Schlagwort-Archive: Morphosyntax

[Schplock trifft Lehre] Rheinfränkisch

Von Kristin Kopf

Ich jam­mere ja nun schon seit einiger Zeit darüber, dass ich kaum mehr Zeit fürs Sch­plock habe. Das liegt vor allem daran, dass ich so viel unter­richte. Schon let­ztes Semes­ter habe ich aber immer wieder über­legt, ob einzelne Sem­i­narthe­men nicht auch sch­plock­fähig wären, und dieses Som­merse­mes­ter will ich die Verblog­gung von Unter­richtsin­hal­ten nun ern­sthaft angehen.

Ver­such­sob­jekt wird mein Sem­i­nar zum Rhe­in­fränkischen. Das geht näch­ste Woche los, und dann will ich jede Woche einen kurzen Artikel über das Phänomen schreiben, das wir besprochen haben. Schlau wie ich bin, kündi­ge ich euch das jet­zt an, damit ich keinen Rückzieher mehr machen kann. Los geht es dann übernäch­ste Woche, denn das, was ich näch­ste Woche machen will, erledi­ge ich größ­ten­teils in diesem Post schon.

Das Sem­i­nar gebe ich nicht, weil ich unglaublich viel über den rhe­in­fränkischen Dialek­traum weiß, son­dern weil ich gerne unglaublich viel darüber wis­sen würde. Wird also auch für mich span­nend. Ich denke, ich habe jet­zt einen ganz guten Überblick für den Anfang. Was ich auch habe, ist eine viel zu lange Liste mit möglichen The­men, deshalb werde ich die Studieren­den darüber abstim­men lassen, was sie beson­ders inter­essiert. Heute will ich euch diese Liste ganz kurz vorstellen. Weit­ere Ideen sind natür­lich her­zlich willkommen!

Rhe­in­fränkisch; CC-BY-SA 3.0 Hans Erren (Wikipedia)

Zunächst ein­mal aber: Wo befind­en wir uns eigentlich? Das Rhe­in­fränkische ist ein Dialek­t­ge­bi­et des West­mit­teldeutschen, Mainz liegt drin, allerd­ings ist man sich son­st nicht ganz einig, was alles dazuge­hört. Die klas­sis­che Ein­teilung (Beispiele bei der Wikipedia, im dtv-Atlas Deutsche Sprache) set­zt einen bre­it­en Streifen von Saar­brück­en bis Kas­sel an, die Unterteilung von Wiesinger nimmt hinge­gen das Hes­sis­che (d.h. das dunkellila Gebi­et auf der Karte rechts) weit­ge­hend aus. Was wir uns im Sem­i­nar dann let­ztlich anschauen wer­den, hängt von den einzel­nen Phänome­nen ab.

Die Ein­teilung der west­mit­teldeutschen Dialek­te erfol­gt meis­tens anhand des Durch­führungs­grads der 2. Lautver­schiebung. Unter der Über­schrift Rheinis­ch­er Fäch­er find­et ihr hier etwas dazu. Im Rhe­in­fränkischen sagt man also, abwe­ichend von der hochdeutschen (und süd­deutschen) Lau­tung, Abl ‘Apfel’ und Pund ‘Pfund’, aber übere­in­stim­mend damit das, Dorf und machen (statt der nördlicheren Vari­anten dat, Dorp, mak­en). Das ist ein The­ma, das defin­i­tiv im Sem­i­nar drankom­men wird. Eben­falls schon sich­er ist die Koronal­isierung (ch wird zu sch), ein generell mit­teldeutsches Phänomen, das ich im Sch­plock mal am Beispiel von Kirsche ‘Kirche’ besprochen habe und sei­ther innig liebe. Hier gibt es auch ein paar Beispielka­rten aus dem Atlas der deutschen Alltagssprache.

