Schlagwort-Archive: Ripuarisch

Häppscher und andere Kleinigkeiten

Von Kristin Kopf

Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind For­men, bei denen trotz Verkleinerung ein Plur­al gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:

Meenzer Häppscher

Süpp­sch­er als Meen­z­er Häppscher

Wo es im Stan­dard­deutschen das Häppchendie Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbil­dung also unverän­dert bleibt, sagt man auf Rhein­hes­sisch ’s Häppsche(n) die Häppscher.

Ob und wie der Plur­al bei Verkleinerungs­for­men (“Diminu­tiv­for­men”) markiert wer­den kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die For­men für Apfel­bäum­chen im Plur­al zeigt: Weit­er­lesen

Will sell ebber?

Von Kristin Kopf

Num­mer 2 in der Rei­he “Badis­che Wörter selt­samen Ursprungs”: ebber ‘jemand’.

[Nach­trag: Eben habe ich ein Ver­wen­dungs­beispiel in meinen Auf­nah­men gefun­den – es geht um erhal­tene Bur­gen im Mittelrheintal:

ja, äh, wuh­nd doo na no ebber drin? (ja, äh, wohnt da denn noch jemand drin?)

]

Mal wieder kein erkennbar­er Bezug zum hochdeutschen Wort – aber dafür ähnelt es einem anderen Dialek­t­wort auf­fäl­lig: ebbis ‘etwas’, unbe­tont auch oft ebbs. Bei­de Wörter sind soge­nan­nte “Indefinit­pronomen”, also Pronomen, die nicht näher Bes­timmtes bezeichnen.

2009-09-14-ebbis

Das dialek­tale ebbis ist his­torisch mit dem hochdeutschen etwas verwandt.

Das Grimm­sche Wörter­buch gibt althochdeutsch ëddeshuaʒ und mit­tel­hochdeutsch ët(e)swaʒ an, das schließlich zu unserem heuti­gen etwas wurde. Es ken­nt aber auch die For­men eppas, eppes, die es als von der “Volkssprache” assim­i­liert bezeichnet.

Das deutet darauf hin, dass das Wort nicht nur im Badis­chen auf­taucht – und siehe da: In zahlre­ichen Dialek­twörter­büch­ern find­et es sich, z.B. im Pfälzis­chen (ębəs, ębis, abəs), Rheinis­chen (ębəs, mit der weit­eren Bedeu­tung ‘sehr’), Elsäs­sis­chen (eppis) und Lothringis­chen (èpəs, èbs, èbəs). Im Lothringis­chen Wörter­buch ste­ht als Anmerkung dabei: Kommt in fast allen ober- und mit­teldeutschen Maa. [=Mundarten] vor”. Ost­mit­teldeutsche Wörter­büch­er gibt’s lei­der nicht online, Hin­weise dazu wer­den dankbarst aufgenommen!

2009-09-14-ebber

Jet­zt aber zu ebber! Das Wort ähnelt ebbis nicht umson­st, es geht näm­lich auf eine ähn­liche Grund­lage zurück:

  1. mhd. ëtes-was
  2. mhd. ëtes-wër

Im Mit­tel­hochdeutschen (und auch schon früher) wur­den die Indefinit­pronomen also regelmäßig gebildet, und zwar aus etes und dem entsprechen­den Frage­pronomen (was für Dinge, wer für Men­schen).

Außer­dem kon­nte etes auch vor -lîch (etlich), -(‘irgend­wo’), -war (‘irgend­wohin’), -wenne (‘manch­mal’) und -wie (‘irgend­wie’) ste­hen, immer mit der unbes­timmten Bedeu­tung. Lei­der bin ich grade fern von meinem ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch, aber wenn wir wieder glück­lich vere­int sind, werde ich mal nach­schauen, ob für etes zu ein­er früheren Zeit eine konkretere Bedeu­tung belegt ist.

ebber ist also eine Vari­ante von etwer, das es im Neuhochdeutschen nicht mehr gibt. Statt dessen ver­wen­den wir jemand oder irgendw­er.

Wie ebbis ist auch ebber weit­er ver­bre­it­et: Im Pfälzis­chen (ębər, ębɒr), Elsäs­sis­chen (epper) und Lothringis­chen (èbər). Das Elsäs­sis­che ken­nt darüber hin­aus auch noch eppe ‘etwa’ und eppen(e) ‘irgend­wann, von Zeit zu Zeit’ (wahrschein­lich aus mhd. eteswenne).

