Schlagwort-Archive: Phonologie

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

[Schplock goes English] How to pronounce German ö and ü

Von Kristin Kopf

Wel­come to Schplock’s first Eng­lish post – a tuto­r­i­al on round­ed front vow­els, name­ly <ö> and <ü>. Impa­tient read­ers might want to skip the more the­o­ret­i­cal first “half” and jump right to the DIY-part below.

What is round in a rounded vowel?

Round­ed vow­els are gen­er­al­ly pro­duced by form­ing a cir­cle with your lips. Or more technically:

Lip round­ing involves draw­ing the cor­ners of the lips togeth­er and pro­trud­ing the lips for­ward from their nor­mal rest posi­tion. (Mad­dieson 2008)

That’s a very com­mon prop­er­ty in back vow­els (pro­duced by putting your tongue some­where in the back of your mouth) like

  • [o] which does­n’t exist in Eng­lish, but you may know it from French eau ‘water’, Ital­ian sole ’sun’ or Span­ish tomar ‘take’,
  • [ɔ] in thought,
  • [u] in goose and
  • [ʊ] in book.

An extreme­ly sim­pli­fied ver­sion of where those sounds are pro­duced can be found in the fig­ure to the right.

In Ger­man, those four sounds dif­fer not only in tongue posi­tion, but also in length: the “lax” vow­els /ɔ/ and /ʊ/ are always short, the “tense” vow­els /o/ and /u/ are always long.

Front vs. back

Round­ing in front vow­els is pret­ty rare in the world’s lan­guages. The prop­er­ty can be found in only 37 of the 526 lan­guages con­sid­ered for the cor­re­spond­ing WALS-map. Only 23 of these pos­sess both high (i.e. ü) and mid (i.e. ö) round­ed front vow­els.1

Source: Ian Mad­dieson, World Atlas of Lan­guage Struc­tures. CC BY-NC-ND.2 (Click for a larg­er version)

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Der Weltkopf 2010

Von Kristin Kopf

Als ich anf­ing Englisch zu ler­nen, fand ich es selt­sam, einen Pokal cup zu nen­nen, wo das doch ‘Tasse’ heißt. Mir war schon klar, dass ein Wort in ein­er Fremd­sprache Zusatzbe­deu­tun­gen haben kann, die es im Deutschen nicht hat, aber das schien mir doch weit herge­holt. World Cup, die Welttasse?

Mit­tler­weile weiß ich natür­lich, dass cup Gefäße ganz ver­schieden­er Art beze­ich­nen kann, neben Tassen, Bech­ern, Kelchen, Näpfen und Schalen eben auch Pokale und per (metonymis­ch­er) Über­tra­gung auch gle­ich das ganze Ereig­nis, bei dem der Pokal errun­gen und über­re­icht wird.

Was ich aber noch nicht so lange weiß: Dass das Wort cup einen Ver­wandten im Deutschen hat – den Kopf. Und das kommt so … Weit­er­lesen

StuTS-Status & Top-100-Language-Blogs-Wahl

Von Kristin Kopf

Es ist tat­säch­lich StuTS. Irgend­wie nach einem Jahr Vor­bere­itung sehr unre­al, dass es jet­zt wirk­lich so weit ist.

Ich habe heute eine Menge Vorträge gehört und sie waren alle wirk­lich gut:

  • Robert Fuchs über also im Indis­chen Englisch – es kann an Stellen ste­hen, die das Britis­che Englisch nicht erlaubt, wahrschein­lich durch den Ein­fluss eines ähn­lichen Wortes in ver­schiede­nen indis­chen Sprachen,
  • Michael Sap­pir über Porte­man­teau­mor­pheme im Karuk – sie sind sehr wider­spen­stig und wollen sich nicht so recht beschreiben lassen, sodass man zur Vere­in­fachung kom­plizierte Regeln annehmen muss ;),
  • Ludger Paschen über ein Audioko­r­pus zu Vari­etäten des Rus­sis­chen – eine total span­nende Sisyphosar­beit, 1000 Stun­den Tonauf­nah­men sollen extrem detail­liert annotiert werden,
  • Sophie ter Schure über Exper­i­mente zum Spracher­werb und zur Wor­tarten­klas­si­fika­tion – beson­ders schön kam hier raus, dass man nicht immer sofort das per­fek­te Exper­i­ment­de­sign find­et und wie man schließlich doch zu aus­sagekräfti­gen Dat­en gelan­gen kann – und
  • Tan­ja Ack­er­mann zu “geschlechtsspez­i­fis­chen” Deon­a­men – lustiger­weise ver­hal­ten sich die Deon­a­men sehr ähn­lich wie die Ruf­na­men z.B. bezüglich der Wortlänge, der Beto­nungsstruk­tur und des Aus­lauts. Strate­gien, die man benutzt, um Frauen- und Män­ner­na­men zu dif­feren­zieren, benutzt man auch, um für sie gedachte Pro­duk­te zu benennen.

