb hin­ter­her recher­chieren musste, hier noch ein paar Fak­ten und Nachgedanken zu unserem gestri­gen Leak (die Radiosendung selb­st gibt es als Pod­cast hier, ich komme ganz am Schluss). Weit­er­lesen

Sprachbrocken 22/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Keine Woche verge­ht, in der ich nicht irgend­wo lese, dass die Sprache der „Schlüs­sel zur Inte­gra­tion“ sei. Dabei geht es meis­tens um Schulkinder mit Migra­tionsh­in­ter­grund, denen mit­tels wenig nachvol­lziehbar­er Kri­te­rien man­gel­hafte Deutschken­nt­nisse attestiert wer­den. In Öster­re­ich, berichtet unter anderem der KURIER, dür­fen Schuldirektor/innen solchen sprach­lichen Schlüs­selkindern in Zukun­ft die Schul­reife absprechen und sie in geson­derte Vorschulk­lassen abschieben, wo sie dann ohne Kon­takt zu deutschsprachi­gen Schüler/innen, also ver­mut­lich durch Magie, Deutsch ler­nen sollen.
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Frühstück auf Türkisch

Von Kristin Kopf

Ich ver­suche mich mal wieder am Türkischler­nen und kämpfe mit Siebgedächt­nis gegen einem riesi­gen Vok­a­bel­berg. Dabei habe ich einen Zusam­men­hang zwis­chen drei Wörtern fest­gestellt, die ich mir jet­zt prompt merken kann. Und zwar ‘Kaf­fee’, ‘Früh­stück’ und ‘braun’:

kahve

kah­valtı

kahv­eren­gi

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[Lesetipp] Das Gehirn lernt mehrere Sprachen gleichzeitig

Von Kristin Kopf

Kluge Artikel über Sprache scheinen Kon­junk­tur zu haben! Hier schnell ein Hin­weis auf ein schönes Inter­view aus dem Spiegel mit Petra Schulz über Zweis­prachigkeit im Fall von Deutsch und Türkisch – ein Sprach­paar, das in der öffentlichen Wahrnehmung bekan­nter­maßen ziem­lich unfair behan­delt wird. Sie bringt es auf den Punkt:

Wir leben mit ein­er Dop­pel­moral. Wir freuen uns, wenn jemand mit Deutsch und Chi­ne­sisch aufwächst oder mit Deutsch und Englisch. Dafür gibt es Schul­terk­lopfen. Warum nicht Deutsch und Türkisch?

Vokalharmonisches Türkisch

Von Kristin Kopf

Ich habe Anfang des Jahres zum ersten Mal seit ewig eine Zwiebelfis­chkolumne gele­sen. Und erstaunlicher­weise am Ende nicht angewidert weggek­lickt, son­dern eher neu­tral. Ne Kolumne halt. Es geht um Sprache und Sprach­spiele und er ver­sucht nicht, sprach­wis­senschaftlich zu sein. Vielle­icht kann ich ihn vom Erzbösewicht zum nor­malen Bösewicht run­ter­stufen? Mal im Auge behalten.

Der Text han­delt von der ü-Affinität des Türkischen und davon, dass es im Deutschen ja auch eine Menge ü’s gibt. Aber Äpfel und Bir­nen. Dass bei­de Sprachen den Laut ü besitzen, ist eine ziem­lich lasche Gemein­samkeit. Das ü ist zwar ein nicht sooo häu­figer Laut, find­et sich aber doch in ein­er ganzen Rei­he von uns umgeben­den Sprachen, so im Franzö­sis­chen (culture ‘Kul­tur’), im Schwedis­chen (tysk ‘deutsch’), im Nieder­ländis­chen (huren ‘mieten’) und im Ungarischen (kön­nyű ‘ein­fach’). Die weltweite Ver­bre­itung in einem Sam­ple von 562 Sprachen kann man sich im WALS anschauen (und habe ich auch hier schon ein­mal behandelt):

Sprachen mit ü (rot, 6) und mit ü und ö (pink, 23)

