Schlagwort-Archive: Sprachkritik

Deutsche, deutschere, deutscheste Bahn

Von Anatol Stefanowitsch

Dass deutsche Unternehmen die englis­che Sprache gerne ver­wen­den, um sich ein inter­na­tionales Image zu geben, ist nicht nur ein Triv­ialplatz, es ist sog­ar Gegen­stand sprach­wis­senschaftlich­er Forschung. ((Z.B. Ingrid Piller (2001) Iden­ti­ty con­struc­tion in mul­ti­lin­gual adver­tis­ing. Lan­guage in Soci­ety 30, 153–186.)) Beson­ders die Deutsche Bahn hat das in der Ver­gan­gen­heit so aus­giebig getan, dass sie sog­ar von Lehn­wortlib­eralen wir mir dafür schon (wenn auch sehr milde) kri­tisiert wor­den ist – wir haben sie im Sprachlog aber auch schon für ihre kreative Lehn­wor­tikono­grafie und für ihr nur schein­bar defizientes, tat­säch­lich aber his­torisch akku­rates Englisch gelobt. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 23/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Eine der unsym­pa­this­chsten Aktio­nen des Vere­ins Deutsche Sprache ist die alljährliche Wahl eines „Sprach­pan­sch­ers des Jahres“. Die funk­tion­iert so: 1) Der Vere­in nominiert promi­nente Per­so­n­en wegen abstrus kon­stru­iert­er sprach­lich­er Sün­den; 2) die Promi­nenz der Nominierten sorgt für eine bre­ite Berichter­stat­tung; 3) der VDS ste­ht ohne nen­nenswerte Leis­tung als Wahrer der deutschen Sprache da. Getrof­fen hat es dies­mal Wolf­gang Schäu­ble, dessen Ver­brechen gegen die Deutschlichkeit in „unbe­holfe­nen Exkur­sio­nen ins Englis­che“ beste­he. Mit denen „mache er seit Jahren den Über­set­zern in Brüs­sel Konkur­renz und falle damit allen Ver­suchen in den Rück­en, Deutsch als echte Arbeitssprache in der EU zu ver­ankern“. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 20/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die franzö­sis­che Sprache ste­ht kurz vor dem Ausster­ben: zu ein­er „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprach­schützer Bernard Piv­ot, wenn die franzö­sis­che Bil­dungsmin­is­terin sich mit ihrem Plan durch­set­ze, an franzö­sis­chen Uni­ver­sitäten auch das Englis­che als Unter­richtssprache zuzu­lassen. Denn Sprache, so Piv­ot, sei das, was eine Nation aus­mache und schon seit jeher sei es so gewe­sen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwun­gen hät­ten. Als Fran­zose ken­nt er sich da aus, denn die Kolo­nial­macht Frankre­ich hat das bestens vorgemacht, was es Piv­ot ermöglicht, in einem Neben­satz von „unseren“ – also franzö­sis­chen – „großen Schrift­stellern aus Afri­ka und von den Antillen“ zu schwär­men. Aber wenn es das Franzö­sis­che ist, das ver­drängt wird, und sei es nur aus ein paar Sem­i­naren, dann ste­ht die franzö­sis­che Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englis­chen eine Sprache nach Frankre­ich zurück­kehrt, die sich durch eine jahrhun­derte­lange franzö­sis­che Besatzung bis zur Unken­ntlichkeit verän­dert hat, ent­ge­ht ihm offen­sichtlich. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 15/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Viele Uni­ver­sitäten, Behör­den und andere staatliche Ein­rich­tun­gen haben Leit­fä­den zur geschlechterg­erecht­en Sprache. Nicht, weil sie von link­sex­tremen, sex­uell aus­ge­hungerten Gut­men­schen (wie mir) geleit­et wer­den, son­dern, weil es Gle­ich­stel­lungs­ge­set­ze gibt, die das fordern (und die wiederum, liebe Fre­unde ((Kein gener­isches Maskulinum)) der max­i­malen Man­nig­faltigkeit männlich­er Mei­n­ungsäußerun­gen, set­zen nur Artikel 3, Abs. 2 eures gren­zen­los geliebten Grundge­set­zes um). Auch die Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragte der UNIVERSITÄT ZU KÖLN hat ger­ade einen solchen Leit­faden her­aus­gegeben und damit die Köl­ner Redak­tion der BILD auf den Plan gerufen. „Müssen wir jet­zt alle „Bürger*innensteig“ sagen?“ fragt die, und fährt besorgt fort: „Was darf man eigentlich noch sagen?“ Nun, „man“ darf natür­lich sagen, was „man“ will, solange „man“ nicht Mitarbeiter/in der Uni­ver­sität zu Köln (oder ein­er anderen Behörde mit einem entsprechen­den Leit­faden) ist. Insofern ist das ganze eigentlich keine Nachricht, aber vielle­icht ist es ein ermuti­gen­des Zeichen, dass die BILD es für eine hält und nach den besorgten Ein­stiegs­fra­gen erstaunlich neu­tral über Gen­der­gap, männliche Dom­i­nanz und gesellschaftliche Akzep­tanzprob­leme berichtet. Was die Kom­men­ta­toren ((Kein gener­isches Maskulinum)) naturgemäß nicht davon abhält, der Köl­ner Gle­ich­stel­lungs­beauf­tragten zu bescheini­gen, nicht alle „Tassen/Tassinen im Schrank“ bzw. „ein paar Schrauben/Schrauber lock­er“ zu haben. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 14/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Sich über die Jugend und ihren Sprachge­brauch zu echauffieren, sei den Sprach­nör­glern, Kul­tur­fix­ier­ern und anderen Verän­derungs-verängstigten von Herzen gegön­nt – schließlich haben es schon ihre Großel­tern so gehal­ten, und deren Großel­tern und die Großel­tern der Großel­tern von deren Großel­tern. Aber spätestens wenn er sich unverse­hens dabei ertappt, mit Wladimir Putin ein­er Mei­n­ung zu sein, sollte auch der fanatis­chste Ver­gan­gen­heits­fun­da­men­tal­ist einen Augen­blick innehal­ten und über die gedanklichen Schritte nach­denken, die ihn in diese unan­genehme Sit­u­a­tion gebracht haben. Das ist Edwin Baum­gart­ner von der WIENER ZEITUNG nicht gelun­gen. Putins Gesetz gegen Kraftaus­drücke im Fernse­hen ziele zwar wegen sein­er willkür­lichen Ausleg­barkeit ein­deutig auf eine Zen­sur der öffentlichen Rede ab. Aber angesichts des durch die syn­chro­nisierten Fas­sun­gen amerikanis­ch­er Filme inspiri­erten zotig-vul­gären Sprachge­brauchs der heuti­gen Jugend (wirk­lich, das habe ich mir nicht aus­gedacht) sei es ja Zen­sur zu einem guten Zwecke.
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Sprachschmuggler in der Wikipedia?

