Fast jedes Mal, wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, fällt mir eine kleine Eigenheit im Bahnenglisch auf:
“Ladies and Gentlemen, we arrive Berlin-Spandau …”
Fast jedes Mal, wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, fällt mir eine kleine Eigenheit im Bahnenglisch auf:
“Ladies and Gentlemen, we arrive Berlin-Spandau …”
Was die Sache zusätzlich verkompliziert, ist die Tatsache, dass der sogenannte abweichende Artikelgebrauch natürlich nicht einfach so vom Himmel gefallen ist. Denn zu Keltizismustheorie und Kontakttheorie kommt noch die Möglichkeit eines konservierten Überbleibsels aus Mittel- und/oder Frühneuenglisch. Weiterlesen
Wenn sich Wörter im Deutschen und im Englischen formal sehr ähneln, führt das gelegentlich dazu, dass man sie auch inhaltlich gleichsetzt. Das ist mir bei Spiegel Online in den letzten Tagen ein paarmal aufgefallen:
Evelyn Border, 56 Jahre alt, eine kleine runde Frau mit einem freundlichen runden Gesicht, hatte sich, so sagt sie es, stets bemüht, anständig durchs Leben zu gehen. Nicht mal ein Parkticket habe sie bekommen, in 56 Jahren. (Quelle)
Ich habe einen tollen Onlinekurs in Etymologie entdeckt – wer sich für die Herkunft von Wörtern interessiert, sollte ganz schnell hingehen:
Alle Informationen sind in kleine, leicht verständliche Einheiten gegliedert. Es geht nicht nur um Einzelwortgeschichte, sondern um übergreifende Konzepte wie Bedeutungswandel und auch um den Einfluss von Lautwandel. Wenn man Lust hat, kann man das Gelernte am Ende in einem kleinen Quiz testen. Super gemacht und präsentiert!
Habt Ihr schon mal drüber nachgedacht, dass viele Tiere nach Tieren benannt sind? Obwohl sie gar nicht miteinander verwandt sind? Also z.B. eine Meerkatze keine Katze ist?
Meistens ist der Tierbestandteil ein Wort für ein schon lange domestiziertes Tier – ist ja logisch, dass man von Bekanntem ausgeht, um Unbekanntes zu benennen. In meiner Sammlung besonders prominent1:
Das Schwein
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Das Pferd
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Der Hund
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Die Katze
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Der Bär
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Der Igel
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Die Gründe für solche Benennungen sind wahrscheinlich sehr vielfältig, jedes Wort hat seine eigene Etymologie.
Bei vielen Bezeichnungen ist ganz klar, dass man niemals dachte, das Tier gehöre zu der Gattung, nach der es benannt ist (Heupferd, Meerschweinchen, Seehase). Warum dann die Benennung? Der kognitive Prozess, der hier häufig mitspielt, nennt sich “Metapher”. Ja, genau, das gibt es nicht nur in Gedichten. Ein Heupferd könnte zum Beispiel nach dem Pferd benannt sein, weil es ebenfalls springt. Ein Wasserfloh könnte so heißen, weil er ähnlich klein wie ein Floh ist. Eine Eichkatze kann so gut klettern wie eine Katze. Ein Seepferdchen sieht einem Pferdekopf ähnlich.
Überhaupt ist die Gruppe der See-Irgendwasse ziemlich groß – vielleicht weil man versuchte, das Seetierreich ähnlich dem Landtierreich zu strukturieren? (Natürlich nicht bewusst. Und natürlich ist das nur eine wilde Vermutung.)
Es gibt aber auch eine Gruppe von Wörtern, bei denen man das Tier YX wirklich als eine Art von X betrachtete. Dazu gehören z.B. die Walfische, die man lange für eine Fischart hielt. (Natürlich entstanden die meisten Wörter, bevor unsere heutige Taxonomie entstand, sie waren also nicht wirklich “Fehlbenennungen”.)
