Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtete vorgestern davon, dass die Svenska Akademien in der neuen Auflage des von ihr herausgegebenen Wörterbuchs der schwedischen Sprache das geschlechtsneutrale Pronomen hen aufnehmen wird, das das Pronominalsystem in der dritten Person Singular neben hon ‚sie‘ und han ‚er‘ ergänzen soll–, nein, ergänzen wird–, hm, ergänzen muss–, ja, was denn nun?
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Pippi Langstrumpf, N****prinzessin und Übersetzungsproblem
Wenn ich meiner Tochter früher die Bücher Pippi Langstrumpf geht an Bord und Pippi auf Taka-Tuka-Land vorgelesen habe, sah ich mich zu redaktionellen Änderungen gezwungen: Die Bücher enthalten eine Reihe rassistischer Ausdrücke, die ich beim Vorlesen stillschweigend durch annähernd neutrale Wörter ersetzt habe.
[Hinweis: Der folgende Beitrag enthält Beispiele rassistischer Sprache.} Weiterlesen
Der andere Mai
Ihr kennt doch sicher “das andere Links” – aber wusstet ihr, dass es auch mal einen “anderen Mai” gab? Also known as Juni.
Diese Benennung wird logischer, wenn man weiß, dass anderer nicht immer nur seine heutige Bedeutung besaß, die ja so ungefähr ‘nicht dieser’ ist. Schaut mal diese Bibelstellen aus dem ersten Buch Genesis von ca. 1466 (Straßburg) und 1494 (Lübeck) an:
Bei Luther heißt die entsprechende Stelle:
7 Da machet Gott die Feste / vnd scheidet das wasser vnter der Festen / von dem wasser vber der Festen / Vnd es geschach also.
8 Vnd Gott nennet die Festen / Himel. Da ward aus abend vnd morgen der ander Tag.
Für die nicht ganz so Bibelfesten noch deutlicher wird es dann, wenn man sich das Inhaltsverzeichnis der Lutherbibel anschaut, oder auch sowas hier: Weiterlesen
Es war einmal … das Althochdeutsche
Ich werfe hier ja ständig mit Sprachperiodenbezeichnungen wie Althochdeutsch, Indogermanisch oder Frühneuhochdeutsch um mich. Wahrscheinlich können sich die meisten von Euch vorstellen, dass Althochdeutsch sehr alt ist, aber in welche Jahrhunderte es konkret fällt, ist wohl kein Allgemeinwissen.
Diese Es-war-einmal-Reihe will Abhilfe schaffen: Ich ordne eine der Vorstufen des Deutschen zeitlich ein und erzähle ein bißchen was drüber. Los geht’s mit dem Althochdeutschen, weil das die älteste Form des Deutschen ist.
Das Althochdeutsche wird für die Zeit zwischen 500 und 1050 nach Christus angesetzt, also für rund 550 Jahre. Das ist eine Menge Zeit, man kann sich also schon denken, dass man da nur schwer von einer einheitlichen Sprache ausgehen kann.
500/750? Hä?
Der Beginn des Althochdeutschen wird oft mit einem lustigen Schrägstrich angegeben. Das heißt nicht, dass man ihn sich aussuchen kann – für beide Zahlen gibt es gute Gründe:
[Ich benutze jetzt erstmals diese Abschnittsfunktion um mehr als nur Fußnoten zu verstecken. Für den Hauptteil des Artikels also hier klicken:]
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Europawahl ist Sprachenwahl?
So, alle Wahllokale geschlossen? Dann kann ich ja.
Ich saß letzte Woche ratlos vor dem Europawahlzettel, fasziniert von all den kreativen Parteien. Nicht gewählt, aber mit Interesse zur Kenntnis genommen habe ich die Partei auf dem Listenplatz 24:
(Die auf 25 war aber auch lustig.)