Die weit­eren möglichen The­men liste ich euch jet­zt auf, immer mit einem Beispiel­satz, ein­er kurzen Erk­lärung und eventuell Links. Die Beispiel­sätze stam­men, sofern nicht anders angegeben, aus “Kud­del­mud­del ums Kup­perdibbe”, dem Mainz­erischen Aster­ixband: Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Soll man adden adden?

Von Kristin Kopf

adden ist ein schwieriger Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres 2011. Wie von vie­len Seit­en schnell bemerkt wurde, ist das Wort in gewis­sen Kreisen schon seit langem recht ver­bre­it­et – so zum Beispiel für das Hinzufü­gen von Kon­tak­ten bei ICQ (danke für den Hin­weis, Katrin! Ken­nt und nutzt das noch wer? Und wann und wie ist das eigentlich aus meinem Leben verschwunden?).

Das Wort wurde auch let­ztes Jahr schon nominiert (hier), hat es dann aber nicht in die engere Auswahl geschafft. Allerd­ings hat mein­er Erin­nerung nach nie­mand eine gründliche Analyse dazu geschrieben und wer weiß, vielle­icht hat sich seit damals ja auch einiges getan. Die diesjährige Nominierung ist hier zu finden.

Zunächst ein­mal muss

eine Begriffserklärung

her. Weit­er­lesen

Wir gedenken an den Tod von Jesus

Von Kristin Kopf

Spiegel online berichtet darüber, dass ein Pfar­rer eine Tode­sanzeige für Jesus geschal­tet hat und zur Gedenk­feier ein­lädt. So weit, so triv­ial. Allerd­ings ist der Text mit einem Bild der Anzeige illus­tri­ert, und das fand ich span­nend. Da heißt es nämlich:

Wir gedenken an den Tod von

Jesus Ben Josef

genan­nt der “König der Juden”
*04 v. Chr. †34 n. Chr.

Das Verb gedenken in der Bedeu­tung ‘sich ehrfurchtsvoll erin­nern an’ geht in meinem Kopf näm­lich nur mit einem Objekt im Gen­i­tiv oder Dativ zusam­men, also Wir gedenken des Todes von … oder Wir gedenken dem Tod von … Let­zteres noch nicht ganz so salon­fähig, aber ich prog­nos­tiziere gute Aus­sicht­en, weil wir generell Gen­i­tivob­jek­te abbauen. (Auch wenn sich der unsägliche Bas­t­ian Sick dabei im Grab umdr darüber geifer­nd ereifert.)

Erster Gedanke also: Man hat hier an denken oder die Wen­dung in Gedenken an gedacht und Kon­se­quen­zen daraus gezo­gen. Zweit­er Gedanke: Stop! Wer weiß, das kann auch alt sein. Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] leaken?

Von Kristin Kopf

Nach App gibt’s nun eine zweite Betra­ch­tung eines Anglizis­mus-des-Jahres Kan­di­dat­en, näm­lich leak­en. Gepostet wird zeit­gle­ich mit suz, auf deren Bemerkun­gen zum The­ma (edit: jet­zt mit Link) ich sehr ges­pan­nt bin!

Entlehnungsdurcheinander: Wann, was, wie?

Mit leak­en ist was ganz Lustiges passiert: Die laut­liche Form gibt es im Deutschen schon eine ganze Weile. Als ursprüngliche Bedeu­tung würde ich für diese erste Entlehnung anset­zen: ‘etwas (bes. Software/Filme/…), das von seinen Urhe­bern nicht dazu bes­timmt ist, (beson­ders über das Inter­net) an die Öffentlichkeit kom­men lassen’.