Von tw zu bb

Wie kon­nte aber et-w… zu eb… wer­den? Die Grimms sprechen von ein­er Assim­i­la­tion, aber hier wird ja nicht t zu w oder w zu t, son­dern es verän­dern sich gle­ich bei­de Laute. Das ist eine soge­nan­nte “reziproke Assim­i­la­tion”, bei der sich die bei­den Laute gegen­seit­ig bee­in­flussen. Das neue [b] bein­hal­tet also Merk­male der bei­den vorheri­gen Laute (grün = Stimmhaftigkeit, blau = Artiku­la­tion­sort, orange = Artiku­la­tion­sart):

  • <t> ist ein stimm­los­er alve­o­lar­er Plo­siv [t]
  • <w>
    • war früher mal ein labi­al­isiert­er stimmhafter velar­er Approx­i­mant (=Hal­b­vokal) [w] – wie heute noch im Englischen –
    • und ist jet­zt ein stimmhafter labio­den­taler Frika­tiv [v]
  • <b> ist ein stimmhafter bil­abi­aler Plo­siv

Nun ist es etwas schwierig zu sagen, was genau wann passiert ist. Ist ebber ent­standen, als wir noch ein [w] hat­ten, oder erst, als es schon ein [v] war? Ich tippe auf ersteres. Dann hätte das [t] seinen Artiku­la­tion­sort ver­lagert, um dem [w] ent­ge­gen­zukom­men. Das [w] ist velar, das heißt der Zun­gen­rück­en ist bei der Bil­dung hin­ten am Gau­men, aber wichtiger ist hier, dass es labi­al­isiert ist. Das bedeutet, dass man bei der Bil­dung bei­de Lip­pen benutzt. Wenn man zur Bil­dung eines Plo­sivs, was das [t] ja ist, die Lip­pen ein­set­zt, dann wird er bil­abi­al und somit ein [b] oder [p]. Wir hät­ten also den Zwis­chen­schritt *ebwas.

In einem zweit­en Schritt hätte dann das [b] auf das [w] eingewirkt und es in sein­er Artiku­la­tion­sart verän­dert: Vom Hal­b­vokal zum Plo­siv. Et voilà, ebbas.1 Übri­gens: Heute schreibt man zwar noch <bb>, aber in Wirk­lichkeit ist es längst auf einen b-Laut zusam­mengeschrumpft. (Den Vor­gang nen­nt man “Degem­i­na­tion”.)

Das [a] wurde später oft abgeschwächt, sodass man dialek­tal meist ebbes hat. Woher das ale­man­nis­che [i] stammt, kann ich lei­der nicht schlüs­sig erk­lären. Das Ale­man­nis­che ist aber sehr i-phil, vielle­icht wurde die abgeschwächte Endung ein­fach als ehe­ma­liges [i] analysiert und dann wieder ver­stärkt. Das ist jet­zt aber reine Spekulation!

Einen ganz ähn­lichen Vor­gang kann man übri­gens zum Lateinis­chen hin beobacht­en: aus indoger­man­is­chem *dw wurde im Lateinis­chen b (z.B. *dwis ‘zweimal’ > bis). Im Deutschen hinge­gen haben wir das ursprüngliche *dw beibehal­ten, es wurde lediglich durch andere Laut­wan­del­prozesse verän­dert (indogerm. *dw > germ. tw (1. Lautver­schiebung) > ahd. zw (2. Lautverschiebung)).

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Über flauschige Bibbili

Von Kristin Kopf

Ich bin ger­ade dabei, die Dialek­tauf­nah­men, die ich für meine Mag­is­ter­ar­beit gemacht habe, zu analysieren. Dabei suche ich zu jedem Wort die althochdeutsche Form – auch zu Wörtern, von denen ich gar nicht weiß, ob es sie im Althochdeutschen schon gab.

Momen­tan halte ich mich ger­ade ein bißchen beim Wort Bib­bili auf, dem badis­chen Wort für ‘Küken’.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Weil die Beze­ich­nung so offen­sichtlich anders ist als die hochdeutsche Form, ver­suchen die Dialek­t­sprecherIn­nen oft eine ety­mol­o­gis­che Erk­lärung dafür zu find­en. Dabei wird meis­tens der Bib­biliskäs ange­führt (laut Duden Bibeleskäs(e)), ein quarkähn­lich­er Rohmilchkäse – er taugt zur Erk­lärung des Wortes allerd­ings nicht, da er nach den Tieren benan­nt ist: Mit ihm wur­den die Küken früher gefüttert.

