Auch die taz hat so eine Art Sprachglosse, auch wenn sie nicht so heißt und irgendwie auch etwas versteckt daher kommt. Aber Peter Köhler schreibt in DIE WAHRHEIT ab und zu über Sprachliches. Letzte Woche nahm er sich die Präpositionen vor und deren sich „breit machende“ falsche Verwendung. Aus meinen Abozeiten der taz-Printausgabe meine ich mich zu erinnern, dass DIE WAHRHEIT in Wahrheit so eine Satire- und Kommentarseite ist, aber das ist lange her. Satire dürfen wir in diesem Fall vermutlich ausschließen, nehmen wir die Sache also erstmal ernst.
Schlagwort-Archive: Sprachgebrauch
Von der Neutralität der Linguistik
Auf Anatols gestrigen Literaturhinweis zu Luise Puschs Repliken auf Maskulinguisten kommentierte Leser Martin, dass er nicht versteht, wie man „aus sprachwissenschaftlicher Sicht einen aktiven Eingriff in den Sprachgebrauch befürworten“ könne. Auf diese Art Argumentation wollte ich schon seit langem mal eingehen. Die Gelegenheit ist günstig.
Ambiguitätenolympiade
Der Beitrag hätte natürlich vor dem Olympia-Overkill vor drei Wochen erscheinen sollen oder zumindest in den 16 Tagen danach, aber man will son Fest ja gucken und nicht drüber schreiben. Also: Was bedeutet Olympiade und was ist angeblich so falsch daran, es zu nutzen, wenn man das Sportfest selbst meint?
Foren sind ja voll davon. Und meist endet die Diskussion damit: “Das heißt Olympische Spiele. Olympiade ist nur die Zeit zwischen den Spielen.”
Heute haue ich nicht in die “wenn es aber von einer ausreichend großen Zahl von Sprechern…”-Kerbe. Und Korpora habe ich für diesen Beitrag auch nicht gewälzt. Was bleibt ist die subjektive Einschätzung, dass eine nicht geringe Menge an ReporterInnen, TrainerInnen und SportlerInnen selbst Olympiade benutzten, um auf das aktuelle Ereignis zu referenzieren.
Neues von den Humorterroristen
Erleichterung könnte sich breit machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…
Die Humorterroristen vom Verein Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfunden und unters Journalistenvolk gejubelt haben („Dschammeeka-Preis“). Damit kritisieren sie einen ARD-Reporter aufgrund dessen angeblicher und angeblich falscher Aussprache von Jamaika*:
„Ich habe nichts dagegen, wenn Reporter Länder in ihrer jeweiligen Landessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömeika‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dschammeeka“ würden den Namen vor allem Amerikaner aussprechen.
Seufz. Was Krämer hier mutmaßlich versucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kritisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweiten Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natürlich [aɪ] heißen soll (vermutlich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifelsfall beim Anlautkonsonanten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offenbar nicht.) Demnach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanischen Aussprache, nicht der “jeweiligen Landessprache”, die angeblich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.
Abgesehen davon, dass der gerundete Vokal [ø:] in jamaikanischen Varietäten des Englischen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diphthong [eɪ] bildet (Devonish & Harry 2004), fragen wir doch einfach jemanden, der sich mit der Landessprache in Jamaika auskennt:
Wenn ich mich nicht mehrfach verhört habe, ist da weder [ø:] noch [eɪ].
*Der ARD-Reporter zeigt sich überrascht — und will es nicht gewesen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natürlich haben Sie den Preis nicht verdient. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man könnte Ihnen vorwerfen, Sie würden Humorterroristen ernst nehmen.
Literatur
Devonish, Hubert & Otelemate G. Harry. 2004. Jamaican Creole and Jamaican English: phonology. In: Bernd Kortmann & Edgar W. Schneider [Hrsg]. A Handbook of Varieties of English. Volume 1: Phonology. De Gruyter: 450–480.
