Schlagwort-Archive: Semantik

Oma, Großvater, Näni, Groma (Verwandtschaftstrilogie Teil 3)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Die Ver­wandtschaft­strilo­gie endet mit etwas, das mich weniger plagt als vielmehr neugierig macht: In manchen Fam­i­lien gibt es unter­schiedliche Beze­ich­nun­gen für die Großel­tern, je nach­dem, ob es die Eltern der Mut­ter oder des Vaters sind. Und auch son­st ist es span­nend, zu welchen Strate­gien man greift, um die Großel­tern auseinanderzuhalten.

Dazu kann man wenig The­o­retis­ches sagen, weil es um Haus­ge­brauch geht – vom Grimm­schen Wörter­buch und meinen üblichen Bibeln ist da nichts zu erwarten. Daher also gle­ich zu den Ergeb­nis­sen mein­er Umfrage:

Unter­schei­det Ihr in der Fam­i­lie die Großel­tern müt­ter­lich­er- und väter­lich­er­seits? Falls ja, wie? 

groseltern1

Wenn die einen Großel­tern mit dem Nach­na­men, die anderen mit dem Vor­na­men beze­ich­net wur­den (o.ä.), so wurde bei­des berück­sichtigt. Es fehlt ein bißchen was an 51, weil manche nur “Name” schrieben, das habe ich mal wegge­lassen, weil etwas unspezifisch.

Son­stiges” war übri­gens ein schön­er Fall, in dem die Großel­tern nach der Kör­per­größe in große(r) und kleine(r) Oma/Opa unter­schieden wurden.

Diejeni­gen, die wirk­lich durch ver­schiedene Beze­ich­nun­gen unter­schei­den, find­en sich hier noch ein­mal genauer:
groseltern2

Die “Son­sti­gen” :

  • Oma/Opa vs. Gro­ma/Gropa
  • Oma/Opa vs. Groß­ma­ma/Groß­pa­pa
  • Omi/Opi vs. Ömi/Öpi
  • Oma/Opa vs. Nana/Näni (Schweiz­er Einfluß)

Eni für ‘Groß­vater’ (und par­al­lel gilt das auch alles für ‘Groß­mut­ter’) ist nach Müller (1979) bis ins 14. Jh. im kom­plet­ten süd­deutschen Raum belegt, ganz beson­ders in der Schweiz und auch in Öster­re­ich. Um 1900 lebte das Wort als Neni/Näni/Endi(fat­ter) noch am Südos­trand der deutschsprachi­gen Schweiz (Appen­zell – Chur – Davos – Bosco Gurin), über die heutige Ver­bre­itung habe ich zwar nichts gefun­den, aber gestor­ben ist nicht. Die Form ist ver­wandt mit dem hochdeutschen Ahn, das ein­mal ‘Groß­vater’ hieß (vgl. hier).

Fun Fact: Mein Brud­er und ich unter­schei­den unsere Großmüt­ter nach dem Vor­na­men (also Oma + Name) – als unsere Großväter noch lebten, wur­den sie natür­lich auch entsprechend unter­schieden, allerd­ings nur wenn ganz expliz­it von ihnen die Rede war. Wenn es um das Großel­tern­paar ging, wurde immer die Beze­ich­nung für die Groß­mut­ter benutzt. Also “Wir fahren zur Oma X!” oder “Ich habe Geld von der Oma X bekommen!”.

[poll­dad­dy poll=1505958]

So, das war’s mit der Verwandt­schafts­umfrage. Ich bedanke mich noch ein­mal ganz her­zlich bei allen, die mir geant­wortet haben!

Und hier zum Mitmachen:

Aktu­al­isierung:

Wenn man selb­st etwas in der Umfrage ein­trägt, erscheint nur eine Stimme für “oth­er”. Die Antworten will ich Euch aber nicht vorenthalten:

  • Oma Spitz­name, Omi (2x)
  • Omama/Opapa vs. Ama/Apa

Ein Kuddelmuddel: Die Großverwandten (Verwandtschaftstrilogie Teil 2)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Mein Brud­er und ich haben einige Groß­cousins und -kusi­nen. Wir meinen damit die Enkel der Geschwis­ter unser­er Großel­tern – ganz beson­ders aus ein­er bes­timmten Fam­i­lie, weil wir mit den Kindern teil­weise in die Schule gin­gen. Wir haben auch ein paar Groß­tan­ten und Großonkel, aber das sind nicht die Eltern der Großkusi­nen/-cousins, son­dern deren Großel­tern. Hm, selt­sam. Wer sind denn dann die Kusi­nen oder Cousins unser­er Eltern? Dafür haben wir keine Beze­ich­nun­gen, wahrschein­lich auch, weil sie in unserem Leben nie wirk­lich eine Rolle gespielt haben.

groskusine1

Großver­wandte in Kristins Familie

Was sagen nun meine Versuchspersonen?

Großkusinen und ‑cousins

Was ver­ste­ht Ihr unter “Großku­sine”?

Es gab 13 Per­so­n­en, die die Beze­ich­nung Großku­sine nicht kan­nten und zusät­zlich 3, die die Beze­ich­nung nie ver­wen­den. Diese Antworten blieben unberück­sichtigt. Manch­mal wur­den mehrere Möglichkeit­en angegeben, die habe ich alle berück­sichtigt. Ein schönes Syn­onym für Großku­sine habe ich bei all­dem auch noch gel­ernt: Cous-Cou­sine. Ken­nt das noch wer?

stustiantworten-gk

Eine Großku­sine ist …

Ihr seht, der Kampf tobt in erster Lin­ie zwis­chen den Kusi­nen der Eltern und deren Töchtern. Die VertreterIn­nen der Kusine-der-Eltern-Frank­tion argu­men­tierten häu­fig damit, dass die Tochter der Groß­tante natür­lich die Großku­sine sein müsse.

Die VertreterIn­nen der Enke­lin-der-Groß­tante-Frank­tion (wie ich) argu­men­tierten hinge­gen damit, dass jemand, der mit -kusine beze­ich­net wird, der­sel­ben Gen­er­a­tion ange­hören müsse wie man selbst.

