Schlagwort-Archive: Sprachgebrauch

Motivierte Präpositionen

Von Susanne Flach

Auch die taz hat so eine Art Sprach­glosse, auch wenn sie nicht so heißt und irgend­wie auch etwas ver­steckt daher kommt. Aber Peter Köh­ler schreibt in DIE WAHRHEIT ab und zu über Sprach­lich­es. Let­zte Woche nahm er sich die Prä­po­si­tio­nen vor und deren sich „bre­it machende“ falsche Ver­wen­dung. Aus meinen Abozeit­en der taz-Print­aus­gabe meine ich mich zu erin­nern, dass DIE WAHRHEIT in Wahrheit so eine Satire- und Kom­men­tar­seite ist, aber das ist lange her. Satire dür­fen wir in diesem Fall ver­mut­lich auss­chließen, nehmen wir die Sache also erst­mal ernst.

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Von der Neutralität der Linguistik

Von Susanne Flach

Auf Ana­tols gestri­gen Lit­er­aturhin­weis zu Luise Puschs Rep­liken auf Maskulin­guis­ten kom­men­tierte Leser Mar­tin, dass er nicht ver­ste­ht, wie man „aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht einen aktiv­en Ein­griff in den Sprachge­brauch befür­worten“ könne. Auf diese Art Argu­men­ta­tion wollte ich schon seit langem mal einge­hen. Die Gele­gen­heit ist günstig.

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Ambiguitätenolympiade

Von Susanne Flach

Der Beitrag hätte natür­lich vor dem Olympia-Overkill vor drei Wochen erscheinen sollen oder zumin­d­est in den 16 Tagen danach, aber man will son Fest ja guck­en und nicht drüber schreiben. Also: Was bedeutet Olympiade und was ist ange­blich so falsch daran, es zu nutzen, wenn man das Sport­fest selb­st meint?

Foren sind ja voll davon. Und meist endet die Diskus­sion damit: “Das heißt Olymp­is­che Spiele. Olympiade ist nur die Zeit zwis­chen den Spielen.”

Heute haue ich nicht in die “wenn es aber von ein­er aus­re­ichend großen Zahl von Sprechern…”-Kerbe. Und Kor­po­ra habe ich für diesen Beitrag auch nicht gewälzt. Was bleibt ist die sub­jek­tive Ein­schätzung, dass eine nicht geringe Menge an Repor­terIn­nen, Trainer­In­nen und Sport­lerIn­nen selb­st Olympiade benutzten, um auf das aktuelle Ereig­nis zu referenzieren.

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Neues von den Humorterroristen

Von Susanne Flach

Erle­ichterung kön­nte sich bre­it machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…

Die Humorter­ror­is­ten vom Vere­in Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfun­den und unters Jour­nal­is­ten­volk gejubelt haben („Dscham­mee­ka-Preis“). Damit kri­tisieren sie einen ARD-Reporter auf­grund dessen ange­blich­er und ange­blich falsch­er Aussprache von Jamai­ka*:

Ich habe nichts dage­gen, wenn Reporter Län­der in ihrer jew­eili­gen Lan­dessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömei­ka‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dscham­mee­ka“ wür­den den Namen vor allem Amerikan­er aussprechen.

Seufz. Was Krämer hier mut­maßlich ver­sucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kri­tisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweit­en Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natür­lich [aɪ] heißen soll (ver­mut­lich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifels­fall beim Anlautkon­so­nan­ten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offen­bar nicht.) Dem­nach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanis­chen Aussprache, nicht der “jew­eili­gen Lan­dessprache”, die ange­blich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.

Abge­se­hen davon, dass der gerun­dete Vokal [ø:] in jamaikanis­chen Vari­etäten des Englis­chen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diph­thong [eɪ] bildet (Devon­ish & Har­ry 2004), fra­gen wir doch ein­fach jeman­den, der sich mit der Lan­dessprache in Jamai­ka auskennt:

Wenn ich mich nicht mehrfach ver­hört habe, ist da wed­er [ø:] noch [eɪ].

*Der ARD-Reporter zeigt sich über­rascht — und will es nicht gewe­sen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natür­lich haben Sie den Preis nicht ver­di­ent. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man kön­nte Ihnen vor­w­er­fen, Sie wür­den Humorter­ror­is­ten ernst nehmen.