Und schließlich gibt es auch noch die beliebten Volksetymologien: Das Tier hieß ursprünglich ganz anders, das Wort ähnelte aber einem bekannten Tier und wurde so daran angeschlossen. So nimmt man an, dass Meerkatze auf altindisch markáta- ‘Affe’ zurückzuführen ist. Schon im Althochdeutschen wurde es aber als mer(i)kazza bezeichnet.
Auch noch wichtig ist, dass viele dieser Wörter keine deutschen Bildungen sind, sondern Übersetzungen aus einer anderen Sprache. So stammt der Seehund aus dem Niederländischen oder Niederdeutschen und das Flusspferd aus dem Griechischen.
Falls Ihr noch weitere Tiere kennt, die nach Tieren benannt sind … ich freue mich über Kommentare! Auch über Beispiele aus anderen Sprachen oder Hinweise zur Herkunft der schon genannten Wörter.
photokej hat ein schönes Hinweisschild bei einem türkischen Lebensmittelhändler gefunden, das auch aus Schplock-Perspektive spannend ist:
Der deutsche Text Libe Kunden wirzind urlaup Danke verrät nämlich einiges über das türkische Schriftsystem und das Türkische generell.
Türkisch wird erst seit 1928 in lateinischen Buchstaben geschrieben, davor benutzte man arabische Schriftzeichen. Die waren allerdings ziemlich inadäquat, weil man damit nicht alle Laute des Türkischen notieren konnte. Seit 1928 benutzt man nun also lateinische Buchstaben: <a b c ç d e f g ğ h ı i j k l m n o ö p r s ş t u ü v y z>
Wie die Buchstaben im Einzelnen ausgesprochen werden, könnt Ihr ganz leicht selbst herausfinden, nur auf das <z> will ich eingehen. Wie in sehr vielen anderen Sprachen auch1, steht das <z> im Türkischen nicht für [ts], sondern für ein stimmhaftes s.
Im Deutschen gibt es <ß> und <ss> ausschließlich für das stimmlose s. Der Buchstabe <s> kann aber sowohl für die stimmlose als auch für die stimmhafte Variante stehen: in <Ast> ist er stimmlos, in <Sonne> stimmhaft. Bei deutschen Wörtern ist das <s> am Wortanfang immer dann stimmhaft, wenn ein Vokal direkt darauf folgt. (See, Sau, sieben, … aber Slalom, Skript, Sniper2)
Die Schreibung <zind> für <sind> kommt also daher, dass im Türkischen <z> der Buchstabe für das stimmhafte s ist.
(Darauf folgt natürlich auch umgekehrt die Erkenntnis, dass Namen wie Özdemir nicht Ötzdemir gesprochen werden.)
Urlaub wird im Deutschen ja tatsächlich mit einem p-Laut am Ende gesprochen. Schuld ist die “Auslautverhärtung”, ein Phänomen des Deutschen, das bestimmte Konsonanten am Silbenende stimmlos macht.
Betroffen sind
Die Auslautverhärtung ist ein sehr altes Phänomen, schon im Mittelhochdeutschen gab es sie (<c> = [k]):
… ich sach, deist sicherlîchen wâr,
eins gebûren sun, der truoc [trug] ein har,
daz was reide unde val;
ob der ahsel hin ze tal mit lenge ez volleclîchen gienc [ging]. […]wie Troye wart besezzen,
dô Pârîs der vermezzen
dem künege ûz Kriechen nam sin wîp, [Weib]
diu im was liep [lieb] alsam sîn lîp [Leib], … (Meier Helmbrecht)
Zwischenzeitlich hat man aber wieder aufgehört, sie auch zu schreiben. Der Grund nennt sich “Morphemkonstanz” was eigentlich nichts anderes heißt, als dass man am Schriftbild klar erkennen können soll, dass <Urlaub> und <Urlaube> Formen ein und desselben Lexems sind.
