Schlagwort-Archive: Sexismus

Männer sind Norm, Frauen sind Ideologie

Von Anatol Stefanowitsch

Geschlechterg­erechte Sprache ist nicht nur ein gesellschaftlich kon­tro­ver­s­es The­ma – kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt –, son­dern vor allem auch eines, über das sich viele Men­schen schlicht noch nie Gedanken gemacht haben – eben­falls kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt. Es ist deshalb klar, dass man nicht automa­tisch vom Schlimm­sten aus­ge­hen sollte, wenn jemand gegen geschlechterg­erechte Sprache argu­men­tiert und etwa behauptet, das „gener­ische“ Maskulinum sei unprob­lema­tisch, da ja alle wüssten, dass dabei auch Frauen ein­be­zo­gen sind, und jede Abwe­ichung von dieser sprach­lichen Form würde Texte nur unles­bar machen. Die- oder der­jenige kön­nte ja ein­fach aus ein­er Unken­nt­nis des The­mas so argumentieren.

Das kön­nte auch für das „Komi­tee zur Regelung des Schriftverkehrs“ des Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute gel­ten, das in einem Entwurf für eine Über­ar­beitung ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vorschlägt, das „gener­ische“ Maskulinum tat­säch­lich zur Norm zu erheben und damit alle For­men geschlechterg­erechter Sprache für inko­r­rekt zu erk­lären (wir berichteten).

Als die öster­re­ichis­che Sprach­wis­senschaft­lerin und Lek­torin Karin Wetschanow, Mitau­torin eines Leit­fadens für geschlechterg­erechte Sprache des öster­re­ichis­chen Bun­desmin­is­teri­ums für Bil­dung, Wis­senschaft und Kul­tur (PDF) dem Komi­tee in der Wiener Zeitung vor­warf, „von ein­er ‚antifem­i­nis­tis­chen Ide­olo­gie‘ geprägt zu sein und auf die Exper­tise maßge­blich­er Wis­senschaftler verzichtet zu haben“, war ich zunächst sehr skep­tisch. Weit­er­lesen

Der Mann als Norm

Von Anatol Stefanowitsch

Vor eini­gen Wochen haben wir hier über den Ver­such zweier Wikipedia-Autoren berichtet, das soge­nan­nte „gener­ische“ Maskulinum (also die patri­ar­chale Prax­is, männliche Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen „geschlecht­sneu­tral“ zu ver­wen­den) als all­ge­meinen Stan­dard festzule­gen (in der Abstim­mung scheit­erte dieser Ver­such spek­takulär, was entwed­er darauf hin­weist, dass die Wikipedianer/innen ins­ge­samt mehr Bewusst­sein für diskri­m­inierende Sprach­struk­turen haben als gemein­hin angenom­men, oder dass sie Vorschriften noch mehr has­sen als geschlechterg­erechte Sprache).

Aktuell ver­sucht nun das Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute, densel­ben Taschen­spiel­er­trick abzuziehen. Wie der Vere­in öster­re­ichis­ch­er Juristin­nen berichtet, schlägt das ASI im aktuellen Entwurf für die ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vor, „auf weib­liche For­men zu verzicht­en und stattdessen mit­tels Gen­er­alk­lauseln klarzustellen, dass Frauen in der männlichen Form mit­ge­meint seien.“ Auch das Binnen‑I und die in Öster­re­ich üblichen weib­lichen For­men für akademis­che Titel (z.B. Dr.in, Prof.in) sollen nach der Vorstel­lung des ASI als inko­r­rekt gel­ten. „Auf weib­liche For­men könne in schriftlichen Tex­ten verzichtet wer­den, denn männliche For­men wür­den für bei­de Geschlechter gel­ten, so die Empfehlung.“ Weit­er­lesen

Samstags verharmlost man Gewalt gegen Frauen

Von Anatol Stefanowitsch

Das ZDF wird seinen Bil­dungsauf­trag ja schon länger auf etwas eigen­willige Weise gerecht: Man ver­hält sich möglichst igno­rant sex­is­tisch und ras­sis­tisch und reagiert auf Kri­tik entwed­er gar nicht, oder, indem man sich lustig macht. Höhep­unk­te der sex­is­tis­chen Grund­bil­dung waren zum Beispiel Joko Win­ter­schei­dts sex­ueller Über­griff auf eine Messemi­tar­bei­t­erin im Rah­men ein­er „Mut­probe“ oder der Werbespot für die Frauen-Fußball­welt­meis­ter­schaft 2013, bei dem aus Bal­lza­uber ein Ball­sauber wurde, bildlich umge­set­zt durch eine Fußball­spielerin, die einen Fußball in der Waschmas­chine wäscht. Zur Aus­bil­dung von All­t­agsras­sis­ten trug zulet­zt Markus Lanz bei, als er bei „Wet­ten dass“ zum unter­halt­samen Black­face aufrief.