Literatur

Devon­ish, Hubert & Otele­mate G. Har­ry. 2004. Jamaican Cre­ole and Jamaican Eng­lish: phonol­o­gy. In: Bernd Kort­mann & Edgar W. Schnei­der [Hrsg]. A Hand­book of Vari­eties of Eng­lish. Vol­ume 1: Phonol­o­gy. De Gruyter: 450–480.

Das weibliche Airbus

Von Susanne Flach

Am Dien­stag wäre Amelia Earhart 115 Jahre alt gewor­den. Zeit, sich mal damit zu beschäfti­gen, welch­es Genus Flugzeuge denn so haben. Denn ver­mut­lich verge­ht keine Ein­führung in die Englis­che Lin­guis­tik ohne den Zusatz, dass das auf biol­o­gis­chem Geschlecht beruhende Genussys­tem des Englis­chen Aus­nah­men zulässt: Schiffe, Autos und Flugzeuge sind da ange­blich gerne mal feminin.

Zum Englis­chen kom­men wir später — schauen wir mal kurz ins Deutsche: Weit­er­lesen

Sprachkritik auf Ramschniveau

Von Susanne Flach

Am 10. Sep­tem­ber war “Tag der deutschen Sprache”. Keine Sorge — wer jet­zt hek­tisch im Ter­min- und Gedenk­tagskalen­der nach­sieht, ob er an diesem Tag einen Schrein ange­him­melt hat, der sei beruhigt: Dieser Tag ist eine Aktion des Vere­in deutsche Sprache (VDS). Damit will der VDS seit 2001 “ein Sprach­be­wusst­sein schaf­fen und festigen […]”

Jeden­falls kriechen an und vor diesem Tagen die Medi­en, vor­rangig die kleineren, vor dem Altar der Sprachkri­tik zu Kreuze und veröf­fentlichen im Zuge ihrer Prak­tikan­tenbeschäf­ti­gung­spro­gramme die entsprechen­den VDS-Pressemel­dun­gen. Einige Zeitun­gen ver­suchen sich gar in Kreativ­ität. Die Badis­che Zeitung (BZ) ist so ein Beispiel.

Die BZ präsen­tierte ein kleines “Floske­lal­pha­bet” des “Fast­food der Sprache”. Von A bis Z hohle Floskeln. Darunter: Zukun­ftsper­spek­tive (hä?), Dozierende & Studierende (gähn) oder nicht wirk­lich (schnarch). Aber mir soll’s heute um Ram­schniveau gehen.

Die Redak­teure wollen nach eige­nen Worten der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 nicht vor­greifen — hal­ten sie Ram­schniveau doch für einen aus­richt­sre­ichen Kan­di­dat­en (mit dieser Ein­schätzen kön­nten sie sog­ar recht gut liegen) und schla­gen das Wort den­ngle­ich zur Wahl vor.

Aber aus falschen Motiv­en. Denn der BZ geht es nicht um das Wort Ram­schniveau an sich, son­dern darum, was gerne mal vor Ram­schniveau ver­wen­det wird — und warum diese Kon­struk­tion ange­blich ins Floske­lal­pha­bet gehört. Die BZ schreibt:

Ram­schniveau

Wir wollen der Jury, die das Unwort des Jahres 2011 ermit­telt, nicht vor­greifen, aber ihr dieses Wort vorschla­gen. “Irland auf Ram­schniveau her­abgestuft.” Ganz Irland? Natür­lich nicht, bloß seine Staat­san­lei­hen. Der Ire muss es unfair finden.

Hier drängt sich also die Frage auf: Wer­den sich die Iren belei­digt fühlen (müssen/dürfen)?

Na, vielle­icht auf Regierun­gen und Finanzspeku­la­teure, die ihnen die Suppe einge­brockt haben. Aber sprach­lich ist hier eigentlich alles in Ord­nung. Wenn die BZ sagt: “ ‘Irland auf Ram­schniveau her­abgestuft’ Ganz Irland? Natür­lich nicht, bloß seine Staat­san­lei­hen” — hat da jemand gröbere Ver­ständ­nis­prob­leme, dass es eben nicht um die Bewohn­er geht? Die Floske­lanal­pha­betisierungs­beauf­tragten der BZ überse­hen bei ihrer Kri­tik näm­lich einen alltäglichen und nor­malen sprach­lich-kog­ni­tiv­en Prozess, den wir gar nicht bewusst wahrnehmen; also Laien noch weniger und die meis­ten Sprachkri­tik­er schon mal gar nicht.