Ich habe die deutsche Homepage von EDE gefunden – komischerweise scheint es sie nicht auf Esperanto zu geben (dafür aber ihre europäische Seite). Die Politik scheint eigentlich nur darin zu bestehen, für Demokratie zu sein (nicht sehr profilbildend) und Esperanto als Sprache der europäischen Verständigung vorantreiben zu wollen. Die Begründung für letzteres ist die, dass eine Nationalsprache als Hauptverständigungssprache deren Muttersprachler über Gebühr bevorzugt. Mit Esperanto macht man es also laut EDE für alle schwerer und somit fairer, weil alle eine Fremdsprache sprechen. Die Frage ist allerdings, ob es wirklich für alle gleich schwer würde, oder ob nicht doch wieder bestimmte Muttersprachler bevorzugt würden …
“Das Lernen [von Esperanto] wird zudem dadurch noch weiter vereinfacht, dass die Wortstämme vor allem aus romanischen und germanischen Sprachen entlehnt sind. Somit versteht der durchschnittlich gebildete deutsche Lerner einen erheblichen Teil des Wortschatzes – ganz ohne Lernaufwand.” (Quelle, Hervorhebungen von mir)
So, das ist also fair? Ja, viele Sprachen, die in Europa gesprochen werden, sind germanische oder romanische Sprachen. Aber bei weitem nicht alle. Es gibt in der EU nämlich auch folgende Amtssprachen (Regional- und Minderheitensprachen berücksichtige ich gar nicht erst):
- Slawischen Sprachen (Polnisch, Tschechisch, Bulgarisch, Slowakisch, Slowenisch, Kroatisch – letzteres nur als regionale Amtssprache in Österreich)
- Irisch-Gälisch, eine keltische Sprache, gesprochen in Irland und diverse keltische Sprachen in Großbritannien
- Baltische Sprachen (Lettisch und Litauisch)
- Griechisch, das einen eigenen Sprachzweig bildet, gesprochen in Griechenland und auf Zypern
- Baskisch, gesprochen in Spanien, eine isolierte Sprache (d.h. dass keine mit dem Baskischen verwandten Sprachen existieren) – ist allerdings nur eine regionale Amtssprache
- Malti, gesprochen auf Malta, eine semitische Sprache
- Estnisch, Finnisch, Ungarisch, die finno-ugrischen Sprachen
- Türkisch, gesprochen auf Zypern, eine Turksprache
Hier noch einmal visualisiert – die “Randgruppen” sind klar zu erkennen:
Ich will niemandem das Esperanto schlechtreden, dazu verstehe ich auch viel zu wenig davon – aber dass es eine “neutrale” Sprache geben kann, die für Sprecher aller Sprachen in der EU mit einem ähnlichen Lernaufwand verbunden ist, bezweifle ich dann doch. Und dass es jetzt noch eine Chance hat, zur EU-Sprache aufzusteigen, erst recht. Nichtsdestotrotz eine interessante Sprache, in die es sich durchaus lohnt, mal reinzuschnuppern:
- Esperantokurs für Anfänger
- Esperanto-Wörterbuch
- Andrew’s World mit gelegentlichen Blogeinträgen auf Esperanto
Von Pentekoste zu Pfingsten: Die 2. Lautverschiebung schlägt zu
Ah, endlich wieder ein kirchlicher Feiertag, der der Erläuterung bedarf. Frohe Pfingsten!
Das Wort kommt von griechisch pentēkostē ‘fünfzigster (Tag nach Ostern)’. Im Althochdeutschen gibt es keine belegten Formen davon, sondern nur die Form fimfchusti. Bei ihr wurde der erste Bestandteil der griechischen Zahl, das pent-, einfach übersetzt: fimf ‘fünf’. Es muss aber auch das entlehnte Wort schon gegeben haben, denn im Mittelhochdeutschen stoßen wir auf pfingeste(n), einen Nachfolger des griechischen Wortes ohne übersetzte Teile.
Warum kann das Wort nicht zweimal entlehnt worden sein? Einmal, mit der halben Übersetzung, im Althochdeutschen, und dann noch einmal unübersetzt im Mittelhochdeutschen? Dafür gib es einen guten Grund: die “Zweite Lautverschiebung”.
Die “Zweite Lautverschiebung” schlägt zu
Die “Zweite Lautverschiebung” ist ein Prozess, infolgedessen bestimmte Laute sich in andere Laute verwandelten. An seinem Ende steht der Beginn der deutschen Sprache: Das Althochdeutsche.
Was da im Detail passiert, ist ziemlich komplex. Abhängig von ihrer Position im Wort und ihrer lautlichen Umgebung verwandeln sich die germanischen Laute p, t und k sowie das d:
Die genauen Bedingungen erspare ich Euch heute, sie sind aber problemlos ergooglebar.
Deutsch vs. Englisch: Pfffff!
Die Zweite Lautverschiebung passierte nur im Hochdeutschen. Alle anderen germanischen Sprachen haben sie nicht mitgemacht.1 Entsprechend findet man z.B. im Englischen noch die “alten” Laute:
Englisch(ohne 2. LV)Deutsch(mit 2. LV)
p: | pound | Pfund |
ship | Schiff |
|
t: | to | zu |
to eat | essen | |
k: | cook | Koch |
d: | daughter | Tochter |
Woher kommt die Pistazie?