Friedel Scheer-Nahor von der Uni Freiburg hat sich dem Bib­bili 2001 in einem Artikel für die Badis­che Zeitung gewid­met. Sie führt das Wort auf eine Laut­malerei zurück:

Wer ein­mal gese­hen und gehört hat, wie eine Küken­schar hin­ter der Glucke her­läuft, wird sich denken kön­nen, dass sowohl Bib­bili als auch Zib­bili tre­f­fende laut­ma­lerische Bil­dun­gen sind.

Auf ihrer Seite gibt es auch eine schöne Karte zum The­ma, auf der man die Ver­bre­itung des Wortes in Baden sehen kann:

Leserumfrage Badische Zeitung

Leserum­frage Badis­che Zeitung (mit fre­undlich­er Genehmi­gung von Friedel Scheer-Nahor)

Neben Bib­bili gibt es also noch zahlre­iche weit­ere Wörter für Küken im Badis­chen. Was auf­fällt ist, dass sie alle auf -li oder -le enden. Das ist die badis­che Endung, die dem hochdeutschen -lein entspricht, eine Verkleinerungs­form (“Diminu­tiv”). Die Endung -chen gibt es übri­gend im ale­man­nis­chen Sprachge­bi­et nicht – selb­st das Mäd­chen heißt Maid­li. Ich nehme an, dass -l(i|e) auch bei Bib­bili die Verkleinerungsendung darstellt, also nur bib­bi (bzw. zib­bi) laut­ma­lerisch ist. (Im Hochdeutschen haben wir ja auch piep­piep als Vogel­geräusch.)1

Bib­bili ist aber bei Weit­em nicht aufs Badis­che beschränkt. Auf ein­er Seite mit Schu­lauf­sätzen von Schweiz­er Kindern find­en sich z.B. eine Menge Treffer:

  • Im näch­sten Raum entwick­el­ten sich die Bibili im Ei.
  • Sie haben sehr viel Bibili und Eier. Wir durften ein Frei­land­bibili und zwei gezüchtete Bibili mit­nehmen.
  • Die Bibili sind gelb. Die Bibili sind gewach­sen. Die Bibili haben schon Schwanzfed­ern. Die Bibili piepsen viel.

Und auch son­st scheint es in der Schweiz ein respek­ta­bles Wort zu sein:

  • Banker helfen Bibeli auf die Beine (blick.ch)
  • Brah­ma Hüh­n­er-Bibeli zu verkaufen (tier-inserate.ch)
  • Was macht ihr mit den Bibeli, wenn sie gross sind? Gehen sie zurück auf einen Bauern­hof? (fichten.ch)

Weit­er nördlich und west­lich find­et sich das Wort eben­falls noch:

  • Pfälzisch (Pfälzis­ches Wörter­buch):
    • Bib, Bibi n.: 1. ‘Huhn’, Sprache des Kleinkindes, Bib (bīb), meist in der Wieder­hol­ung Bibib (bibīb) […]
    • Bibilchens-käse m.: ‘weißer Käse’, eigentl. ‘Käse, mit dem man die Bibichen (Hüh­nchen) füttert’ […]
  • Mosel­fränkisch & Ripuar­isch (Rheinis­ches Wörter­buch):
    • Bibb […]: 1. Lock­ruf für Hüh­n­er […], 2. Bibb, meist ‑che (-ī-) Huhn, Kosen., bes. in der Kinderspr[ache …]
  • Elsäs­sisch (Elsäs­sis­ches Wörter­buch):
    • Bibbele­fleisch n. eig. Fl. von einem Hühnchen.
  • Lothringisch (Lothringis­ches Wörter­buch):
    • Bible […] pl. 1. Küch­lein. […] – 2. Huhn in der Kindersprache […]

Für östlichere Gebi­ete habe ich lei­der keinen Onlinezu­griff auf wis­senschaftliche Wörter­büch­er. (Bairisch? Thüringisch? Säch­sisch? Öster­re­ichisch?) Ein Öster­re­ichisch-Online­pro­jekt führt aber Pip­pale auf, auch sehr ähnlich.

