Ich verspreche, dass es hier auch mal wieder Themen geben wird, bei denen es nicht um Substantivflexion geht. Wirklich! Aber heute will ich Euch erzählen, woher unsere Pluralendung -er kommt – die hatte nämlich mal eine ganz andere Funktion.
Schlagwort-Archive: Phonologie
Twitter in den Zeiten der Lautverschiebung
Im Zuge unserer Suche nach dem schönsten Fremdwort des Jahres 2009 ist eine Frage um die lautliche Form eines Wortvorschlags, twittern, aufgetaucht.
Sprachblogstammkommentator Gareth, der das Wort nominiert hat, sagt in seiner Begründung zu seinem Vorschlag: Weiterlesen
[Filmtipp] Verner’s Law
Memo hat mich auf eine kleine Filmreihe bei YouTube aufmerksam gemacht, in der es um das Indogermanische, die Erste Lautverschiebung und das Vernersche Gesetz geht. Was für eine fantastische Idee! Lasst Euch nicht von der schlechten Tonqualität am Anfang abschrecken, das wird schnell besser. Ich hab mich enorm amüsiert! Die Illustrationen … hihihihi …
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=aal9VSPkf5s]
Zu Teil 2 und 3 …
Impotente Vokale: Die Umlautunfähigkeit
Ich bin mal wieder zufällig in die alemannische Wikipedia gelangt, auf der Suche nach Literatur zur e- und n-Apokope. Es wäre einfach zu niedlich, wenn das zitierfähig wäre 😉 Und wo ich schon mal dabei war, habe ich auch gleich geschaut, was sie so zu meinem Thema, der Pluralbildung, zu sagen haben. So weit ganz ordentlich, allerdings teilweise unnötig kompliziert. Es werden z.B. zwei verschiedene Pluralarten auf -er genannt (Hervorhebung von mir):
- dur Umlut un Ändung ‑er: Huus (Hous, Hüüs)/Hiiser (Hejser/Hüüser/Hüser), Dach/Dächer (Decher), Blatt (Blett)/Bletter usw.
- dur d Ändung ‑er: Näscht/Näschter, Liächt/Liächter, Fäscht (Fescht)/Fäschter (näbe Fescht)
Wenn man sich die Beispiele näher anschaut, bei denen nur -er antritt, aber kein Umlaut durchgeführt wird, fällt schnell etwas auf … die Fälle ohne Umlaut könnten auch beim besten Willen keinen besitzen. Sie sind nämlich “umlautunfähig”.
StuTS in Bochum
Ich war diese Woche auf der 46. StuTS in Bochum und hatte eine Menge Spaß mit einer Menge großartiger Menschen. Es gab superviele spannende Vorträge – hier zwei Randnotizen für Euch:
- Regenschirm heißt auf Luxemburgisch Präbbeli. Das kommt vom gleichbedeutenden französischen parapluie. (Fränz)
- Das griechische Alpha (Α, α) kommt vom phönizischen Alef. Im Griechischen steht es für den a-Laut, das war aber ursprünglich im Phönizischen nicht so – dort stand es für den Konsonanten, den wir im Deutschen am Wortanfang vor Vokalen aussprechen: den Glottisverschlusslaut [ʔ] (hier zu hören, immer vor dem a). Den hatte das Altgriechische wahrscheinlich nicht, der erste Laut, den die Griechen also hörten, war [a]. So wurde das Zeichen uminterpretiert. (Julia & Stefan)
Ich tränke, du trinkst – ich fälle, du fällst …
Heute will ich was über Verben erzählen. Und zwar über eine ganz bestimmte Art von Verben: Kausativa. Kausativa (von lat. causa ‘Ursache, Grund’) sind Verben, die ausdrücken, dass man jemanden (oder etwas) zu etwas bringt:
Es war einmal … das Mittelhochdeutsche
Nach dem Althochdeutschen will ich mir heute das Mittelhochdeutsche vorknöpfen.
Die mittelhochdeutsche Sprachperiode setzt man von 1050 bis 1350 an – das ist die Zeit des Nibelungenlieds (das man übrigens mit einem kurzen i ausspricht) und Walthers von der Vogelweide (bei dem der Genitiv zum Rufnamen gehört).
Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch – wo ist der Unterschied?
Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Unterschieden, aber mit am auffälligsten ist wohl die sogenannte “Nebensilbenabschwächung”. Während im Althochdeutschen noch fast jeder Vokal an fast jeder Stelle im Wort vorkommen konnte, konzentriert das Mittelhochdeutsche klangliche Vielfalt auf eine einzige Silbe pro Wort: Weiterlesen
Es war einmal … das Althochdeutsche
Ich werfe hier ja ständig mit Sprachperiodenbezeichnungen wie Althochdeutsch, Indogermanisch oder Frühneuhochdeutsch um mich. Wahrscheinlich können sich die meisten von Euch vorstellen, dass Althochdeutsch sehr alt ist, aber in welche Jahrhunderte es konkret fällt, ist wohl kein Allgemeinwissen.
Diese Es-war-einmal-Reihe will Abhilfe schaffen: Ich ordne eine der Vorstufen des Deutschen zeitlich ein und erzähle ein bißchen was drüber. Los geht’s mit dem Althochdeutschen, weil das die älteste Form des Deutschen ist.
Das Althochdeutsche wird für die Zeit zwischen 500 und 1050 nach Christus angesetzt, also für rund 550 Jahre. Das ist eine Menge Zeit, man kann sich also schon denken, dass man da nur schwer von einer einheitlichen Sprache ausgehen kann.
500/750? Hä?
Der Beginn des Althochdeutschen wird oft mit einem lustigen Schrägstrich angegeben. Das heißt nicht, dass man ihn sich aussuchen kann – für beide Zahlen gibt es gute Gründe:
[Ich benutze jetzt erstmals diese Abschnittsfunktion um mehr als nur Fußnoten zu verstecken. Für den Hauptteil des Artikels also hier klicken:]
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도서관 – Koreanische Konsonanten
Angeregt durch den Bibliotheksartikel will ich noch ein bißchen mehr zu Schriftsystemen sagen – heute über das koreanische Alphabet.
Ich habe ja mal ein Semester Koreanisch an der Uni gelernt. Das ist alles, was ich noch kann:
Ich muss allerdings zugeben, dass ich nie besonders viel mehr konnte. Aber natürlich fand ich die Stunden aus linguistischer Sicht superspannend, nicht zuletzt die Schrift.
Das Koreanische hat eine Alphabetschrift, das heißt jedes Zeichen steht für einen bestimmten Laut. Allerdings sind diese Zeichen nicht, wie in der lateinischen Schrift, linear angeordnet. Statt dessen bilden alle Laute, die zu einer Silbe gehören, einen kleinen Block. Diese Blöcke werden dann zu Wörtern und Sätzen aneinandergereiht. Hier das koreanische Wort für ‘Bibliothek’:
Es besteht aus drei Silben: 도 do, 서 seo und 관 gwan. (Die Umschrift ähnelt der wirklichen Aussprache aber nur bedingt – wer sich’s anhören will, kann hier nach “library” suchen.)
Diese Silben bestehen wiederum aus mehreren Buchstaben:
- 도 aus ㄷ und ㅗ,
- 서 aus ㅅ undㅓ,
- 관 aus ㄱ, ㅘ und ㄴ
Die Zeichen sehen verschieden aus, je nachdem wie viel Platz sie in der entsprechenden Silbe haben bzw. an welcher Stelle sie stehen. Manchmal sind sie langgezogen, machmal eher gestaucht.
Eine geschriebene Silbe ist übrigens nicht immer auch eine gesprochene Silbe. Der letzte Konsonant einer Schreibsilbe wird nämlich gesprochen zum ersten Konsonanten der Folgesilbe, wenn die sonst mit einem Vokal anfangen würde.
Das richtig Interessante an der Schrift ist aber, dass sie nach linguistischen Kriterien konzipiert wurde. Die europäischen Alphabetschriften sind ja aus Zeichen entstanden, die ursprünglich mal Gegenstände abbildeten. Erst nach und nach begannen sie für Laute zu stehen.
Die Hangeul – so heißen die koreanischen Buchstaben – sind aber nicht einfach so “entstanden”, sie wurden bewusst entwickelt. Das geschah unter König Sejong Mitte des 15. Jahrhunderts. Bis dahin schrieb man Koreanisch ausschließlich mit chinesischen Schriftzeichen, die sich a) nicht besonders dazu eigneten und die b) sehr schwer zu erlernen waren. Es dauerte allerdings noch bis ins 20. Jahrhundert, bis sich die Hangeul wirklich durchsetzen.
Das koreanische Alphabet hat 40 Buchstaben: 21 Vokale und 19 Konsonanten.
Die Konsonanten gehen auf 5 Grundzeichen zurück:
Die Zeichen stellen dar, wie die Sprechorgane beim Sprechen geformt sind. Die ersten drei Zeichen stellen die Lage der Zunge in einem seitlichen Querschnitt durch den Mundraum dar, das vierte die Position der Lippen in der Draufsicht, das fünfte die Glottis.
