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Aller guten Dinge sind 2: Alles Gute, liebes Schplock!

Von Kristin Kopf

Heute wird das Sch­plock zwei Jahre alt! Weil man einem Blog nichts schenken kann, schenkt das Sch­plock aus diesem freudi­gen Anlass Euch was! Ich ver­lose unter allen, die bis ein­schließlich Son­ntag einen Kom­men­tar oder ein Ping­back hin­ter­lassen, eines der Buchtipp-Büch­er. Zur Wahl stehen:

Aus gegeben­em Anlass geht es heute um die Zahl 2, und zwar auf zweier­lei Wegen:

Drei Formen der Zahl zwei und ihre Verstecke

Im Indoger­man­is­chen hieß ‘zwei’ *dwôu und hat­te bere­its dieselbe Bedeu­tung – ziem­lich unspan­nend eigentlich. Was aber inter­es­sant ist: zwei kon­nte früher flek­tieren, d.h. die Zahl richtete sich im Genus nach dem Gezählten. Wie Adjek­tive heute. Die For­men waren im Alt- und Mit­tel­hochdeutschen zwêne (maskulin), zwô, zwâ (fem­i­nin), zwei (neu­trum). Ein paar Beispiele?

  • di zwene mar­c­graven gere vnt ekke­wart ‘die zwei Mark­grafen Gere und Ekke­wart’ (Der Nibelunge Not I,9,3) – mar­c­grav ist maskulin → zwene
  • Under im in eyn­er kamern waren zwo jungfrauwen besloßen ‘unter ihm in ein­er Kam­mer waren zwei Jungfrauen eingeschlossen’ (Pros­alancelot 1281) – jungfrauw ist fem­i­nin → zwo
  • der worhte zwei mezzer, diu ez sniten ‘der schuf zwei Mess­er, die es schnit­ten’ (Wol­fram von Eschen­bach: Parzi­val 490,21) – mezzer ist neu­trum → zwei

Dieses Phänomen hat sich teil­weise dialek­tal erhal­ten, zum Beispiel in manchen schweiz­erdeutschen Dialek­ten. Munske (1983:1007) gibt die Beispiele

  • zwee Hünd ‘zwei Hunde’
  • zwoo Chüe ‘zwei Kühe’
  • zwäi Hüen­er ‘zwei Hühner’

Im Neuhochdeutschen gibt’s neben zwei auch noch die Vari­ante zwo, durch die man eine Ver­wech­slung mit drei ver­hin­dern will (“An Gleis zwo fährt jet­zt ein …”). Das ist die alte fem­i­nine Form.

zwei selb­st ist zwar ety­mol­o­gisch recht ein­fach, aber es steckt in ein­er ganzen Rei­he von Wörtern, in denen wir es heute nicht mehr unbe­d­ingt ver­muten würden:

  • als Zwi- in Zwieback (zweimal geback­en), Zwillich (zweifädi­ges Gewebe), Zwill­ing, Zwirn (urspr. zwei­drähtiger Faden), zwis­chen (urspr. zweifach, bei­de), Zwist, Zwitter
  • als Zwei- in Zweifel (von zweifältig, ges­pal­ten), Zweig (in zwei gegabelt)
  • und in Zuber (Gefäß mit zwei Henkeln).

Einzahl, Zweizahl, Mehrzahl

Im heuti­gen Deutschen haben wir zwei Numeri, den Sin­gu­lar (die Ein­zahl) und den Plur­al (die Mehrzahl). Danach flek­tieren wir Ver­ben (ich gehe vs. wir gehen), Sub­stan­tive (das Kind vs. die Kinder) und Adjek­tive (die kleine Katze, die kleinen Katzen).

Es gibt aber Sprachen, die nicht nur unter­schei­den, ob es um ein Ding/Wesen oder um mehrere geht, son­dern die es auch wichtig find­en, zu markieren, wenn es um exakt zwei geht. Diese Kat­e­gorie nen­nt man “Dual”. In ein­er Vorstufe des Deutschen muss es den Dual ein­stens gegeben haben: im Indoger­man­is­chen. Im Slowenis­chen hat er sich tapfer erhal­ten. Hier ein paar Beispiele (Quelle):

Der Dual beim Verb: Wenn von zwei Per­so­n­en die Rede ist, wird eine andere Verb­form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • gov­orim ‘ich spreche’ – 1. Per­son Singular
  • gov­ori­va ‘wir bei­de sprechen’ – 1. Per­son Dual
  • gov­o­rimo ‘wir (mind. 3 Leute) sprechen’ – 1. Per­son Plural

Der Dual beim Sub­stan­tiv: Wenn über zwei Dinge gesprochen wird, wird eine andere Form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • knji­ga ‘Buch’ – Singular
  • knji­gi ‘zwei Büch­er’ – Dual
  • knjige ‘Büch­er (mind. 3)’ – Plural

Bei vie­len Sprachen find­et sich der Dual nur in einem Teil des Sys­tems, näm­lich bei den Per­son­al­pronomen. Es gibt also ver­schiedene Wörter für ‘ich’, ‘du’, ‘er’, ‘sie’, ‘wir bei­de’, ‘ihr bei­den’, ‘sie bei­de’, ‘wir’, ‘ihr’, ‘sie’.