Von Anatol Stefanowitsch

In mein­er gestri­gen Lau­da­tio zum Anglizis­mus des Jahres 2012, Crowd­fund­ing, sprach ich meine Ver­mu­tung an, dass die vere­inzelt zu find­ende Ein­deutschung „Schwarm­fi­nanzierung“ eine Wortschöp­fung von Anglizis­muskri­tik­ern sei, die diese über den Wikipedia-Ein­trag zum Crowd­fund­ing zunächst in den jour­nal­is­tis­chen Sprachge­brauch eingeschleust hät­ten. Diese Ver­mu­tung stützt sich auf die Tat­sache, das die früh­este Ver­wen­dung, des Wortes, die ich find­en kann, eben aus diesem Wikipedia-Ein­trag, genauer, in der Artikelver­sion vom 23. März 2011 stammt. Einge­tra­gen wurde es von einem anony­men Nutzer, weshalb die Wikipedia-Soft­ware nur die IP-Adresse des Bear­beit­ers doku­men­tiert. Eine Über­prü­fung der Bear­beitun­gen, die unter dieser IP-Adresse im sel­ben Zeitraum vorgenom­men wur­den, zeigt, dass außer­dem das Schlag­wort „Schwarm­fi­nanzierung“ mit ein­er Weit­er­leitung auf den Artikel zu Crowd­fund­ing angelegt und das Wort Schwarm­fi­nanzierung in den Ein­trag zu ein­er bes­timmten Crowd­fund­ing­plat­tform hinein redigiert wur­den. Dass es sich bei dem anony­men Nutzer um einen Sprachkri­tik­er auf Sprach­säu­berungsmis­sion han­delte, schließe ich daraus, dass das Wort „Schwarm­fi­nanzierung“ im Anglizis­menin­dex des Vere­ins Deutsche Sprache ste­ht (dazu gle­ich mehr). Weit­er­lesen

