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[Ostern] Ostern

Von Kristin Kopf

Ostern ist nicht nur ety­mol­o­gisch inter­es­sant, son­dern auch vom Wort­ma­te­r­i­al her: Es gab ein­mal einen Sin­gu­lar, die Oster, heute ist aber nur noch der Plur­al Ostern gebräuch­lich. Den man gele­gentlich auch wieder als Sin­gu­lar ver­wen­den kann: das Ostern.

Ostern 1987 - noch kein Interesse an Etymologien

Ostern 1987 – noch kein Inter­esse an Etymologien

Woher das Wort kommt, ist nicht so ein­deutig. Es ist auf jeden Fall ver­wandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrschein­lich auf eine vorchristliche Got­theit der Mor­gen­röte, auf jeden Fall aber auf das Länger­w­er­den der Tage und den Früh­ling. Mor­gen­röte, Aufer­ste­hung, der Weg war nicht weit und die Über­tra­gung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mit­tel­hochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übri­gens früher ein­mal ôster­mânôth, ange­blich so benan­nt durch Karl den Großen. (Zu den Monat­sna­men auch: Wun­der­land Deutsch.)

Die europäis­chen Sprachen sind, was Ostern ange­ht, nicht so variantenreich:

  • Das Englis­che hält es mit dem Deutschen (East­er).
  • Die meis­ten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuver­läs­sige Quelle habe), und zwar die Beze­ich­nung des jüdis­chen Pes­sach-Festes, mit dem Ostern nicht von unge­fähr zeitlich und kausal in Bezug ste­ht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pas­cua), Finnisch (Pääsiäi­nen), Franzö­sisch (Pâques), Ital­ienisch (Pasqua), Nieder­ländisch (Pasen), Nor­wegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Rus­sisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
  • Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusam­menset­zung wahrschein­lich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeu­tung stammt nur aus dem Inter­net, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fas­ten­zeit ist da näm­lich vorbei.
  • Mit Bezug auf die Nacht, wie an Wei­h­nacht­en auch, gibt es ‘große Nacht’ im Pol­nis­chen (Wielka­noc) und Tschechis­chen (Velikonoce). Im Let­tis­chen (Liel­d­ien­as) ist hinge­gen der Tag groß.

Hier gibt es übri­gens eine ganze Samm­lung von Oster­beze­ich­nun­gen in ver­schiede­nen Sprachen.

[Ostern] Karfreitag

Von Kristin Kopf

Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kum­mer aus­drückt, mit dem es am Grün­don­ner­stag nichts wurde. Kar- geht auf althochdeutsch kara ‘Kum­mer, Sorge’ zurück (übri­gens ver­wandt mit dem englis­chen care). Ein Blick in Grimms Wörter­buch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht all­ge­mein einen trau­ri­gen Tag beze­ich­nete, son­dern einen ganz bes­timmten trau­ri­gen Tag: den “tag an welchem ein ver­stor­ben­er unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichen­mahl gehal­ten wird” (DWB). Im Zim­brischen, ein­er deutschen Sprachin­sel in Ital­ien, hat es diese Bedeu­tung noch heute.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Der Kar­fre­itag ist also ein­fach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mit­tel­hochdeutschen hieß der Tag karvrî­tac oder schlicht kar­tac.

Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:

  • heiliger Fre­itag’: Spanisch (Viernes San­to), Franzö­sisch (Ven­dre­di saint), Ital­ienisch (Ven­erdì San­to)
  • guter Fre­itag’: Nieder­ländisch (Goede Vri­jdag), Englisch (Good Fri­day) – Zumin­d­est im Englis­chen kommt es von der ursprünglichen Bedeu­tung ‘heilig’.
  • großer Fre­itag’: Rus­sisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Pol­nisch (Wiel­ki Piątek), Ungarisch (Nagypén­tek), Est­nisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
  • Lei­dens­fre­itag’: Rumänisch (Vinerea Patim­ilor)
  • langer Fre­itag’: Schwedisch (Långfreda­gen), Dänisch (Langfredag), Nor­wegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäper­jan­tai) – Im Englis­chen scheint es auch ein­mal einen Long Fri­day gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”.  Ob das die richtige Ety­molo­gie ist, weiß ich allerd­ings nicht.