Dieser Prozess nen­nt sich Metonymie*: Von einem metonymis­ch­er Aus­druck spricht man dort, wo ein Begriff nicht in sein­er wörtlichen Bedeu­tung ver­wen­det wird (was immer die sein kön­nte), son­dern es sich in ein­er Bedeu­tungser­weiterung um eine enge seman­tis­che Ver­wandtschaft zwis­chen dem Beze­ich­nen­den und Beze­ich­neten han­delt. Soll heißen: Durch Metonymie kann sowohl das “Ganze für einen Teil” ste­hen (WHOLE-FOR-PART; Ich lese Shake­speare, Shake­speare als Autor für sein(e) Werk(e)), als auch umgekehrt ein Teil der Bedeu­tungss­chat­tierung für das Ganze (PART-FOR-WHOLE; Super­hirn, Hirn als Teil des Men­schen für den ganzen Menschen).

Wenn Neusee­land im Halb­fi­nale der Rug­by-Welt­meis­ter­schaft Aus­tralien geschla­gen hat, dann haben wed­er 20 Mil­lio­nen Aus­tralier gegen vier Mil­lio­nen Neuseelän­der ver­loren, noch siebenein­halb Mil­lio­nen Quadratk­ilo­me­ter gegen eine Viertelmil­lion — dann haben die Spiel­er gegeneinan­der gespielt, die ihr jew­eiliges Herkun­ft­s­land in ein­er Mannschaft repräsen­tieren. Wie unökonomisch wäre es denn, jedes Mal zu sagen: ‘Die Mannschaft mit Spiel­ern aus­tralis­ch­er Staat­sange­hörigkeit ver­lor deut­lich gegen die Mannschaft mit den Spiel­ern neuseeländis­ch­er Staatsangehörigkeit’?

Als Nichtalko­ho­lik­er dür­fen Sie zurecht pikiert sein, als Trinker beze­ich­net zu wer­den, auch wenn Sie jeden Tag eine Zwei-Liter-Flasche trinken. Fahren Sie zur Tankstelle, um den Schlauch mit dem Tankstutzen an die Öff­nung des Rohrs anzule­gen, von wo aus das Ben­zin in den Tank geleit­et wird — oder tanken sie ein­fach das Auto voll? Ich wün­sche viel Spaß beim Entlüften.

Metonymien sind so alltäglich, dass sie uns nicht auf­fall­en: Da ist Wash­ing­ton sauer auf Berlin, Lon­don macht Zusagen an Paris oder Deutsch­land ver­han­delt mit Peking. Dies sind sowohl Beispiele für das PART-FOR-WHOLE (Lan­deshaupt­stadt als Teil des Lan­des), als auch WHOLE-FOR-PART (Lan­deshaupt­stadt für die dort ansäs­sige Regierung bzw. Lan­des­beze­ich­nung für dessen poli­tis­che Führung). Sollte sich der Berlin­er unfair behan­delt fühlen, wenn die Griechen sauer auf Angela Merkel sind?

Mal sehen, wie es die Badis­che Zeitung mit ‘[LAND] auf Ram­schniveau’ hält:

Irland rang­iert damit nur noch eine Stufe über Ramschniveau.
Badis­che Zeitung, 16. April 2011.

Die Ratin­ga­gen­tur Stan­dard & Poor’s hat­te bere­its am Mon­tag Griechen­land auf das Ram­schniveau CCC herabgestuft.
Badis­che Zeitung, 15. Juni 2011.

Fair­erweise muss man dazu sagen, dass sich Ram­schniveau bei der BZ tat­säch­lich in den meis­ten Fällen auf die Kred­itwürdigkeit oder Staat­san­lei­hen bezieht, in 17 von 19 Tre­f­fern. Immer­hin. Aber trotz­dem nutzen natür­lich auch die Jour­nal­is­ten bei der BZ die Metonymie, um kom­plexere oder neue Umstände sprachökonomisch pointiert(er) darzustellen. Und im Kon­text wis­sen wir auch, dass Con­nemara oder Dublin immer noch reizend und bes­timmt nicht bil­lig sind.