Außer­dem gab es natür­lich den Gastvor­trag von Mar­i­on Grein zu Kom­pli­menten in ver­schiede­nen Sprachen – muss man gehört haben, kann man nicht beschreiben. Enormer Unter­hal­tungswert plus fach­lich hochinteressant.

Schließlich gab es noch eine Stadt­führung, die eigentlich im Mainz­er Dialekt sein sollte – der Stadt­führer hat sich aber nicht so recht getraut. Gel­ernt habe ich trotz­dem was, z.B. dass der Schambes mal Jean Bap­tiste hieß.

Top 100 Language Blogs 2010

Und weil ich dafür keinen Extra­beitrag auf­machen will, noch schnell hier: Das Sch­plock wurde für eine Wahl nominiert, und zwar die Top 100 Lan­guage Blogs 2010, in der Kat­e­gorie Lan­guage Pro­fes­sion­als. Ich bin mir noch nicht so sich­er, wie ich mich dabei füh­le, denn ein­er­seits ist sind so tolle Seit­en wie John Wells phonetis­ches Blog nominiert, ander­er­seits aber auch der Zwiebelfisch.

Eine knapp kom­men­tierte Liste aller Kan­di­dat­en find­et ihr hier (und hier kann man bis 24. Mai abstim­men – für was auch immer man will, ich habe hier extra keinen dieser scham­losen Vote-for-this-Blog-But­tons hingesetzt).

Ich hab lei­der gar keine Zeit, mich durch die Kan­di­dat­en durchzuk­lick­en, aber wenn ihr irgendwelche Perlen in der Liste find­et, freue ich mich riesig auf Hin­weise in den Kom­mentaren. Genug Sprach(wissenschafts)bookmarks kann man nie haben 🙂

Über ubër

Von Kristin Kopf

Kür­zlich bin ich auf ein­er englis­chen Inter­net­seite auf das Wort ubër gestoßen und habe danach fest­gestellt, dass die Schrei­bung im Inter­net nicht ger­ade sel­ten ist.1 Da gibt es das Ubër high mileage MPV, den ubër ubër cheap stuff, die Ubër Bin­go Oscars, die ubër-cor­po­ra­tion Google und sog­ar Ubër uns in der deutschen Ver­sion ein­er tschechis­chen Seite. (Weit­ere ubërs in deutschen Texten …)

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FIL SBASANDAINEN GEBUASTAK

Von Kristin Kopf

Ich war zu Ostern bei meinen Eltern und habe sie natür­lich immer heim­lich belauscht und mir badis­che Dialek­t­phänomene aufgeschrieben. Was ich aber auch getan habe: mir meine Bilder­samm­lung aus der Kinder­garten­zeit angeschaut. Weniger wegen der Bilder, als vielmehr wegen der Schrift. Und oh, was ich da für Schätze gefun­den habe! Fol­gen­des Schreiben ist auf ein halbes Jahr vor mein­er Ein­schu­lung datierbar:
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Einhällig und aufwendig

Von Kristin Kopf

Ich habe eben einen (übri­gens aus­geze­ich­neten!) Blog­beitrag von Ana­tol Ste­fanow­itsch zum iPad gele­sen und darin fol­gende Schrei­bung entdeckt:

Schon damals habe ich mich darüber gewun­dert, dass die Presse hier so ein­häl­lig einen Humor pflegt (oder auf­greift), der auf der krampfhaften Suche nach anstößi­gen Dop­peldeutigkeit­en beruht und der mir seit der sech­sten Klasse nicht mehr begeg­net ist.

Ein großar­tiger Satz, ganz neben­bei. Mir geht’s aber um das <ä> in ein­häl­lig. Das ist zwar ein Rechtschreibfehler, aber er deutet auf etwas span­nen­des hin: eine gelehrte Volk­se­t­y­molo­gie, denn hier wurde ein­hel­lig wahrschein­lich an hallen angeschlossen und entsprechend mit <ä> geschrieben.

In Wirk­lichkeit stammt’s vom althochdeutschen Verb hel­lan ‘tönen’. Das ist heute aus­gestor­ben, an sein­er Stelle hat sich hallen durchge­set­zt, das seit dem 15. Jahrhun­dert belegt ist und vom mit­tel­hochdeutschen Sub­stan­tiv hal ‘Hall’ abgeleit­et wurde (welch­es wiederum doch auf hel­lan zurück­ge­ht, aber den Schlenker ers­pare ich euch lieber).