Aber zurück zur türkischen Transferenz: Die Person hat nicht nur urlaup geschrieben, weil sie nach Gehör geschrieben hat. Im Türkischen gibt es nämlich ein Phänomen, das auch mit stimmhaften und stimmlosen Konsonanten zu tun hat:
p, t, k oder ç am Wortende werden bei vielen Wörtern stimmhaft, wenn eine Endung angefügt wird. Man könnte es auch als “Inlauterweichung” bezeichnen:
Im Gegensatz zum Deutschen schreibt man das im Türkischen aber auch verschieden:
Der Verschriftung der deutschen Auslautverhärtung wird also durch die türkische Rechtschreibung nachgeholfen – wenn man den Wechsel von <b> und <p> schon kennt, kommt’s einem auch im Deutschen nicht unbedingt komisch vor.
Mein letzter Punkt hat mir Rechtschreibung nichts mehr zu tun – es geht um die fehlende Präposition im.
Im Türkischen gibt es keine Präpositionen. Ihre Funktion wird in den meisten Fällen von Kasusendungen erfüllt, die ans Substantiv angehängt werden:
Ich nehme an, dass auch bei im Urlaub im Türkischen ein Lokativ stehen müsste (?).
Die beiden Systeme sind also nicht wirklich kompatibel. Dazu kommen die Genera des Deutschen: Um im Urlaub korrekt sagen zu können, muss man nicht nur die entsprechende Präposition kennen, sondern auch noch wissen, dass Urlaub maskulin ist und daher im braucht, nicht in der. (Ganz abgesehen von der Kasusflexion …)
Die Präposition wegzulassen, ist da wahrscheinlich das einfachste. Vor allem, wenn man endlich entspannt Ferien machen will.
Vor einiger Zeit habe ich mir hier im Sprachblog über den Werbeslogan ferry-very-good der niederländischen Firma Dalessi gewundert. Zum einen fand ich ihn semantisch schwer durchschaubar, zum anderen war ich der Meinung, dass die formale Analogie zwischen ferry und very nur dann wirklich gut funktioniert, wenn man den Unterschied in der Stimmhaftigkeit des ersten Lauts ignoriert — so, wie es die nördlichen Dialekte des Niederländischen tun.
Nun hat ein Kommentator, der nach eigener Aussage Gerrit Potsma, Chef der Firma Dalessi ist, auf diesen Beitrag geantwortet und hat versucht, zumindest in das Bedeutungsdunkel etwas Licht zu bringen (ob der Kommentar wirklich von Potsma stammt, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber es scheint zumindest plausibel, da der Kommentar insgesamt nicht nach einem Täuschungsmanöver klingt; seine IP-Adresse gehört immerhin einem niederländischen Internetanbieter): Weiterlesen
Ernst Wilhelm hat in seinem Blog gefragt, wie der Zwiebelfisch drauf kommt, dass man südlich von Hannover kein Platt mehr spreche. Ich nehme an, der Zwiebelfisch hat um des dramatischen Effekts Willen untertrieben – denn natürlich spricht man auch südlich von Hannover noch Platt. Je nach Definition auch noch viel weiter südlich.