Wie alt das Wort ist, kon­nte ich lei­der nicht her­aus­find­en – Grimms Wörter­buch hat keinen Ein­trag dafür, Adelung auch nicht. In den mit­tel­hochdeutschen Wörter­büch­ern find­et sich erst recht nichts, genau­sowenig im althochdeutschen (dort ist ein Küken ein huoniklîn, also ein kleines Huhn). Über mögliche Gründe kann ich nur spekulieren:

Es sieht so aus, als habe es zunächst einen Lock­ruf gegeben, mit dem man Hüh­n­er rief, und zwar Bib(i) – ganz ähn­lich wie Miez für Katzen. Daraufhin wurde der Lock­ruf oder das nachgemachte Piepsen als Beze­ich­nung für das Tier ver­wen­det, und zwar zuerst nur in der Kinder­sprache – also wie Wauwau. Irgend­wann begann man, die jun­gen Hüh­n­er mit ein­er Verkleinerungs­form davon zu beze­ich­nen. Diese Verkleinerung wurde wesentlich bere­itwilliger in die Erwach­se­nen­sprache aufgenom­men als Bib(i) selb­st. So find­et sich im Pfälzis­chen Bib(i) als kinder­sprach­lich, aber man bildet For­men wie Bibilchen­skäse, eine Zusam­menset­zung mit offen­sichtlich exis­ten­tem BibilchenKüken’. Für etwas kleines, flauschig-niedlich­es nahm man ein niedlich­es, kindlich­es Wort wahrschein­lich eher an als für ein aus­gewach­senes Nutztier.

Ob es das Wort schon “immer” gab, oder ob es in ver­schiede­nen Dialek­ten unab­hängig voneinan­der ent­standen ist, lässt sich wohl nicht fest­stellen. Es scheint zwar keine alten Quellen in mein­er momen­ta­nen Reich­weite zu geben, aber wenn das Wort kinder­sprach­lichen Ursprungs ist, ver­wun­dert das auch nicht weit­er. Wahrschein­lich hat es die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Küken’ irgend­wann ver­drängt, die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Huhn’ und ‘Hahn’ blieben aber erhalten.

So, jet­zt aber Ende der Speku­la­tion. Lokale Beze­ich­nun­gen für Küken sind in den Kom­mentaren hochwillkommen!

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Von Pentekoste zu Pfingsten: Die 2. Lautverschiebung schlägt zu

Von Kristin Kopf

Ah, endlich wieder ein kirch­lich­er Feiertag, der der Erläuterung bedarf. Fro­he Pfingsten!

Das Wort kommt von griechisch pen­tēkostē ‘fün­fzig­ster (Tag nach Ostern)’. Im Althochdeutschen gibt es keine belegten For­men davon, son­dern nur die Form fim­fchusti. Bei ihr wurde der erste Bestandteil der griechis­chen Zahl, das pent-, ein­fach über­set­zt: fimf ‘fünf’. Es muss aber auch das entlehnte Wort schon gegeben haben, denn im Mit­tel­hochdeutschen stoßen wir auf pfin­geste(n), einen Nach­fol­ger des griechis­chen Wortes ohne über­set­zte Teile.

Warum kann das Wort nicht zweimal entlehnt wor­den sein? Ein­mal, mit der hal­ben Über­set­zung, im Althochdeutschen, und dann noch ein­mal unüber­set­zt im Mit­tel­hochdeutschen? Dafür gib es einen guten Grund: die “Zweite Lautverschiebung”.

Die “Zweite Lautverschiebung” schlägt zu

Die “Zweite Lautver­schiebung” ist ein Prozess, infolgedessen bes­timmte Laute sich in andere Laute ver­wan­del­ten. An seinem Ende ste­ht der Beginn der deutschen Sprache: Das Althochdeutsche.

Was da im Detail passiert, ist ziem­lich kom­plex. Abhängig von ihrer Posi­tion im Wort und ihrer laut­lichen Umge­bung ver­wan­deln sich die ger­man­is­chen Laute p, t und k sowie das d:

2009-06-01-2LV

Die genauen Bedin­gun­gen ers­pare ich Euch heute, sie sind aber prob­lem­los ergooglebar.

Deutsch vs. Englisch: Pfffff!

