Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtete vorgestern davon, dass die Svenska Akademien in der neuen Auflage des von ihr herausgegebenen Wörterbuchs der schwedischen Sprache das geschlechtsneutrale Pronomen hen aufnehmen wird, das das Pronominalsystem in der dritten Person Singular neben hon ‚sie‘ und han ‚er‘ ergänzen soll–, nein, ergänzen wird–, hm, ergänzen muss–, ja, was denn nun?
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Pronomen für alle
Auch englischsprachige Sprachgemeinschaften führen mal mehr, mal weniger erhitzte Diskussionen um geschlechtergerechte Sprache. Dabei haben sie es sehr leicht: Da die meisten Substantive im Englischen kein grammatisches oder natürliches Geschlecht haben, sind es eigentlich nur die Personalpronomen für die dritte Person Einzahl und eine Handvoll von Personenbezeichnungen wie chairman, waitress oder cleaning woman, die Probleme bereiten. Für letztere gibt es längst Alternativen (chair person, server, cleaner), sodass genau genommen nur die Personalpronomen übrig bleiben.
Bei englischen Pronomen wird (genau wie im Deutschen und vielen anderen Sprachen) in der der dritten Person Einzahl – und nur dort – nach Geschlecht unterschieden: männlich wahrgenommene Personen werden mit he, weiblich wahrgenommene mit she bezeichnet. ((Ich könnte hier einfach „Männer“ und „Frauen“ schreiben, aber interessanterweise verwenden wir Pronomen nicht nach dem tatsächlichen Geschlecht, für das wir ja bei den meisten Menschen nur indirekte Evidenz haben, sondern nach dem vermuteten.)) Das ist in zweifacher Hinsicht problematisch.
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Wer ist maskulin, wer ist feminin?
Wegen eines nicht besonders guten Blogbeitrags wurde heute in meiner Twitter-Timeline diskutiert, welches grammatische Geschlecht das Fragepronomen wer hat – genauer, ob es sich wie in dem verlinkten Beitrag behauptet, um ein Maskulinum handelt.
Sprachwissenschaftlich ist das keine einfache Frage. In einigen Zusammenhängen verhält es sich wie ein sogenanntes Utrum, eine Form die sich auf Menschen (und manchmal uns nahestehende Tiere), aber nicht auf unbelebte Gegenstände bezieht. So kann mit wer nach Maskulina, Feminina und Neutra gefragt werden, solange es Menschen sind. Bei Gegenständen muss dagegen mit was oder welches gefragt werden: Weiterlesen
Wir haben die Kraft
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich mag weder die CDU noch Angela Merkel. Die CDU mag ich nicht, weil ich mit kaum einem Punkt ihres Wahlprogramms übereinstimme. Beim Wahl-O-Mat waren die CDU und ich uns nur in 7 der 38 Fragen einig, und das waren solche Offensichtlichkeiten wie die Wiedereinführung der D‑Mark (dagegen) und die Demokratie (dafür). Angela Merkel mag ich nicht, weil sie offensichtlich vor langer Zeit selbst auf den verqueren Personenkult hereingefallen ist, den ihre Wahlkampfstrategen um sie herum aufgebaut haben. „Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren. Aber dann kam einer der größten Glücksmomente unseres Landes: Die Einheit. Ich wollte Deutschland dienen…“ — dieser egozentrische Patriotismus ist für mich weit jenseits der Schmerzgrenze, da spielt ihre politische und wirtschaftliche Inkompetenz kaum noch eine Rolle. Ich sage das so explizit, weil ich kurz vor der Wahl noch schnell die Wahlwerbung der CDU aus sprachlicher Sicht kommentieren möchte. So muss mir niemand vorwerfen, ich wolle mit den folgenden Bemerkungen implizit meine politische Meinung kundtun.
Am Wahlslogan der CDU, „WIR HABEN DIE KRAFT“ fand ich vor allem das Pronomen WIR interessant. Weiterlesen
Wir sind wir
In einem Kommentar zu meinem letzten Beitrag wies Robert Jäger (#16) auf das indonesische Pronomen kami hin und definierte dessen Bedeutung als „wir excl. des Sprechers“. Das war eigentlich nur ein Flüchtigkeitsfehler — das Pronomen signalisiert, wie mipela im Tok Pisin, den Ausschluss des Hörers, nicht des Sprechers –, aber dieser Fehler hat eine interessante Diskussion darüber ausgelöst, ob es tatsächlich eine Verwendung der ersten Person Plural geben könnte, die den Sprecher ausschließt. Weiterlesen
Pluralis avaritiae
Vor dem Landgericht Hildeshiem wurde heute der traurige Fall von drei Lottospielern verhandelt, die jahrelang gemeinsam in einer Tippgemeinschaft waren. In einer Sonderziehung hatten sie dann im letzten Jahr 1,7 Millionen Euro gewonnen. Statt den Gewinn zu teilen, behaupteten dann aber zwei der Spieler, der dritte habe just an diesem Spiel nicht teilgenommen.
Der dritte, der zu dem Zeitpunkt der Ziehung im Urlaub war, verklagte seine beiden Mitspieler daraufhin. Er habe den Kollegen seinen Anteil an den Kosten für das Tippspiel vor seinem Urlaub gegeben und müsse deshalb auch am Gewinn beteiligt werden.
Wie ich vorhin im Radio gehört habe, führte er als Beweis für seine Sichtweise unter anderem an, dass ihn einer der Angeklagten im Urlaub angerufen habe und folgenden Satz gesagt habe: „Wir haben gewonnen, Sechser mit Zusatzzahl“.
Und hier wird der Fall linguistisch interessant. Für den Kläger ist das Telefongespräch ein klarer Hinweis darauf, dass er mit den beiden anderen am Spiel beteiligt gewesen sei. Weiterlesen