Das weibliche Airbus
Am Dienstag wäre Amelia Earhart 115 Jahre alt geworden. Zeit, sich mal damit zu beschäftigen, welches Genus Flugzeuge denn so haben. Denn vermutlich vergeht keine Einführung in die Englische Linguistik ohne den Zusatz, dass das auf biologischem Geschlecht beruhende Genussystem des Englischen Ausnahmen zulässt: Schiffe, Autos und Flugzeuge sind da angeblich gerne mal feminin.
Zum Englischen kommen wir später — schauen wir mal kurz ins Deutsche: Weiterlesen
Sprachkritik auf Ramschniveau
Am 10. September war “Tag der deutschen Sprache”. Keine Sorge — wer jetzt hektisch im Termin- und Gedenktagskalender nachsieht, ob er an diesem Tag einen Schrein angehimmelt hat, der sei beruhigt: Dieser Tag ist eine Aktion des Verein deutsche Sprache (VDS). Damit will der VDS seit 2001 “ein Sprachbewusstsein schaffen und festigen […]”
Jedenfalls kriechen an und vor diesem Tagen die Medien, vorrangig die kleineren, vor dem Altar der Sprachkritik zu Kreuze und veröffentlichen im Zuge ihrer Praktikantenbeschäftigungsprogramme die entsprechenden VDS-Pressemeldungen. Einige Zeitungen versuchen sich gar in Kreativität. Die Badische Zeitung (BZ) ist so ein Beispiel.
Die BZ präsentierte ein kleines “Floskelalphabet” des “Fastfood der Sprache”. Von A bis Z hohle Floskeln. Darunter: Zukunftsperspektive (hä?), Dozierende & Studierende (gähn) oder nicht wirklich (schnarch). Aber mir soll’s heute um Ramschniveau gehen.
Die Redakteure wollen nach eigenen Worten der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 nicht vorgreifen — halten sie Ramschniveau doch für einen ausrichtsreichen Kandidaten (mit dieser Einschätzen könnten sie sogar recht gut liegen) und schlagen das Wort denngleich zur Wahl vor.
Aber aus falschen Motiven. Denn der BZ geht es nicht um das Wort Ramschniveau an sich, sondern darum, was gerne mal vor Ramschniveau verwendet wird — und warum diese Konstruktion angeblich ins Floskelalphabet gehört. Die BZ schreibt:
Ramschniveau
Wir wollen der Jury, die das Unwort des Jahres 2011 ermittelt, nicht vorgreifen, aber ihr dieses Wort vorschlagen. “Irland auf Ramschniveau herabgestuft.” Ganz Irland? Natürlich nicht, bloß seine Staatsanleihen. Der Ire muss es unfair finden.
Hier drängt sich also die Frage auf: Werden sich die Iren beleidigt fühlen (müssen/dürfen)?
Na, vielleicht auf Regierungen und Finanzspekulateure, die ihnen die Suppe eingebrockt haben. Aber sprachlich ist hier eigentlich alles in Ordnung. Wenn die BZ sagt: “ ‘Irland auf Ramschniveau herabgestuft’ Ganz Irland? Natürlich nicht, bloß seine Staatsanleihen” — hat da jemand gröbere Verständnisprobleme, dass es eben nicht um die Bewohner geht? Die Floskelanalphabetisierungsbeauftragten der BZ übersehen bei ihrer Kritik nämlich einen alltäglichen und normalen sprachlich-kognitiven Prozess, den wir gar nicht bewusst wahrnehmen; also Laien noch weniger und die meisten Sprachkritiker schon mal gar nicht.
Dieser Prozess nennt sich Metonymie*: Von einem metonymischer Ausdruck spricht man dort, wo ein Begriff nicht in seiner wörtlichen Bedeutung verwendet wird (was immer die sein könnte), sondern es sich in einer Bedeutungserweiterung um eine enge semantische Verwandtschaft zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten handelt. Soll heißen: Durch Metonymie kann sowohl das “Ganze für einen Teil” stehen (WHOLE-FOR-PART; Ich lese Shakespeare, Shakespeare als Autor für sein(e) Werk(e)), als auch umgekehrt ein Teil der Bedeutungsschattierung für das Ganze (PART-FOR-WHOLE; Superhirn, Hirn als Teil des Menschen für den ganzen Menschen).