Die Bezeichnung Platt wird nämlich für zwei Dinge verwendet, die sich teilweise überlagern: Zum einen ist es ein Synonym für die wissenschaftliche Bezeichnung Niederdeutsch. Damit werden alle Mundarten bezeichnet, die von der Zweiten Lautverschiebung nicht erfasst wurden, wo man also noch Pund, Appel, dat und maken statt Pfund, Apfel, das und machen sagt. In Hannover und Umgebung heißt die niederdeutsche Mundart Ostfälisch. Im Süden reicht sie bis Göttingen und noch ein Stückchen weiter. Das sieht man prima auf diesem Ausschnitt einer Wikipediakarte – das Ostfälische trägt die Nummer 7:
Hinzu kommt aber noch eine zweite Verwendung von Platt, bei der sich die SprecherInnen herzlich wenig darum scheren, ob sie im niederdeutschen Gebiet leben oder nicht, nämlich als Synonym für Dialekt. Diesen Gebrauch findet man vor allem im westmitteldeutschen Sprachraum, also zwischen Germersheim und Düsseldorf. Eine Befragung des Atlas’ der deutschen Alltagssprache zeigt das eindrücklich – hier der Link zur Karte, alle blauen Punkte bezeichnen SprecherInnen, die von ihrem Dialekt als Platt sprechen. (Soweit ich das verstanden habe, kann ein Ortspunkt aus nur einer Person bestehen, aber auch aus mehreren, je nach dem, wie viele geantwortet haben. Also ist es eher als Impression zu werten, ähnlich wie bei König.)
Das Wort Platt kommt wohl aus dem Niederländischen, das es wiederum aus dem Französischen entlehnt hat. Im Niederländischen tauchte es erstmals in einem Druck des Neuen Testaments aus Delft aus – im Titel und Vorwort kommt die Wendung in goede platten duytsche vor (Sanders 1982:26). plat bedeutet dabei ‘klar, deutlich, allen verständlich’ und nahm nach und nach die Bedeutung ‘allen verständliche Sprache’ (im Gegensatz zum Lateinischen) an. Das Wort schaffte es auch in den niederdeutschen Sprachraum, und von dort aus wahrscheinlich ins Westmitteldeutsche – allerdings nicht bevor es eine Bedeutungsverschlechterung zu ‘niedrige, derbe Sprechweise’ mitgemacht hatte. Ab dem 18. Jahrhundert war es in Norddeutschland gebräuchlich. Sowohl Sanders (1982) als auch Stellmacher (1990) weisen darauf hin, dass die negative Bedeutung noch heute mitschwinge. Mir selbst kam das allerdings nie so vor, eher im Gegenteil.
Die Erklärung, dass Platt vom platten Land komme, auf dem es gesprochen wird, findet sich übrigens in älteren Wörterbüchern (z.B. bei Campe 1809), scheint aber mittlerweile widerlegt zu sein.
Ernst Wilhelm schreibt auch:
Eck frage mek ohnedem worumme die Luie glöwet dat heier in use Gegend dat beste Hochdütsch esproket ward. [Meine Übersetzung: Ich frage mich sowieso, warum die Leute glauben, dass hier in unserer Gegend das beste Hochdeutsch gesprochen wird.]
Das frage ich mich allerdings auch.
Bis Anfang des 17. Jahrhunderts war Niederdeutsch (genauer die ältere Sprachstufe Mittelniederdeutsch) sowohl die gesprochene als auch die geschriebene Sprache in Norddeutschland. Dass ihre Verschriftung endete und sie fast nur noch in den niedereren Gesellschaftsschichten gesprochen wurde, hat mehrere Gründe (nach König 2005):
Als Hoch- und Schriftsprache setzte sich also das Hochdeutsche durch. Nun gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits eine sehr einheitliche hochdeutsche Schriftsprache (wie die entstand, erzähle ich ein andermal) – aber die Aussprache war ein ganz anderes Paar Schuhe, je nach Region konnte das schriftlich so einheitliche Deutsch sehr, sehr verschieden klingen. Die niederdeutschen Dialekte sind in der Aussprache von den hochdeutschen Dialekten ziemlich weit entfernt, wesentlich weiter als vom Niederländischen z.B. Für Norddeutsche war das Hochdeutsche wie eine Fremdsprache, es musste ganz neu gelernt werden. Wie man es schrieb war klar, wie aber sollte es ausgesprochen werden? Das Zauberwort heißt “Schreiblautung”, also buchstabengetreue Aussprache des Geschriebenen.