Auf­fäl­liger ist (wie Sick auch bemerkt), dass bei­de Sprachen den Laut als <u> mit zwei Punk­ten drauf ver­schriften. Aber mir geht’s um die Verteilung dieser ü’s. Dass Deutsch und Türkisch den Laut haben und gle­ich schreiben, heißt näm­lich noch lange nicht, dass sie ihn auch gle­ich nutzen … Weit­er­lesen

[Lesetipp] Kleine Auslese

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit habe ich einiges gele­sen, was ich euch nicht unver­linkt lassen will …

Lost in Trans­la­tion von Lera Borodit­sky (die auf dem Foto irgend­wie an Bones erinnert) …

… han­delt davon, ob Sprache die Art und Weise bee­in­flusst, wie wir denken. Die Autorin ist Psy­cholo­gin und hat eine ganze Menge span­nende Exper­i­mente zu solchen Fragestel­lun­gen gemacht, deren Ergeb­nisse in diesen Text ein­fließen. Wirk­lich sehr empfehlenswert. Auch wer sich nicht so für die The­o­rie dahin­ter inter­essiert, wird eine Menge faszinierende Details über Sprachen entdecken.

Do the lan­guages we speak shape the way we think? Do they mere­ly express thoughts, or do the struc­tures in lan­guages (with­out our knowl­edge or con­sent) shape the very thoughts we wish to express?

(Gefun­den bei Lan­guage Log.)

Von Duden-DNA und ein­er Außerirdis­chen­sprache von Stephan Matthiesen …

… ist eine ganz ungewöhn­liche Art von Artikel: ein Bericht über einen wis­senschaftlichen Work­shop (“Lan­guage as an Evo­lu­tion­ary Sys­tem”). Matthiesen gibt einen Überblick über die ver­schiede­nen Stand­punk­te und Forschungsan­sätze und liefert am Ende sog­ar Links und Lit­er­aturhin­weise: Respekt.

Ob und wie sich das Konzept Evo­lu­tion auf Sprache über­tra­gen lässt, ist noch völ­lig offen. Ein Work­shop brachte kür­zlich ver­schiedene Ansätze zusam­men: Was formt unsere Sprachen?

(Via André auf Face­book und Andre per Mail.)

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[Buchtipp] The Unfolding of Language (Du Jane, ich Goethe)

Von Kristin Kopf

Lan­guage is mankind’s great­est inven­tion – except, of course, that it was nev­er invent­ed. (Guy Deutscher)

Schon wieder ein Buchtipp! Ui! Heute will ich Euch “The Unfold­ing of Lan­guage” von Guy Deutsch­er ans Herz leg­en. Ich hab’s auf Englisch gele­sen, es gibt aber auch eine deutsche Über­set­zung: “Du Jane, ich Goethe”. Keine Angst, der Inhalt wurde bedeu­tend bess­er über­set­zt als der Titel befürcht­en lässt, ich hab mal in der Buch­hand­lung reingelesen.

The Unfolding of Language

The Unfold­ing of Language

Worum geht es? Darum, wie Sprache entste­ht und sich verän­dert. Deutsch­er hat als großes Ziel vor Augen zu erk­lären, wie kom­plizierte Satzstruk­turen und Gram­matik ent­standen sein kön­nten. Da die Entste­hung der Sprache viel zu lange her ist, um darüber irgendwelche Aus­sagen zu tre­f­fen, wählt Deutsch­er “neuere” Beispiele aus ganz ver­schiede­nen Sprachen, nur wenige Jahrhun­derte oder Jahrtausende alt. Die all­ge­meinen Prinzip­i­en, die darin wirken, ver­mutet er auch schon zu früheren Zeit­en. Der unter Laien ver­bre­it­eten Ansicht, dass unsere Sprache ein­mal per­fekt war und jet­zt nur noch ver­fällt, wider­spricht er entschieden.

Das Buch kommt kom­plett ohne Fachter­mi­ni aus – und ist den­noch wis­senschaftlich fundiert. (Gram­matikalisierung, Analo­giebil­dung und Ökonomie spie­len z.B. eine große Rolle.) Ich hat­te eine Menge Spaß beim Lesen, und das, obwohl ich die meis­ten präsen­tierten Fak­ten und Gedanken schon kan­nte – es ist ein­fach richtig gut geschrieben und clever aufge­baut. Mein per­sön­lich­es High­light war die The­o­rie zur Entste­hung der Wurzelkon­so­nan­ten im Ara­bis­chen, ein The­ma, über das ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte.