Wenn Neuseeland im Halbfinale der Rugby-Weltmeisterschaft Australien geschlagen hat, dann haben weder 20 Millionen Australier gegen vier Millionen Neuseeländer verloren, noch siebeneinhalb Millionen Quadratkilometer gegen eine Viertelmillion — dann haben die Spieler gegeneinander gespielt, die ihr jeweiliges Herkunftsland in einer Mannschaft repräsentieren. Wie unökonomisch wäre es denn, jedes Mal zu sagen: ‘Die Mannschaft mit Spielern australischer Staatsangehörigkeit verlor deutlich gegen die Mannschaft mit den Spielern neuseeländischer Staatsangehörigkeit’?
Als Nichtalkoholiker dürfen Sie zurecht pikiert sein, als Trinker bezeichnet zu werden, auch wenn Sie jeden Tag eine Zwei-Liter-Flasche trinken. Fahren Sie zur Tankstelle, um den Schlauch mit dem Tankstutzen an die Öffnung des Rohrs anzulegen, von wo aus das Benzin in den Tank geleitet wird — oder tanken sie einfach das Auto voll? Ich wünsche viel Spaß beim Entlüften.
Metonymien sind so alltäglich, dass sie uns nicht auffallen: Da ist Washington sauer auf Berlin, London macht Zusagen an Paris oder Deutschland verhandelt mit Peking. Dies sind sowohl Beispiele für das PART-FOR-WHOLE (Landeshauptstadt als Teil des Landes), als auch WHOLE-FOR-PART (Landeshauptstadt für die dort ansässige Regierung bzw. Landesbezeichnung für dessen politische Führung). Sollte sich der Berliner unfair behandelt fühlen, wenn die Griechen sauer auf Angela Merkel sind?
Mal sehen, wie es die Badische Zeitung mit ‘[LAND] auf Ramschniveau’ hält:
Irland rangiert damit nur noch eine Stufe über Ramschniveau.
Badische Zeitung, 16. April 2011.Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte bereits am Montag Griechenland auf das Ramschniveau CCC herabgestuft.
Badische Zeitung, 15. Juni 2011.
Fairerweise muss man dazu sagen, dass sich Ramschniveau bei der BZ tatsächlich in den meisten Fällen auf die Kreditwürdigkeit oder Staatsanleihen bezieht, in 17 von 19 Treffern. Immerhin. Aber trotzdem nutzen natürlich auch die Journalisten bei der BZ die Metonymie, um komplexere oder neue Umstände sprachökonomisch pointiert(er) darzustellen. Und im Kontext wissen wir auch, dass Connemara oder Dublin immer noch reizend und bestimmt nicht billig sind.
Nun ist Ramschniveau vielleicht nicht besonders hübsch. Oder ermunternd. Oder zutreffend. Oder gerecht. Oder psychologisch klug. Für eine Wahl zum Unwort des Jahres wäre es deshalb gar nicht so ungeeignet. Aber der BZ ging es ja um beleidigte Iren.
Bei aller Kritik am einzelnen Begriff — die Konstruktion Irland auf Ramschniveau ist sprachlich keine hohle Floskel, und ganz gedankenlos dahergesagt ist sie auch nicht. Sie ist erklärbar als eine Analogie zu einem gängigen Muster (z.B. Irland mit Defiziten im Staatshaushalt) auf Grundlage eines hundsgewöhnlichen, sprachökonomischen, kognitiven Prozesses.
Ganz nebenbei und weil es mir noch so auffällt: Die Formulierung “Das Fastfood der Sprache”, mit der die BZ ihr Floskelalphabet umschrieben hat, fällt unter den Prozess der Metapher — und ist von der Metonymie gar nicht besonders weit entfernt.
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In einer ersten Version dieses Beitrags habe ich zwei Fragen aufgeworfen. Zur Frage, ob die Iren beleidigt sein dürfen/sollen/müssen kam noch: Was hat Ramschniveau in einem Floskelalphabet der Politikersprache zu suchen? Die Überlegungen dazu uferten etwas aus — aber ich möchte nicht die Arbeit und das Gedankenchaos von Stunden einfach der Entf-Taste übergeben. Wer sich für die zweite Frage interessiert, kann mit meinen unausgereiften Überlegungen zum Begriff Ramschniveau weiterlesen (als mögliche Herleitung des Begriffs, seiner Bedeutung und Erklärung der Verwendung, aber betonterweise nicht als Rechtfertigung derselben):
…und so hinten raus?