Im Süden war es leicht, das Geschriebene entsprechend der lokalen Dialekte auszusprechen – Dialekt und Schriftsprache waren ja doch recht eng miteinander verwandt. So gab (und gibt) es in vielen süddeutschen Dialekten kein ö, sondern an den entsprechenden Stellen ein e. Es heißt also heren statt hören, Werter statt Wörter. Immer ein e zu lesen, wo ein <ö> stand, war für die Menschen überhaupt kein Problem. (Wir sprechen hier natürlich nur von Menschen, die lesen konnten. Menschen, die nicht zu dieser Schicht gehörten, sprachen ausschließlich ihren Dialekt, ohne Versuch, sich dem nur geschriebenen Standard anzupassen.)
Im niederdeutschen Sprachgebiet gab es die Möglichkeit einer modifizierten Aussprache nicht. Die Laute des Niederdeutschen waren einfach zu verschieden von denen des Hochdeutschen. Im Sprechen hätte man bei jedem Wort quasi die Auswirkungen der Zweiten Lautverschiebung und anderer Lautwandelprozesse des Hochdeutschen rückgängig machen müssen, und das geht einfach nicht. Entsprechend sprachen die Menschen im niederdeutschen Gebiet die hochdeutsche Schreibung aus, wie sie dastand. So gelangte man schließlich zur Auffassung, die Norddeutschen sprächen das beste Hochdeutsch.
Es gab aber auch noch einen zweiten Ort, an dem man sich sehr um eine einheitliche Lautung bemühte: Die Theaterbühne. Schon Goethe forderte eine einheitliche Bühnenaussprache ein, und 1898 wurde sie schließlich auf einer Konferenz von Mitgliedern des deutschen Bühnenvereins und Vertretern der Germanistik in Berlin festgelegt. Nachzulesen ist sie in Theodor Siebs’ “Deutsche Bühnenaussprache”. Es handelt sich dabei aber ausdrücklich nicht um eine Schreiblautung, Siebs – übrigens ein Norddeutscher – schreibt:
[D]ie Schreibung kann niemals Maßstab für die Aussprache sein. Die Schrift ist gegenüber der Aussprache stets etwas Sekundäres.
Das merkt man z.B. bei Wörtern mit <st> oder <sp> am Anfang: Würde man sie nach der Schreibung aussprechen, müsste es S‑tein oder S‑piel heißen. Siebs forderte aber, wie es auch der tatsächlichen Aussprache entsprach, den sch-Laut:
[D]ie nordwestdeutsche Aussprache sp, st ist als mundartliche Eigenart auf der Bühne durchaus zu vermeiden.
Bis zur Entstehung des Aussprachedudens (BRD, 1962) bzw. des “Wörterbuchs der deutschen Aussprache” (DDR, 1964) war die Bühnenaussprache maßgebend, sie galt als korrekt. Für korrekte Aussprache gibt es übrigens auch einen Fachbegriff: Orthoepie (also wie Orthografie, nur gesprochen). Obwohl die Bühnenaussprache von der norddeutschen Schreiblautung bestimmt beeinflusst wurde, ist sie nicht mit ihr gleichzusetzen. Es ist also reine Definitionssache, wo das “beste” Hochdeutsch gesprochen wird. Wenn man die Güte aber daran misst, wie sehr die Aussprache als kodifizierter Standard gilt, dann hat Hannover nicht mehr so viel zu melden.
Heutige Aussprachewörterbücher lassen sehr viele Variaten zu und berücksichtigen das gesprochene Deutsch zu einen größeren Maße. Sie orientieren sich auch nicht mehr an SchauspielerInnen, sondern z.B. an NachrichtensprecherInnen, also Menschen, die ein möglichst breites Publikum möglichst neutral informieren wollen.