Beson­ders inter­es­sant fand ich zwei Antworten:

  • alle (weib­lichen) Ver­wandten die ich zur mein­er eige­nen Gen­er­a­tion zäh­le, und bei denen die Ver­wandtschafts­beziehung weit­er ist als Schwester/Kusine
  • Ich wuerde mal sagen, dass Großkusi­nen bei mir all jene Ver­wandte sind, die irgend­wie ver­wandt mit mir sind und noch dazu weib­lich in mein­er (groben) Alter­sklasse. Falls zu alt wer­den sie dann Grosstan­ten. Maennlich entsprechend.

Diese bei­den unter­stützen die Enke­lin-der-Groß­tante-Frak­tion, sind aber noch radikaler: Die Großku­sine ist ein­fach eine ent­fer­nte weib­liche Ver­wandte gle­ichen Alters.

[poll­dad­dy poll=1505763]

Viele Leute schrieben über ihren Gebrauch und set­zten dazu, dass sie sich nicht sich­er seien, ob sie das Wort richtig gebraucht­en oder gar, dass sie sich sich­er seien, dass sie es falsch gebraucht­en. Ich glaube allerd­ings, dass es gar keinen ein­deuti­gen Gebrauch gibt, und die Antworten bestärken mich darin. Ich kann Euch auch nur allen rat­en, Groß­cousin zu googlen und die diversen Forums­beiträge dazu nachzule­sen: Man fühlt sich wie bei Lori­ot! Auch alle angegebe­nen “Quellen” scheinen nur jew­eils den per­sön­liche Gebrauch der AutorIn­nen widerzuspiegeln.

Und für alle, die auch noch abstim­men wollen:

Großtanten und ‑onkel

Vor­weg ein schneller Blick ins Deutsche Wörter­buch der Grimms, das einen älteren Sprach­stand widergibt:

  • grosz­tante, f., schwest­er des grosz­vaters oder der groszmutter
  • groszbase, f., avi­ta magna, soror avi [= Schwest­er des Großvaters]
  • grosz­muhme, f.: die gros­muhm matert­era magna, avi­ae soror […] so viel als der grosze-mut­ter schwester
  • gros­zonkel, m., was groszoheim
  • gros­zo­heim, m., avun­cu­lus mag­nus, avi­ae frater [= Brud­er der Großmutter]
  • groszvet­ter, m., patru­us mag­nus, avi pater­ni vel mater­ni frater [= Brud­er des Großvaters]

Oh, diese Unsitte der lateinis­chen Umschrei­bun­gen in der Lexiko­gra­phie! Ich habe sin­ngemäß über­set­zt, nach diesem Wörter­buch.

Das ergibt fol­gen­des Bild:

grostantegrimm

Dass danach unter­schieden wird, ob es Geschwis­ter der Groß­mut­ter oder des Groß­vaters sind, ähnelt dem Prinzip bei den Geschwis­tern der Eltern, das ich für das Alt- und Mit­tel­hochdeutsche schon erläutert habe. Die Beze­ich­nun­gen wan­dern qua­si eine Gen­er­a­tion “nach oben” und wer­den mit Groß- verse­hen, also alles schön par­al­lel. (Groß­cousin(e) find­et sich bei den Grimms über­haupt nicht, nicht ein­mal für Cousin(e) gibt es einen Ein­trag – let­ztere tauchen aber wenig­stens gele­gentlich in Beispiel­sätzen auf.)

Das damals geze­ich­nete Bild gilt, mit den Beze­ich­nun­gen Groß­tante und -onkel, heute noch immer. Meine Ver­suchsper­so­n­en waren sich hier viel, viel einiger:

Was [ver­ste­ht Ihr] unter “Groß­tante”?

grostantetorte

[poll­dad­dy poll=1505771]

Vielle­icht nicht so selt­sam, dass hier alles viel klar­er scheint – die Beze­ich­nung scheint es ja auch schon viel länger zu geben, wenn man sich danach richtet, dass das Grimm­sche Wörter­buch sie, im Gegen­satz zu Großkusi­nen und ‑cousins, kennt.

Wie bei Tante und Onkel auch, erwäh­nen hier manche, dass auch die Ehep­art­ner­in­nen der entsprechen­den männlichen Per­son Groß­tan­ten sein kön­nen, das habe ich aber nicht sys­tem­a­tisch verfolgt.

Und für weit­ere Abstimmungen:

Von meiner Tante der Mann (Verwandtschaftstrilogie Teil 1)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Wegen mein­er Ver­wandtschaft­shausar­beit habe ich mich in der let­zten Zeit viel, viel, viel mit Ver­wandtschafts­beze­ich­nun­gen beschäftigt. Dabei gibt es ein paar Dinge, die mich schon immer plagen:

  1. Ehep­art­ner von Tan­ten und Onkel
  2. Großkusi­nen und Groß­cousins / Groß­tan­ten und Großonkel
  3. Großel­tern müt­ter- und väterlicherseits

Zu jedem der Punk­te will ich in einem eige­nen Beitrag ein bißchen was erk­lären, und dann wer­den ich pseu­do-empirisch: Ich habe eine Umfrage gemacht! Die Ergeb­nisse baue ich ein, wo sie passen, aber sie sind natür­lich nicht sta­tis­tisch sig­nifikant oder sonst­wie ern­stzunehmen. Meine Ver­suchsper­so­n­en waren 51 deutsche Studierende/AkademikerInnen (27w/24m), alle mit deutsch­er Mut­ter­sprache1, einige wenige zweis­prachig, Alters­durch­schnitt 28,4 Jahre.

Mit den Ehep­art­nern der Tan­ten und Onkel geht es los:

Die meis­ten Men­schen, die ich kenne, beze­ich­nen die Ehep­art­ner ihrer Tanten/Onkel eben­falls als Tante/Onkel. Als Kind fand ich das unmöglich, Heiratsver­wandtschaft hat­te unter dieser Beze­ich­nung nichts für mich zu suchen. Aber was ist die Alter­na­tive? Jedes Mal zu sagen “Ach übri­gens, mein ange­heirateter Onkel hat sich gestern zusam­men mit dem Mann mein­er Tante betrunk­en” ist ziem­lich umständlich, und umständliche For­mulierun­gen umge­ht man ja gerne, vor allem bei so hochfre­quenten Ver­wen­dun­gen wie meinem Beispielsatz.