Nun ist Ram­schniveau vielle­icht nicht beson­ders hüb­sch. Oder ermunternd. Oder zutr­e­f­fend. Oder gerecht. Oder psy­chol­o­gisch klug. Für eine Wahl zum Unwort des Jahres wäre es deshalb gar nicht so ungeeignet. Aber der BZ ging es ja um belei­digte Iren.

Bei aller Kri­tik am einzel­nen Begriff — die Kon­struk­tion Irland auf Ram­schniveau ist sprach­lich keine hohle Floskel, und ganz gedanken­los daherge­sagt ist sie auch nicht. Sie ist erk­lär­bar als eine Analo­gie zu einem gängi­gen Muster (z.B. Irland mit Defiziten im Staat­shaushalt) auf Grund­lage eines hunds­gewöhn­lichen, sprachökonomis­chen, kog­ni­tiv­en Prozesses.

Ganz neben­bei und weil es mir noch so auf­fällt: Die For­mulierung “Das Fast­food der Sprache”, mit der die BZ ihr Floske­lal­pha­bet umschrieben hat, fällt unter den Prozess der Meta­pher — und ist von der Metonymie gar nicht beson­ders weit entfernt.

In ein­er ersten Ver­sion dieses Beitrags habe ich zwei Fra­gen aufge­wor­fen. Zur Frage, ob die Iren belei­digt sein dürfen/sollen/müssen kam noch: Was hat Ram­schniveau in einem Floske­lal­pha­bet der Poli­tik­er­sprache zu suchen? Die Über­legun­gen dazu ufer­ten etwas aus — aber ich möchte nicht die Arbeit und das Gedanken­chaos von Stun­den ein­fach der Entf-Taste übergeben. Wer sich für die zweite Frage inter­essiert, kann mit meinen unaus­gereiften Über­legun­gen zum Begriff Ram­schniveau weit­er­lesen (als mögliche Her­leitung des Begriffs, sein­er Bedeu­tung und Erk­lärung der Ver­wen­dung, aber beton­ter­weise nicht als Recht­fer­ti­gung derselben):

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…und so hinten raus?

Von Susanne Flach

Heute wieder ein Betrag aus der Rei­he: Was macht lin­guis­tis­ches Wis­sen eigentlich für Otto Nor­malver­braucherin ganz nützlich?

Ich tran­skri­biere momen­tan wieder Sprachaufze­ich­nun­gen mit Gesprächspart­nern aus der Wirtschaft. Lin­guis­tisch und auch fürs Blog inter­es­sant wäre das als Grund­lage für eine Analyse von Anglizis­menan­teilen in der Vari­etät der deutschen Wirtschaftssprache. Aber um da einen Blog­beitrag draus zu machen, brauche ich erst das Ein­ver­ständ­nis der Ver­ant­wortlichen. Vor­weg vielle­icht: Es bleibt bei den fürs Deutsche han­del­süblich diag­nos­tizierten zwei bis vier Prozent.

Also kom­men wir zu etwas Unver­fänglicherem, was einem vielle­icht auch aus jed­er Unter­hal­tung bekan­nt sein kön­nte. Mir ist let­ztens näm­lich aufge­fall­en, dass ein Teil­nehmer das Par­tizip Per­fekt von out­sourcen mit out­ge­sourced wiedergegeben hat. Nun mag der eine oder die andere aufheulen, wie man es wagen kann, ein deutsches Affix in einen Anglizis­mus zu schmuggeln. Man kann natür­lich auch geout­sourced sagen (was das Prob­lem für den Sprachäs­theten nicht lösen würde). Der Sprech­er inter­pretierte out­sourcen hier als trennbares Verb und ähn­lich wie andere trennbare Ver­ben (anfan­gen > angefan­gen), fügt man das Par­tizip­prä­fix dann eben nach dem Halb-Prä­fix out ein. Ein ähn­lich­er Fall ist die Vari­a­tion bei gedown­load­et und down­ge­load­et, je nach­dem, ob man down­load­en als trennbar ansieht oder eben nicht. (Die Prob­lematik der ange­blichen Unverträglichkeit deutsch­er Flex­ion­s­mor­pheme in Anglizis­men lässt sich übri­gens ganz ein­fach aus der Welt schaf­fen, indem man anerken­nt, dass out­sourcen und down­load­en deutsche Wörter sind und dementsprechend nach unseren Regeln kon­jugiert werden.)