Der Zungenrücken berührt den hinteren Gaumen (Velum). Das ist der Fall bei velaren Lauten: ㄱ [k], ㅋ [kʰ] |
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Der Zungenkranz (Korona) berührt den vorderen Gaumen. Das ist der Fall bei koronalen Lauten (wobei die Sibilanten ein Extrazeichen haben): ㄴ [n], ㄷ [t], ㅌ [tʰ], ㄹ [ɾ, l] (Aussprache von [ɾ] hören: hier) |
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Die Zunge schafft eine Verengung vor bzw. an den oberen Schneidezähnen. Das ist der Fall bei Sibilanten (Zischlauten): ㅅ [s], ㅈ [tɕ], ㅊ [tɕʰ] (Aussprache von [ɕ] hören: hier) |
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Die Lippen berühren sich. Das ist der Fall bei bilabialen Lauten: ㅁ [m], ㅂ [p], ㅍ [pʰ] |
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Der Laut wird an der Stimmritze (Glottis) gebildet. Das ist der Fall bei glottalen Lauten: ㅇ [ʔ, ŋ], ㅎ [h] (Aussprache von [ʔ]: hier, von [ŋ]: hier) |
Neben der Grundform beinhalten viele Zeichen auch noch weitere Striche, die ebenfalls Funktionen haben. Ein zusätzlicher Querstrich zeigt z.B. Aspiration an, das heißt der Laut wird behaucht: ㅋ [kʰ], ㅌ [tʰ], ㅊ [tɕʰ], ㅍ [pʰ], ㅎ [h].
Zu den Vokalen schreibe ich ein andermal was, da wird’s nämlich ein bißchen esoterisch 😉
[Buchtipp] The Unfolding of Language (Du Jane, ich Goethe)
Language is mankind’s greatest invention – except, of course, that it was never invented. (Guy Deutscher)
Schon wieder ein Buchtipp! Ui! Heute will ich Euch “The Unfolding of Language” von Guy Deutscher ans Herz legen. Ich hab’s auf Englisch gelesen, es gibt aber auch eine deutsche Übersetzung: “Du Jane, ich Goethe”. Keine Angst, der Inhalt wurde bedeutend besser übersetzt als der Titel befürchten lässt, ich hab mal in der Buchhandlung reingelesen.
Worum geht es? Darum, wie Sprache entsteht und sich verändert. Deutscher hat als großes Ziel vor Augen zu erklären, wie komplizierte Satzstrukturen und Grammatik entstanden sein könnten. Da die Entstehung der Sprache viel zu lange her ist, um darüber irgendwelche Aussagen zu treffen, wählt Deutscher “neuere” Beispiele aus ganz verschiedenen Sprachen, nur wenige Jahrhunderte oder Jahrtausende alt. Die allgemeinen Prinzipien, die darin wirken, vermutet er auch schon zu früheren Zeiten. Der unter Laien verbreiteten Ansicht, dass unsere Sprache einmal perfekt war und jetzt nur noch verfällt, widerspricht er entschieden.
Das Buch kommt komplett ohne Fachtermini aus – und ist dennoch wissenschaftlich fundiert. (Grammatikalisierung, Analogiebildung und Ökonomie spielen z.B. eine große Rolle.) Ich hatte eine Menge Spaß beim Lesen, und das, obwohl ich die meisten präsentierten Fakten und Gedanken schon kannte – es ist einfach richtig gut geschrieben und clever aufgebaut. Mein persönliches Highlight war die Theorie zur Entstehung der Wurzelkonsonanten im Arabischen, ein Thema, über das ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte.
Deutschen würde ich übrigens eher zur deutschen Ausgabe raten, die keine bloße Übersetzung ist. Viele Grundlagen werden nämlich im Original an kleinen Beispielen aus dem Englischen erklärt. Für die deutsche Übersetzung wurde, wo es möglich war, nach deutschen Beispielen gesucht, die das gleiche zeigen. So geht es zum Beispiel einmal darum, dass im Englischen die Entwicklung von th zu f eigentlich ganz naheliegend ist und auch in einigen Dialekten vorkommt. Den Laut th gibt es im Deutschen aber nicht, so dass schließlich p zu b gewählt wurde, etwas, das man z.B. im Hessischen beobachten kann.
Wer sich für Sprache und Sprachen interessiert, dem kann ich das Buch wirklich nur empfehlen!