So, und jet­zt schwinge ich mich wieder auf mein Zweirad und urlaube weiter.

Über flauschige Bibbili

Von Kristin Kopf

Ich bin ger­ade dabei, die Dialek­tauf­nah­men, die ich für meine Mag­is­ter­ar­beit gemacht habe, zu analysieren. Dabei suche ich zu jedem Wort die althochdeutsche Form – auch zu Wörtern, von denen ich gar nicht weiß, ob es sie im Althochdeutschen schon gab.

Momen­tan halte ich mich ger­ade ein bißchen beim Wort Bib­bili auf, dem badis­chen Wort für ‘Küken’.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Weil die Beze­ich­nung so offen­sichtlich anders ist als die hochdeutsche Form, ver­suchen die Dialek­t­sprecherIn­nen oft eine ety­mol­o­gis­che Erk­lärung dafür zu find­en. Dabei wird meis­tens der Bib­biliskäs ange­führt (laut Duden Bibeleskäs(e)), ein quarkähn­lich­er Rohmilchkäse – er taugt zur Erk­lärung des Wortes allerd­ings nicht, da er nach den Tieren benan­nt ist: Mit ihm wur­den die Küken früher gefüttert.

Friedel Scheer-Nahor von der Uni Freiburg hat sich dem Bib­bili 2001 in einem Artikel für die Badis­che Zeitung gewid­met. Sie führt das Wort auf eine Laut­malerei zurück:

Wer ein­mal gese­hen und gehört hat, wie eine Küken­schar hin­ter der Glucke her­läuft, wird sich denken kön­nen, dass sowohl Bib­bili als auch Zib­bili tre­f­fende laut­ma­lerische Bil­dun­gen sind.

Auf ihrer Seite gibt es auch eine schöne Karte zum The­ma, auf der man die Ver­bre­itung des Wortes in Baden sehen kann:

Leserumfrage Badische Zeitung

Leserum­frage Badis­che Zeitung (mit fre­undlich­er Genehmi­gung von Friedel Scheer-Nahor)

Neben Bib­bili gibt es also noch zahlre­iche weit­ere Wörter für Küken im Badis­chen. Was auf­fällt ist, dass sie alle auf -li oder -le enden. Das ist die badis­che Endung, die dem hochdeutschen -lein entspricht, eine Verkleinerungs­form (“Diminu­tiv”). Die Endung -chen gibt es übri­gend im ale­man­nis­chen Sprachge­bi­et nicht – selb­st das Mäd­chen heißt Maid­li. Ich nehme an, dass -l(i|e) auch bei Bib­bili die Verkleinerungsendung darstellt, also nur bib­bi (bzw. zib­bi) laut­ma­lerisch ist. (Im Hochdeutschen haben wir ja auch piep­piep als Vogel­geräusch.)1

Bib­bili ist aber bei Weit­em nicht aufs Badis­che beschränkt. Auf ein­er Seite mit Schu­lauf­sätzen von Schweiz­er Kindern find­en sich z.B. eine Menge Treffer:

  • Im näch­sten Raum entwick­el­ten sich die Bibili im Ei.
  • Sie haben sehr viel Bibili und Eier. Wir durften ein Frei­land­bibili und zwei gezüchtete Bibili mit­nehmen.
  • Die Bibili sind gelb. Die Bibili sind gewach­sen. Die Bibili haben schon Schwanzfed­ern. Die Bibili piepsen viel.

