Sprache verändert sich nicht von alleine, sondern sie wird von den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft verändert. In jedem Gespräch kann es passieren, dass die vorhandenen Ressourcen der Sprache nicht ausreichen, um unsere Gedanken wiederzugeben. Oder, dass uns die vorhandenen Ressourcen nicht gefallen, z.B. weil wir Sprachnörgler sind und keine englischen Lehnwörter mögen, oder weil wir anständige Menschen sind und diskriminierende Sprache vermeiden wollen. In solchen Fällen können wir alle kreativ werden und dem Wortschatz eigene Erfindungen hinzufügen oder eine grammatische Regel ein kleines bisschen erweitern. Und es kann immer passieren, dass solche Neuerungen sich ausbreiten und Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs werden.
Das ist natürlich vor allem dann der Fall, wenn wir mit einer einzigen Sprechhandlung möglichst viele Menschen erreichen: Einer der Helden der deutschen Sprachnörglergemeinde ist der Sprachpurist Philipp von Zesen (1619–1689), der für eine große Zahl erfolgreicher Eindeutschungen von (meist französischen, griechischen und lateinischen) Lehnwörtern verantwortlich ist – ihm zugeschrieben werden zum Beispiel die Wörter Abstand (statt Distanz), Bücherei (statt Bibliothek), Mundart (statt Dialekt) und Weltall (statt Universum). Dass er bei der Verbreitung dieser Wörter – anders als die heutigen Sprachpuristen vom Verein Deutsche Sprache – so erfolgreich war, lag daran, dass er wenig Zeit damit verbrachte, diese Eindeutschungen in Form eines Fremdwörterindex oder einer Sprachpanscher-des-Jahres-Wahl zu propagieren, und relativ viel Zeit damit, sie einfach zu verwenden – und da er ein sehr produktiver Schriftsteller und Übersetzer war, erreichte er mit jeder Verwendung ein großes Publikum.
Heute sind mit den Massenmedien Player an der Sprachentwicklung beteiligt, gegen die Philip von Zesen wie ein Amateur wirkt. Eine große Presseagentur oder ein großer Verlag, wie, sagen wir mal, der Axel-Springer-Verlag, können Wörter erfinden und innerhalb weniger Tage für eine Verbreitung sorgen, die eine Übernahme in den allgemeinen Sprachgebrauch sehr viel wahrscheinlicher macht als alles, was wir Kleinkommunizierenden tun könnten um die Sprache mitzuentwickeln. Weiterlesen