Der neueste Geniestre­ich des ZDF ist nun eine Wer­bekam­pagne für den „Sam­stagskri­mi“. Die Kam­pagne beste­ht aus fünf Motiv­en (zweimal Print und dreimal „Ambi­ent“, sowie einem Fernsehspot, der mehrere dieser Motive kom­biniert). Jedes Motiv beste­ht aus ein­er bekan­nten Redewen­dung, die durch die Bebilderung dop­peldeutig wird. Weit­er­lesen

Wikipedia und die starken Männer

Von Anatol Stefanowitsch

Dass die Wikipedia ein Frauen­prob­lem hat (näm­lich: dass sie haupt­säch­lich, näm­lich zu etwa neun­zig Prozent von Män­nern edi­tiert wird), ist seit Jahren The­ma in den Medi­en. Für die Wiki­me­dia-Foun­da­tion ist es Anlass zur Sorge, die Lösung wird darin gese­hen, Frauen geziel­ter zu umwer­ben und Ange­bote zu schaf­fen, durch die sie sich sicher­er und willkommen­er fühlen.

Zwei deutsche Wikipedi­anutzer haben sich nun anscheinend Gedanken gemacht, wie sie ganz per­sön­lich bei der Lösung des Män­ner­prob­lems, und einem Vorschlag entwick­elt, über den ab heute Abend 18:00 Uhr ein Mei­n­ungs­bild einge­holt wer­den soll: Weit­er­lesen

Das generische Femininum und die Gegner des Femininums

Von Anatol Stefanowitsch

Es mag diejeni­gen über­raschen, die mich für einen „poli­tisch kor­rek­ten“ Sprachex­trem­is­ten hal­ten, aber meine Mei­n­ung ist: Nie­mand muss gerechte Sprache gut find­en. Es gibt da schlicht keinen Zwang. Wer ungerechte Sprache ver­wen­den will, darf das selb­stver­ständlich tun, muss aber natür­lich mit den Kon­se­quen­zen leben. Die nor­maler­weise völ­lig aus­bleiben, und im unan­genehm­sten Fall darin beste­hen, auf die Tat­sache hingewiesen zu wer­den, ungerechte Sprache zu verwenden.

Und erst recht muss nie­mand bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache gut find­en. Ger­ade Sex­is­mus ist der­ar­tig tief nicht nur im Wortschatz, son­dern auch in der Gram­matik des Deutschen ver­ankert, dass fast jed­er Vorschlag zu ein­er gerechteren Sprache kurzfristig ein mehr oder weniger prob­lema­tis­ch­er Kom­pro­miss bleiben muss. Das wis­sen natür­lich auch die fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft­lerin­nen ((Aus Grün­den der Les­barkeit ver­wende ich hier und im Fol­gen­den in gener­ischen Zusam­men­hän­gen auss­chließlich die fem­i­nine Form; das männliche Geschlecht ist dabei selb­stver­ständlich mit gemeint.)) und Aktivistin­nen, von denen die Vorschläge kom­men, denn die haben sich ja im Zweifels­fall über­durch­schnit­tlich aus­führlich mit Sprache beschäftigt.