Und auch son­st scheint es in der Schweiz ein respek­ta­bles Wort zu sein:

  • Banker helfen Bibeli auf die Beine (blick.ch)
  • Brah­ma Hüh­n­er-Bibeli zu verkaufen (tier-inserate.ch)
  • Was macht ihr mit den Bibeli, wenn sie gross sind? Gehen sie zurück auf einen Bauern­hof? (fichten.ch)

Weit­er nördlich und west­lich find­et sich das Wort eben­falls noch:

  • Pfälzisch (Pfälzis­ches Wörter­buch):
    • Bib, Bibi n.: 1. ‘Huhn’, Sprache des Kleinkindes, Bib (bīb), meist in der Wieder­hol­ung Bibib (bibīb) […]
    • Bibilchens-käse m.: ‘weißer Käse’, eigentl. ‘Käse, mit dem man die Bibichen (Hüh­nchen) füttert’ […]
  • Mosel­fränkisch & Ripuar­isch (Rheinis­ches Wörter­buch):
    • Bibb […]: 1. Lock­ruf für Hüh­n­er […], 2. Bibb, meist ‑che (-ī-) Huhn, Kosen., bes. in der Kinderspr[ache …]
  • Elsäs­sisch (Elsäs­sis­ches Wörter­buch):
    • Bibbele­fleisch n. eig. Fl. von einem Hühnchen.
  • Lothringisch (Lothringis­ches Wörter­buch):
    • Bible […] pl. 1. Küch­lein. […] – 2. Huhn in der Kindersprache […]

Für östlichere Gebi­ete habe ich lei­der keinen Onlinezu­griff auf wis­senschaftliche Wörter­büch­er. (Bairisch? Thüringisch? Säch­sisch? Öster­re­ichisch?) Ein Öster­re­ichisch-Online­pro­jekt führt aber Pip­pale auf, auch sehr ähnlich.

Wie alt das Wort ist, kon­nte ich lei­der nicht her­aus­find­en – Grimms Wörter­buch hat keinen Ein­trag dafür, Adelung auch nicht. In den mit­tel­hochdeutschen Wörter­büch­ern find­et sich erst recht nichts, genau­sowenig im althochdeutschen (dort ist ein Küken ein huoniklîn, also ein kleines Huhn). Über mögliche Gründe kann ich nur spekulieren:

Es sieht so aus, als habe es zunächst einen Lock­ruf gegeben, mit dem man Hüh­n­er rief, und zwar Bib(i) – ganz ähn­lich wie Miez für Katzen. Daraufhin wurde der Lock­ruf oder das nachgemachte Piepsen als Beze­ich­nung für das Tier ver­wen­det, und zwar zuerst nur in der Kinder­sprache – also wie Wauwau. Irgend­wann begann man, die jun­gen Hüh­n­er mit ein­er Verkleinerungs­form davon zu beze­ich­nen. Diese Verkleinerung wurde wesentlich bere­itwilliger in die Erwach­se­nen­sprache aufgenom­men als Bib(i) selb­st. So find­et sich im Pfälzis­chen Bib(i) als kinder­sprach­lich, aber man bildet For­men wie Bibilchen­skäse, eine Zusam­menset­zung mit offen­sichtlich exis­ten­tem BibilchenKüken’. Für etwas kleines, flauschig-niedlich­es nahm man ein niedlich­es, kindlich­es Wort wahrschein­lich eher an als für ein aus­gewach­senes Nutztier.

Ob es das Wort schon “immer” gab, oder ob es in ver­schiede­nen Dialek­ten unab­hängig voneinan­der ent­standen ist, lässt sich wohl nicht fest­stellen. Es scheint zwar keine alten Quellen in mein­er momen­ta­nen Reich­weite zu geben, aber wenn das Wort kinder­sprach­lichen Ursprungs ist, ver­wun­dert das auch nicht weit­er. Wahrschein­lich hat es die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Küken’ irgend­wann ver­drängt, die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Huhn’ und ‘Hahn’ blieben aber erhalten.

So, jet­zt aber Ende der Speku­la­tion. Lokale Beze­ich­nun­gen für Küken sind in den Kom­mentaren hochwillkommen!

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こんにちは & Guten Tag

Von Kristin Kopf

Ich habe ja die Suchan­frage katakana guten tag kür­zlich zum Anlass genom­men, ein bißchen was über japanis­che Schrift­sys­teme zu schreiben. Dabei habe ich geschrieben:

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. […] Das wird nor­maler­weise so geschrieben:今日は.

Nun stimmt es auf jeden Fall, dass 今日は (sehr oft auch in Hira­gana-Schrei­bung: こんにちは) benutzt wird, um jeman­den zu grüßen. Die Form heißt aber wörtlich nur ‘dieser Tag, heute’ oder ‘was diesen Tag/heute bet­rifft’. 今 (こん) kon ste­ht für ‘dies’ und 日 (にち) nichi für ‘Tag’. 日 heißt übri­gens auch noch ‘Sonne’ und ist ein Teil des Wortes Japan: 日本 nihon (‘Son­nenur­sprung, ‑basis’).

