Schlagwort-Archive: Sprachkritik

Drive-By-Nörgelei

Von Anatol Stefanowitsch

Wie so oft war die Aktion Lebendi­ges Deutsch im ver­gan­genen Monat wieder abso­lut vorher­sag­bar. Gesucht waren Alter­na­tiv­en für das Dri­ve-In-Kino und den Dri­ve-In-Schnel­lim­biss. Ich hat­te das zugegeben­er­weise offen herum­liegende Wort Autoki­no und auf Nach­frage auch das weniger offen­sichtliche Autoim­biss vorgeschla­gen und die Aktioneure müssen einge­se­hen haben, dass diese Vorschläge nicht zu top­pen sind: Weit­er­lesen

Westerwave and The Aufschwung

Von Susanne Flach

Ich gehöre ganz bes­timmt zu den­jeni­gen, die sich jet­zt eins ins Fäustchen kich­ern — und genüßlich dabei zuse­hen, wie Jour­naille und Web‑2.0‑Gemeinde Gui­do West­er­welle im Wech­sel mit Häme über­schüt­ten. Mit sein­er lei­dlich geschick­ten Reak­tion auf die Anfrage eines BBC-Reporters beschäftigt sich unter einem sprach­wis­senschaftlichen Aspekt heute das Bre­mer Sprach­blog.

Schon machen Videos die Runde, die sich an West­er­welles schwachen Englis­chken­nt­nis­sen ergötzen: auf die Frage eines jun­gen Osteu­ropäers, was Osteu­ropa von der deutschen Erfahrung mit dem Frieden ler­nen kön­nte, antwortet West­er­welle:

The fall of the wall… There has been so much dynam­ic in the new mem­bers of the Euro­pean Union. And I do not mean only the eco­nom­ic dynam­ic, I mean the dynam­ic of the soci­ety. If I would com­pare this some­times to the old EU 50 [das sehen wir ihm nach, weil wir davon aus­ge­hen, dass auch ein FDP-Chef weiß, wieviele Mit­gliedsstaat­en die EU vor Mai 2004 hat­te], we could learn that the [queue] for a suc­cess­ful wel­fare state, a suc­cess­ful econ­o­my is the dynam­ic of the soci­ety is the will to reach very ambi­tious aims and per­haps this is some­thing what we in the last years lost in our men­tal­i­ty or lost too much in our men­tal­i­ty. For exam­ple, if I look to what we got today, we got today the new unem­ploy­ment rates and when I lis­ten to the gov­ern­ment and I hear there that 11 per­cent or 10.8 per­cent unem­ploy­ment rate and “Der Auf­schwung ist da”, this is not ambi­tious enough. The aim, for exam­ple for the Ger­man soci­ety, should not be to come from the last place with the growth rates in the Euro­pean Union to the sec­ond last or third last. Our aim, our issue should be to reach once again the top again. And this is what we can learn, I think, at the moment, much more.”

Diese Tran­skrip­tion — begün­stigt durch das stock­ende Englisch — kostete mich zwei Video­durch­läufe (und einen davon zum Kor­rek­turlesen). Und ver­mut­lich ist meine Inter­punk­tion auch ein wenig vorteilss­tif­tend für Her­rn West­er­welle. Das ist jet­zt zwar kein sprach­lich-kün­st­lerisch­er Erguss, aber bis auf ein paar gram­matikalis­che Patzer und ein­er oft­mals unglück­lichen Wort­wahl ist das nicht das schlecht­este, da gibt’s mehr Stoiberis­men in deutsch­er Sprache.

Und mal Hand aufs Herz — das ist lediglich die um polemis­che Phrasendrescherei bere­inigte Ver­sion eines Vor­trags in deutsch­er Sprache. Ihr glaubt doch nicht ern­sthaft, dass diese Pas­sage — hätte er die Frage auf Deutsch beant­wortet — nur einen Hauch mehr Inhalt gehabt hätte, als ein wahlkampfgeprägter Reflex der Marke Die gegen­wär­tige Regierung beschönigt die neuen Arbeits­mark­tzahlen. Die Antwort auf die Frage, was Osteu­ropa von Deutsch­land ler­nen kön­nte, war es so oder so nicht.

Außer­dem offen­bart es einen weit­eren Aspekt, der mir in mein­er neben­beru­flichen Über­set­zertätigkeit immer wieder begeg­net: Ein über­set­zter Text kann immer nur so gut sein, wie das Orig­i­nal. Das war jet­zt ernst gemeint — ver­mut­lich fällt vie­len, die sich über Her­rn West­er­welles Englisch amüsieren, erst jet­zt wirk­lich auf, welchen Müll er von sich gibt — wom­it ich nie­man­dem unter­stelle, West­er­welles polemis­ches Blafasel von der Leis­tungs­ge­sellschaft nicht auch auf Deutsch für aus­gemacht­en Blödsinn zu hal­ten. In Über­set­zun­gen habe ich das oft: schlechte Texte und sin­nentleerte Phrasen, schön­klin­gend und unübersetzbar.