ä‑tymologische Schreibung

Dass man Wörter an ver­wandte Wörter mit <a> anschließt und entsprechend <ä> statt <e> schreibt, ist eine beliebte Prax­is. Ihr erin­nert euch vielle­icht dran, wie’s bei der Rechtschreibre­form hieß, dass man jet­zt <aufwändig> mit <ä> schreibt, weil es von <Aufwand> kommt und <Stängel> wegen <Stange>. Das Prinzip, das man damit ver­fol­gt, heißt “Mor­phemkon­stanz” – zusam­menge­hörige Wörter sollen auch durch die Schrei­bung als solche markiert werden.

Das ist ganz deut­lich bei den Umlaut­plu­ralen, wo man niemals <Hand> – <Hende> schreiben würde (aber dur­chaus mal getan hat), oder bei den Weit­er­lesen

Schplockflaute trotz Linguistikleben

Von Kristin Kopf

Eigentlich sollte man denken, dass ich momen­tan vor Sch­plock-Ideen ger­adezu über­spru­dle – immer­hin bere­ite ich ger­ade elf ver­schiedene und extrem span­nende Prü­fungs­the­men vor1. Aber nix da, jed­er Ver­such, darüber zu schreiben, artet in zähe, enzyk­lopädisch-belehrende Abhand­lun­gen aus.

Dann war Chom­sky in Mainz, da kön­nte man ja auch was drüber schreiben – oh, aber er war so unin­spiri­erend und hat all das gesagt, was man so ken­nt und was einen nach den faulen Tomat­en greifen lässt. (“The Min­i­mal­is­tic pro­gram is just an effort to show what’s true is true”, “You don’t have to learn the syn­tax and seman­tics [of for­eign lan­guages] because it’s there already”, “The entire study of lan­guage for 2500 years is kind of off track”) Und dann klumpten sich massen­weise Leute hin­ter­her auch noch um ihn herum zusam­men und ließen sich Auto­gramme geben. Peinlich.

Was ist noch passiert in meinem Lin­guis­tik­leben? Ich war bei ein­er Pro­jek­tvorstel­lung in der Mainz­er Akademie der Wis­senschaften für das geplante Dig­i­tale Fam­i­li­en­na­men­wörter­buch Deutsch­lands, was super­span­nend war. Das Wörter­buch soll alle Fam­i­li­en­na­men Deutsch­lands erfassen und ety­mol­o­gisieren (inklu­sive denen fremd­sprachiger Herkun­ft). Und online ver­füg­bar sein. Und für Laien ver­ständlich for­muliert. Ooooh! Also ganz fest die Dau­men drück­en, dass es bewil­ligt wird.

Diese Woche war ich für drei Tage bei einem tollen Work­shop zu Wort- und Sil­ben­sprachen in Freiburg. Übri­gens inter­es­sant, wie die badis­che Iden­tität in Freiburg immer und über­all betont wird – da wird man auf einem Plakat an der Uni Willkumme geheißen, auf der Speisekarte gibt’s Brägele (Brägili) und Schäufele (Schi­ifili), und Ver­sicherung­sun­ternehmen und Banken bemühen sich um Werbe­sprüche, die irgend­wo badisch beinhalten.

Da der Work­shop ein sehr spezielles The­ma hat­te, lässt er sich kaum für’s Sch­plock auss­chlacht­en. (Einen Lesetipp zum The­ma hat­te ich hier ja schon.) Einen großar­ti­gen Schweiz­erdeutschen Satz aus dem Vor­trag von Beat Sieben­haar will ich euch aber auf keinen Fall voren­thal­ten: blitstststsu:g Über­set­zungsver­suche willkommen!

So, das näch­ste Mal hof­fentlich etwas kohärenter. Bis dahin ein Ver­weis auf meine let­ztjährige Oster­rei­he.

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Freigieb- oder ‑gebig?

Von Kristin Kopf

Das, worüber das ich heute schreiben will, habe ich in mein­er Schulzeit für eine reine Reclam-Eigen­heit gehal­ten. In den Reclamheften stand näm­lich immer freige­big, wo ich freigiebig erwartet hätte. Komis­ch­er Verlag.

Sei­ther ist mir freige­big aber auch in anderen Kon­tex­ten begeg­net, zulet­zt im Wartez­im­mer in Geo (in der Jan­u­a­raus­gabe war übri­gens auch ein Artikel über Piraha/Dan Everett drin):

Wis­senschaftler glauben, dass die Men­schen freige­biger werden. …

Was hat es damit auf sich? Habe ich mein ganzes Leben lang eine Form benutzt, die son­st kein­er kennt?
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