Wenn ich mit Büchern, Spielen und Fernsehsendungen zur deutschen Sprache berühmt geworden wäre, ohne besonders viel von der deutschen Sprache zu verstehen; wenn ich dann einen offenen Brief von ein paar österreichischen Reaktionären mitunterzeichnet hätte, in dem die fordern, sprachlichen Sexismus zur Norm zu machen; wenn mich dann die Wiener Zeitung fragen würde, warum ich das getan habe, dann würde ich antworten, dass ein „angesehener Wiener Autor“ mich in einem „höflichen, formvollendeten Stil“ darum gebeten habe (man würde verstehen, dass ich angesehenen Autoren nichts abschlagen kann, und dass etwas, das höflich und formvollendet formuliert ist, nicht falsch sein kann). Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Sprachnorm
Der Mann als Norm
Vor einigen Wochen haben wir hier über den Versuch zweier Wikipedia-Autoren berichtet, das sogenannte „generische“ Maskulinum (also die patriarchale Praxis, männliche Personenbezeichnungen „geschlechtsneutral“ zu verwenden) als allgemeinen Standard festzulegen (in der Abstimmung scheiterte dieser Versuch spektakulär, was entweder darauf hinweist, dass die Wikipedianer/innen insgesamt mehr Bewusstsein für diskriminierende Sprachstrukturen haben als gemeinhin angenommen, oder dass sie Vorschriften noch mehr hassen als geschlechtergerechte Sprache).
Aktuell versucht nun das Austrian Standards Institute, denselben Taschenspielertrick abzuziehen. Wie der Verein österreichischer Juristinnen berichtet, schlägt das ASI im aktuellen Entwurf für die ÖNORM A 1080 („Richtlinien für die Textgestaltung“) vor, „auf weibliche Formen zu verzichten und stattdessen mittels Generalklauseln klarzustellen, dass Frauen in der männlichen Form mitgemeint seien.“ Auch das Binnen‑I und die in Österreich üblichen weiblichen Formen für akademische Titel (z.B. Dr.in, Prof.in) sollen nach der Vorstellung des ASI als inkorrekt gelten. „Auf weibliche Formen könne in schriftlichen Texten verzichtet werden, denn männliche Formen würden für beide Geschlechter gelten, so die Empfehlung.“ Weiterlesen
Log in for Sprachschutz
Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFinfo-Zuschauer/innen, die über Anatols Besuch in der Sendung login hierher gespült wurden. Und für den Fall, dass Sie diese Unterrichtsstunde zum Klassiker der Apokalypsethemen verpasst haben, können Sie seit heute morgen in der Mediathek Ihre Hausaufgaben nachholen (und das Chatprotokoll von nach der Sendung). Möglicherweise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewonnen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stimmung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugunsten der sachlichen Diskussionsführung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegenseite gewohnt argumentfrei, unerwartet schlecht vorbereitet und mit einem vorhersagbaren Plattitüdenbingo immer noch 43% der Publikumsgunst auf sich ziehen konnte.
Aber der Reihe nach.
Von Standards und Abweichungen
Bevor ich den Krieg weiterführen kann, ein kleiner Exkurs.
Die Feststellung abweichenden Sprachgebrauchs hat fast ausschließlich eine — aus linguistischer Sicht — seltsame, zumindest aber problematische Bezugsgröße: die Standardsprache. Mit dem Standardenglisch ist es irgendwie wie mit “vernünftigem Deutsch” — keiner weiß, wo genau es angeblich gesprochen wird.* Weiterlesen