Naja, und wenn ich mich aus dem Fen­ster lehnen wollte, würde ich auch die kühne Behaup­tung auf­stellen, dass einige der jet­zi­gen Hämekü­belum­dreher mit dem oben tran­skri­bierten Text ihre — nicht in West­er­welles Englisch fußen­den — Ver­ständ­nis­prob­leme hät­ten, aber das würde meinem Belus­ti­gungs­drang doch sehr ent­ge­gen­wirken. Obgle­ich sich die Webge­mein­schaft da uneins ist, ob’s Hel­mut Kohl zu Mag­gie Thatch­er oder Hein­rich Lübke zur Queen gesagt oder irgen­dein Kabaret­tist erfun­den hat — aber der amüsan­teste Sprach­panch­er ist ohne­hin bere­its belegt:

You can say you to me.

Festival

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Tagen habe ich fol­gende E‑Mail bekommen:

Seit eini­gen Jahren ärg­ere ich mich über das alberne neudeutsche Wort „Fes­ti­val“ mit dem heutzu­tage jedes Dorffest tit­uliert wird. Nun muss ich zu meinem Bedauern fest­stellen, dass Ihr Insti­tut hier mit schlechtem Beispiel Schule macht: Hät­ten Sie Ihr „Fes­ti­val der Sprachen“ nicht ein­fach „Sprach­fest“ nen­nen kön­nen? Das wäre nicht nur deutsch­er, son­dern auch kürz­er gewesen.

Erstens, das Fes­ti­val der Sprachen ist kein Dorffest, und ich habe auch nie erlebt, dass ein Dorffest sich als „Fes­ti­val“ beze­ich­net. Zweit­ens, mit diesem Fes­ti­val oder sein­er Benen­nung habe ich nichts zu tun, ich will mich deshalb auf die Ver­mu­tung beschränken, dass meine Kol­le­gen bei der Benen­nung nicht vor­rangig Sprach­puris­mus und Kürze im Sinn hat­ten. Weit­er­lesen

Versandende Sprache (Nachtrag)

Von Anatol Stefanowitsch

Der stel­lvertre­tende Chefredak­teur des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hat auf meine Kri­tik an sein­er Glosse sportlich reagiert und mich ein­ge­laden, meine Mei­n­ung zu Lehn­wörtern direkt im Ham­burg­er Abend­blatt zu sagen.

Das Ergeb­nis find­et sich auf Seite 4 der Druck­aus­gabe von heute (18.9.2009) und online hier.

Nach­trag zum Nach­trag: Ein paar Leser­briefe gibt es hier.

Die Filosofie der Ih-Mehl

Von Anatol Stefanowitsch

In meinem Beitrag zur ver­sanden­den Sprache zitiere ich einen hypo­thetis­chen Satz, den Abend­blatt-Chefredak­teur Matthias Iken als Beispiel für die Über­frach­tung der deutschen Sprache mit Anglizis­men verwendet:

Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net surft, per Fla­trate Soft­ware down­load­et, seine E‑Mails checkt, in Dat­ing­clubs mit Sin­gles chat­tet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.

Ich beze­ichne diesen Satz dort als einen „durch und durch … deutsche[n] Satz … von der Wort­stel­lung über die Flex­ion­sendun­gen der Lehn­wörter bin hin zu deren Bedeutung“.

In einem Kom­men­tar zu dem Beitrag weist mich mein Ham­burg­er Kol­lege (und ehe­ma­liger Pro­fes­sor) Wolf­gang Börn­er san­ft aber bes­timmt zurecht: Weit­er­lesen

Versandende Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu schafft es ein Sprach­nör­gler, so aus­führlich und unin­formiert daneben­zu­greifen, dass ich mich bei allen guten Vorsätzen nicht daran hin­dern kann, aus­führlich darauf zu antworten. Sprach­blogleser Dierk weist in einem Kom­men­tar auf eine Glosse des stel­lvertre­tenden Chefredak­teurs des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hin, für die das gilt.

Iken fängt eigentlich sehr schön an: Weit­er­lesen

Sich committen

Von Anatol Stefanowitsch

Man fragt sich manch­mal, ob die vier glück­losen Brüder von der Aktion Lebendi­ges Deutsch auch nur dreißig Sekun­den darauf ver­wen­den, über die Mach­barkeit ihrer Vorschläge nachzu­denken. Im Som­mer­loch war eine Alter­na­tive zu sich com­mit­ten gesucht. Wie schon oft woll­ten die Aktioneure damit ein Lehn­wort abschaf­fen, das mir in freier Wild­bahn kaum je begeg­net ist. Aber sei’s drum. Die Neube­wor­tung ist auf jeden Fall daneben gegan­gen: Weit­er­lesen