Mir geht es aber um etwas ganz anderes.

Ich habe oben out­ge­sourced bewusst mit <d> wiedergegeben. Wie ja nun jed­er weiß, wird im Deutschen das Par­tizipaf­fix, in diesem Fall das Zirkum­fix ge-V‑t für die Par­tizip­i­en regelmäßiger Ver­ben mit [t] gesprochen und mit <t> geschrieben. Bei Anglizis­men, vor allem bei solchen, die noch rel­a­tiv neu einge­wan­dert sind, ist größere Ver­wirrung vor allem in der Orthografie deshalb nicht ungewöhn­lich: Und zugegeben, out­ge­sourct und out­ge­sourcet sehen auf den ersten Blick tat­säch­lich selt­sam aus — oft behil­ft man sich bei der schriftlichen Wieder­gabe also (noch) zusät­zlich der Flex­ion­sregeln der Geber­sprache. Bei out­sourcen hat <out­ge­sourced> ver­mut­lich auch deshalb noch dop­pelt so viele Google­tr­e­f­fer, wie <outgesourc(e)t>.*

*[UPDATE: ke hat mich in einem Kom­men­tar darauf aufmerk­sam gemacht, dass ich in der Hek­tik völ­lig falsch gezählt habe: <out­ge­sourced> und <out­ge­sourct> haben grob etwa gle­ich viele Tre­f­fer bei Google. An der Annahme der Ver­wirrung bei der Orthografie ändert das (noch) nichts grundle­gen­des. Danke für den Hin­weis, SF]

Neben einem selt­samen Ausse­hen von out­ge­sourcet kön­nte das ein Grund sein, ober eben möglicher­weise ein gesproch­enes [d], also immer dann beson­ders, wenn die Inte­gra­tion eines Anglizis­mus in das deutsche Laut­sys­tem noch nicht voll­ständig abgeschlossen ist.

Der Grund also, weshalb ich geout­sourced hier mit <d> schreibe, liegt an der Art, wie es der Inter­viewte aussprach, näm­lich mit [d]. Die span­nende Frage also: Woran hört man, dass out­ge­sourced für diesen Sprech­er noch nicht voll­ständig inte­gri­ert ist, auch wenn er hier sog­ar für /r/ nicht die “englis­che”, son­dern die “deutsche” Vari­ante gewählt hat? Nun, bei diesem Sprech­er ist es mir schlicht im Kon­trast zu geset­telt (von set­teln, engl. to set­tle) aufge­fall­en, das er deut­lich hör­bar mit [t] realisierte.

Und nun?

Da kommt ein pho­nol­o­gis­ch­er Prozess zum Tra­gen, den das Deutsche hat, nicht aber das Englis­che: Ste­ht im Deutschen am Sil­ben- oder Wor­tende ein stimmhafter Kon­so­nant wie z.B. /b/, /d/ oder /g/, so wird dieser Kon­so­nant stimm­los aus­ge­sprochen, also als /p/, /t/ oder /k/. Genauer gesagt bet­rifft dieser Prozess nur die soge­nan­nten Obstru­enten, also die Kon­so­nan­ten, bei denen der Luft­strom kurzfristig kom­plett unte­brochen ist, und Frika­tive wie /z/ oder /ʒ/; bei den sono­ran­tis­chen Kon­so­nan­ten wie /m/ oder /n/ ist das nicht der Fall, die sind immer stimmhaft.

Mit anderen Worten und als Haus- und Hof­beispiel: Rad und Rat sind als [ra:t] in Iso­la­tion gesprochen nicht zu unter­schei­den. Liegt der stimmhafte Kon­so­nant dage­gen nicht am Sil­be­nende, bleibt’s beim stimmhaften Laut. Deshalb haben wir [li:bə] für Liebe, aber [li:p] für lieb oder [tsu:k] ‘Zug’ im Sin­gu­lar, aber [tsy:gə] ‘Züge’ im Plural.