Das は ist eine Par­tikel. (Ja, in der Sprach­wis­senschaft ist es die Par­tikel, Mehrzahl die Par­tikeln.) Japanis­che Par­tikeln zeigen die Funk­tion eines Wortes in einem Satz an. Sie sind also so ähn­lich wie Kasusendun­gen, nur dass sie nicht direkt am Wort kleben, son­dern am Ende der betr­e­f­fend­en Wort­gruppe (“Nom­i­nalphrase”) ste­hen. Es gibt eine Par­tikel, die das Sub­jekt markiert (が ga) und eine, die das Objekt markiert (を o). Es gibt auch eine, die eine Gen­i­tivkon­struk­tion bilden kann (の no) und noch eine Menge mehr mit anderen Funk­tio­nen. Hier mal ein Satz:

追いかけていた。
Hund SUBJ Katze OBJ ver­fol­gte

Ein Hund ver­fol­gte eine Katze.’

Die Par­tikel は hat eine inter­es­sante Funk­tion: Sie ist ein Topikmarker.

Weil das Top­ik im Deutschen meis­tens auch gle­ichzeit­ig das Sub­jekt des Satzes ist, haben deutsche Japanis­chlerner­In­nen oft enorme Prob­leme damit, den Unter­schied zwis­chen der Sub­jek­t­par­tikel が und der Top­ik­par­tikel は zu ver­ste­hen. Ganz grob vere­in­facht markiert die Top­ik­par­tikel den Teil des Satzes, über den eine Aus­sage getrof­fen wird. Wenn sich z.B. in ein­er Runde Leute vorstellen und man sagt 私クリスチーンです (ich TOP Kristin bin) ‘Ich bin Kristin’ dann benutzt man は um zu beto­nen, dass es jet­zt um einen selb­st geht. Also als wür­den sich im Deutschen Hanspeter, Car­o­line, Fritz und Bet­ti­na schon vorgestellt haben und dann sage ich “Ja, und ich bin Kristin” oder “Ich bin Kristin”. Dabei betont man also den Gegen­satz zu allen anderen. Das ist nur eine Funk­tion des Top­iks, ich belasse es jet­zt aber mal dabei.

Als Hil­f­skon­struk­tion um den Unter­schied zum Sub­jekt deut­lich zu machen, benutzt man beim Erk­lären oft die Wen­dung was X bet­rifft … Das allerd­ings ist nicht beson­ders ele­gant und keine gute deutsche Über­set­zung des japanis­chen Satzes.

Bei 今日は ist das は ein Hin­weis darauf, dass es sich wahrschein­lich ein­mal um einen Satzteil gehan­delt hat, man mit­tler­weile aber nur noch den Anfang sagt – das, worüber man eine Aus­sage tre­f­fen will. Ich habe lei­der kein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch für’s Japanis­che (und wenn, kön­nte ich es wohl nicht lesen), aber ich habe ein bißchen gegooglet und z.B. diese Erk­lärung gefunden:

btw, こんにちは does actu­al­ly just mean Today.…..
It’s adop­tion as a greet­ing is cus­tom­ary; it is used as an entry into a conversation:
こんいちは、どうですか?
So, how are you / how are things today?
The abbre­vi­a­tion to its use as a greet­ing sim­i­lar to Hel­lo or Good Day is an adopt­ed custom.

Danach kommt es also von Wie geht’s heute? Da im sel­ben Ein­trag aber ein Fehler steckt, was Guten Mor­gen bet­rifft, bin ich noch etwas skep­tisch, ob’s wirk­lich von genau dieser Kon­struk­tion kommt. Dass da aber mal was gewe­sen sein muss, halte ich für ziem­lich sicher.

Guten Tag im Deutschen hat ja auch einen Teil seines Satzes ver­loren, näm­lich so etwas wie Ich wün­sche dir einen guten Tag! Und sog­ar das guten geht oft unter. Das passiert übri­gens in vie­len Sprachen und ist ganz natür­lich: Oft gebrauchte Grüße müssen kurz sein, man kann ja nicht immer den Riese­naufwand eines ganzen Satzes betreiben.

Der neue Duden und die ***maut

Von Kristin Kopf

Die 25. Duden-Auflage ste­ht ins Haus – ob ich mir mal wieder einen kaufe? Mein aktuell­ster ist von 1996 (21. Auflage) und hat als Reform-vor-der-Reform-Werk einen gewis­sen his­torischen Wert.

In ein­er Pressemit­teilung kann man schon mal guck­en, welche Wörter es dies­mal geschafft haben: hier. Einige ver­wun­dern mich etwas, die hätte ich schon längst drin ver­mutet: Busch­funk, Fern­beziehung, Ret­tungss­chirm, Stock­brot und Vogelschlag.