Die Zweite Lautver­schiebung passierte nur im Hochdeutschen. Alle anderen ger­man­is­chen Sprachen haben sie nicht mit­gemacht.1 Entsprechend find­et man z.B. im Englis­chen noch die “alten” Laute:

Englisch(ohne 2. LV)Deutsch(mit 2. LV)

p: pound Pfund
ship Schiff
t: to zu
to eat essen
k: cook Koch
d: daugh­ter Tochter

Woher kommt die Pistazie?

Cle­vere Sch­plock-LeserIn­nen wer­den sich natür­lich sofort fra­gen, wie es sein kann, dass wir heute den Laut /p/ im Deutschen haben, wenn doch immer entwed­er /pf/ oder /f/ draus wurde. Die logis­che Antwort: In der Regel sind das Fremd­wörter. Viele stam­men aus dem Niederdeutschen (das kein hochdeutsch­er Dialekt ist!), wie Stapel, viele aus dem Lateinis­chen, wie Pistazie, und eine Menge natür­lich auch aus dem Englis­chen, wie Computer.

Eines haben sie dabei alle gemein­sam: Sie kamen erst nach der Zweit­en Lautver­schiebung ins Deutsche. Wären sie schon vorher dagewe­sen, hätte die Ver­schiebung sie gnaden­los ver­wan­delt, ohne Rück­sicht auf ihre Herkun­ft. Pfaffe z.B. geht auf lateinisch papa zurück, wan­derte aber so früh ein, dass es von der Zweit­en Lautver­schiebung ergrif­f­en wurde.

Pinksteren, Pentecost und Päischten

Und damit sind wir bei Pfing­sten: Wir wis­sen, dass es auf ein griechis­ches Wort mit p zurück­ge­ht (pentēkostē). Da heute kein p mehr im Wort zu find­en ist, son­dern ein pf, muss das Wort schon vor der Zweit­en Lautver­schiebung entlehnt wor­den sein. Also vor dem Althochdeutschen. Entsprechend muss es die Form im Althochdeutschen schon gegeben haben – wahrschein­lich hat sich nur kein­er die Mühe gemacht, es aufzuschreiben.

Wie oben vorherge­sagt, hat das Wort in allen anderen ger­man­is­chen Sprachen sein p behal­ten:

  • Englisch: Pente­cost (auch: Whit­sun­day ‘weißer Son­ntag’)
  • Nieder­ländisch: Pinksteren
  • Afrikaans: Pinkster
  • Lux­em­bur­gisch: Päis­cht­en, Péngscht­en
  • Dänisch: Pinse
  • Nor­wegisch (Nynorsk & Bok­mål): Pinse
  • Schwedisch: Pingst
  • Färöisch hat nicht entlehnt, son­dern nutzt: hví­tusun­na ‘weißer Sonntag’
  • Isländisch genau­so: Hví­ta­sun­nudagur ‘weißer Sonntag’

Luxemburgisch???

Komisch, ne? Lux­em­bur­gisch ist doch fast ein deutsch­er Dialekt? Warum ben­immt es sich nicht wie das Hochdeutsche?

Ich habe Euch oben nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich habe behauptet, dass die vier Laute im kom­plet­ten Althochdeutschen zu den sieben neuen Laut­en wur­den. Nun ist das Althochdeutsche aber ein Kon­strukt. Das gab es so gar nicht. Es gab ganz viele ver­schiedene ger­man­is­che Dialek­te, alle eng ver­wandt, aber es gab keinen Stan­dard. Und diese Dialek­te haben sich nicht alle gle­ichzeit­ig auf die gle­iche Weise verändert.

Das deutsche Sprachge­bi­et lässt sich in drei große Unterge­bi­ete ein­teilen: Oberdeutsch (braun), Mit­teldeutsch (türkis) und Niederdeutsch (gelb).

2009-06-01-Heutige_deutsche_Mundarten-Ausschnitt

Michael Post­mann (Wikipedia)

Die Zweite Lautver­schiebung tobte nur im ober- und mit­teldeutschen Sprachraum, dem hochdeutschen Gebi­et. Dabei war sie aber unter­schiedlich erfol­gre­ich. Die Ver­schiebung von p, t und k erfol­gte näm­lich mit abnehmender Inten­sität von Süden nach Nor­den. In Ben­rath bei Düs­sel­dorf ver­siegte sie ganz, daher nen­nt man die Gren­ze zwis­chen Türkis und Gelb die “Ben­rather Lin­ie”. Nördlich davon sprach man ursprünglich kein Hochdeutsch mehr.