Die Wahl, vor der man ste­ht, ist also sich a) präzise oder b) kurz auszu­drück­en. Kurz ist die natür­lichere Wahl. Das zeigt auch das Umfrageergebnis:

Im Gespräch mit Drit­ten, wie beze­ich­net Ihr die Ehe­frau Eueres Onkels und wie den Ehe­mann Euer­er Tante? 

tantetorte

33 Per­so­n­en wählten die kürzeste Möglichkeit und beze­ich­nen die Ehep­art­ner eben­falls als Tante und Onkel. Zwei beson­ders span­nende Details:

  • Eine Per­son beze­ich­net dann nur ange­heiratete Tanten/Onkels als Tante/Onkel, wenn die Eheschließung vor ihrer Geburt stattge­fun­den hat.
  • Jemand beze­ich­net die ihm sym­pa­this­cheren und näher­ste­hen­den Ehep­art­ner als Tante/Onkel, die weniger sympathischen/entfernteren als Frau von Onkel, Mann von Tante.

Die 11 Per­so­n­en, die manch­mal Tante/Onkel und manch­mal Umschrei­bun­gen gebrauchen, ver­weisen meist auf das Kom­mu­nika­tion­sziel. Nur wenn ein Mißver­ständ­nis dro­ht, greifen sie zur Erläuterung. (Nur drei Per­so­n­en gaben an, bei­des aus­tauschbar zu gebrauchen.)

Die 3 Per­so­n­en, die Erläuterun­gen bevorzu­gen, wählen For­mulierun­gen wie “der Mann mein­er Tante”, mein ange­heirateter Onkel oder mein Onkel, der Mann mein­er Tante.

Es gibt übri­gens ein schönes Buch, Comut­ter, Papi und Lebens­ab­schnitts­ge­fährte von Helen Chris­ten, in dem die neueren Entwick­lun­gen in der Benen­nung und der Anrede von Ver­wandten und Ich-weiß-nicht-so-recht-ob-Ver­wandten unter­sucht wer­den. Ich habe es vor Ewigkeit­en mal ange­le­sen und komme grade nicht dran, aber wenn ich es das näch­ste Mal in den Hän­den halte, schaue ich, ob sich davon nicht etwas für das Sch­plock eignet.

[poll­dad­dy poll=1505575]

Für alle, die nicht Teil mein­er exk­lu­siv­en Umfrage sein kon­nten, gibt’s jet­zt noch die Möglichkeit, was zu sagen. Bitte nur ein­mal abstimmen:

Weit­er­lesen

Fragen an das Internet beantwortet

Von Kristin Kopf

Word­Press ver­fügt über eine elende Sta­tis­tik­funk­tion, die man stun­den­lang sinn­los anstar­ren kann. Um die vergeudete Zeit etwas zu recht­fer­ti­gen, will ich ein paar “Fra­gen” beant­worten, die über Suchan­fra­gen zum Sch­plock geleit­et wur­den, wo dann zwar die Such­wörter, nicht aber die Antworten vorhan­den waren.

schmettern ethymologisch (12.3.2009)

Wahrschein­lich ist es ein laut­ma­lerisches Wort, das irgend­wie mit mit­tel­hochdeutschem smîzen ‘stre­ichen, schmieren’ (das ist die Vor­form von schmeißen) und niederdeutschem schmad­dern ‘schmieren’ ver­wandt ist.

Im Mit­tel­hochdeutschen hieß es sme­tern und hat­te die Bedeu­tung ‘klap­pern, schwatzen’. Das Wort hat ab dem 16. Jahrhun­dert die Bedeu­tung ‘mit Geräusch hin­schleud­ern’, man musste also immer etwas schmettern. Später dann brauchte das Verb kein Objekt mehr, es beze­ich­net sei­ther eher die Tat­sache, dass etwas einen ‘krachen­den Schall’ verur­sacht. Wenn man ein Objekt ver­wen­den will, benutzt man hin­schmettern.

Danke übri­gens für die Inspi­ra­tion mit ethymol­o­gisch!

eichhörnchen etymologisch (22.3.2009)

Voll­tr­e­f­fer – eine Volk­se­t­y­molo­gie! Klas­sis­ch­er Fall für Olschan­sky: Schon im Althochdeutschen hat man das Wort als Zusam­menset­zung aus Eiche und Horn analysiert (eih­horno), dabei geht es eigentlich auf das ger­man­is­che Wort *aikur­na- zurück, was die indoger­man­is­che Wurzel *aig- bein­hal­tet, ‘sich heftig bewe­gen, schwingen’.

Obwohl also ety­mol­o­gisch von einem Horn nicht die Rede sein kann, wurde das Wort Mitte des 19. Jahrhun­derts zu ein­er generellen Beze­ich­nung für alle ver­wandten Nagetiere der Famile Sci­uri­dae wie z.B. Baumhörnchen, Erd­hörnchen, Flughörnchen.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia (Ray eye), CC-by-sa‑2.0‑de

paumen hochdeutsch (19.3.2009)

Wahrschein­lich geht es hier um eine alte dialek­tale Form des Wortes Bäume. Zu Beginn der althochdeutschen Zeit gab es die soge­nan­nte “Zweite Lautver­schiebung”, und ein Teil davon, die “Medi­en­ver­schiebung”, verän­derte die west­ger­man­is­chen Laute b, d und g.