Was ich total wider­lich finde ist Cam­pus­maut. Ich ste­he Sprache sehr, sehr sel­ten wer­tend gegenüber und finde alles furcht­bar span­nend und inter­es­sant, aber Cam­pus­maut ist für mich der Hor­ror. Ich weiß nicht, wer sich’s aus­gedacht hat (ange­blich Studierende?), für mich ist es auf jeden Fall ein typ­is­ches Spiegel-online-Wort. Ja, ich lese da. Ja, es hat masochis­tis­che Ausmaße.

Ich habe sog­ar mal einen Beitrag über Spiegel-online-Deutsch ange­fan­gen, bin aber über Cam­pus­maut und bim­sen (*arrrg* Der Hor­ror!) nicht hin­aus­gekom­men. Spiegel online hat ja die Unter­rubrik UniSPIEGEL. Sie ken­nt das Wort Stu­di­enge­bühren qua­si gar nicht. Wenn das mal verse­hentlich ein­er schreibt, scheint es vor Veröf­fentlichung des Artikels mit Suchen-Erset­zen in Cam­pus­maut umge­wan­delt zu wer­den. Die Wort­bil­dung war am Anfang mal orig­inell – aber als per­ma­nentes Syn­onym? Die Luft ist raus und die Beze­ich­nung klingt ein­fach nur noch total verkrampft.

Eine willkür­liche Auswahl:

  • Stu­di­enge­bühren-Umfrage: Cam­pus­maut ver­has­ster denn je (25.06.2009)
  • Als die von ihnen beantragte Senkung der Cam­pus­maut im Sen­at abgeschmettert wurde, fühlten sich die Stu­den­ten­vertreter vol­lends veräp­pelt. (05.06.2009)
  • Urteil zur Cam­pus­maut: Eltern müssen Stu­di­enge­bühren zahlen (29.05.2009)
  • Sie forderten die kom­plette Abschaf­fung der Cam­pus­maut — doch Stu­den­ten, die Grü­nen und die SPD sind mit ihrer Klage am bay­erischen Ver­fas­sungs­gericht gescheit­ert. (28.5.2009)

Für den Zeitraum vom 24.01.2005 bis 09.07.2009 gibt die spiegeleigene Suche 159 Tre­f­fer aus. Der 24. Jan­u­ar 2005 scheint die Erst­nen­nung zu sein, damals noch als Cam­pus-Maut, frühere Belege find­et die Suche nicht:

Längst bere­it­en sich Wis­senschaftsmin­is­ter, Unis und Kred­it­ge­ber auf die Cam­pus-Maut vor, der­weil pla­nen die Stu­den­ten den Protest. (24.01.2005)

So, jet­zt habe ich meinem Abscheu Worte ver­liehen, jet­zt ist wieder gut. Ich habe ja nur sehr wenig gegen das Wort an für sich, es zeigt eine Menge Kreativ­ität und schafft es auch noch festzuhal­ten, dass Stu­di­enge­bühren und LKW-Maut zu einem ähn­lichen Zeit­punkt große The­men in den Medi­en waren – aber die pen­e­trante Benutzung tut ihm ein­fach nicht gut.

05.06.2009

Japanische Schrift 2: Malen die Japaner gerne?

Von Kristin Kopf

(Teil 1 | Teil 2)

Heute geht es nach Alphabet‑, Sil­ben- und Moren­schriften um einen weit­eren Typ Schrift­sys­tem: den logografischen.

Bei logografis­chen Schrift­sys­te­men beste­ht ein Bezug zwis­chen dem Beze­ich­neten und dem Schriftze­ichen, aber kein­er (bzw. kaum ein­er) zur Laut­gestalt des Wortes. Die japanis­chen Kan­ji stellen ein solch­es Sys­tem dar. Hier seht ihr das Kan­ji für Geld:

2009-07-07-kanji

Logografis­che Zeichen kön­nen unter­schiedlichen Bil­dung­sprinzip­i­en fol­gen. Was man direkt erwartet sind Pik­togramme, also Bildze­ichen: Das Beze­ich­nete wird direkt abge­bildet. Das ist zum Beispiel der Fall beim Zeichen für ‘Pferd’, 馬. Sieht nicht aus wie ein Pferd? Die Zeichen sind natür­lich zwis­chen­zeitlich vere­in­facht wor­den. Die Entwick­lung kann man sich so vorstellen (nach Fol­jan­ty 1984:32):

2009-07-07-Kanjipferd

Dann gibt es Ideogramme, also Sinnze­ichen. Sie beste­hen aus mehreren Pik­togram­men und erhal­ten durch die Kom­bi­na­tion eine neue Bedeu­tung. So ergibt zum Beispiel ‘Men­sch’ 人 und ‘Lanze’ 戈 zusam­men die neue Bedeu­tung ‘angreifen’ 伐. Damit lassen sich auch abstrak­tere Inhalte darstellen.