Heute wieder ein Betrag aus der Reihe: Was macht linguistisches Wissen eigentlich für Otto Normalverbraucherin ganz nützlich?
Ich transkribiere momentan wieder Sprachaufzeichnungen mit Gesprächspartnern aus der Wirtschaft. Linguistisch und auch fürs Blog interessant wäre das als Grundlage für eine Analyse von Anglizismenanteilen in der Varietät der deutschen Wirtschaftssprache. Aber um da einen Blogbeitrag draus zu machen, brauche ich erst das Einverständnis der Verantwortlichen. Vorweg vielleicht: Es bleibt bei den fürs Deutsche handelsüblich diagnostizierten zwei bis vier Prozent.
Also kommen wir zu etwas Unverfänglicherem, was einem vielleicht auch aus jeder Unterhaltung bekannt sein könnte. Mir ist letztens nämlich aufgefallen, dass ein Teilnehmer das Partizip Perfekt von outsourcen mit outgesourced wiedergegeben hat. Nun mag der eine oder die andere aufheulen, wie man es wagen kann, ein deutsches Affix in einen Anglizismus zu schmuggeln. Man kann natürlich auch geoutsourced sagen (was das Problem für den Sprachästheten nicht lösen würde). Der Sprecher interpretierte outsourcen hier als trennbares Verb und ähnlich wie andere trennbare Verben (anfangen > angefangen), fügt man das Partizippräfix dann eben nach dem Halb-Präfix out ein. Ein ähnlicher Fall ist die Variation bei gedownloadet und downgeloadet, je nachdem, ob man downloaden als trennbar ansieht oder eben nicht. (Die Problematik der angeblichen Unverträglichkeit deutscher Flexionsmorpheme in Anglizismen lässt sich übrigens ganz einfach aus der Welt schaffen, indem man anerkennt, dass outsourcen und downloaden deutsche Wörter sind und dementsprechend nach unseren Regeln konjugiert werden.)
Mir geht es aber um etwas ganz anderes.
Ich habe oben outgesourced bewusst mit <d> wiedergegeben. Wie ja nun jeder weiß, wird im Deutschen das Partizipaffix, in diesem Fall das Zirkumfix ge-V‑t für die Partizipien regelmäßiger Verben mit [t] gesprochen und mit <t> geschrieben. Bei Anglizismen, vor allem bei solchen, die noch relativ neu eingewandert sind, ist größere Verwirrung vor allem in der Orthografie deshalb nicht ungewöhnlich: Und zugegeben, outgesourct und outgesourcet sehen auf den ersten Blick tatsächlich seltsam aus — oft behilft man sich bei der schriftlichen Wiedergabe also (noch) zusätzlich der Flexionsregeln der Gebersprache. Bei outsourcen hat <outgesourced> vermutlich auch deshalb noch doppelt so viele Googletreffer, wie <outgesourc(e)t>.*
*[UPDATE: ke hat mich in einem Kommentar darauf aufmerksam gemacht, dass ich in der Hektik völlig falsch gezählt habe: <outgesourced> und <outgesourct> haben grob etwa gleich viele Treffer bei Google. An der Annahme der Verwirrung bei der Orthografie ändert das (noch) nichts grundlegendes. Danke für den Hinweis, SF]
Neben einem seltsamen Aussehen von outgesourcet könnte das ein Grund sein, ober eben möglicherweise ein gesprochenes [d], also immer dann besonders, wenn die Integration eines Anglizismus in das deutsche Lautsystem noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Der Grund also, weshalb ich geoutsourced hier mit <d> schreibe, liegt an der Art, wie es der Interviewte aussprach, nämlich mit [d]. Die spannende Frage also: Woran hört man, dass outgesourced für diesen Sprecher noch nicht vollständig integriert ist, auch wenn er hier sogar für /r/ nicht die “englische”, sondern die “deutsche” Variante gewählt hat? Nun, bei diesem Sprecher ist es mir schlicht im Kontrast zu gesettelt (von setteln, engl. to settle) aufgefallen, das er deutlich hörbar mit [t] realisierte.
