Dass deutsche Unternehmen die englische Sprache gerne verwenden, um sich ein internationales Image zu geben, ist nicht nur ein Trivialplatz, es ist sogar Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung. ((Z.B. Ingrid Piller (2001) Identity construction in multilingual advertising. Language in Society 30, 153–186.)) Besonders die Deutsche Bahn hat das in der Vergangenheit so ausgiebig getan, dass sie sogar von Lehnwortliberalen wir mir dafür schon (wenn auch sehr milde) kritisiert worden ist – wir haben sie im Sprachlog aber auch schon für ihre kreative Lehnwortikonografie und für ihr nur scheinbar defizientes, tatsächlich aber historisch akkurates Englisch gelobt. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Sprachkritik
Sprachbrocken 23/2013
Eine der unsympathischsten Aktionen des Vereins Deutsche Sprache ist die alljährliche Wahl eines „Sprachpanschers des Jahres“. Die funktioniert so: 1) Der Verein nominiert prominente Personen wegen abstrus konstruierter sprachlicher Sünden; 2) die Prominenz der Nominierten sorgt für eine breite Berichterstattung; 3) der VDS steht ohne nennenswerte Leistung als Wahrer der deutschen Sprache da. Getroffen hat es diesmal Wolfgang Schäuble, dessen Verbrechen gegen die Deutschlichkeit in „unbeholfenen Exkursionen ins Englische“ bestehe. Mit denen „mache er seit Jahren den Übersetzern in Brüssel Konkurrenz und falle damit allen Versuchen in den Rücken, Deutsch als echte Arbeitssprache in der EU zu verankern“. Weiterlesen
Sprachbrocken 20/2013
Die französische Sprache steht kurz vor dem Aussterben: zu einer „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprachschützer Bernard Pivot, wenn die französische Bildungsministerin sich mit ihrem Plan durchsetze, an französischen Universitäten auch das Englische als Unterrichtssprache zuzulassen. Denn Sprache, so Pivot, sei das, was eine Nation ausmache und schon seit jeher sei es so gewesen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwungen hätten. Als Franzose kennt er sich da aus, denn die Kolonialmacht Frankreich hat das bestens vorgemacht, was es Pivot ermöglicht, in einem Nebensatz von „unseren“ – also französischen – „großen Schriftstellern aus Afrika und von den Antillen“ zu schwärmen. Aber wenn es das Französische ist, das verdrängt wird, und sei es nur aus ein paar Seminaren, dann steht die französische Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englischen eine Sprache nach Frankreich zurückkehrt, die sich durch eine jahrhundertelange französische Besatzung bis zur Unkenntlichkeit verändert hat, entgeht ihm offensichtlich. Weiterlesen
Sprachbrocken 15/2013
Viele Universitäten, Behörden und andere staatliche Einrichtungen haben Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache. Nicht, weil sie von linksextremen, sexuell ausgehungerten Gutmenschen (wie mir) geleitet werden, sondern, weil es Gleichstellungsgesetze gibt, die das fordern (und die wiederum, liebe Freunde ((Kein generisches Maskulinum)) der maximalen Mannigfaltigkeit männlicher Meinungsäußerungen, setzen nur Artikel 3, Abs. 2 eures grenzenlos geliebten Grundgesetzes um). Auch die Gleichstellungsbeauftragte der UNIVERSITÄT ZU KÖLN hat gerade einen solchen Leitfaden herausgegeben und damit die Kölner Redaktion der BILD auf den Plan gerufen. „Müssen wir jetzt alle „Bürger*innensteig“ sagen?“ fragt die, und fährt besorgt fort: „Was darf man eigentlich noch sagen?“ Nun, „man“ darf natürlich sagen, was „man“ will, solange „man“ nicht Mitarbeiter/in der Universität zu Köln (oder einer anderen Behörde mit einem entsprechenden Leitfaden) ist. Insofern ist das ganze eigentlich keine Nachricht, aber vielleicht ist es ein ermutigendes Zeichen, dass die BILD es für eine hält und nach den besorgten Einstiegsfragen erstaunlich neutral über Gendergap, männliche Dominanz und gesellschaftliche Akzeptanzprobleme berichtet. Was die Kommentatoren ((Kein generisches Maskulinum)) naturgemäß nicht davon abhält, der Kölner Gleichstellungsbeauftragten zu bescheinigen, nicht alle „Tassen/Tassinen im Schrank“ bzw. „ein paar Schrauben/Schrauber locker“ zu haben. Weiterlesen
Sprachbrocken 14/2013
Sich über die Jugend und ihren Sprachgebrauch zu echauffieren, sei den Sprachnörglern, Kulturfixierern und anderen Veränderungs-verängstigten von Herzen gegönnt – schließlich haben es schon ihre Großeltern so gehalten, und deren Großeltern und die Großeltern der Großeltern von deren Großeltern. Aber spätestens wenn er sich unversehens dabei ertappt, mit Wladimir Putin einer Meinung zu sein, sollte auch der fanatischste Vergangenheitsfundamentalist einen Augenblick innehalten und über die gedanklichen Schritte nachdenken, die ihn in diese unangenehme Situation gebracht haben. Das ist Edwin Baumgartner von der WIENER ZEITUNG nicht gelungen. Putins Gesetz gegen Kraftausdrücke im Fernsehen ziele zwar wegen seiner willkürlichen Auslegbarkeit eindeutig auf eine Zensur der öffentlichen Rede ab. Aber angesichts des durch die synchronisierten Fassungen amerikanischer Filme inspirierten zotig-vulgären Sprachgebrauchs der heutigen Jugend (wirklich, das habe ich mir nicht ausgedacht) sei es ja Zensur zu einem guten Zwecke.