Und natür­lich ist es völ­lig legit­im, bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache aus der Per­spek­tive ein­er Sprach­wis­senschaft­lerin zu kri­tisieren. Aber wer das tut, sollte dann eben auch fundierte Argu­mente brin­gen. Das tun die Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, die sich zum gener­ischen Fem­i­ninum bish­er zu Wort gemeldet haben, lei­der nur sel­ten. Wed­er der Freiburg­er Roman­ist Hans-Mar­tin Gauger noch der Berlin­er Sprach­wis­senschaftler André Mei­n­unger hat­ten irgen­dein Argu­ment zu bieten, das in der fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft nicht schon vielfach entkräftet wor­den wäre. Und auch dem jüng­sten Neuzu­gang in der Gruppe fem­i­ninumkri­tis­ch­er Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, dem Frank­furter Ger­man­is­ten Horst Dieter Schloss­er, fällt keins ein.
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Zur grammatischen Markierung von Geschlechtsverkehr

Von Kristin Kopf

Zur Verteilung von Anre­de­pronom­i­na im Deutschen, also aktuell dem Siezen und Duzen, wurde schon viel Kluges geschrieben. Das, was ich heute im »Wörter­buch der Mikropoli­tik« aus­ge­graben habe, gehört defin­i­tiv nicht dazu. Seinen Ein­trag »Duzen« leit­et Diether Huhn in klas­sis­ch­er Alther­ren­manier ein mit den Worten

Wenn — beispiel­sweise — ein älter­er Hochschullehrer ein­er jun­gen, schö­nen Kol­le­gin vor­sichtig das „Du“ anbi­etet und sie läßt sich allen­falls dazu herab, ihn mit Vor­na­men anzure­den, bleibt aber anson­sten beim „Sie“, dann denkt sie möglicher­weise, ihre Beziehung zu jen­em älteren Kol­le­gen hätte in den Augen der anderen Kol­legin­nen und Kol­le­gen unter­dessen einen Grad von Ver­trautheit angenom­men, daß nur noch das „Du“ nötig sei, um jenen anderen mitzuteilen, daß sie nun doch miteinan­der geschlafen haben.

Luft und Kotztüte geholt? Okay, es geht weit­er: Weit­er­lesen

Warum der Plural kein Femininum ist

Von Anatol Stefanowitsch

In unserem Lek­türetipp vom Dien­stag ging es unter anderem um einen Beitrag, in dem der Sprach­wis­senschaftler André Mei­n­unger die eigen­willige These ver­tritt, dass das gener­ische Maskulinum ((Also die Ver­wen­dung masku­lin­er For­men für gemis­chte Grup­pen (In mein­er Vor­lesung sitzen 300 Stu­den­ten) oder abstrak­te Kat­e­gorien (In mein­er Sprech­stunde waren heute keine Stu­den­ten).)) keine Ungerechtigkeit gegenüber Frauen darstelle, da ihm im Plur­al ein gener­isches Fem­i­ninum gegenüber ste­he. Der Kern sein­er Argu­men­ta­tion geht so:

Das Deutsche ist so gerecht und frauen­fre­undlich, wie es mehr eigentlich gar nicht geht. Die Plu­ral­form ist die weib­liche. Wir sagen so selb­stver­ständlich „sie“, dass es gar nicht auf­fällt. Rein syn­chron, also auf den gegen­wär­ti­gen Sprachzu­s­tand bezo­gen, und for­mal, also auf die äußer­lich sicht­bare Erschei­n­ung bezo­gen, ist das Plu­ral­pronomen iden­tisch mit der weib­lichen Sin­gu­lar­form. Also: Selb­st wenn eine reine Män­ner­gruppe schießt oder alle Män­ner schwitzen, heißt es „sie schießen“ oder „sie schwitzen“. … Und das bedeutet, wir haben im Deutschen sehr wohl schon lange und vol­lkom­men unent­deckt ein gener­isches Fem­i­ninum. Dieses macht sich im Plur­al deut­lich – und ist dabei aber schein­bar so undeut­lich, dass es entwed­er nie­mand bemerkt hat oder wissentlich ver­schwiegen wird. Die deutsche Sprache ist also sehr gerecht. Im Sin­gu­lar scheint es eine Art gener­isches Maskulinum zu geben, im Plur­al ein fem­i­nines. Der Plur­al heißt “sie”. Und auch im Sub­stan­tivbere­ich ist der Artikel für die Mehrzahl for­m­gle­ich mit dem fem­i­ni­nen Artikel: “die”. ((Mei­n­unger, André (2013). Wie sex­is­tisch ist die deutsche Sprache? Die WELT, 7. Juli 2013.))

