Schlagwort-Archive: Schwäbisch

Sprachbrocken: Krieg der Wörter

Von Anatol Stefanowitsch

Wir weni­gen verbliebe­nen gebür­ti­gen Berliner/innen leben ja seit Jahren mit der Schmach der schwäbis­chen Inva­sion. Nein, ich rede nicht von den Immo­bilien­in­ve­storen der ersten Nach­wen­de­gen­er­a­tion oder den Betreiberin­nen von Wal­dor­fkindergärten und Szener­estau­rants – ich meine Schwäbisch, die Sprache. Ich meine die Inva­sion der Berlin­er Bäck­ereien durch Wörter wie Wecke und Pflau­men­datschi, gegen die unser rev­o­lu­tion­ser­probtes Berlin­er Urgestein Wolf­gang Thierse Anfang des Jahres einen Auf­s­tand anführte. Der blieb damals schein­bar erfol­g­los – ihm fehlte ein knack­iger Slo­gan wie „Wir sind das Brot“. Unvergessen der zynis­che Ausspruch der siegre­ichen schwäbis­chen Zwetschgenköni­gin Anto­nia Marie, „Wenn sie keine Weck­en wollen, sollen sie doch Mutscheln essen.“ Weit­er­lesen

Saure Pflaumen

Von Anatol Stefanowitsch

Wolf­gang Thierse hat sich ja in den let­zten Tagen etwas unbe­liebt gemacht. Auf die Nach­frage eines Inter­view­ers der Berlin­er Mor­gen­post, ob er dem „Nach­barschaftsmix mit den vie­len Schwaben und Lat­te-Mac­chi­a­to-Mut­tis“ etwas abgewin­nen könne, vertei­digte er zunächst net­ter­weise die Mut­tis (bzw. die Eltern all­ge­mein), was aber in der Folge nie­man­den inter­essierte, und „kri­tisierte“ dann die Schwaben dafür, dass sie erst nach Berlin zögen, „weil alles so bunt und so aben­teuer­lich und so quirlig“ sei, dann aber nach ein­er gewis­sen Zeit ver­suchen wür­den, Berlin in die „Kle­in­stadt mit Kehrwoche“ zu ver­wan­deln, aus der sie eigentlich ent­fliehen wollten.

Schwaben-Bash­ing wirft man ihm dafür vor und stellt seine Bemerkung auf eine Ebene mit Aus­län­der­feindlichkeit. Den Kon­text ignori­ert man dabei eben­so, wie die Tat­sache, dass die „Schwaben“ nicht lange zögerten, Thiers­es Worte nachträglich zu recht­fer­ti­gen, in dem sie für sich in Anspruch nah­men, den Berliner/innen über den Län­der­fi­nan­zaus­gle­ich über­haupt erst eine men­schen­würdi­ge Leben­squal­ität zu ermöglichen (Oet­tinger), und „Dankbarkeit“ einzu­fordern (Özdemir). Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Keiner mag Sächsisch

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert ihr euch noch an den Beitrag zur ersten Sitzung im Rhe­in­fränkischsem­i­nar. Zum Ein­stieg habe ich die Studieren­den da einen kurzen Frage­bo­gen aus­füllen lassen, in dem ich unter anderem danach gefragt habe, welch­er deutsche Dialekt ihnen am besten und welch­er am wenig­sten gefalle. Solche Umfra­gen gibt es ja immer wieder, zulet­zt 2009 vom IdS in Mannheim im Rah­men ein­er größeren Studie zu Sprache­in­stel­lun­gen. Eine schnelle Über­sicht über die Ergeb­nisse zur Beliebtheit der Dialek­te ist z.B. hier zu find­en (gefragt war danach, welchen deutschen Dialekt man am sym­pa­this­chsten finde).

Ich habe nun die Ergeb­nisse aus meinen bei­den Kursen (zusam­men ca. 70 Leute) aus­gew­ertet und denen des IdS gegenübergestellt. Es gibt ein paar Abwe­ichun­gen, aber auch eine ganze Menge Par­al­le­len1:

Blau (Kurs) bzw. türkis (IdS) ste­ht für eine pos­i­tive, rot (Kurs) bzw. orange (IdS) hinge­gen für eine neg­a­tive Bew­er­tung des jew­eili­gen Dialek­ts (Angaben in %).

Mhm, meine Studierenden mögen Sächsisch nicht.

So gar nicht. Damit sind sie aber nicht alleine: Weit­er­lesen

Ich mach das als so …

Von Kristin Kopf

Wer in den let­zten Wochen Zeit mit mir ver­bracht hat, weiß, was jet­zt kommt:

Ich mach das als so.

Ich geh da als hin.

Wir schenken uns als nichts zu Weihnachten.

Wie ver­ste­ht ihr das als? Bish­erige Vorschläge aus meinem mit­tel- und nord­deutschen Fre­un­des- und Bekan­ntenkreis umfassen (Spoil­er alert!) Weit­er­lesen

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

[Lesetipp] Dialektwandel im Südwesten

Von Kristin Kopf

Bei sci­ence­gar­den gibt es einen schö­nen Bericht über Dialek­t­forschung an der Uni Freiburg (mit einem lei­der eher unter­durch­schnit­tlich guten Titel). Enorm les­bar geschrieben, ich empfehle ihn wärmstens:

2009-07-15-sciencegarden

Ein Atlas spricht Bairisch …

Von Kristin Kopf

… und zwar der Sprachat­las von Bay­ern – wer son­st? Auf ein­er Karte kann man sich sowohl die Dialek­twörter für bes­timmte Dinge (‘Holzs­plit­ter in der Haut’, ‘Beule am Kopf’, ‘Dachbo­den im bäuer­lichen Wohn­haus’, ‘kleines Wei­h­nachts­ge­bäck’, ‘Stech­mücke’*) als auch Laute (beruhend auf der mit­tel­hochdeutschen Entsprechung) und bes­timmte gram­ma­tis­che Eige­narten anzeigen lassen und sie mit einem kleinen Laut­sprech­er­sym­bol auch gle­ich abspie­len. Sehr schön gemacht!

sprespra

*Endlich der Beweis: Schnaken sind nicht harmlos!