[Beim Googlen bin ich auch noch auf einen interessanten Artikel zum Thema gestoßen: Hannover für Sprachbegabte]
Kürzlich kam hier jemand her auf der Suche nach einer
deutschlandkarte auf japanisch
Ja, wie kann man so etwas finden? Wahrscheinlich wird ja nicht “Deutschlandkarte” dabeistehen, wenn’s auf Japanisch ist. Ich hatte mehrere semibrillante Ideen, die schiefgegangen sind: In der japanischen Wikipedia hat der Eintrag für Deutschland nur eine deutsche Karte, bei GoogleMaps-Japan sind die Orte in Originalsprache bezeichnet. Dann also doch das Offensichtlichste: Bildersuche bei Google mit dem Suchwort ドイツ (doitsu ‘Deutsch(land)’). Gleich auf der ersten Seite gibt es drei Karten: eine zweisprachige, und zwei rein japanische. Verfeinert man die Suche noch mit den Schriftzeichen für Landkarte, 地図, findet man u.a. noch eine etwas detailliertere zweisprachige Karte.
All diese Karten sind in Katakana beschriftet, also der Schrift für Fremdwörter. Dabei versucht man, den deutschen Klang so gut wie möglich mit den japanischen Lauten und vor allem der japanischen Phonotaktik wiederzugeben.
Phonotaktik bezeichnet die in einer Sprache möglichen Lautkombinationen. Besonders was die Konsonanten anbetrifft, gibt es da zwischen verschiedenen Sprachen große Unterschiede. Im Deutschen können Silben mit mehreren aufeinanderfolgenden Konsonanten beginnen oder enden, wie ʃt-, ʃpr-, ʃl-, kr-, … (stehen, sprechen, schlafen, kriechen) oder -nf, -rm, -ln, -rbst … (Hanf, Arm, streicheln, Herbst). Solche Kombinationen heißen auch “Konsonantencluster”. Im Japanischen gibt es das quasi nicht. Am Anfang einer Silbe können maximal zwei Konsonanten stehen, aber auch nur ganz bestimmte, und am Ende nur einer.
Wenn man mit solchen Silben nun deutsche Wörter erfassen will, wird’s schwierig. Was ist mit einer Stadt wie Stuttgart? Die Lösung ist einfach: Man schiebt ein paar Vokale zwischen die störrischen Kononantencluster: shu-tut-to-ga-ru-to (シュトゥットガルト). Schwupps, entspricht das Wort den phonotaktischen Regeln des Japanischen. Die Vokale zwischen stimmlosen Konsonanten werden übrigens fast gar nicht ausgesprochen (bzw. sie werden stimmlos, aber dazu ein andermal), so dass der Wortanfang für deutsche Ohren wie scht- klingt. Den Effekt kann man bei diesem Wort, shukudai ‘Hausaufgaben’, hören – es klingt wie shkudai.
Und für alle, die gerne rätseln …
Die Lösungen:
Lietuvis hat in einem Kommentar zum Pfingsten-Beitrag folgende Bemerkung gemacht:
“Im Norddeutschen ist anlautendes /pf/ auch zu /f/ geworden, ich kenne niemanden, der einen Unterschied zwischen “Pfund” und “Fund” macht (beides /fund/), oder zwischen “Pferd” und “fährt” […]”
In dem Beitrag ging’s darum, dass westgermanisches /p/ im Althochdeutschen zu /pf/ wurde. Allerdings hauptsächlich im Süden des Sprachgebiets. In Mitteldeutschland konnte sich in einigen Positionen das /p/ halten und im niederdeutschen Gebiet sind dialektal überhaupt keine /pf/s zu finden. (Wenn das zu verwirrend klingt: Im angesprochenen Beitrag ist es noch einmal ausführlich erklärt.)