Die Sprach­wis­senschaft­lerin Luise Pusch antwortet in ihrem Blog aus­führlich auf Mei­n­ungers Argu­men­ta­tion und zeigt, dass der Plur­al im Deutschen keineswegs ein Fem­i­ninum ist, auch wenn Pronomen und Artikel im Plur­al und im Fem­i­ninum Sin­gu­lar gle­ich ausse­hen. Ihre Argu­men­ta­tion will ich hier nicht wieder­holen, wer ihren Artikel noch nicht gele­sen hat, sollte das jet­zt tun und dann zurückkommen.
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Pusch 2, Maskulinguisten 0

Von Anatol Stefanowitsch

Da wir Sprachlog-Autorin­nen so eine Art Mis­chung aus Hitze­frei und Hausar­beit­enko­r­rek­turzwang haben, hier ein Lesetipp für zwischendurch.

Die Uni­ver­sität Leipzig hat mit ihrer Entschei­dung, in ihrer Satzung das gener­ische Fem­i­ninum zu ver­wen­den, eine inter­es­sante öffentliche Debat­te um geschlechterg­erechte Sprache aus­gelöst, bei der – anders als es bei Diskus­sio­nen um Sprache son­st häu­fig der Fall ist – auch Sprachwissenschaftler/innen zu Wort kamen. So hat der Tagesspiegel meinen FU-Kol­le­gen Horst Simon inter­viewt, ich selb­st durfte Spiegel Online Rede und Antwort ste­hen, und Luise Pusch, eine der geisti­gen Müt­ter der Fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft, hat der Deutschen Welle erk­lärt, worum es geht (eine Langver­sion ihres Inter­views hat sie in ihrem Blog Laut & Luise veröf­fentlicht. Das ist aber noch gar nicht der Lesetipp, denn auf diese Texte haben wir in unserem Blogspek­tro­gramm bere­its ver­linkt. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 24/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die Über­schrift „Sprachre­form an der Uni Leipzig: Guten Tag, Herr Pro­fes­sorin“, mit der Spiegel Online die Mel­dung über das gener­ische Fem­i­ninum in der Grun­dord­nung der Uni­ver­sität Leipzig verse­hen hat, hat­te ihr Gutes und ihr Schlecht­es. Schlecht war, das die deutsche Presse diese Über­schrift flächen­deck­end wörtlich nahm und ein­er erstaunten Öffentlichkeit mit­teilte, dass (männliche) Pro­fes­soren in Leipzig ab sofort so anzure­den seien (das BILDBLOG hat das schön doku­men­tiert [1], [2]). Gut war, dass die Mel­dung, und damit auch das Prob­lem sprach­lich­er Diskri­m­inierung, auf diese Weise ins öffentliche Bewusst­sein gelangt ist. Ich sehe die Ver­ant­wor­tung für die Berichter­stat­tung auch gar nicht bei Spiegel Online, son­dern bei den Redak­tio­nen, die offen­bar gle­ich nach der Lek­türe der Über­schrift ihre eige­nen Mel­dun­gen ver­fassten, statt weit­erzule­sen und zu erfahren, worum es wirk­lich ging.

Keine Ver­ant­wor­tung tra­gen dage­gen die Kolumnist/innen, die dann auf der Grund­lage dieser Mel­dun­gen hämis­che und völ­lig unin­formierte Mei­n­ungsstücke in ihre Tas­taturen häm­merten. Denn anders als etwa Blogger/innen, von denen man eine gewisse Sorgfalt und Fachken­nt­nis gewohnt ist, muss sich das deutsche Feuil­leton ja an eine Selb­stverpflich­tung hal­ten, die max­i­male Empörung bei min­i­maler Zurken­nt­nis­nahme der Real­ität vorschreibt. Weit­er­lesen

Sprachliche Mengenlehre für Anfänger

Von Anatol Stefanowitsch

Als erste Uni­ver­sität Deutsch­lands hat die Uni­ver­sität Leipzig das gener­ische Fem­i­ninum einge­führt: Amts- und Funktions­bezeichnungen wer­den in Zukun­ft grund­sät­zlich in der weib­lichen Form genan­nt (Rek­torin, Pro­fes­sorin, Stu­dentin, …), eine Fußnote weist darauf hin, dass Män­ner mit gemeint sind.

Die Entschei­dung stößt offen­bar einige Pro­fes­soren ((kein gener­isches Maskulinum)) so sehr vor den Kopf, dass sie alle Logik aufgeben: Weit­er­lesen