Deutschen würde ich übri­gens eher zur deutschen Aus­gabe rat­en, die keine bloße Über­set­zung ist. Viele Grund­la­gen wer­den näm­lich im Orig­i­nal an kleinen Beispie­len aus dem Englis­chen erk­lärt. Für die deutsche Über­set­zung wurde, wo es möglich war, nach deutschen Beispie­len gesucht, die das gle­iche zeigen. So geht es zum Beispiel ein­mal darum, dass im Englis­chen die Entwick­lung von th zu f eigentlich ganz nahe­liegend ist und auch in eini­gen Dialek­ten vorkommt. Den Laut th gibt es im Deutschen aber nicht, so dass schließlich p zu b gewählt wurde, etwas, das man z.B. im Hes­sis­chen beobacht­en kann.

Wer sich für Sprache und Sprachen inter­essiert, dem kann ich das Buch wirk­lich nur empfehlen!

wirzind urlaup

Von Kristin Kopf

pho­tokej hat ein schönes Hin­weiss­child bei einem türkischen Lebens­mit­tel­händler gefun­den, das auch aus Sch­plock-Per­spek­tive span­nend ist:

Foto von Stef­fen Michel (C‑C-Lizenz by-nc-nd)

Der deutsche Text Libe Kun­den wirzind urlaup Danke ver­rät näm­lich einiges über das türkische Schrift­sys­tem und das Türkische generell.

Türkisch wird erst seit 1928 in lateinis­chen Buch­staben geschrieben, davor benutzte man ara­bis­che Schriftze­ichen. Die waren allerd­ings ziem­lich inadäquat, weil man damit nicht alle Laute des Türkischen notieren kon­nte. Seit 1928 benutzt man nun also lateinis­che Buch­staben: <a b c ç d e f g ğ h ı i j k l m n o ö p r s ş t u ü v y z>

wir zind ≠ wir tsind

Wie die Buch­staben im Einzel­nen aus­ge­sprochen wer­den, kön­nt Ihr ganz leicht selb­st her­aus­find­en, nur auf das <z> will ich einge­hen. Wie in sehr vie­len anderen Sprachen auch1, ste­ht das <z> im Türkischen nicht für [ts], son­dern für ein stimmhaftes s.

Im Deutschen gibt es <ß> und <ss> auss­chließlich für das stimm­lose s. Der Buch­stabe <s> kann aber sowohl für die stimm­lose als auch für die stimmhafte Vari­ante ste­hen: in <Ast> ist er stimm­los, in <Sonne> stimmhaft. Bei deutschen Wörtern ist das <s> am Wor­tan­fang immer dann stimmhaft, wenn ein Vokal direkt darauf fol­gt. (See, Sau, sieben, … aber Slalom, Skript, Sniper2)

Die Schrei­bung <zind> für <sind> kommt also daher, dass im Türkischen <z> der Buch­stabe für das stimmhafte s ist.

(Darauf fol­gt natür­lich auch umgekehrt die Erken­nt­nis, dass Namen wie Özdemir nicht Ötzdemir gesprochen wer­den.)

urlaup

Urlaub wird im Deutschen ja tat­säch­lich mit einem p-Laut am Ende gesprochen. Schuld ist die “Aus­lautver­här­tung”, ein Phänomen des Deutschen, das bes­timmte Kon­so­nan­ten am Sil­be­nende stimm­los macht.