  • [d] wurde zu [t], das sieht man z.B. an Wörtern wie Tag, auf Englisch day, weil das Englis­che keine Zweite Lautver­schiebung hat­te. Es gibt noch massen­haft weit­ere Beispiele (Tochterdaugh­ter, Tordoor, Tierdeer, …).
  • [b] und [g] blieben im Hochdeutschen weit­er­hin [b] und [g] – ver­glichen mit dem Englis­chen ist also kein Unter­schied festzustellen: Buch book, Bierbeer, gutgood, graugrey, …

Im Alto­berdeutschen aber, vor allem im Alt­bairischen, wurde teil­weise [b] > [p] und [g] > [k]. (Es ist aber zumin­d­est in der Schrei­bung nicht kon­se­quent durchge­führt, oft ste­hen auch <b> und <g>.) Wir find­en in alt­bairischen Tex­ten also Wörter wie perg ‘Berg’, kot ‘Gott’ und paum, ‘Baum’. Hier ist z.B. ein Auss­chnitt aus dem Wes­so­brun­ner Gebet, dessen Entste­hung auf ca. 790 geschätzt wird:

Dat gafre­gin ih mit firahim fir­i­u­uiz­zo meista,
dat ero ni uuas noh ûfhimil,
noh paum nih­heinîg noh pereg ni uuas,
ni suigli ster­ro nohheinîg noh sun­na ni scein,
noh mâno ni liuh­ta noh der mâręo sêo.
Dô dâr niu­ui­ht ni uuas enteo ni uuenteo
enti dô uuas der eino almahtî­co cot, …

(Text nach TITUS)

Das habe ich bei den Men­schen als größtes Wun­der erfahren: dass es die Erde nicht gab und nicht den Him­mel, es gab nicht den Baum und auch nicht den Berg, es schien nicht ein einziger Stern, nicht die Sonne, es leuchtete wed­er der Mond noch die glänzende See. Als es da also nichts gab, was man als Anfang oder Ende hätte ver­ste­hen kön­nen, gab es schon lange den einen, allmächti­gen Gott, …” (Über­set­zung aus Nübling 2006:23)

Und im Grimm­schen Wörter­buch gibt es einige Beispiele für paumen:

  • FRUCHTTRÄGERLEIN, n. frucht­knospe, bei MEGENBERG 93, 15: (vor dem blitz) ver­hül­let diu nâtûr diu fruht­trager­lein, daჳ sint die frühti­gen knödel (knötchen) auf den paumen, mit pletern, sam dâ ain amme ir kint ver­hül­let mit windeln.
  • FÜRBASZ , adv. weit­er, weit­er fort. […] STEINHÖWEL (1487) 64; doch nach langem seinen bedunken in gůt dauchte, seyt­mal er der fin­ster nacht hal­ben nitt fürpasz mochte, auf einen paumen ze steigen.
  • NACHSPÜREN, verb.1) intran­si­tiv, spürend fol­gen, aufzus­püren (zu erforschen, zu ergrün­den) suchen […] die aich­hörn­lein lof­fen / auf den paumen, der ich keim kund / nach-spüren, weil ich het kein hund. H. SACHS 4, 286, 8 K.

So. Auf die näch­sten Suchan­fra­gen ist das Sch­plock vorbereitet!

… wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

Von Kristin Kopf

Von mein­er Ger­man­is­tik-Ver­wandtschaft­shausar­beit sind ein paar Bröckchen fürs Sch­plock abge­fall­en. Es geht um den Wan­del der Typolo­gie von Ver­wandtschaftssys­te­men – also nicht darum, wie sich einzelne Wörter verän­dern (wobei ich darauf auch ein wenig einge­hen will), son­dern darum, wie sich kom­plette Sys­teme verän­dern. Und da kann sich erstaunlich viel tun. Ich will heute nur auf einen kleinen Teilaspekt einge­hen, der die Eltern­gener­a­tion (auch G+1 genan­nt) betrifft.

Dort wer­den im heuti­gen Deutsch zwis­chen Blutsver­wandten zwei Unter­schei­dun­gen getroffen:

  • Frau oder Mann? Mut­ter, Tante vs. Vater, Onkel
  • In direk­ter Lin­ie ver­wandt oder nicht? Vater, Mut­ter vs. Tante, Onkel

Da drang ein Dutzend Anverwandten / Herein, ein wahrer Menschenstrom!

Im Althochdeutschen gab es noch eine weit­ere Unterscheidung:

  • Frau oder Mann? muot­er, muo­ma, basa vs. fater, fetiro, oheim
  • In direk­ter Lin­ie ver­wandt oder nicht? muot­er, fater vs. muo­ma, basa, fetiro, oheim
  • Müt­ter­lich­er­seits oder väter­lich­er­seits? muo­ma, oheim vs. basa, fetiro

Die vier Beze­ich­nun­gen für die Geschwis­ter der Eltern lauteten also:

(1) muo­ma ‘Schwest­er der Mutter’
(2) basa ‘Schwest­er des Vaters’
(3) fetiro ‘Brud­er des Vaters’
(4) oheim ‘Brud­er der Mutter’

Und hier für Leute, die es lieber visuell haben:

verwahd

Ahd. Ver­wandtschaftssys­tem nach Nübling et al. (2006)

Ein solch­es Sys­tem nen­nt man auch bifur­cate col­lat­er­al type.

Da kamen Brüder, guckten Tanten, …”

Die Unter­schei­dung mütterlicherseits/väterlicherseits ist heute also ver­schwun­den. Wenn man sich die Wörter anschaut, dann kom­men sie einem aber alle noch bekan­nt vor. Wie kommt’s?

In mein­er Abbil­dung habe ich die Cousins und Kusi­nen unter­schla­gen. Die gab es in althochdeutsch­er Zeit natür­lich auch schon, unter anderem Namen. Wahrschein­lich hießen sie muomen­sun etc., waren also zusam­menge­set­zte Beze­ich­nun­gen – beson­ders viele Quellen gibt es aber nicht ger­ade, ich habe nur einen Auf­satz von 1900 gefun­den, der die For­men erwäh­nt, die meis­ten Darstel­lun­gen lassen sie ein­fach weg.