Und nun?
Da kommt ein phonologischer Prozess zum Tragen, den das Deutsche hat, nicht aber das Englische: Steht im Deutschen am Silben- oder Wortende ein stimmhafter Konsonant wie z.B. /b/, /d/ oder /g/, so wird dieser Konsonant stimmlos ausgesprochen, also als /p/, /t/ oder /k/. Genauer gesagt betrifft dieser Prozess nur die sogenannten Obstruenten, also die Konsonanten, bei denen der Luftstrom kurzfristig komplett untebrochen ist, und Frikative wie /z/ oder /ʒ/; bei den sonorantischen Konsonanten wie /m/ oder /n/ ist das nicht der Fall, die sind immer stimmhaft.
Mit anderen Worten und als Haus- und Hofbeispiel: Rad und Rat sind als [ra:t] in Isolation gesprochen nicht zu unterscheiden. Liegt der stimmhafte Konsonant dagegen nicht am Silbenende, bleibt’s beim stimmhaften Laut. Deshalb haben wir [li:bə] für Liebe, aber [li:p] für lieb oder [tsu:k] ‘Zug’ im Singular, aber [tsy:gə] ‘Züge’ im Plural.
Das ganze nennt sich Auslautverhärtung (oder allgemeiner Neutralisation) und ist neben dem Deutschen oder dem Niederländischen auch in einigen slavischen Sprachen oder dem Türkischen zu finden — aber eben zum Beispiel nicht im Englischen.
Es ist deshalb also spannend zu sehen, dass gesettelt und outgesourced in der Wiedergabe (jetzt dieses Sprechers) mal mehr, mal weniger eingebürgert zu sein scheint. Was an sich für mich überraschend war, da eigentlich meist erst die phonologische und dann die morphologische Einbürgerung erfolgt — und beide Lexeme waren ja schon mit einheimischem morphologischem Material bestückt, bei der Bildung des Partizips nämlich. Und ich stelle die These auf, dass man outgesourcet auch in der großen Mehrheit schreibt, wie man es, äh, spricht.
Auslautverhärtung betrifft natürlich auch alle Fremdwörter im Deutschen, die am Wort- oder Silbenende einen stimmhaften Obstruenten haben. Deshalb ist Blog lautlich von Block nicht zu unterscheiden (und für den Genuswandel von das Blog zu der Blog höchstwahrscheinlich mitverantwortlich), bloggen unterscheidet sich aber von blocken.
Die Auslautverhärtung ist übrigens ein Element eines typisch deutschen Akzents (beim Englisch sprechen). Muttersprachliche Interferenz führt dazu, dass Deutschsprachige die Auslautverhärtung quasi mit ins Englische importieren (z.B. Kortmann 2005: 182). Wer also in der Sprachvermittlung arbeitet oder einfach einen kleinen, einfachen Tipp haben möchte, wie man am eigenen Akzent im Englischen arbeiten kann: Lehre und lerne, I want a suite und I want a Swede auch phonologisch zu unterscheiden. Voilà.
Umgekehrt liegt in der Auslautverhärtung möglicherweise ein Grund (von mehreren), weshalb Sprecher von Sprachen ohne Auslautverhärtung Deutsch unter Umständen als “hart” wahrnehmen: Bei der Produktion von stimmlosen Lauten wird mehr Luft nach außen gepresst, weshalb diese Konsonanten auch “lauter” klingen. Genau genommen ist die Sache etwas komplizierter: die Artikulation der Phoneme /p, t, k/ ist eher eine Fall von Fortis ’stark’, die der Phoneme /b, d, g/ von Lenis ’schwach’ (Kortmann 2005: 64, Roach 2009: 28f). Aber nunja, für die Illustration reicht’s. Wen das nicht überzeugt: Fühlen wir von Quatschern im Kino gestört, werden wir zur Untermauerung etwaiger Genervtheit eher ein härter zischendes, stimmloses [ʃ] anstimmen, als ein stimmhaftes und unaufgeregtes [ʒ].
