Schlagwort-Archive: Lexik

[Anglizismus des Jahres] Emanzipiert sich das Tablet?

Von Kristin Kopf

Heute also das Tablet. Ein flach­er, tas­tatur­los­er Com­put­er von umstrit­ten­em Nutzen und auf jeden Fall ein Wort, das mir für eine Analyse auf den ersten Blick ähn­lich unat­trak­tiv erschien wie die let­ztjährige App: Vor meinem inneren Auge türmten sich Berge von trock­en­er Tech­nikberichter­stat­tung und Wer­bege­fasel, ganz vorne mit dabei die Fir­ma Apple. Aber, coole Sache: So schlimm war’s gar nicht bzw. man kon­nte sehr schnell drüber­scan­nen. Und meine Recherche liefert sog­ar richtig schöne Ergeb­nisse, schaut mal:

(Suche in Nürn­berg­er Nachricht­en, Mannheimer Mor­gen, Ham­burg­er Mor­gen­post, Braun­schweiger Zeitung, per Cos­mas II web; absolute Zahlen)

Das war eine Kor­pus­recherche in den vier Zeitun­gen, die ich auch für -gate genutzt habe.1 Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] Greift ‑gate um sich?

Von Kristin Kopf

Unter den Vorschlä­gen für den Anglizis­mus des Jahres 2011 gab es auch ein Wort­teil von nicht so recht bes­timm­barem Charak­ter, näm­lich -gate. Das will ich mir heute genauer anschauen – par­al­lel zu suz, die zeit­gle­ich mit mir ihre Beobach­tun­gen zum The­ma postet.

Vorgeschla­gen wurde es von Patrick Schulz, der let­ztes Jahr den Gewin­ner leak­en nominiert hat, und zwar mit der fol­gen­den Begründung:

Ich schlage dieses Jahr das Skan­dal­isierungssuff­fix -gate zum AdJ vor. Es wird dazu benutzt, die seman­tis­che Deno­ta­tion seines Kopfes (Also die Bedeu­tung dessen, an das es sich ran­hängt) zu einem Skan­dal von nationaler Trag­weite zu erk­lären oder auch zu verk­lären. Diese mitunter iro­nisierende Nebenbe­deu­tung hebt es m.E. von beste­hen­den Äquiv­a­len­ten ab.

Ganz aktuelle Beispiele sind u.a. padgate, Gut­ten­gate oder Jena­gate.

Es geht dabei weniger darum, irgendwelche kur­zlebi­gen Wörter, die auf ‑gate enden, für den AdJ2011 vorzuschla­gen, son­dern dieses gebun­dene und sie verbindende Mor­phem, welch­es an beliebige Kopflex­eme ange­hängt wer­den darf um eine sozial- und/oder medi­enkri­tis­che Botschaft zu ver­mit­teln. Es ist dabei im höch­sten Maße pro­duk­tiv, wie die eben erwäh­n­ten Beispiele zeigen. Noch dazu geht es mit eini­gen inter­es­san­ten pho­nol­o­gis­chen Prozessen ein­her, so heist es etwa Gut­ten­gate, nicht aber *Gut­ten­berggate o.ä..

Ich will in diesem Beitrag über­prüfen, ob -gate wirk­lich so häu­fig neue Wort­bil­dun­gen einge­ht und falls ja, wozu sie dienen. Patrick ver­mutet ja einen iro­nis­chen Unter­ton, was ich nicht ganz von der Hand weisen will. Ob der aber nur durch den Äußerungskon­text entste­ht, oder wirk­lich schon dem Ele­ment anhaftet, bleibt zu klären. Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Soll man adden adden?

Von Kristin Kopf

adden ist ein schwieriger Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres 2011. Wie von vie­len Seit­en schnell bemerkt wurde, ist das Wort in gewis­sen Kreisen schon seit langem recht ver­bre­it­et – so zum Beispiel für das Hinzufü­gen von Kon­tak­ten bei ICQ (danke für den Hin­weis, Katrin! Ken­nt und nutzt das noch wer? Und wann und wie ist das eigentlich aus meinem Leben verschwunden?).

Das Wort wurde auch let­ztes Jahr schon nominiert (hier), hat es dann aber nicht in die engere Auswahl geschafft. Allerd­ings hat mein­er Erin­nerung nach nie­mand eine gründliche Analyse dazu geschrieben und wer weiß, vielle­icht hat sich seit damals ja auch einiges getan. Die diesjährige Nominierung ist hier zu finden.