Betrof­fen sind

  • die Plo­sive [b], [d], [g]
    • Urlaub wird Urlaup gesprochen (aber: Urlaube)
    • Rad wird Rat gesprochen (aber: der)
    • Splog wird Sch­p­lock gesprochen (aber: Sch­plögge … ähm, okay, lieber Weg wird Week gesprochen, aber: Wege)
  • die Frika­tive [v] (der w-Laut) und [z] (das stimmhafte s)
    • brav wird braf gesprochen (wobei da auch viele Leute immer f sagen, auch bei brave)
    • Los /lo:z/ wird Los gesprochen (aber: Lose [lo:zə])

Die Aus­lautver­här­tung ist ein sehr altes Phänomen, schon im Mit­tel­hochdeutschen gab es sie (<c> = [k]):

… ich sach, deist sicher­lîchen wâr,
eins gebûren sun, der truoc
[trug] ein har,
daz was rei­de unde val;
ob der ahsel hin ze tal
mit lenge ez vol­le­clîchen gienc [ging]. […]

wie Troye wart besezzen,
dô Pârîs der vermezzen
dem künege ûz Kriechen nam sin p,
[Weib]
diu im was liep
[lieb] alsam sîn p [Leib], … (Meier Helm­brecht)

Zwis­chen­zeitlich hat man aber wieder aufge­hört, sie auch zu schreiben. Der Grund nen­nt sich “Mor­phemkon­stanz” was eigentlich nichts anderes heißt, als dass man am Schrift­bild klar erken­nen kön­nen soll, dass <Urlaub> und <Urlaube> For­men ein und des­sel­ben Lex­ems sind.

Aber zurück zur türkischen Trans­ferenz: Die Per­son hat nicht nur urlaup geschrieben, weil sie nach Gehör geschrieben hat. Im Türkischen gibt es näm­lich ein Phänomen, das auch mit stimmhaften und stimm­losen Kon­so­nan­ten zu tun hat:

p, t, k oder ç am Wor­tende wer­den bei vie­len Wörtern stimmhaft, wenn eine Endung ange­fügt wird. Man kön­nte es auch als “Inlauter­we­ichung” bezeichnen:

  • [p], [t], <ç> [tʃ]  wer­den zu [b], [d], <c> [dʒ], also stimmhaft
  • [k] wird zu <ğ> [ɣ], einem stimmhaften Reibelaut (wobei der Buch­stabe auch oft nur dazu dient, eine Vokallän­gung anzuzeigen)

Im Gegen­satz zum Deutschen schreibt man das im Türkischen aber auch verschieden:

  • <kitap> ‘Buch’
  • <kitap>+<ım> → <kitabım> ‘mein Buch’

Der Ver­schrif­tung der deutschen Aus­lautver­här­tung wird also durch die türkische Rechtschrei­bung nachge­holfen – wenn man den Wech­sel von <b> und <p> schon ken­nt, kommt’s einem auch im Deutschen nicht unbe­d­ingt komisch vor.

wirzind urlaup – wo?

Mein let­zter Punkt hat mir Rechtschrei­bung nichts mehr zu tun – es geht um die fehlende Prä­po­si­tion im.

Im Türkischen gibt es keine Prä­po­si­tio­nen. Ihre Funk­tion wird in den meis­ten Fällen von Kasusendun­gen erfüllt, die ans Sub­stan­tiv ange­hängt werden:

  • im Haus braucht im Türkischen einen Loka­tiv, einen Kasus, der den Ort angibt, an dem sich etwas befind­et: evde ‘Haus+LOK’ (auch: ‘zuhause’)
  • aus dem Haus (her­aus) braucht einen Abla­tiv, der anzeigt, dass etwas vom Sub­stan­tiv ent­fer­nt wird: evden ‘Haus+ABL

Ich nehme an, dass auch bei im Urlaub im Türkischen ein Loka­tiv ste­hen müsste (?).

Die bei­den Sys­teme sind also nicht wirk­lich kom­pat­i­bel. Dazu kom­men die Gen­era des Deutschen: Um im Urlaub kor­rekt sagen zu kön­nen, muss man nicht nur die entsprechende Prä­po­si­tion ken­nen, son­dern auch noch wis­sen, dass Urlaub maskulin ist und daher im braucht, nicht in der. (Ganz abge­se­hen von der Kasusflexion …)

Die Prä­po­si­tion wegzu­lassen, ist da wahrschein­lich das ein­fach­ste. Vor allem, wenn man endlich entspan­nt Ferien machen will.

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