Auch Sym­bol­ze­ichen wie 一 ‘1’, 二 ‘2’, 三 ‘3’ zählen dazu.

Und schließlich sind da noch die Phono­gramme, also Lautze­ichen. Sie sind eben­falls aus (min­destens) zwei Kan­ji zusam­menge­set­zt – dabei liefert eines von ihnen ein wenig Infor­ma­tion zur Bedeu­tung und das andere zur Aussprache. Hier ein Beispiel (nach Fol­jan­ty 1985:47):

Das Zeichen für ‘Berg’ ist 山. Das Zeichen für ‘Kap’ ist 崎. Es besteht

  1. aus dem Berg-Kan­ji (links), das für den Bedeu­tung­steil zuständig ist, also zeigt, dass das neue Wort auch etwas mit Bergen zu tun hat (Wikipedia: “Kap beze­ich­net eine auf­fäl­lige oder scharfe Land­spitze, die beson­ders an Gebirgsküsten gut aus­geprägt sein kann”), und
  2. aus dem Kan­ji 奇 ‘selt­sam, Neugierde’, dessen Bedeu­tung für das neue Wort völ­lig irrel­e­vant ist. Wichtig ist aber, wie 奇 aus­ge­sprochen wird, und zwar ki. Das Wort 崎 bein­hal­tet diese Silbe näm­lich, es wird misaki gesprochen. Diesen Kan­jibe­standteil nen­nt man Phonetikum, weil er einen Hin­weis zur Aussprache gibt.

Die Phono­gramme erscheinen oft wie Hexerei 😉

Da die Aussprache nicht an das Schriftze­ichen gebun­den ist, ist im Japanis­chen etwas sehr Ver­rück­tes möglich: Ein und das­selbe Schriftze­ichen kann auf ver­schiedene Arten aus­ge­sprochen wer­den. Das nen­nt man Lesun­gen. Die meis­ten Zeichen haben min­destens zwei Lesun­gen, und je nach Wort wählt man die eine oder die andere. Da gibt’s grobe Regeln, aber die ers­pare ich Euch heute lieber.

Es gibt also im Japanis­chen drei Schrift­sys­teme: Zwei Moren­schriften und eine logografis­che Schrift. Die Auf­gaben sind klar getren­nt, sodass die Wahl des Schrift­sys­tems schon Infor­ma­tio­nen über den Inhalt ver­mit­telt: Bei Kan­ji rech­net man mit Wort­stäm­men, bei Hira­gana mit gram­ma­tis­chen Infor­ma­tio­nen und bei Katakana mit Fremd­wörtern oder Werbung.

[Lesetipp] Fehler machen Worte

Von Kristin Kopf

Beim Blät­tern im Archiv der Zeit habe ich einen recht schö­nen Artikel namens “Fehler machen Worte” gefun­den. Wer den Süd­deutsche-Artikel über Rudi Keller gele­sen hat, wird viel Bekan­ntes wiederfind­en, aber es sind dur­chaus auch einige neue Aspek­te dabei.

Schön fand ich den Absatz über die Duden-Sprach­ber­atung, aus dem her­vorge­ht, dass der Duden  und seine Mitar­beit­er eben nicht stur bes­tim­men, wie es richtig ist, son­dern, im Gegen­teil, sehr deskrip­tiv vorge­hen – es sind vielmehr die Duden-Nutzer, die ver­lan­gen, dass alles bis ins kle­in­ste geregelt sein soll:

Eines, stellt Her­weg fest, haben die meis­ten gemein­sam: Sie erwarten ein­deutige Antworten. »Die Leute fra­gen auch dort nach Regeln, wo es keine gibt.« Oft muss sie diese Erwartung ent­täuschen, »das ist nicht ein­deutig geregelt«, sagt sie dann am Tele­fon, was aber kein­er hören will. Es scheint ein Bedürf­nis nach Ord­nung und Sta­bil­ität zu beste­hen.”

Der Absatz über die Zahl der deutschen und englis­chen Wörter ist allerd­ings etwas pein­lich. Da wird behauptet:

Seit fünf Jahren ver­fol­gt das US-Unternehmen Glob­al Lan­guage Mon­i­tor im Rah­men des Pro­jek­ts »Mil­lion Words March« die englis­che Sprache und reg­istri­ert alle neu ent­stande­nen Wörter, Anfang Juni soll die Mil­lio­nen­marke erre­icht wer­den.