Zunächst ein­mal muss

eine Begriffserklärung

her. Weit­er­lesen

Frühstück auf Türkisch

Von Kristin Kopf

Ich ver­suche mich mal wieder am Türkischler­nen und kämpfe mit Siebgedächt­nis gegen einem riesi­gen Vok­a­bel­berg. Dabei habe ich einen Zusam­men­hang zwis­chen drei Wörtern fest­gestellt, die ich mir jet­zt prompt merken kann. Und zwar ‘Kaf­fee’, ‘Früh­stück’ und ‘braun’:

kahve

kah­valtı

kahv­eren­gi

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Katalanische Wochen(tage)

Von Kristin Kopf

Anfang Sep­tem­ber war ich auf ein­er Kon­ferenz in Barcelona, wo ja Kata­lanisch regionale Amtssprache ist, eine roman­is­che Klein­sprache. Eine lustige Ent­deck­ung für mich waren die kata­lanis­chen Wochen­tags­beze­ich­nun­gen, wie auf diesem Parkhausöff­nungszeit­en­schild zu sehen:

In die richtige Rei­hen­folge gebracht und im Sin­gu­lar laut­en sie: Weit­er­lesen

Witwe vs. Witwerin

Von Kristin Kopf

Im Sprachlog geht es zur Zeit um die Form Witwerin (statt Witwe) und ihre möglichen Ursachen. (Kurzver­sion: Es han­delt sich um eine Analo­giebil­dung zu all den anderen abgeleit­eten For­men auf -in, die an Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen auf -er ange­hängt werden.)

In den Kom­mentaren kam die Frage auf, ob Witwe und Witwerin ein­mal gle­ich­berechtigt nebeneinan­der existierten:

Waren damals die Witwerin ein gle­ci­h­berechtigtes Syn­onym zur Witwe? Oder war Witwe immer das Grund­wort und die Witwerin war immer eine zweifel­hafte Neben­form. Wann und warum set­zte sich die Witwe durch?

Nun haben wir lei­der keine per­fek­ten his­torischen Kor­po­ra, aber ich glaube, dass das, was es so gibt, auch ein ganz gutes Bild ver­mit­telt.1 Ich habe mal bei Google­Books alle deutschsprachi­gen Büch­er nach Jahrhun­derten getren­nt durch­sucht, begin­nend mit dem 16. Jahrhun­dert. (Vorher sah es ja bekan­ntlich mau aus mit dem Buchdruck.)

Kaum einer mag die Witwerin

Die Ergeb­nisse zeigen recht deut­lich, dass Witwerin immer nur eine (mit gutem Willen) Neben­form war: Weit­er­lesen

[Werkzeug] Es läppert sich …

Von Kristin Kopf

Kür­zlich kam jemand mit der Suchan­frage es läp­pert sich ethy­mol­o­gisch hier­her. Zu ethy­mol­o­gisch hab ich schon mal was geschrieben, zum Läp­pern aber nicht. Wie zur Herkun­ft viel­er ander­er Wörter oder Phrasen auch nicht. Daher gibt’s heute ein bißchen Hil­fe zur Selbsthilfe.

Will man die Bedeu­tungs- und Laut­geschichte eines Wortes erkun­den, dann hil­ft ein Blick in ein soge­nan­ntes “Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch”. Für das Deutsche gibt es da mehrere, zum Beispiel den Kluge, den Pfeifer und das Duden-Herkun­ftswörter­buch (genaue Angaben s.u.). Ich habe früher meist den Kluge benutzt, finde aber Pfeifer mit­tler­weile bess­er, weil er mehr Wort­bil­dun­gen verze­ich­net. Und die gute Nachricht: Die Ein­träge aus dem Pfeifer gibt es auch online, und zwar auf der DWDS-Seite.