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Sprachschmuggler in der Wikipedia?
In meiner gestrigen Laudatio zum Anglizismus des Jahres 2012, Crowdfunding, sprach ich meine Vermutung an, dass die vereinzelt zu findende Eindeutschung „Schwarmfinanzierung“ eine Wortschöpfung von Anglizismuskritikern sei, die diese über den Wikipedia-Eintrag zum Crowdfunding zunächst in den journalistischen Sprachgebrauch eingeschleust hätten. Diese Vermutung stützt sich auf die Tatsache, das die früheste Verwendung, des Wortes, die ich finden kann, eben aus diesem Wikipedia-Eintrag, genauer, in der Artikelversion vom 23. März 2011 stammt. Eingetragen wurde es von einem anonymen Nutzer, weshalb die Wikipedia-Software nur die IP-Adresse des Bearbeiters dokumentiert. Eine Überprüfung der Bearbeitungen, die unter dieser IP-Adresse im selben Zeitraum vorgenommen wurden, zeigt, dass außerdem das Schlagwort „Schwarmfinanzierung“ mit einer Weiterleitung auf den Artikel zu Crowdfunding angelegt und das Wort Schwarmfinanzierung in den Eintrag zu einer bestimmten Crowdfundingplattform hinein redigiert wurden. Dass es sich bei dem anonymen Nutzer um einen Sprachkritiker auf Sprachsäuberungsmission handelte, schließe ich daraus, dass das Wort „Schwarmfinanzierung“ im Anglizismenindex des Vereins Deutsche Sprache steht (dazu gleich mehr). Weiterlesen
Log in for Sprachschutz
Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFinfo-Zuschauer/innen, die über Anatols Besuch in der Sendung login hierher gespült wurden. Und für den Fall, dass Sie diese Unterrichtsstunde zum Klassiker der Apokalypsethemen verpasst haben, können Sie seit heute morgen in der Mediathek Ihre Hausaufgaben nachholen (und das Chatprotokoll von nach der Sendung). Möglicherweise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewonnen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stimmung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugunsten der sachlichen Diskussionsführung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegenseite gewohnt argumentfrei, unerwartet schlecht vorbereitet und mit einem vorhersagbaren Plattitüdenbingo immer noch 43% der Publikumsgunst auf sich ziehen konnte.
Aber der Reihe nach.
Sprachbrocken 51/2012
Alle Jahre wieder wendet sich Hans Zehetmair, Vorsitzender des Rats für deutsche Rechtschreibung, an die Presse um den Verfall der deutschen Sprache zu beklagen. Dieses Jahr beschwert er sich über „Recycling-Sprache“, den SMS-bedingten Mangel an „Gefühl und Herzlichkeit“ und über englische Wörter, „die man ebenso auch auf Deutsch formulieren könnte“. Und natürlich benennt er schonungslos die Verantwortlichen für den Sprachverfall: die Jugend von heute und ihre iPads, auf denen sie die Sprache Schillers und Goethes regelrecht kaputt twittern. Weiterlesen
Österreichische Wörterwahlen
Während die Wörterwahlen 2012 in Deutschland mit dem Jugendwort des Jahres gerade erst begonnen haben, ist Österreich schon fertig: Auf einen schlag gab die Forschungsstelle Österreichisches Deutsch an der Universität Graz heute das Wort des Jahres, das Unwort des Jahres, das Jugendwort des Jahres und den Ausspruch des Jahres 2012 bekannt (PDF). Weiterlesen
Neues von den Humorterroristen
Erleichterung könnte sich breit machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…
Die Humorterroristen vom Verein Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfunden und unters Journalistenvolk gejubelt haben („Dschammeeka-Preis“). Damit kritisieren sie einen ARD-Reporter aufgrund dessen angeblicher und angeblich falscher Aussprache von Jamaika*:
„Ich habe nichts dagegen, wenn Reporter Länder in ihrer jeweiligen Landessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömeika‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dschammeeka“ würden den Namen vor allem Amerikaner aussprechen.
Seufz. Was Krämer hier mutmaßlich versucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kritisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweiten Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natürlich [aɪ] heißen soll (vermutlich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifelsfall beim Anlautkonsonanten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offenbar nicht.) Demnach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanischen Aussprache, nicht der “jeweiligen Landessprache”, die angeblich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.
Abgesehen davon, dass der gerundete Vokal [ø:] in jamaikanischen Varietäten des Englischen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diphthong [eɪ] bildet (Devonish & Harry 2004), fragen wir doch einfach jemanden, der sich mit der Landessprache in Jamaika auskennt:
Wenn ich mich nicht mehrfach verhört habe, ist da weder [ø:] noch [eɪ].
*Der ARD-Reporter zeigt sich überrascht — und will es nicht gewesen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natürlich haben Sie den Preis nicht verdient. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man könnte Ihnen vorwerfen, Sie würden Humorterroristen ernst nehmen.
Literatur
Devonish, Hubert & Otelemate G. Harry. 2004. Jamaican Creole and Jamaican English: phonology. In: Bernd Kortmann & Edgar W. Schneider [Hrsg]. A Handbook of Varieties of English. Volume 1: Phonology. De Gruyter: 450–480.