Das ganze nen­nt sich Aus­lautver­här­tung (oder all­ge­mein­er Neu­tral­i­sa­tion) und ist neben dem Deutschen oder dem Nieder­ländis­chen auch in eini­gen slavis­chen Sprachen oder dem Türkischen zu find­en — aber eben zum Beispiel nicht im Englischen.

Es ist deshalb also span­nend zu sehen, dass geset­telt und out­ge­sourced in der Wieder­gabe (jet­zt dieses Sprech­ers) mal mehr, mal weniger einge­bürg­ert zu sein scheint. Was an sich für mich über­raschend war, da eigentlich meist erst die pho­nol­o­gis­che und dann die mor­phol­o­gis­che Ein­bürgerung erfol­gt — und bei­de Lex­eme waren ja schon mit ein­heimis­chem mor­phol­o­gis­chem Mate­r­i­al bestückt, bei der Bil­dung des Par­tizips näm­lich. Und ich stelle die These auf, dass man out­ge­sourcet auch in der großen Mehrheit schreibt, wie man es, äh, spricht.

Aus­lautver­här­tung bet­rifft natür­lich auch alle Fremd­wörter im Deutschen, die am Wort- oder Sil­be­nende einen stimmhaften Obstru­enten haben. Deshalb ist Blog laut­lich von Block nicht zu unter­schei­den (und für den Genuswan­del von das Blog zu der Blog höchst­wahrschein­lich mitver­ant­wortlich), bloggen unter­schei­det sich aber von blocken.

Die Aus­lautver­här­tung ist übri­gens ein Ele­ment eines typ­isch deutschen Akzents (beim Englisch sprechen). Mut­ter­sprach­liche Inter­ferenz führt dazu, dass Deutschsprachige die Aus­lautver­här­tung qua­si mit ins Englis­che importieren (z.B. Kort­mann 2005: 182). Wer also in der Sprachver­mit­tlung arbeit­et oder ein­fach einen kleinen, ein­fachen Tipp haben möchte, wie man am eige­nen Akzent im Englis­chen arbeit­en kann: Lehre und lerne, I want a suite und I want a Swede auch pho­nol­o­gisch zu unter­schei­den. Voilà.

Umgekehrt liegt in der Aus­lautver­här­tung möglicher­weise ein Grund (von mehreren), weshalb Sprech­er von Sprachen ohne Aus­lautver­här­tung Deutsch unter Umstän­den als “hart” wahrnehmen: Bei der Pro­duk­tion von stimm­losen Laut­en wird mehr Luft nach außen gepresst, weshalb diese Kon­so­nan­ten auch “lauter” klin­gen. Genau genom­men ist die Sache etwas kom­pliziert­er: die Artiku­la­tion der Phoneme /p, t, k/ ist eher eine Fall von For­tis ’stark’, die der Phoneme /b, d, g/ von Lenis ’schwach’ (Kort­mann 2005:  64, Roach 2009: 28f). Aber nun­ja, für die Illus­tra­tion reicht’s. Wen das nicht überzeugt: Fühlen wir von Quatsch­ern im Kino gestört, wer­den wir zur Unter­mauerung etwaiger Gen­ervtheit eher ein härter zis­chen­des, stimm­los­es [ʃ] anstim­men, als ein stimmhaftes und unaufgeregtes [ʒ].

Im Deutschen bin ich deshalb ja auch meist [su:s], im Englis­chen hinge­gen [su:z]. Das noch dazu. Und wer hier einen Bezug zum Anfang dieses Beitrags erwartet: Natür­lich ste­ht in der Tran­skrip­tion out­ge­sourcet, weil es sich um ein inhaltlich­es, also um ein an die deutsche Orthografie angepasstes Tran­skript han­delt — und lei­der nicht um ein phonetis­ches zu lin­guis­tis­chen Forschungszecken.