Ein­fach in das Such­feld das fragliche Wort (hier: läp­pern) eingeben. Die Suche erfol­gt in allen Kom­po­nen­ten des DWDS (das sind u.a. Kor­po­ra und ein “nor­males” Wörter­buch) und die Ergeb­nisse wer­den in kleinen Kästen präsen­tiert. Der Ety­molo­gie-Kas­ten befind­et sich oben rechts, hier orange  hinterlegt:

Da zeigt sich dann, dass es läp­pert sich (bzw. es läp­pert sich zusam­men) die Bedeu­tung ‘in kleinen Men­gen zusam­menkom­men’ hat. Sie lässt sich mit der Geschichte des Verbs läp­pern recht gut nachvol­lziehen: Weit­er­lesen

Auf dem Holzweg mit dem Holzweg

Von Kristin Kopf

Das Bild­blog hat einen taz-Blog­a­r­tikel über Ter­ror­ex­perten ver­linkt, der den Titel »Plä­doy­er zur Abschaf­fung des Ter­ror­ex­perten. Sel­ten waren so viele so schnell auf dem Holzweg« trägt und eine beze­ich­nende Illus­tra­tion besitzt: Einen Steg aus Holz, der durch ein Moor führt.

Die Bild­wahl ist ein schön­er Hin­weis darauf, wie die Bedeu­tung der Wen­dung auf dem Holzweg sein ‘sich irren’ mit der Zeit intrans­par­ent wurde – und zwar, weil das zuge­hörige Konzept für die bre­ite Bevölkerung immer unwichtiger wurde und den meis­ten Leuten heute unbekan­nt ist.

Ein Holzweg, wie in der Wen­dung gebraucht, ist näm­lich nicht ein ‘Weg aus Holz’, son­dern ein ‘Weg für Holz’. Also wie ein Hol­zlager, nicht wie ein Holzbein. Und das kam so: Weit­er­lesen

Etymologiequiz die Zweite

Von Kristin Kopf

Nach­dem das erste Ety­molo­giequiz ganz gut lief, kommt heute die zweite Ausgabe:

In diesem Wor­dle sind immer mehrere Wörter miteinan­der ver­wandt, das heißt sie gehen auf eine gemein­same Wurzel in ein­er früheren Sprach­stufe zurück, und, ich zitiere mich selbst

[d]ie Ver­wandtschaft kann ziem­lich weit zurück­ge­hen, weshalb der Bezug bei den wenig­sten offen­sichtlich ist. So wür­den, wären sie drin, Etat und Dis­tanz zusam­menge­hören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. sta­tus ‘Zus­tand’, was zu stāre ‘ste­hen’ gebildet wurde und Dis­tanz kommt von lat. dis­tan­tia, ein­er Abstrak­t­bil­dung zu dis­tāre ‘voneinan­der weg­ste­hen’, das sich aus dis- und stāre ‘ste­hen’ zusam­menset­zt.

Im Gegen­satz zum let­zten Mal sind es dies­mal nicht immer Paare, es kön­nen auch drei Wörter zusam­menge­hören. (Ins­ge­samt gibt es 16 Grup­pen.) Lösungsvorschläge und wilde Speku­la­tio­nen kön­nen in die Kom­mentare gepostet wer­den und erscheinen dann alle auf ein­mal am näch­sten Mon­tag. Und wie let­ztes Mal will ich darauf hin­weisen, dass der Blick in ein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch die ganze Sache lang­weilig macht. Aber muss man selb­st wissen 😉

Viel Spaß!

Update (20.6.2011): So, jet­zt gibt’s auch die Lösung. David hat alles richtig, her­zlichen Glück­wun­sch! Und für die visuell Ver­an­lagteren nach dem Cut … Weit­er­lesen

Der andere Mai

Von Kristin Kopf

Ihr ken­nt doch sich­er “das andere Links” – aber wusstet ihr, dass es auch mal einen “anderen Mai” gab? Also known as Juni.

Diese Benen­nung wird logis­ch­er, wenn man weiß, dass ander­er nicht immer nur seine heutige Bedeu­tung besaß, die ja so unge­fähr ‘nicht dieser’ ist. Schaut mal diese Bibel­stellen aus dem ersten Buch Gen­e­sis von ca. 1466 (Straßburg) und 1494 (Lübeck) an:

(1) … vnd es war gemacht abent und der mor­gen DER ANDER TAGE. (2) … und van deme auende vnd van deme morghen waert DE ANDER DACH

Bei Luther heißt die entsprechende Stelle:

7 Da machet Gott die Feste / vnd schei­det das wass­er vnter der Fes­ten / von dem wass­er vber der Fes­ten / Vnd es geschach also.
8 Vnd Gott nen­net die Fes­ten / Himel. Da ward aus abend vnd mor­gen der ander Tag.

Für die nicht ganz so Bibelfesten noch deut­lich­er wird es dann, wenn man sich das Inhaltsverze­ich­nis der Luther­bibel anschaut, oder auch sowas hier: Weit­er­lesen