Ich kenne das Ferd-Fänomen auch, habe allerdings noch nie darüber nachgedacht, wo und wie es entstanden ist. Glücklich- und zufälligerweise konnte ich kürzlich nach Monaten der Suche der “Deutschen Mundartkunde” von Schirmunski (1962) habhaft werden und habe gleich mal nachgeblättert …
Im ostmitteldeutschen Gebiet (“hinter Kassel”) sagt man dialektal im Anlaut (und nur! im Anlaut) f-, wo man im Hochdeutschen pf- sagt. Nach Süden stellt die Linie Meiningen – Rudolstadt – Greiz – Zwickau – Chemnitz – Freiberg – Dresden die Grenze zum pf-Gebiet dar. WordPress will nicht, dass ich hier eine Karte einfüge, aber ich habe sie natürlich trotzdem gebastelt: Guckt hier! (Die Linie im Osten ist die pf-vs.-f-Linie, die im Westen die pf-vs.-p-Linie, wobei ich bei letzterer keine besonders belastbaren Daten in Form von Ortsnamen hatte, das werde ich modifizieren, sobald ich wieder bei meinen Büchern bin.)
Aber auch im niederdeutschen Sprachgebiet, also ganz im Norden, kommt f- vor. Über den Ortsdialekt von Stolzenhain, also im Grenzgebiet zwischen Ostmitteldeutsch und Niederdeutsch, schreibt (Schirmunski 1962:291):
“Das anlautende pf- wird in einer Reihe von Wörtern, wie gewöhnlich bei Einwirkung der hochdeutschen Norm auf eine niederdeutsche mundartliche Grundlage (im gegebenen Fall aber vielleicht auch unter unmittelbarem Einfluß der ostmitteldeutschen Aussprache), durch f- ersetzt, z.B. fīfen ‘pfeifen’ (neben dem alten pipen), fennik ‘Pfennig’, fund ‘Pfund’, féršike ‘Pfirsiche’, aber peffer.”
Das Phänomen scheint also beim Varietäten- bzw. Sprachkontakt mit pf- vs. p- als Kompromiss aufzutreten.
Leider habe ich keine aktuelle Karte gefunden, die anzeigt, wie verbreitet das Phänomen im Westen ist – also ob es in der heutigen Umgangssprache bereits im westmitteldeutschen Gebiet einsetzt, oder erst weiter nördlich, im niederdeutschen Gebiet. Ich hoffe drauf, bei König im “Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland” was zu finden, da werde ich reinschauen, wenn ich das nächste Mal an der Uni bin.
Das ostmitteldeutsche Gebiet war ursprünglich slawisches Sprachgebiet und wurde erst später von Sprechern deutscher Dialekte besiedelt. Die kamen aus zwei Gegenden: einmal aus Hessen (→ Thüringen → Sachsen → Schlesien) und einmal aus dem oberdeutschen Sprachgebiet (→ Maintal → Vogtland → Kurfürstentum Meißen). Schirmunski bezeichnet das anlautende f- in diesem Gebiet als “Merkmal der Siedlungsmischung”, also als Resultat aus der Vermischung der verschiedenen Dialekte. Ein Laut, den es so nicht gab, wurde durch einen ähnlichen ersetzt. Herausgefunden hat das Herr Wrede, und Schirmunski (1962:273) schreibt dazu:
“[…] die den nördlichen deutschen Mundarten und damit einem Teil der Siedler fremde Affrikate pf- wurde durch den Reibelaut f- ersetzt, der in ihrem Lautsystem jener am nächsten stand. [Das] wird dadurch bestätigt, daß überall auf dem Gebiet der heutigen nieder- und mitteldeutschen Mundarten, wo das mundartliche p- verdrängt wird, sich in ursprünglicher unvollständiger Übernahme der hochdeutschen literarischen Norm f- statt pf- ausbreitet.”
Im niederdeutschen Gebiet könnte am Grenzgebiet zum Mitteldeutschen die ostmitteldeutsche Aussprache an der Durchsetzung des f- mitgewirkt haben. Unabhängig davon hat sich aber wahrscheinlich einfach derselbe Prozess wie im Ostmitteldeutschen erneut vollzogen, es wurde ein Kompromiss zwischen dem Niederdeutschen und dem sich ausbreitenden Hochdeutschen geschlossen.