Der Rheinische Fächer

Das langsame Ver­sick­ern der Lautver­schiebung im west­mit­teldeutschen Raum führt zu einem inter­es­san­ten Phänomen: Man kann das Gebi­et in Längsstreifen ein­teilen, und je nördlich­er der Streifen liegt, desto weniger macht sich die Zweite Lautver­schiebung bemerk­bar. Wenn man das auf ein­er Karte einze­ich­net, entste­ht eine Art Fäch­er­struk­tur, daher nen­nt man das auch den “Rheinis­chen Fäch­er”. Hier eine schema­tis­che Darstel­lung von mir:

2009-06-01-Rheinischer-Fächer-Tutorium

Eine viel schönere Karte gibt’s z.B. hier: Uni Tri­er [9.8.16: Link ersetzt].

Dialek­t­ge­bi­et A hat also mehr Ver­schiebung als B, B mehr als C, und so weit­er. Jen­seits von D hat die Zweite Lautver­schiebung so wenig gewirkt wie in den anderen ger­man­is­chen Sprachen.

Unter den Lin­i­en­na­men seht ihr Beispiel­wörter: Südlich der Ger­m­er­sheimer Lin­ie heißt es also Pfund, nördlich davon Pund. Das Lux­em­bur­gis­che ist nun his­torisch eng ver­wandt mit den mosel­fränkischen Dialek­ten. Manche Leute sagen auch, es sei ein­er, aber da werde ich mich nicht in ide­ol­o­gis­che Grabenkämpfe stürzen. Es liegt auf jeden Fall nördlich der Lin­ien 1, 2 und 3, man sagt dort also Pond ‘Pfund, Apel ‘Apfel und dat (ohne 2. LV), aber Duerf ‘Dorfund maachen (mit 2. LV).

Ihr seht also, dass p im Anlaut p bleibt, denn alle Wörter, die wie Pfund gehen, ver­hal­ten sich auch so. Die p>pf-Regel hat es also nicht ins Mit­teldeutsche geschafft.

Und so bleibt Pfin­g­sten Päis­cht­en.

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Rasenmontag

Von Kristin Kopf

Den Rosen­mon­tag habe ich in weis­er Voraus­sicht fern von Mainz ver­bracht — was mich nicht daran hin­dert, mal wieder ein Blick ins ety­mol­o­gis­che Wörter­buch zu wer­fen. (Bei Olschan­sky ste­ht auch was dazu, ich hab sie nur nicht mit auf die Flucht genom­men. Und, natür­lich, bei den Grimms.)

Man ahnt es schon, mit Rosen hat der Tag nichts zu tun — im Rheinis­chen hieß er, laut Kluge, ursprünglich rasen(d)montag, wobei das Par­tizip Präsens rasend soviel wie ‘tol­lend’ bedeutete.1 Komisch, dass das a im Hochdeutschen zum o wurde? Das Rheinis­che Wörter­buch hil­ft: es gibt als Aussprache rōsənt an, und unter diesem Lem­ma find­et sich auch:

rose Mondag Fast­nachtsmon­tag Rip2 noch vielfach auf dem Lande, aber schon vielfach unter dem Ein­fluss der Stadt Köln Ruse­mondag ‘Rosen­mon­tag’ ”

Wahrschein­lich ist ruse ein­fach eine Aussprachevari­ante, das kon­nte ich bish­er noch nicht verifizieren.

Das Rheinis­che Wörter­buch ken­nt auch noch ein paar andere Mon­tage:

  • der schwere Mon­tag ist der Mon­tag “nach den hl. drei Köni­gen, an welchen früher alle Gemein­de­beamten usf. schwören mussten” — also schon wieder so ein falsch­er Fre­und, schwören hat im Rheinis­chen näm­lich viele ver­schiedene Vari­anten, darunter auch eine mit e
  • der goue Mon­tag ist der Mon­tag in der Karwoche
  • der bloən Mon­tag konkur­ri­ert mit dem Rosen­mon­tag, er beze­ich­net in eini­gen Regio­nen auch den Fastnachtsmontag

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