Wer das Lan­guage Log liest, ken­nt das Märchen schon, und auch die aus­führlichen Begrün­dun­gen dafür, warum es völ­liger Quatsch ist. (Unter anderem hier, hier, hier, hier, hier und erst kür­zlich hier.)

Auch die deutsche Sprache wächst, etwas langsamer zwar, aber es entste­hen weit mehr Wörter, als ausster­ben: Trotz der stren­gen Auf­nah­mekri­te­rien kom­men im Duden mit jed­er Auflage Tausende hinzu, heute enthält Die deutsche Rechtschrei­bung schon mehr als 130000 Wörter.”

Dass der Duden wächst und mit jed­er Auflage mehr Ein­träge enthält, glaube ich gerne. Dass der Duden aber mit dem deutschen Wortschatz gle­ichzuset­zen ist … ähem. Damit wäre dann 1872 seine Geburt anzuset­zen, hm? Vorher nur Deutsch ohne Wörter? Und dann von 27.000 (1880) zu 130.000 in knapp 130 Jahren? Wow.

Skur­rile Idee, dass ein Nach­schlagew­erk zur Rechtschrei­bung den kom­plet­ten Wortschatz ein­er Sprache enthal­ten kön­nte oder aber dass die Ein­träge jed­er Auflage dieses Nach­schlagew­erks immer im gle­ichen Ver­hält­nis zum Gesamt­wortschatz ste­hen kön­nten (etwa “Der Duden enthält immer 30% aller deutschen Wörter”). Und noch skur­ril­er der Gedanke, dass Wörter wirk­lich fest definiert und somit zählbar sein kön­nten. (Was ist mit zusam­menge­set­zten Wörtern? Was ist mit Phrasenkom­posi­ta wie Immer-nur-dumm-Rum­ste­her, was ist mit Sub­stan­tivierun­gen zu Ver­ben wie das Chillen, das Rap­pen? …)

Scheißmeister

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe mich bei mein­er Suche nach Beispie­len für das Wort Scheißmeis­ter im vor­ange­hen­den Beitrag in die Irre leit­en lassen. Die Hör­funkko­r­re­spon­dentin der ARD in New York hat­te in einem Beitrag über deutsche Lehn­wörter im amerikanis­chen Englisch über dieses Wort, gestützt auf das Urban Dic­tio­nary, Fol­gen­des geschrieben:

Andere [deutsche Wörter im Englis­chen] sind aber reine Erfind­ung, pseu­do­deutsche Kunst­worte: “Scheißmeis­ter” — zum Beispiel — soll in etwa “fün­ftes Rad am Wagen” heißen.

Ich hat­te solche Ver­wen­dun­gen gesucht und nicht gefun­den und deshalb ver­mutet, dass es sich bei dem Wort um die ins Urban Dic­tio­nary eingeschleuste Erfind­ung eines Spaßvo­gels han­deln kön­nte. Aber bei näherem Hin­se­hen stellt sich her­aus, dass nur die Bedeu­tung erfun­den ist — das Wort an sich gibt es, und ein pseu­do­deutsches Kunst­wort ist es nicht. Weit­er­lesen

Sprachimperialistische Illusionen

Von Anatol Stefanowitsch

Aus den Zeitun­gen erfahren wir dieser Tage Erstaunlich­es: „Deutsch erobert die USA, melden z.B. die Nürn­berg­er Nachricht­en. „In Ameri­ka Ger­man­is­men auf dem Vor­marsch — Deutsch­er als Lehrmeis­ter im Internet“.

Da bin ich mal gespannt.

Gesund­heit“, wün­scht mir mein Bekan­nter Eddie, als sich ein­mal mehr das Kribbeln in mein­er Nase in ein­er mit­tel­starken Explo­sion entlädt. Eddie ist waschechter Amerikan­er: Tagsüber arbeit­et er in ein­er Pfan­dlei­he, wo rezes­sion­s­ge­plagte Bürg­er derzeit ihre Uhren und Eheringe in Bares ein­tauschen. Abends grillt er im Garten, wäscht seinen sprit­saufend­en SUV oder spielt mit sein­er Schusswaffen-Sammlung.

Das ist doch schon mal sehr ermuti­gend: Der Autor, Friede­mann Diederichs, verzichtet auf plat­te Stereo­typ­isierun­gen der amerikanis­chen Kul­tur. Das deutet auf einen feinsin­ni­gen Beobachter der men­schlichen Natur hin. Weit­er­lesen

Unter einem Teppich stecken …

Von Kristin Kopf

Kür­zlich habe ich mit meinen Eltern tele­foniert und wollte dabei eine Wort­form im badis­chen Dialekt wis­sen. Es ging mir um das Wort Decke, das ja zwei Bedeu­tun­gen hat: Ein­mal die ‘Zim­merdecke’ und ein­mal die ‘Decke zum Zudeck­en’. Die Zim­merdecke heißt Deg­gi und in der Mehrzahl Deg­gine. Das ist eine spez­i­fisch ale­man­nis­che Plu­ral­form, über die ich bes­timmt dem­nächst mehr schreiben werde.