Der früh­este Beleg, den ich via Google News gefun­den habe (2001), ist dieser, in dem die Fremd­heit noch ziem­lich deut­lich ist und die Bedeu­tung des Wortes erk­lärt wer­den muss:

nVidia will das Leak­en von Treibern unterbinden: nVidia hat heute in ein­er Ankündi­gung allen reg­istri­erten Entwick­lern mit­geteilt, man wolle in Zukun­ft härter gegen ‘geleak­te’ Treiber vorge­hen. Leak­en bedeutet das inof­fizielle veröf­fentlichen von Soft­ware, die durch “Lück­en” an die Öffentlichkeit gelangt ist. (04.06.2001)

In ebendieser Soft­warebe­deu­tung find­et es sich dann auch 2004 ziem­lich gut integriert:

Far Cry: Beta-Ver­sion geleakt? Inter­net-Gerücht­en zufolge kur­siert bere­its wenige Tage nach Beginn des Beta-Tests eine ille­gal geleak­te Ver­sion des Ego-Shoot­ers Far Cry in diversen Online-Tauschbörsen. (16.01.2004)

Neben dieser Ver­wen­dung ent­stand aber auch ein zweit­er Anwen­dungs­bere­ich, bei dem es nicht um Soft­ware ging, die ille­gal ver­bre­it­et wurde, son­dern um Infor­ma­tio­nen, die an die Öffentlichkeit getra­gen wur­den, ohne dass das vorge­se­hen war. Weit­er­lesen

Diverses von der 48. StuTS

Von Kristin Kopf

Die StuTS in Pots­dam ist vor­bei, die in Leipzig ste­ht bevor … fun facts am Rande:

  • Adygeisch (eine Kauka­sussprache) hat dor­so­postalve­o­lare Frika­tive (bei denen man die Zun­gen­spitze unten hin­ter die Zähne leg­en muss), aber nur drei Vokale. (Ludger Paschen)
  • Prof. Wiese unter­sucht Kiezdeutsch und bekommt dazu “sehr viele Zuschriften aus der … soge­nan­nten Öffentlichkeit”. Wir durften zwei lesen – sehr krass, wie sich manche Leute bedro­ht fühlen, wenn man an ihrem Welt­bild kratzt – und zu welch­er Sprache sie dabei greifen. Was macht sie mit den Mails? “Für mich sind das auch erst mal Dat­en.” Spon­tan­er Applaus.
  • Im Lasis­chen (auch ein­er Kauka­sussprache) gibt’s wilde Mor­pholo­gie, aber am schön­sten ist, dass man aus ‘Ich bin glück­lich’ die wörtliche Form ‘Ich bin glück­lich um dich herum’ (d.h. ‘mit dir als Zen­trum’) bilden kann – sie aber mit­tler­weile ‘Ich küsse dich’ bedeutet. (Hagen Blix) Weit­er­lesen

uMzantsi Afrika: Sprachen in Südafrika

Von Kristin Kopf

Ja, ne, Kristin ver­sucht krampfhaft, der WM lin­guis­tis­che Aspek­te abzugewin­nen. Weniger von der Fußball­seite (zu der es natür­lich auch – teil­weise weniger glob­ale – Unter­suchun­gen gibt) als vom Aus­tra­gung­sort her: Welche Sprachen wer­den in Südafri­ka eigentlich gesprochen?

Oh Gott, viel zu viele für einen Sch­plock­beitrag! (Eth­no­logue zählt 31.) Ich beschränke mich mal auf die elf offiziellen:

Afrikaans, Nde­bele (auf der Karte isiN­de­bele), Nord-Sotho (Sesotho sa Leboa), Süd-Sotho (Sesotho), Swati (siSwati), Tsonga (Xit­songa), Tswana (Setswana), Ven­da (Tshiv­en­da), Xhosa (isiX­hosa), Zulu (isiZu­lu) und Englisch.

Alle außer Afrikaans & Englisch gehören zu den soge­nan­nten Ban­tus­prachen (von denen ich Xhosa schon ein­mal wegen sein­er Klick­laute erwäh­nt habe!).

Offizielle Sprachen Südafrikas in ihren dom­i­nan­ten Regio­nen — Quelle: Wikipedia (Htonl),

Wahrschein­lich ist den meis­ten von euch gle­ich aufge­fall­en, dass die Ban­tus­prachen zwei sehr ähn­liche Beze­ich­nun­gen haben – je eine davon besitzt einen Zusatz am Anfang: isiNde­bele, Sesotho sa Leboa, Sesotho, siSwati, Xitsonga, Setswana, Tshiven­da, isiXhosa, isiZulu.