Statt Post­script: Wer noch ein­wen­den möchte, dass man statt out­sourcen auch aus­lagern sagen kön­nte: in vie­len Fällen und je nach Kon­text ist das eventuell möglich. Aber der Inter­viewte nutzte bei­de Lex­eme. Und, wenig über­raschend, sie waren sehr deut­lich nicht syn­onym aus­tauschbar: 1) out­sourcen, ‘Unternehmens­abläufe von ein­er Fremd­fir­ma aus­führen lassen’; 2) aus­lagern, ‘mit Teilen der Fir­ma ander­swo hinge­hen oder Unternehmen­sprozesse aus dem Stamm­lager aus­gliedern’. Also auch wenn man es wieder mal der Yukka­palme erzählen kön­nte: Klas­sis­che Bedeutungsdifferenzierung.

Lit­er­atur:
Kort­mann, Bernd. 2005. Lin­guis­tics: Essen­tials. Berlin.
Roach, Peter. 2009. Eng­lish Pho­net­ics and Phonol­o­gy. Cam­bridge.

Now sitting in one boat are we?

Von Susanne Flach

Zu den häu­fig­sten Such­be­grif­f­en in mein­er Blogsta­tis­tik gehört “sit­ting in one/the same boat”. In meinem Beitrag zu Oet­tingers Englisch schrieb ich, die englis­che Redewen­dung zu “in einem Boot sitzen” ist “to be in the same boat”. Das ist richtig, die Argu­men­ta­tion war aber nicht kom­plett: Mut­ter­sprach­ler haben mir bere­its damals gesagt, dass ihnen “We’re sit­ting in one boat” gar nicht auf­fall­en würde.

Warum auch? Der Satz ist syn­tak­tisch in Ord­nung, die Meta­pher bleibt. Ganz ähn­lich sehen das auch die Mut­ter­sprach­ler in ein­er Diskus­sion zur Oettinger’schen Rede im LEO.org-Forum: ungewöhn­lich ja, falsch nein (und erst recht nicht schlimm oder gar peinlich).

Das wollte ich jet­zt genauer wis­sen: Nutzen Mut­ter­sprach­ler des Englis­chen die Redewen­dung so, wie Oet­tinger es tat? Die Antwort vor­weg: Nein, tun sie (fast) nicht. Aber Oet­tinger war auch nicht der erste Deutsche, der sie benutzte.

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Ein Apfel am Tag hält den Doktor weg

Von Susanne Flach

Manch­mal glaube ich, dass nicht wir als Gesellschaft andere Prob­leme hät­ten, son­dern dass Nachricht­enredak­tio­nen die Masse an Prak­tikan­ten irgend­wie beschäfti­gen müssen. Und so schaffte es eine abkömm­liche Mel­dung auf die Start­seit­en der Onlineme­di­en, die eigentlich mit Libyen, Fukushi­ma und Knut in diesen Tagen genug zu tun haben dürften.

In der let­zten Woche besucht­en Prinz William und Kate Mid­dle­ton die Hochwasserge­bi­ete im aus­tralis­chen Queens­land und die Erd­beben­re­gion in Neusee­land. Damit wir uns nicht falsch ver­ste­hen: Der Besuch des Prinzen und sein­er Zukün­fti­gen wird den dor­ti­gen Men­schen viel bedeuten. Aufhänger für die Nachricht war in den aller­meis­ten Medi­en allerd­ings die Frage, ob das Bald-Prinzen­paar seine Flit­ter­wochen im Son­nen­staat Queens­land ver­bringt. Damit ist die Mel­dung eigentlich doch recht über­flüs­sig bis zynisch.

Aber zur sprach­lichen Seite. Heute: Idioma­tis­che Sprachverwendung.

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Mehr Fehler, wie üblich

Von Susanne Flach

Der Erk­lärungs­druck wird größer, weshalb nach der Kon­sul­ta­tion des RSS-Feed der Tagess­chau mein Blick auf Spiegel Online fällt. Es ist ver­mut­lich eine Marotte aus der Zeit, in der Spiegel Online noch nicht ganz so offen­sichtlich als Stu­den­ten-BILD daher kam. Wofür diese Gewohn­heit aber doch recht gut ist: Man find­et oft aller­hand span­nende Übersetzungsfehler.

Nach der Ver­haf­tung von Wik­ileaks-Chef Julian Assange twit­terte Wik­ileaks gestern:

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