Log in for Sprachschutz

Von Susanne Flach

Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFin­fo-Zuschauer/in­nen, die über Ana­tols Besuch in der Sendung login hier­her gespült wur­den. Und für den Fall, dass Sie diese Unter­richtsstunde zum Klas­sik­er der Apoka­lypsethe­men ver­passt haben, kön­nen Sie seit heute mor­gen in der Mediathek Ihre Hausauf­gaben nach­holen (und das Chat­pro­tokoll von nach der Sendung). Möglicher­weise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewon­nen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stim­mung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugun­sten der sach­lichen Diskus­sions­führung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegen­seite gewohnt argu­ment­frei, uner­wartet schlecht vor­bere­it­et und mit einem vorher­sag­baren Plat­titü­den­bin­go immer noch 43% der Pub­likums­gun­st auf sich ziehen konnte. 

Aber der Rei­he nach.

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Sprachbrocken 51/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Alle Jahre wieder wen­det sich Hans Zehet­mair, Vor­sitzen­der des Rats für deutsche Rechtschrei­bung, an die Presse um den Ver­fall der deutschen Sprache zu bekla­gen. Dieses Jahr beschw­ert er sich über „Recy­cling-Sprache“, den SMS-bed­ingten Man­gel an „Gefühl und Her­zlichkeit“ und über englis­che Wörter, „die man eben­so auch auf Deutsch for­mulieren kön­nte“. Und natür­lich benen­nt er scho­nungs­los die Ver­ant­wortlichen für den Sprachver­fall: die Jugend von heute und ihre iPads, auf denen sie die Sprache Schillers und Goethes regel­recht kaputt twit­tern. Weit­er­lesen

Österreichische Wörterwahlen

Von Anatol Stefanowitsch

Während die Wörter­wahlen 2012 in Deutsch­land mit dem Jugend­wort des Jahres ger­ade erst begonnen haben, ist Öster­re­ich schon fer­tig: Auf einen schlag gab die Forschungsstelle Öster­re­ichis­ches Deutsch an der Uni­ver­sität Graz heute das Wort des Jahres, das Unwort des Jahres, das Jugend­wort des Jahres und den Ausspruch des Jahres 2012 bekan­nt (PDF). Weit­er­lesen

Neues von den Humorterroristen

Von Susanne Flach

Erle­ichterung kön­nte sich bre­it machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…

Die Humorter­ror­is­ten vom Vere­in Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfun­den und unters Jour­nal­is­ten­volk gejubelt haben („Dscham­mee­ka-Preis“). Damit kri­tisieren sie einen ARD-Reporter auf­grund dessen ange­blich­er und ange­blich falsch­er Aussprache von Jamai­ka*:

Ich habe nichts dage­gen, wenn Reporter Län­der in ihrer jew­eili­gen Lan­dessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömei­ka‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dscham­mee­ka“ wür­den den Namen vor allem Amerikan­er aussprechen.

Seufz. Was Krämer hier mut­maßlich ver­sucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kri­tisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweit­en Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natür­lich [aɪ] heißen soll (ver­mut­lich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifels­fall beim Anlautkon­so­nan­ten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offen­bar nicht.) Dem­nach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanis­chen Aussprache, nicht der “jew­eili­gen Lan­dessprache”, die ange­blich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.

Abge­se­hen davon, dass der gerun­dete Vokal [ø:] in jamaikanis­chen Vari­etäten des Englis­chen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diph­thong [eɪ] bildet (Devon­ish & Har­ry 2004), fra­gen wir doch ein­fach jeman­den, der sich mit der Lan­dessprache in Jamai­ka auskennt:

Wenn ich mich nicht mehrfach ver­hört habe, ist da wed­er [ø:] noch [eɪ].

*Der ARD-Reporter zeigt sich über­rascht — und will es nicht gewe­sen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natür­lich haben Sie den Preis nicht ver­di­ent. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man kön­nte Ihnen vor­w­er­fen, Sie wür­den Humorter­ror­is­ten ernst nehmen.

Literatur

Devon­ish, Hubert & Otele­mate G. Har­ry. 2004. Jamaican Cre­ole and Jamaican Eng­lish: phonol­o­gy. In: Bernd Kort­mann & Edgar W. Schnei­der [Hrsg]. A Hand­book of Vari­eties of Eng­lish. Vol­ume 1: Phonol­o­gy. De Gruyter: 450–480.