Schließlich kam es zu einem Bedeu­tungswan­del. In einem ersten Schritt begann man, die Beze­ich­nun­gen für die Geschwis­ter der Eltern auch für deren Kinder zu ver­wen­den – die Tochter von Base oder Vet­ter (wir sind jet­zt schon im Früh­neuhochdeutschen!) wurde auch zur Base, der Sohn von Oheim und Muhme auch zum Oheim, etc. Die Beze­ich­nun­gen hat­ten jet­zt also zwei Bedeu­tun­gen. Nach einem wilden Kud­del­mud­del einigten sich die Begriffe dann endlich: Oheim und Muhme durften Brud­er oder Schwest­er der Eltern beze­ich­nen, egal auf welch­er Seite, und Base und Vet­ter beka­men den Job, deren Kinder zu übernehmen. Damit sind wir typol­o­gisch bei unserem heuti­gen Sys­tem ange­langt: Es wird zwar unter­schieden, ob Schwest­er oder Brud­er der Eltern, aber nicht von welch­er Seite. Das nen­nt man auch lin­eal type. Von da an gab es nur noch auf der Wor­tebene Veränderungen:

… Da stand ein Vetter und ein Ohm!

Der Fam­i­liensegen stand bald schon wieder schief: Muhme und Oheim beka­men harte Konkur­renz, die neu­modis­chen Beze­ich­nun­gen Tante und Onkel, aus dem Franzö­sis­chen entlehnt, macht­en sich ab Mitte des 17./Anfang des 18. Jahrhun­derts bre­it. Unge­fähr Mitte des 20. Jahrhun­derts war die Schlacht dann geschla­gen, Tante und Onkel gin­gen siegre­ich hervor.

Auch Base und Vet­ter hat­ten zwis­chen­zeitlich keine Ruhe gefun­den, Anfang bis Mitte des 17. Jahrhun­derts kamen Cou­sine und Cousin zu Besuch, und es gefiel ihnen so gut, dass sie blieben. Die Base warf Mitte des 20. Jahrhun­derts das Hand­tuch, der Vet­ter führt noch Rückzugsgefechte.

2009-03-20-verwfnhd

(Früh-)Neuhochdeutsches Ver­wandtschaftssys­tem

Im Dig­i­tal­en Wörter­buch der deutschen Sprache habe ich mal ein bißchen herumpro­biert, in der Hoff­nung, den Nieder­gang von Muhme, Oheim, Base und Vet­ter sicht­bar machen zu kön­nen. Base musste ich gle­ich rauswer­fen, da waren zu viele Tre­f­fer mit der chemis­chen Bedeu­tung drunter. Muhme hat­te kaum Tre­f­fer, Oheim und Vet­ter gin­gen so. Hier mal exem­plar­isch der Oheim – auf­grund der gerin­gen Tre­f­fer­zahl ist das Dia­gramm aber nur dazu geeignet, einen groben Ein­druck zu bekommen:

oheimgrafik

Den Auf­stieg von Onkel, Tante, Cousin und Kusine kann man lei­der nicht nachver­fol­gen, zumin­d­est sehen die Unter­schiede für mich völ­lig insignifikant aus. An den Zahlen kann man im Ver­gle­ich aber ganz gut sehen, welche Form sich durchge­set­zt hat, nur eine Zunahme ist eben nicht erkennbar. Hier der Onkel1:

onkelgrafik

Weit­er­lesen

Osnabrück, nicht Bar Celona: DGfS-Jahrestagung 2009

Von Kristin Kopf

Diese Woche war ich auf der Jahresta­gung der DGfS in Osnabrück (übri­gens die Haupt­stadt des schlecht­en Wortwitzes) und habe viele, viele Vorträge gehört, viele berühmte und weniger berühmte Men­schen gese­hen und wenig geschlafen. Es war ein Riesenspaß!

Ich habe natür­lich unglaublich viele span­nende Dinge gel­ernt, aber lei­der eignen sich immer nur Split­ter davon für ein Blog – meine per­sön­lichen High­lights waren die Plenumsvorträge von Mar­i­anne Mithun und Adele Gold­berg, die sich aber nicht gut zer­schnipseln lassen.

Hier also meine DGfS-Nachlese:

AG 1: Formen und Funktionen von Satzverknüpfungen

Ferraresi/Weiß – Und-(?!)Nebensätze

Mit und kon­nte in mit­tel- und früh­neuhochdeutsch­er Zeit nicht nur Koor­di­na­tion aus­ge­drückt wer­den, son­dern auch Subordination:

(1) alse lieb und ich dir bin ‘so lieb wie ich dir bin’ (modal-ver­gle­ichend)

(2) zuvor und er zu mor­gen eszbevor er früh­stücke’ (tem­po­ral)

(3) erget­zet sie der lei­de unt ir ir habet getân ‘entschädigt sie für das Leid, das ihr ihr ange­tan habt’ (rel­a­tivisch)

AG 5: Formen des Ausdrucks von Höflichkeit/ Respekt im Gespräch

Hentschel — Alle Men­schen wer­den Brüder

Im Ser­bis­chen kann man (wie in vie­len Sprachen) Ver­wandtschafts­beze­ich­nun­gen auch für Nicht-Ver­wandte benutzen. Dabei benutzt man sine ‘Sohn’ sowohl für junge Frauen als auch für junge Män­ner. Die Beze­ich­nung für ‘Tochter’ kann gar nicht ver­wen­det wer­den. Wahrschein­lich hat es damit zu tun, dass die männliche Form als pos­i­tiv­er wahrgenom­men wird.
Im Chi­ne­sis­chen haben die Beze­ich­nun­gen für großer Brud­er und kleine Schwest­er teil­weise die Bedeu­tun­gen ‘Ban­denchef’ und ‘Pros­ti­tu­ierte’ bekom­men, wo sie nicht auf wirk­liche Geschwis­ter referieren.

Haase — Ref­er­enten­honori­fika­tion zwis­chen Gram­matik und Lexikon

Im Bask­ischen gibt es eine Markierung für Vertrautheit/Familiarität (im Gegen­satz zu den meis­ten Sprachen, die Höflichkeit/Distanz/Respekt markieren) – dabei wird extrem viel palatal­isiert und es wer­den Ele­mente in Ver­ben eingeschoben, die z.B. die Tran­si­tiv­ität verän­dern (das nen­nt man Alloku­tiv). Diese Art zu sprechen wird meist nur gegenüber Fam­i­lien­ange­höri­gen (aber nicht den Eltern), kleinen Kindern oder Tieren ver­wen­det. Weil sie auf so einen engen Kreis beschränkt ist, hat sie eine sehr hohe Var­i­anz — jede Fam­i­lie entwick­elt ihre eigene Version.