Clevere Schplock-LeserInnen werden sich natürlich sofort fragen, wie es sein kann, dass wir heute den Laut /p/ im Deutschen haben, wenn doch immer entweder /pf/ oder /f/ draus wurde. Die logische Antwort: In der Regel sind das Fremdwörter. Viele stammen aus dem Niederdeutschen (das kein hochdeutscher Dialekt ist!), wie Stapel, viele aus dem Lateinischen, wie Pistazie, und eine Menge natürlich auch aus dem Englischen, wie Computer.
Eines haben sie dabei alle gemeinsam: Sie kamen erst nach der Zweiten Lautverschiebung ins Deutsche. Wären sie schon vorher dagewesen, hätte die Verschiebung sie gnadenlos verwandelt, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft. Pfaffe z.B. geht auf lateinisch papa zurück, wanderte aber so früh ein, dass es von der Zweiten Lautverschiebung ergriffen wurde.
Pinksteren, Pentecost und Päischten
Und damit sind wir bei Pfingsten: Wir wissen, dass es auf ein griechisches Wort mit p zurückgeht (pentēkostē). Da heute kein p mehr im Wort zu finden ist, sondern ein pf, muss das Wort schon vor der Zweiten Lautverschiebung entlehnt worden sein. Also vor dem Althochdeutschen. Entsprechend muss es die Form im Althochdeutschen schon gegeben haben – wahrscheinlich hat sich nur keiner die Mühe gemacht, es aufzuschreiben.
Wie oben vorhergesagt, hat das Wort in allen anderen germanischen Sprachen sein p behalten:
- Englisch: Pentecost (auch: Whitsunday ‘weißer Sonntag’)
- Niederländisch: Pinksteren
- Afrikaans: Pinkster
- Luxemburgisch: Päischten, Péngschten
- Dänisch: Pinse
- Norwegisch (Nynorsk & Bokmål): Pinse
- Schwedisch: Pingst
- Färöisch hat nicht entlehnt, sondern nutzt: hvítusunna ‘weißer Sonntag’
- Isländisch genauso: Hvítasunnudagur ‘weißer Sonntag’
Luxemburgisch???
Komisch, ne? Luxemburgisch ist doch fast ein deutscher Dialekt? Warum benimmt es sich nicht wie das Hochdeutsche?
Ich habe Euch oben nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich habe behauptet, dass die vier Laute im kompletten Althochdeutschen zu den sieben neuen Lauten wurden. Nun ist das Althochdeutsche aber ein Konstrukt. Das gab es so gar nicht. Es gab ganz viele verschiedene germanische Dialekte, alle eng verwandt, aber es gab keinen Standard. Und diese Dialekte haben sich nicht alle gleichzeitig auf die gleiche Weise verändert.
Das deutsche Sprachgebiet lässt sich in drei große Untergebiete einteilen: Oberdeutsch (braun), Mitteldeutsch (türkis) und Niederdeutsch (gelb).
Die Zweite Lautverschiebung tobte nur im ober- und mitteldeutschen Sprachraum, dem hochdeutschen Gebiet. Dabei war sie aber unterschiedlich erfolgreich. Die Verschiebung von p, t und k erfolgte nämlich mit abnehmender Intensität von Süden nach Norden. In Benrath bei Düsseldorf versiegte sie ganz, daher nennt man die Grenze zwischen Türkis und Gelb die “Benrather Linie”. Nördlich davon sprach man ursprünglich kein Hochdeutsch mehr.
Der Rheinische Fächer
Das langsame Versickern der Lautverschiebung im westmitteldeutschen Raum führt zu einem interessanten Phänomen: Man kann das Gebiet in Längsstreifen einteilen, und je nördlicher der Streifen liegt, desto weniger macht sich die Zweite Lautverschiebung bemerkbar. Wenn man das auf einer Karte einzeichnet, entsteht eine Art Fächerstruktur, daher nennt man das auch den “Rheinischen Fächer”. Hier eine schematische Darstellung von mir:
Eine viel schönere Karte gibt’s z.B. hier: Uni Trier [9.8.16: Link ersetzt].
Dialektgebiet A hat also mehr Verschiebung als B, B mehr als C, und so weiter. Jenseits von D hat die Zweite Lautverschiebung so wenig gewirkt wie in den anderen germanischen Sprachen.
Unter den Liniennamen seht ihr Beispielwörter: Südlich der Germersheimer Linie heißt es also Pfund, nördlich davon Pund. Das Luxemburgische ist nun historisch eng verwandt mit den moselfränkischen Dialekten. Manche Leute sagen auch, es sei einer, aber da werde ich mich nicht in ideologische Grabenkämpfe stürzen. Es liegt auf jeden Fall nördlich der Linien 1, 2 und 3, man sagt dort also Pond ‘Pfund’, Apel ‘Apfel’ und dat (ohne 2. LV), aber Duerf ‘Dorf’ und maachen (mit 2. LV).
Ihr seht also, dass p im Anlaut p bleibt, denn alle Wörter, die wie Pfund gehen, verhalten sich auch so. Die p>pf-Regel hat es also nicht ins Mitteldeutsche geschafft.
Und so bleibt Pfingsten Päischten.
Pippi Langstrumpf, N****prinzessin
Wenn die Bewohner einer Südseeinsel in einem Kinderbuch aus den vierziger Jahren mit einem krassen rassistischen Ausdruck bezeichnet werden, muss man das dann hinnehmen oder darf man bei einer Neuauflage sprachlich eingreifen? Wäre es eine zeitgemäße Modernisierung, solche Wörter durch neutrale Begriffe zu ersetzen, oder wäre das übertriebene „Political Correctness“, Zensur, ein Eingriff in ein unantastbares Kunstwerk?
[Hinweis: Der folgende Text und die Kommentare enthalten Beispiele rassistischer Sprache]
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[Ostern] Ostern
Ostern ist nicht nur etymologisch interessant, sondern auch vom Wortmaterial her: Es gab einmal einen Singular, die Oster, heute ist aber nur noch der Plural Ostern gebräuchlich. Den man gelegentlich auch wieder als Singular verwenden kann: das Ostern.
Woher das Wort kommt, ist nicht so eindeutig. Es ist auf jeden Fall verwandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrscheinlich auf eine vorchristliche Gottheit der Morgenröte, auf jeden Fall aber auf das Längerwerden der Tage und den Frühling. Morgenröte, Auferstehung, der Weg war nicht weit und die Übertragung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mittelhochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übrigens früher einmal ôstermânôth, angeblich so benannt durch Karl den Großen. (Zu den Monatsnamen auch: Wunderland Deutsch.)
Die europäischen Sprachen sind, was Ostern angeht, nicht so variantenreich:
- Das Englische hält es mit dem Deutschen (Easter).
- Die meisten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuverlässige Quelle habe), und zwar die Bezeichnung des jüdischen Pessach-Festes, mit dem Ostern nicht von ungefähr zeitlich und kausal in Bezug steht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pascua), Finnisch (Pääsiäinen), Französisch (Pâques), Italienisch (Pasqua), Niederländisch (Pasen), Norwegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Russisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
- Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusammensetzung wahrscheinlich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeutung stammt nur aus dem Internet, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fastenzeit ist da nämlich vorbei.
- Mit Bezug auf die Nacht, wie an Weihnachten auch, gibt es ‘große Nacht’ im Polnischen (Wielkanoc) und Tschechischen (Velikonoce). Im Lettischen (Lieldienas) ist hingegen der Tag groß.
Hier gibt es übrigens eine ganze Sammlung von Osterbezeichnungen in verschiedenen Sprachen.
[Ostern] Karfreitag
Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kummer ausdrückt, mit dem es am Gründonnerstag nichts wurde. Kar- geht auf althochdeutsch kara ‘Kummer, Sorge’ zurück (übrigens verwandt mit dem englischen care). Ein Blick in Grimms Wörterbuch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht allgemein einen traurigen Tag bezeichnete, sondern einen ganz bestimmten traurigen Tag: den “tag an welchem ein verstorbener unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichenmahl gehalten wird” (DWB). Im Zimbrischen, einer deutschen Sprachinsel in Italien, hat es diese Bedeutung noch heute.
Der Karfreitag ist also einfach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mittelhochdeutschen hieß der Tag karvrîtac oder schlicht kartac.
Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:
- ‘heiliger Freitag’: Spanisch (Viernes Santo), Französisch (Vendredi saint), Italienisch (Venerdì Santo)
- ‘guter Freitag’: Niederländisch (Goede Vrijdag), Englisch (Good Friday) – Zumindest im Englischen kommt es von der ursprünglichen Bedeutung ‘heilig’.
- ‘großer Freitag’: Russisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Polnisch (Wielki Piątek), Ungarisch (Nagypéntek), Estnisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
- ‘Leidensfreitag’: Rumänisch (Vinerea Patimilor)
- ‘langer Freitag’: Schwedisch (Långfredagen), Dänisch (Langfredag), Norwegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäperjantai) – Im Englischen scheint es auch einmal einen Long Friday gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”. Ob das die richtige Etymologie ist, weiß ich allerdings nicht.
[Ostern] Gründonnerstag
So, jetzt wird hier mal wieder ein bißchen etymologisiert! Die Karwoche bietet dafür ja wirklich mehr als genug Gelegenheit – los geht’s mit dem Gründonnerstag. In meiner Kindheit wurde immer behauptet, das Erstglied gehe auf mittelhochdeutsch grînen ‘den Mund weinend/knurrend/winselnd/lachend verziehen’ zurück und drücke quasi die Traurigkeit über die Gefangennahme Jesu aus. Weil greinen im Alemannischen heute noch ein das Wort für ‘weinen’ ist, erschien mir diese Erklärung immer sehr einleuchtend.
Doch Kluge hat eine Überraschung parat: Im Mittelhochdeutschen gab es die Fügung der grüene donerstac bereits und somit einen eindeutigen Bezug zur Farbe Grün. Aber was hat das Grün mit diesem Tag zu tun? Kluge und die Grimms sagen: In religiöser Hinsicht kaum etwas.
die deutung von gr. bleibt umstritten, doch ist der name sichtlich eher volksthümlichen als kirchlichen gepräges (DWB)
Beide bieten als mögliche Erklärung an, dass es Brauch war, an diesem Tag (grüne) Kräuter zu essen:
das reich und vielfältig entwickelte brauchthum am gr., der genusz heilbringender kräuter, das gründonnerstagsei (antlaszei), der gr. als termin der säens und pflanzens u. s. w., […], läszt wie bei ostern an einen nachhall vorchristlicher übung denken; ob ihm, wie HOLTZMANN […] vermutet, ein Donarsfest im mai zugrunde liegt, bleibt unerweislich (DWB)
Ist die schöne Theorie vom Greinen also wirklich nicht zu retten? Muss der Gründonnerstag den Heiden überlassen werden? In den kryptischen Literaturangaben Kluges findet sich doch noch ein Minihinweis auf eine alternative Etymologie mit einem ganz ähnlich klingenden Wort – momentan habe ich aber keine Zeit (Habe ich erwähnt, dass ich scheinfrei bin?), die entsprechenden Zeitschriften und Bücher herauszusuchen:
“HWDA 3 (1931), 1186 f. Anders (Umdeutung von ahd. grun stm./stf. ‘Jammer, Unglück’): H. Jeske SW 11 (1986), 82–109; LM 4 (1989), 1752 f.”
Letztlich bleibt also rätselhaft, wie der Tag zu seiner Farbe kam. Ich habe mich mal in anderen Sprachen Europas umgesehen um herauszufinden, was noch als Benennungsmotiv dienen kann:
- ‘heiliger Donnerstag’: Spanisch (Jueves Santo), Italienisch (giovedì santo), Französisch (jeudi saint), Russisch (свято́й четве́рг)
- ‘großer Donnerstag’: Polnisch (Wielki Czwartek), Ungarisch (Nagycsütörtök), Estnisch (Suur neljapäev), Rumänisch (Joia Mare)
- ‘weißer Donnerstag’: Niederländisch (Witte Donderdag) – wahrscheinlich wegen der liturgischen Farbe Weiß.
- ‘Fußwaschungsdonnerstag’: Englisch (Maundy Thursday)
- ‘Reinigungsdonnerstag’: Schwedisch (Skärtorsdagen), Norwegisch (Skjærtorsdag), Dänisch (Skærtorsdag) – schwed. skära und seine Entsprechungen heißen eigentlich ‘schneiden’, haben hier aber wohl eine andere Bedeutung.
Aber der grüne Donnerstag ist doch nicht ganz einmalig:
- Tschechisch: Zelený čtvrtek. Die tschechische Wikipedia suggeriert irgendeine Art von deutschem Einfluss (inklusive greinen), aber mehr konnte ich nicht erraten. Wenn hier jemand Tschechisch kann … [breaking news: Meine Freundin Esther hat’s übersetzt: Der zitierte Bischof behauptet tatsächlich, es käme vom deutschen Greindonnerstag, der durch Lautvertauschung zum Gründonnerstag geworden sei. Quellen gibt er dazu aber keine an, es ist also Vorsicht geboten. Auch lustig: In Tschechien scheint man am Gründonnerstag traditionell Spinat zu essen.]
- Rumänisch: Joia Verde. Ist neben Joia Mare (s.o.) in meinen Wörterbuch angegeben. Ich könnte mir einen deutschen Einfluss über die Siebenbürger Sachsen gut vorstellen, will mich aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Bezeichnungen in weiteren Sprachen herzlich willkommen! Jens ja Linda, wie ist es mit Finnisch? Ich bilde mir ein, die Wortgrenze gefunden zu haben (Kiiras|torstai), komme aber mangels Strukturwissen nicht auf die Nennform des Erstglieds.