Das ist kein Zufall, son­dern liegt in ein­er gemein­samen gram­ma­tis­chen Beson­der­heit begrün­det. Weit­er­lesen

Die deutsche Bahn als Bewahrerin

Von Kristin Kopf

Dass Ana­tol Ste­fanow­itsch im Sch­plock Blog­fut­ter gefun­den hat, ehrt mich enorm. Wie schön, dass sein Beitrag wiederum Anlass für einen Sch­plock-Beitrag gibt.

Der Beitrag im Sprachlog heißt “Die Deutsche Bahn, Bewahrerin der englis­chen Sprache” – und darin ver­birgt sich ein witziges Phänomen, zu dem ich in meinen HiWi-Zeit­en mal umfan­gre­iche Kor­pus­recherchen angestellt habe. (Die hier ver­wen­de­ten Beispiele entstam­men nicht den dama­li­gen Recherchen.)

Es geht um die Bewahrerin.

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Frohe linguistische Weihnachten!

Von Kristin Kopf

Die Bescherung ist vorbei:

Heute Abend will ich noch schnell eine Frage klären, und zwar warum es Wei­h­nachten heißt. Das ist eine alte Plu­ral­form, aber der Plur­al müsste ja eigentlich *Wei­h­nächte laut­en.

Das Wort Nacht war ursprünglich (im Althochdeutschen) ein soge­nan­ntes “Wurzel­nomen” und hat­te über­haupt keine Plu­ral­en­dung. Es hieß also in Ein- und Mehrzahl diu naht. Das war natür­lich äußerst unprak­tisch, weil man wed­er am Sub­stan­tiv selb­st, noch an umgeben­den Adjek­tiv­en o.ä. erken­nen kon­nte, um welchen Numerus es sich handelte.

Im Mit­tel­hochdeutschen guck­te das Wort sich daher ein anderes Ver­fahren bei ein­er anderen Gruppe von Sub­stan­tiv­en ab: Die Kom­bi­na­tion von Umlaut und -e, die z.B. bei MachtMächte existierte. Viel prak­tis­ch­er. NachtNächte.

Das war aber nicht das einzige Vor­bild: In eini­gen Gegen­den schaute sich Nacht bei Wörtern wie Gaben die Endung -en ab. Die gab es damals aber noch nicht im kom­plet­ten Plur­al, son­dern nur im Gen­i­tiv und Dativ: Später verän­derte sich diese Gruppe weit­er, sodass es zur Endung -en im ganzen Plur­al kam, aber da war die Nacht schon nicht mehr mit von der Par­tie, sie hat­te sich in Nächte verwandelt.

Jet­zt stellt sich nur noch die Frage, warum es Wei­h­nacht­en heißt, wenn das -en doch nur im Gen­i­tiv und Dativ auf­tauchte. Die Antwort? Wei­h­nacht­en war ein­mal eine Kon­struk­tion, und zwar ze den wîhen nacht­en ‘zu/an den geweihten/heiligen Nächt­en’. Man feierte nicht nur eine Nacht lang! Die Prä­po­si­tion ze forderte, wie zu heute, den Dativ, und der besaß die Endung.

Diese Kon­struk­tion wurde so inten­siv gebraucht, dass die Wörter wîhen nacht­en zusam­men­wuch­sen und Wei­h­nacht­en bilde­ten (das nen­nt man “Uni­ver­bierung”). Dabei bewahrten sie den alten Dativ Plural.

Ich tränke, du trinkst – ich fälle, du fällst …

Von Kristin Kopf

Heute will ich was über Ver­ben erzählen. Und zwar über eine ganz bes­timmte Art von Ver­ben: Kausati­va. Kausati­va (von lat. causa ‘Ursache, Grund’)  sind Ver­ben, die aus­drück­en, dass man jeman­den (oder etwas)  zu etwas bringt:

fällen Weit­er­lesen