Schlagwort-Archive: Sprachkontakt

Ken Lee und der Dadaismus einer Fremdsprache

Von Kristin Kopf

Wenn die Klausuren vor­bei sind, gibt’s auch wieder wortre­ichere Ein­träge, versprochen.

Wom­it ich mich vom Ler­nen ablenke, kann man hier sehen:

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Was mich vor allem fasziniert, ist die Ein­stel­lung zu Sprache, die dahin­ter­steck­en muss. Die Sän­gerin ist ja fest davon überzeugt, dass sie alles richtig singt — wahrschein­lich, weil sie es ihrer Mei­n­ung nach exakt so nachs­ingt, wie sie es gehört hat.
Dass das nicht reicht um ver­standen zu wer­den, weil man immer mit den Ohren sein­er Mut­ter­sprache hört, wurde ihr wohl erst später klar.

Snack su Silvester: Seeunkraut

Von Kristin Kopf

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Ein schön­er Fall, der zeigt, dass bei zusam­menge­set­zen Wörtern (Kom­posi­ta) die Teilbe­deu­tun­gen nicht automa­tisch die Gesamtbe­deu­tung ergeben — und dass man entsprechend ganz schön daneben­liegen kann, wenn man die Einzelbe­standteile wörtlich übersetzt:

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Manch­mal wur­den solche wörtlichen Über­set­zun­gen übri­gens zu “richti­gen” deutschen Wörtern — allerd­ings meis­tens nur, wenn es entwed­er noch kein deutsches Wort dafür gab, oder das Wort aus irgen­deinem Grund als inadäquat emp­fun­den wurde.
So etwas nen­nt man dann Lehnüber­set­zung: Hellse­her (frz. clair­voy­ant), Einkauf­szen­trum (engl. shop­ping cen­ter), allmächtig (lat. omnipotens).

Sprachtod = Kulturtod

Von Kristin Kopf

Hier spricht ein Men­sch (K. David Har­ri­son), dessen Buch (“When lan­guages die”) ich mir beina­he bei der DGfS gekauft hätte, über Sprach­tod. Zur Sen­si­bil­isierung für das Prob­lem ganz schön, finde ich.

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Mischievous Michif

Von Kristin Kopf

Ich lese span­nende Büch­er und muss drin­gend erzählen, was drin ste­ht!
Aber erst die Quelle:

Peter Bakker (1997): A Lan­guage of Our Own. The Gen­e­sis of Michif, the Mixed Cree-French Lan­guage of the Cana­di­an Métis. New York, Oxford.

Michif ist eine Sprache, die aus zwei Sprachen beste­ht, die sich auf sehr ungewöhn­liche Weise miteinan­der ver­bun­den haben — näm­lich fein säuberlich.

Lexik

Die eine Hälfte (Ver­ben, Demon­stra­ti­va) ist Plains Cree, die andere (Nomen, Adpo­si­tio­nen, Per­son­al­pronomen, Numer­alien) ist Franzö­sisch. Adjek­tive, Adver­bi­en, Quan­tifika­toren und andere Funk­tion­swörter kön­nen aus bei­den Sprachen stammen.

Phonolo­gie

Es gibt zwei ver­schiedene Phonem­sys­teme in Michif — selb­st wenn ein Phonem in bei­den Teilen vorkommt, hat es immer noch ver­schiedene Allo­phone. Nur im frz. Teil hat sich eine Art Vokalhar­monie entwick­elt (die es natür­lich im “richti­gen” Franzö­sisch nicht gibt, aber vielle­icht in dem frz. Dialekt der als Basis für Michif diente, das ist noch nicht erforscht). Die bei­den Sys­teme bee­in­flussen sich also nicht gegen­seit­ig — mit ein­er klitzek­leinen Aus­nahme, näm­lich der Cree-Beto­nung, die den frz. Teil in eini­gen Fällen (drei- oder mehrsil­bige Wörter) beeinflusst.

Syn­tax

Die Wort­stel­lung ist wie im Cree, näm­lich sehr frei. Inner­halb der Nom­i­nalphrase ist sie wie im Französischen.

Die Kon­gruen­zsys­teme der bei­den Sprachen verbinden sich — im frz. Teil maskulin/feminin in der NP, im Cree belebt/unbelebt — die frz. Nomen wer­den also als belebt oder unbelebt klas­si­fiziert und entsprechend kon­gruiert dann das Cree-Verb.

Mor­pholo­gie

Manch­mal kön­nen frz. Wörter Cree-Affixe haben, aber das kommt eher sel­ten vor.

Und wer macht sowas?

Gesprochen wird Michif von den Métis in Kana­da und Nor­dameri­ka, ein Volk, das sich eben­so fein säu­ber­lich ver­bun­den hat: Die Män­ner waren europäis­che Pelzhändler, die Frauen Cree-Indi­aner­in­nen. Heute gibt es weniger als 1000 Sprecherin­nen und Sprech­er, zu Spitzen­zeit­en waren es aber auch nur max­i­mal 3000. Die meis­ten von ihnen sprechen wed­er Franzö­sisch noch Cree.

Das Buch von Bakker hat sich zum Ziel geset­zt, her­auszubekom­men, wie es zu dieser ungewöhn­lichen Mis­chung kam. Bish­er hat er allerd­ings nur Hypothe­sen ver­wor­fen, die eh nicht ern­stzunehmen waren, ich warte noch auf die magis­che Lösung … wenn die kommt, sage ich natür­lich Bescheid, und ich suche auch noch ein paar schöne Beispiel­sätze aus!

Update:

Ich habe natür­lich schon lange her­aus­ge­fun­den, was Bakker denkt, auch wenn ich das Buch lei­der nicht zu Ende lesen kon­nte. Uuu­u­u­und zwar:
Es han­delt sich um ein absichtlich geschaf­fenes Phänomen, um die neue kul­turelle Iden­tität der Métis zu stärken. Das denkt auch Sarah Grey Thoma­son, ich bin mir aber noch nicht so sich­er, ob ich es so plau­si­bel finde. Sollte ich mal wieder in die Nähe des Bakker-Buch­es kom­men, lasse ich mich aber gerne eines Besseren belehren.

Oh, und der ver­sproch­ene Beispiel­satz:
æ be:bi la præses ki:-aja:w‑e:w
ART:Sg. Baby ART:Sg. Prinzessin PRÄT-haben-TRANS.ANIM.3.>3.Sg.
‘Die Prinzessin hat­te ein Kind.’
(Bakker/Papen 1997:336)