Simon — Zur Gram­matik der indi­rek­ten Anrede im Afrikaans und im älteren Deutsch

Im Afrikaans gibt es bes­timmte Beze­ich­nun­gen (Ver­wandtschafts- und Berufts­beze­ich­nun­gen), die man für die Anrede benutzt, um höflich zu sein. Dabei wer­den diese For­men nicht nur ein­mal zur Anrede gebraucht (wie “Herr Pfar­rer, …”), son­dern auch an Stellen, wo andere Sprachen ein Reflex­iv- oder ein Pos­ses­sivpronomen gebrauchen wür­den. Wenn man im Afrikaans über jeman­den spricht, sagt man z.B.

(1) Dom­i­nee skeer hom. ‘Der Pfar­rer rasiert sich

bei höflich­er Anrede wird es aber zu 

(2) Dom­i­nee skeer Dom­i­nee ‘Herr Pfar­rer, Sie rasieren sich (wörtl.: Herr Pfar­rer rasieren Her­rn Pfar­rer)’.

AG 13: Comparison constructions and similarity-based classification

Hahn — What makes things similar

Mit wenig Sprach­bezug, aber kong­ni­tiv sehr span­nend: Wenn wir Dinge miteinan­der ver­gle­ichen, ist die Ver­gle­ich­srich­tung wichtig. Wenn wir eine Lin­ie von 85° sehen, stim­men wir wahrschein­lich schnell zu, dass sie fast ver­tikal ist, wenn wir eine ver­tikale Lin­ie sehen, stim­men wir aber eher nicht zu, dass sie fast 85° hat.

Plenarvortrag

Gold­berg — Items and Generalizations

Es gibt im Englis­chen Adjek­tive, die nicht vor dem Bezugswort ste­hen kön­nen, son­dern eigentlich nur prädika­tiv ver­wen­det wer­den können:

(1) ??the asleep child

ist komisch, aber

(2) the child is asleep

geht. Das sind alles Adjek­tive die mit a- begin­nen (der Laut ist ein Schwa [ə]) und die meis­tens früher mal Prä­po­si­tion­alphrasen waren (also z.B. on sleep > asleep). Man kann sie heute noch sehr gut tren­nen, nach Wurzel und a:

(3) a|sleep, a|float, a|live, a|blaze

im Gegen­satz zu ähn­lich aussehenden/klingenden Adjek­tiv­en mit ein­er anderen Quelle (absurd, acute, aduld) die attribu­tiv ver­wen­det wer­den kön­nen (the absurd sit­u­a­tion). Heutige SprecherIn­nen ler­nen also eigentlich eine his­torische Regel, indem sie die For­men, bei denen das a- vom on stammt, anders behan­deln. Darüber sind sie sich allerd­ings nicht im Klaren, sie fol­gen eben dem Gebrauch der­er, von denen sie ler­nen, und da sie in Kon­tex­ten, in denen z.B. asleep gebaucht wird, nie den attribu­tiv­en Gebrauch hören, ler­nen sie die Regel. Im Vor­trag war das nur ein kleines Beispiel zur Begrün­dung eines bes­timmten Sprach- und Gram­matikver­ständ­niss­es, das aber hier den Rah­men spren­gen würde.

That’s Greek to me!

Von Kristin Kopf

Heute ein Ver­weis auf das Lan­guage Log — und zwar genauer auf diesen Ein­trag mit einem Dia­gramm (gefun­den via StrangeMaps), das zeigt, welche Sprachen in welchen Sprachen als pro­to­typ­isch unver­ständlich betra­chtet wer­den. Als Quelle dient ein entsprechen­der Wikipedia-Ein­trag.

Es geht also darum, dass man sagt “Das klingt X für mich”, wobei X irgen­deine als unver­ständlich emp­fun­dene Sprache ist, und damit aus­drückt, dass man etwas nicht ver­ste­ht. Im Englis­chen ist es z.B. That’s Greek to me!

Das sieht alles sehr span­nend aus, allerd­ings fürchte ich, dass die einzel­nen Ein­träge noch ein­mal über­prüft wer­den müssten. Für Deutsch ist z.B. Spanisch einge­tra­gen, wegen Das kommt mir Spanisch vor — aber Das kommt mir Spanisch vor hat eigentlich nicht die Bedeu­tung ‘Ich ver­ste­he das nicht’, son­dern ‘Das ist mit sus­pekt, das kommt mir komisch vor’. (Ärg­er­licher­weise kommt das auch in der deutschen Wikipedia nicht richtig raus.)

Strange Maps hat zum Deutschen noch Kaud­er­welsch anzu­bi­eten und spekuliert, es beze­ich­nete vielle­icht Rätoro­man­isch. Das ist gar nicht so abwegig, Kluge ken­nt die The­o­rie auch — Welsch ist ja ein altes Wort für roman­is­che Sprachen. Im Deutschen wurde es eher abw­er­tend gebraucht, in der Schweiz wohl neu­tral. Trotz­dem ist es kein beson­ders gutes Beispiel für die Sprachen­samm­lung, denn erstens stellt man heute keinen Bezug zu ein­er bes­timmten Sprache mehr her, und zweit­ens hat es die zusät­zliche Bedeu­tung ‘Ich ver­ste­he es nicht weil es schlecht formuliert/ausgesprochen/… ist’. Entsprechend find­et es sich auch meist in abw­er­tenden Kon­tex­ten wie So ein Kaud­er­welsch! (Eine pos­i­tive Ver­wen­dung ist z.B. bei der Rei­he Kaud­er­welsch gelungen.)

Die gängig­ste Wen­dung bei uns ist völ­lig ohne Bezug zu Fremd­sprachen — Ich ver­steh nur Bahn­hof. Die deutsche Sprache scheint im Gegen­zug auch von kein­er anderen Sprache als beson­ders unver­ständlich wahrgenom­men zu werden …

In der Gesamt­sicht scheinen Griechisch und Chi­ne­sisch sehr beliebt zu sein. (Fachchi­ne­sisch gibt’s bei uns ja auch. Und Angler‑, Jäger‑, …latein.) Inter­es­sant, dass es bei­des Sprachen mit anderen Schrift­sys­te­men sind.

Ich hab’n jpg in dem pdf und will’s auf DVD brennen …

Von Kristin Kopf

Viele com­put­er­be­zo­gene Abkürzun­gen sind ja noch recht bekan­nt (www, http, CD, …) — aber ger­ade bei eini­gen der For­mate, die ich täglich benutze, hat­te ich keine Ahnung, was sie eigentlich bedeuten.

Wer ein bißchen rät­seln will, dem sei meine Auswahl hier genan­nt: pdf, jpg, mp3, DVD, CD-ROM

Und wer Erleuch­tung sucht, möge nach unten scrollen!

dateiendungen

Jet­zt zur Auflösung:

  1. pdf - portable doc­u­ment for­mat: So weit, so nahe­liegend. Ich wün­schte, mehr Men­schen wür­den es benutzen, im ihre Doku­mente trans­portier­bar zu machen ...
  2. jpgJoint Pho­to­graph­ic Experts Group: Wahrschein­lich ein Depart­ment des CIA …
  3. mp3 - MPEG‑1 Audio Lay­er 3 (MPEGMov­ing Pic­ture Experts Group): Noch mehr Experten, hui.
  4. DVDDig­i­tal Ver­sa­tile Disc: Ein wahrhaft viel­seit­iges Medi­um und der Tod der
  5. CD-ROM - Com­pact Disc Read-Only Mem­o­ry: Der erste Teil war mir klar, aber woher das ROM kam … Ich meine, ich wusste, dass es nichts mit Rom zu tun hat, wie ein beliebtes Bren­npro­gramm sug­geriert (Gibt’s das noch? Ist es noch beliebt?), aber dass es so pro­fan sein würde …

Ich würde ja vorschla­gen, dass Ihr in die Kom­mentare schreibt, wie klar Euch das längst war, oder welche anderen bekan­nten Com­put­er­abkürzun­gen Ihr auflösen kön­nt — aber ich fürchte, dann wird klar, wie wenige Leute hier lesen. Also … vielle­icht lieber nicht 😉

Lieber noch ein paar Über­legun­gen zum Sta­tus dieser Abkürzun­gen. Sind es Wörter? So richtige?

DVD und CD-ROM sich­er: Schon ihre Lang­for­men waren Sub­stan­tive (disc), die ein­fach nur gekürzt wur­den, sie beze­ich­nen (in der Mehrzahl) sil­berne Scheiben, die man anfassen und rum­schlep­pen kann, Sätze wie “Ich habe meine CD-ROM zerkratzt, aber glück­licher­weise hat­te ich den Film noch auf DVD hört man alle nase­lang, sie bilden auch ganz nor­male Plu­ral­fomen (die DVDs, die CD-ROMs) — aber was ist mit den Dateiformaten?

Bei der Lang­form dieser Abkürzun­gen han­delt es sich auch um Sub­stan­tive — allerd­ings um welche, die etwas anderes beze­ich­neten: for­mat bezog sich auf das Spe­icher­for­mat, nicht auf das konkrete Doku­ment, das in diesem For­mat existiert, group bezog sich auf die Gruppe von Men­schen, die das For­mat erstellt hat, nicht auf die konkrete Bild­datei (JPEG), lay­er (mp3) auf … was weiß ich, irgend­was Tech­nis­ches halt. Bei let­zterem wurde sog­ar so krass abgekürzt, dass es von lay­er keinen Rest mehr in der Abkürzung gibt.

Die Abkürzun­gen wur­den kreiert um zu kennze­ich­nen, dass eine Datei einem bes­timmten For­mat ange­hört. Oder sog­ar einem von ein­er bes­timmten Gruppe erstell­ten For­mat. (So gese­hen fol­gt JPG ein­er ähn­lichen Benen­nungsmo­ti­va­tion wie Kolumbi­en, Cook­town oder Peter Moosleit­ners inter­es­santes Mag­a­zin. Allerd­ings hat aus­gerech­net JPG die Sache nicht sooo weit mit­gemacht wie PDF und mp3, wahrschein­lich, weil das For­mat meist nur eine geringe Rolle spielt, man spricht halt von einem Bild.)

Natür­lich waren sie extrem kurz, wie das bei Dateien­dun­gen immer ist. (Manche Betrieb­ssys­teme lassen nur drei Zeichen zu. *hach* Wikipedia bildet unglaublich …)
Als Com­put­er­nutzerIn wird man also tagtäglich mit den Endun­gen kon­fron­tiert, aber fast nie mit den Fein­heit­en des dahin­ter­ste­hen­den For­mats. So gese­hen war der Weg nicht weit von der Grundbe­deu­tung ‘Dateifor­mat’ zu ‘gehört einem bes­timmten For­mat an’ (in Kon­tex­ten, bei denen die Endung an einen Dateina­men ange­fügt wurde) zu ‘konkrete Datei in einem bes­timmten For­mat’ — wobei noch immer alle Bedeu­tun­gen existieren. (Finde ich.)

So war die Abkürzung anfangs ein Wort, dann eine Art tech­nis­ch­er Mark­er, bei dem ich mich schw­ertue, ihn als Wort zu beze­ich­nen (immer, wenn’s an einem Dateina­men hängt) und wurde schließlich wieder zu einem Wort mit ein­er anderen Bedeutung.

Diese Wörter in ihrer neuen Bedeu­tung haben noch mit eini­gen Schwierigkeit­en zu kämpfen, ganz beson­ders was die Schrei­bung anbetrifft.
Wie heißt es nun, .pdf, pdf, Pdf oder PDF?

(1) Ich habe ein .pdf gefun­den (lei­der auf Japanisch) es hiess: Main­Mem­o­ry Exten­sion Man­u­al — for End User.
Quelle

(2) ach du möcht­est ein pdf erstellen?
Quelle

(3) Ich habe ein Pdf, kön­nte es Ihnen bei Inter­esse per Mail schick­en, PN darf ich noch nicht. 
Quelle

(4) Ich habe ein PDF zur ein­er ach so tollen Inter­net­druck­erei geschickt und bekam ein Druck­ergeb­nis in der manche Texte richtig waren und manche halt nur aus ä bestanden. 
Quelle

Manche Leute schreiben PDF-For­mat, aber ein­fach das For­mat zu ver­dop­peln ist auch nicht so ele­gant. PDF-Doku­ment gibt’s auch.

Ich bin ges­pan­nt, was sich da durch­set­zen wird. Mein Wun­schtraum wäre ja Pedeäf (wie Ede­ka aus E.d.K., Einkauf­sgenossen­schaft der Kolo­nial­waren­händler im Halleschen Tor­bezirk zu Berlin).

[Buchtipp] Täuschende Wörter

Von Kristin Kopf

2008-12-25-olschanskySchon lange mal wollte ich Euch Heike Olschan­skys Buch “Täuschende Wörter”1 ans Herz leg­en. So lange schon, dass ich grade ein sehr inten­sives déjà-écrit-Erleb­nis habe. Naja, hier auf jeden Fall nicht.
Das Buch ist ein Mini-Lexikon für Volksetymologien.

Eine Ety­molo­gie ist die Geschichte eines Wortes — woher es kommt und wie es sich im Lauf der Zeit verän­dert hat, laut­lich und seman­tisch (also von der Bedeu­tung her).
Wenn man z.B. das heutige Wort Marschall nimmt und es zurück­ver­fol­gt, kommt man bei althochdeutsch maras­calc raus, ‘Pfer­deknecht’ (mar ‘Pferd’, scalc ‘Diener’ — da kommt übri­gens auch der Gottschalk her!).
Wenn ver­schiedene Wörter auf einen gemein­samen Stamm zurück­ge­führt wer­den kön­nen, so beze­ich­net man sie als ety­mol­o­gisch ver­wandt und kann damit im Tuto­ri­um Angst und Schreck­en ver­bre­it­en. (Ety­mol­o­gisch ver­wandt ist z.B. schnei­den mit Schnitt oder frieren mit Frost.)
Für Ety­molo­gien gibt es ety­mol­o­gis­che Wörter­büch­er — für’s Deutsche z.B. den “Kluge”.2

Eine Volksety­molo­gie kommt dann zus­tande, wenn ein Wort fälschlicher­weise mit Wörtern zusam­menge­bracht wird, mit denen es gar nichts zu tun hat. Klas­sis­ches Beispiel sind der Maulwurf und der Toll­patsch, daher lieber was anderes:

schmetterling1

Der Schmetter­ling hat nichts mit schmettern zu tun son­dern kommt wahrschein­lich von Schmetten­ling (ost­mit­teldeutsch), dessen erster Bestandteil wohl von Tschechisch smetana ‘Milchrahm’ her­rührt3. Das hat dann seine Ursache darin, dass im Volks­glauben Schmetter­linge oft mit Milch­pro­duk­ten in Verbindung gebracht wur­den — Olschan­sky führt an, dass sie sich ange­blich gerne auf Milchge­fäße set­zen oder dass Hex­en sich in Schmetter­linge ver­wan­del­ten, um Milch und Rahm zu stehlen. Was lustiger­weise auch am engl. but­ter­fly zu sehen ist.

Weit­ere Erk­lärun­gen gibt’s im ange­priese­nen Buch, unter anderen für die Wörter Affen­schande, Arm­brust, Beispiel, Brat­en, Eich­hörnchen, Eisvo­gel, Fried­hof, …
Außer­dem gibt es ein Kapi­tel zu Volk­se­t­y­molo­gien in anderen Sprachen und in Eigen­na­men und ein wun­der­bares Mini-Glos­sar von vier Seit­en, das alle ver­wen­de­ten Fach­be­griffe auch für Laien ver­ständlich macht.

Natür­lich sind viele der Volk­se­t­y­molo­gien auch in einem nor­malen ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch erk­lärt, aber dazu muss man sie alle erst ein­mal find­en. Und Olschan­sky schreibt so angenehm les­bar und gle­ichzeit­ig ern­sthaft wis­senschaftlich (sie gibt z.B. alle bekan­nten For­men in älteren Sprach­stufen an, manch­mal sog­ar bis ins Indoger­man­is­che zurück), dass es eine Freude ist.
Also: Lesen!

Weit­er­lesen

Mit Gehirnwäsche-über-sich-ergehen-lassen beschäftigt sein

Von Kristin Kopf

Die Seman­tik von beschäftigt sein lässt für mich eigentlich nur Tätigkeit­en zu, bei denen es einen Agens gibt (z.B. mit den Hausauf­gaben beschäftigt sein) — Sätze mit einem Expe­ri­encer (also jeman­dem, der eher etwas erlebt als es aktiv durchzuführen) sind irgend­wie schief (z.B. ??mit Schlafen beschäftigt sein). Damit beschäftigt zu sein, etwas über sich erge­hen zu lassen ist auch so ein Fall …
Damit er nicht ganz alleine ste­ht, hat der Autor des unten zitierten FAZ-Artikels (ein Michael Lud­wig) auch noch andere ungewöhn­liche For­mulierun­gen einge­baut, wie z.B. jeman­den irgend­wohin reden (kurz für jeman­den dazu überre­den, irgend­wo hinzuge­hen?).

Kus­ne­zows Anhänger arbeit­eten nicht und schick­ten ihre Kinder nicht zur Schule. Sie waren damit beschäftigt, Gehirn­wäsche über sich erge­hen zu lassen. Ein rus­sis­ch­er Sek­ten­forsch­er meinte, Kus­ne­zow habe die Men­schen zu Zom­bies gemacht und schließlich mit wirren religiösen Sprüchen unter die Erde geredet.”

Auch inhaltlich macht mich der Artikel eher rat­los — die Art zu bericht­en will für mich so gar nicht zur FAZ passen.