Woran ich jet­zt zweifelte war, dass das Wort in der Bedeu­tung ‘Decke zum Zudeck­en’ auch den ne-Plur­al bildet. (Meine Hypothese war, dass es in der Ein­zahl Deck und in der Mehrzahl Decke hieße.) Also fragte ich meine Mut­ter ganz direkt. Das ist eine schlechte Meth­ode, weil sie so eine Chance hat­te, nachzu­denken. Da wir aber eh schon über Plu­rale sprachen und sie somit bere­its über For­men­bil­dung nach­dachte, war eh nichts mehr zu ret­ten. Wie erwartet zögerte sie und wusste nicht so richtig, was die Mehrzahl war. Also wurde sie inves­tiga­tiv tätig …

Meine Mut­ter zu meinem Vater: Du, was isch sell wu ma sich noochds mit zuedeckt?
Mein Vater: Ha e Deckbett.
Meine Mut­ter: Un häm­mir nur eins defu?
Mein Vater: Nai, mir hän mäh Deckbedder.
Meine Mut­ter zu mir: Deckbed­der!
Ich: Ja Mama, aber das ist ja die Mehrzahl von Bett, nicht von Decke.
Meine Mut­ter: Aaah, ja, stimmt. Wardemol.
Meine Mut­ter zu meinem Vater: Un im Winder, wenn’s kalt isch, was nimm­sch donn noch dezue?
Mein Vater: E Dep­pich.
(Über­set­zung)

So endete die tele­fonis­che Feld­forschung mit ein­er uner­warteten Fest­stel­lung: Das, was im Hochdeutschen als Decke beze­ich­net wird (Bettdecke, Zudecke, Pick­nick­decke, …), wird im Badis­chen durch andere Wörter abgedeckt. Die Bettdecke durch Deck­bett (gibt’s im Hochdeutschen ja auch) und jede andere Form ein­er tex­tilen Decke als Tep­pich.

Weil ich mir aber soooo sich­er war, dass es auch Decke irgend­wie geben muss, habe ich mich auf der ale­man­nis­chen Wikipedia umge­se­hen, und siehe da: die Tis­chdecke ist kein Tischteppich!

Ing­var Kam­prad het mit sinere Fir­ma am Afang aller­lei ver­schi­deni Ware, dorun­der Chugelschriber, Brief­dasche, Bilder­rämme, Dis­chdeck­ene, Uhre, Zünd­höl­zli, Schmuck un Nylon­strümpf ver­chauft. (Quelle)

[Ing­var Kam­prad hat mit sein­er Fir­ma am Anfang aller­lei ver­schiedene Waren, darunter Kugelschreiber, Brief­taschen, Bilder­rah­men, Tis­chdeck­en, Uhren, Stre­ich­hölz­er, Schmuck und Nylon­strümpfe verkauft.]

Jet­zt mal schauen, wie meine Mut­ter die badis­che Form dazu aus meinem Vater herauslockt …

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Mehrheitsmeinungen zu Hohnlöhnen

Von Anatol Stefanowitsch

Jet­zt habe ich schon wieder überse­hen, dass die Aktion Lebendi­ges Deutsch ihre all­monatlichen Wortschöp­fun­gen bekan­nt gegeben hat:

Kampf dem Hohn­lohn! Den „Dump­ing-Preis“ kön­nten wir „Kampf­preis“ nen­nen — den „Dump­ing-Lohn“ aber (frech, doch tre­f­fend) „Hohn­lohn“ : Dies schlägt die Aktion „Lebendi­ges Deutsch“ vor, die seit mehr als drei Jahren Vorschläge für deutsche Wörter sam­melt, mit denen die töricht­en und schw­erver­ständlichen unter den Anglizis­men sich erset­zen ließen.

Ja, was sind sie frech und tre­f­fend, die vier alten Her­ren von der Aktion Lebendi­ges Deutsch. Schade nur, dass sie dabei wieder ein­mal das überse­hen, was ein Wort aus­macht: seine Bedeu­tungss­chat­tierun­gen, seine Ver­wen­dungszusam­men­hänge, seine Beziehun­gen zu anderen Wörtern in der Sprache (und in anderen Sprachen) und seine laut­liche Form. Weit­er­lesen