Im Deutschen bin ich deshalb ja auch meist [su:s], im Englischen hingegen [su:z]. Das noch dazu. Und wer hier einen Bezug zum Anfang dieses Beitrags erwartet: Natürlich steht in der Transkription outgesourcet, weil es sich um ein inhaltliches, also um ein an die deutsche Orthografie angepasstes Transkript handelt — und leider nicht um ein phonetisches zu linguistischen Forschungszecken.
Statt Postscript: Wer noch einwenden möchte, dass man statt outsourcen auch auslagern sagen könnte: in vielen Fällen und je nach Kontext ist das eventuell möglich. Aber der Interviewte nutzte beide Lexeme. Und, wenig überraschend, sie waren sehr deutlich nicht synonym austauschbar: 1) outsourcen, ‘Unternehmensabläufe von einer Fremdfirma ausführen lassen’; 2) auslagern, ‘mit Teilen der Firma anderswo hingehen oder Unternehmensprozesse aus dem Stammlager ausgliedern’. Also auch wenn man es wieder mal der Yukkapalme erzählen könnte: Klassische Bedeutungsdifferenzierung.
Literatur:
Kortmann, Bernd. 2005. Linguistics: Essentials. Berlin.
Roach, Peter. 2009. English Phonetics and Phonology. Cambridge.
Now sitting in one boat are we?
Zu den häufigsten Suchbegriffen in meiner Blogstatistik gehört “sitting in one/the same boat”. In meinem Beitrag zu Oettingers Englisch schrieb ich, die englische Redewendung zu “in einem Boot sitzen” ist “to be in the same boat”. Das ist richtig, die Argumentation war aber nicht komplett: Muttersprachler haben mir bereits damals gesagt, dass ihnen “We’re sitting in one boat” gar nicht auffallen würde.
Warum auch? Der Satz ist syntaktisch in Ordnung, die Metapher bleibt. Ganz ähnlich sehen das auch die Muttersprachler in einer Diskussion zur Oettinger’schen Rede im LEO.org-Forum: ungewöhnlich ja, falsch nein (und erst recht nicht schlimm oder gar peinlich).
Das wollte ich jetzt genauer wissen: Nutzen Muttersprachler des Englischen die Redewendung so, wie Oettinger es tat? Die Antwort vorweg: Nein, tun sie (fast) nicht. Aber Oettinger war auch nicht der erste Deutsche, der sie benutzte.
Ein Apfel am Tag hält den Doktor weg
Manchmal glaube ich, dass nicht wir als Gesellschaft andere Probleme hätten, sondern dass Nachrichtenredaktionen die Masse an Praktikanten irgendwie beschäftigen müssen. Und so schaffte es eine abkömmliche Meldung auf die Startseiten der Onlinemedien, die eigentlich mit Libyen, Fukushima und Knut in diesen Tagen genug zu tun haben dürften.
In der letzten Woche besuchten Prinz William und Kate Middleton die Hochwassergebiete im australischen Queensland und die Erdbebenregion in Neuseeland. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Besuch des Prinzen und seiner Zukünftigen wird den dortigen Menschen viel bedeuten. Aufhänger für die Nachricht war in den allermeisten Medien allerdings die Frage, ob das Bald-Prinzenpaar seine Flitterwochen im Sonnenstaat Queensland verbringt. Damit ist die Meldung eigentlich doch recht überflüssig bis zynisch.
Aber zur sprachlichen Seite. Heute: Idiomatische Sprachverwendung.
Mehr Fehler, wie üblich
Der Erklärungsdruck wird größer, weshalb nach der Konsultation des RSS-Feed der Tagesschau mein Blick auf Spiegel Online fällt. Es ist vermutlich eine Marotte aus der Zeit, in der Spiegel Online noch nicht ganz so offensichtlich als Studenten-BILD daher kam. Wofür diese Gewohnheit aber doch recht gut ist: Man findet oft allerhand spannende Übersetzungsfehler.
Nach der Verhaftung von Wikileaks-Chef Julian Assange twitterte Wikileaks gestern: