Wir wenigen verbliebenen gebürtigen Berliner/innen leben ja seit Jahren mit der Schmach der schwäbischen Invasion. Nein, ich rede nicht von den Immobilieninvestoren der ersten Nachwendegeneration oder den Betreiberinnen von Waldorfkindergärten und Szenerestaurants – ich meine Schwäbisch, die Sprache. Ich meine die Invasion der Berliner Bäckereien durch Wörter wie Wecke und Pflaumendatschi, gegen die unser revolutionserprobtes Berliner Urgestein Wolfgang Thierse Anfang des Jahres einen Aufstand anführte. Der blieb damals scheinbar erfolglos – ihm fehlte ein knackiger Slogan wie „Wir sind das Brot“. Unvergessen der zynische Ausspruch der siegreichen schwäbischen Zwetschgenkönigin Antonia Marie, „Wenn sie keine Wecken wollen, sollen sie doch Mutscheln essen.“ Weiterlesen
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Saure Pflaumen
Wolfgang Thierse hat sich ja in den letzten Tagen etwas unbeliebt gemacht. Auf die Nachfrage eines Interviewers der Berliner Morgenpost, ob er dem „Nachbarschaftsmix mit den vielen Schwaben und Latte-Macchiato-Muttis“ etwas abgewinnen könne, verteidigte er zunächst netterweise die Muttis (bzw. die Eltern allgemein), was aber in der Folge niemanden interessierte, und „kritisierte“ dann die Schwaben dafür, dass sie erst nach Berlin zögen, „weil alles so bunt und so abenteuerlich und so quirlig“ sei, dann aber nach einer gewissen Zeit versuchen würden, Berlin in die „Kleinstadt mit Kehrwoche“ zu verwandeln, aus der sie eigentlich entfliehen wollten.
Schwaben-Bashing wirft man ihm dafür vor und stellt seine Bemerkung auf eine Ebene mit Ausländerfeindlichkeit. Den Kontext ignoriert man dabei ebenso, wie die Tatsache, dass die „Schwaben“ nicht lange zögerten, Thierses Worte nachträglich zu rechtfertigen, in dem sie für sich in Anspruch nahmen, den Berliner/innen über den Länderfinanzausgleich überhaupt erst eine menschenwürdige Lebensqualität zu ermöglichen (Oettinger), und „Dankbarkeit“ einzufordern (Özdemir). Weiterlesen
[Schplock trifft Lehre] Keiner mag Sächsisch
Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Beitrag zur ersten Sitzung im Rheinfränkischseminar. Zum Einstieg habe ich die Studierenden da einen kurzen Fragebogen ausfüllen lassen, in dem ich unter anderem danach gefragt habe, welcher deutsche Dialekt ihnen am besten und welcher am wenigsten gefalle. Solche Umfragen gibt es ja immer wieder, zuletzt 2009 vom IdS in Mannheim im Rahmen einer größeren Studie zu Spracheinstellungen. Eine schnelle Übersicht über die Ergebnisse zur Beliebtheit der Dialekte ist z.B. hier zu finden (gefragt war danach, welchen deutschen Dialekt man am sympathischsten finde).
Ich habe nun die Ergebnisse aus meinen beiden Kursen (zusammen ca. 70 Leute) ausgewertet und denen des IdS gegenübergestellt. Es gibt ein paar Abweichungen, aber auch eine ganze Menge Parallelen1:
Mhm, meine Studierenden mögen Sächsisch nicht.
So gar nicht. Damit sind sie aber nicht alleine: Weiterlesen
Ich mach das als so …
Wer in den letzten Wochen Zeit mit mir verbracht hat, weiß, was jetzt kommt:
Wir schenken uns als nichts zu Weihnachten.
Wie versteht ihr das als? Bisherige Vorschläge aus meinem mittel- und norddeutschen Freundes- und Bekanntenkreis umfassen (Spoiler alert!) Weiterlesen
Lilliput “Badisch”?
Ich habe mir kürzlich das Lilliput-Wörterbuch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schokoriegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natürlich hat es wenig praktischen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Einträge richten sich nach dem Karlsruher Dialekt und werden gelegentlich durch kleine Infoboxen vervollständigt.
Solche Spaßprojekte listen ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die maximal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt werden. Das Badisch-Wörterbuch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gelegentlich welche (z.B. Droddwarbelaaidiger ‘Trottoirbeleidiger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meisten Einträge sind wirklich brauchbar.
Die Texte der Infoboxen sind meist klug geschrieben – hier sei stellvertretend der Eintrag Debbich ‘Teppich, Decke’ zitiert (zum selben Thema beim Schplock):
Im Badischen hat man in seinem Bett einen Debbich, um sich damit zuzudecken. Auch ins Schwimmbad nimmt man einen Debbich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fußbodenteppich schmutzig ist, dann bearbeitet man ihn mit einem Debbichbaddscher, einem Teppichklopfer.
Was ich etwas problematisch finde: Das Wörterbuch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badische” zu gelten – das ist aber kein einheitlicher Dialekt. Man benutzt die Bezeichnung für alle Dialekte des früheren Lands Baden, eine Sammelbezeichnung also.
Das Büchlein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschummelt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein südfränkisches Wörterbuch – deckt also den Bereich ab, der hier pink ist: Weiterlesen
[Lesetipp] Dialektwandel im Südwesten
Bei sciencegarden gibt es einen schönen Bericht über Dialektforschung an der Uni Freiburg (mit einem leider eher unterdurchschnittlich guten Titel). Enorm lesbar geschrieben, ich empfehle ihn wärmstens:
Die Welt auf Schwäbisch
Ich kriege ja alles immer erst um Jahre versetzt mit – aber vielleicht kennt’s doch jemand noch nicht:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=eF3qxtO70Zw&hl=de&fs=1&rel=0]
Hier ne Übersicht und hier ein Video über das “Phänomen” (mit selten doofer Anmoderation).
Ein Atlas spricht Bairisch …
… und zwar der Sprachatlas von Bayern – wer sonst? Auf einer Karte kann man sich sowohl die Dialektwörter für bestimmte Dinge (‘Holzsplitter in der Haut’, ‘Beule am Kopf’, ‘Dachboden im bäuerlichen Wohnhaus’, ‘kleines Weihnachtsgebäck’, ‘Stechmücke’*) als auch Laute (beruhend auf der mittelhochdeutschen Entsprechung) und bestimmte grammatische Eigenarten anzeigen lassen und sie mit einem kleinen Lautsprechersymbol auch gleich abspielen. Sehr schön gemacht!
*Endlich der Beweis: Schnaken sind nicht harmlos!