[Ostern] Gründonnerstag

Von Kristin Kopf

So, jet­zt wird hier mal wieder ein bißchen ety­mol­o­gisiert! Die Kar­woche bietet dafür ja wirk­lich mehr als genug Gele­gen­heit – los geht’s mit dem Grün­don­ner­stag. In mein­er Kind­heit wurde immer behauptet, das Erst­glied gehe auf mit­tel­hochdeutsch grî­nen ‘den Mund weinend/knurrend/winselnd/lachend verziehen’ zurück und drücke qua­si die Trau­rigkeit über die Gefan­gen­nahme Jesu aus. Weil greinen im Ale­man­nis­chen heute noch ein das Wort für ‘weinen’ ist, erschien mir diese Erk­lärung immer sehr einleuchtend.

2009-04-09-grunDoch Kluge hat eine Über­raschung parat: Im Mit­tel­hochdeutschen gab es die Fügung der grüene don­er­stac bere­its und somit einen ein­deuti­gen Bezug zur Farbe Grün. Aber was hat das Grün mit diesem Tag zu tun? Kluge und die Grimms sagen: In religiös­er Hin­sicht kaum etwas.

die deu­tung von gr. bleibt umstrit­ten, doch ist der name sichtlich eher volk­sthüm­lichen als kirch­lichen gepräges (DWB)

Bei­de bieten als mögliche Erk­lärung an, dass es Brauch war, an diesem Tag (grüne) Kräuter zu essen:

das reich und vielfältig entwick­elte brauchthum am gr., der genusz heil­brin­gen­der kräuter, das grün­don­ner­stag­sei (ant­laszei), der gr. als ter­min der säens und pflanzens u. s. w., […], läszt wie bei ostern an einen nach­hall vorchristlich­er übung denken; ob ihm, wie HOLTZMANN […] ver­mutet, ein Donars­fest im mai zugrunde liegt, bleibt uner­weis­lich (DWB)

Ist die schöne The­o­rie vom Greinen also wirk­lich nicht zu ret­ten? Muss der Grün­don­ner­stag den Hei­den über­lassen wer­den? In den kryp­tis­chen Lit­er­at­u­rangaben Kluges find­et sich doch noch ein Mini­hin­weis auf eine alter­na­tive Ety­molo­gie mit einem ganz ähn­lich klin­gen­den Wort – momen­tan habe ich aber keine Zeit (Habe ich erwäh­nt, dass ich sche­in­frei bin?), die entsprechen­den Zeitschriften und Büch­er herauszusuchen:

HWDA 3 (1931), 1186 f. Anders (Umdeu­tung von ahd. grun stm./stf. ‘Jam­mer, Unglück’): H. Jeske SW 11 (1986), 82–109; LM 4 (1989), 1752 f.”

Let­ztlich bleibt also rät­sel­haft, wie der Tag zu sein­er Farbe kam. Ich habe mich mal in anderen Sprachen Europas umge­se­hen um her­auszufind­en, was noch als Benen­nungsmo­tiv dienen kann:

  • ‘heiliger Don­ner­stag’: Spanisch (Jueves San­to), Ital­ienisch (giovedì san­to), Franzö­sisch (jeu­di saint), Rus­sisch (свято́й четве́рг)
  • großer Don­ner­stag’: Pol­nisch (Wiel­ki Czwartek), Ungarisch (Nagyc­sütörtök), Est­nisch (Suur nel­japäev), Rumänisch (Joia Mare)
  • weißer Don­ner­stag’: Nieder­ländisch (Witte Don­derdag) – wahrschein­lich wegen der litur­gis­chen Farbe Weiß.
  • Fußwaschungs­don­ner­stag’: Englisch (Maun­dy Thurs­day)
  • Reini­gungs­don­ner­stag’: Schwedisch (Skär­tors­da­gen), Nor­wegisch (Skjær­tors­dag), Dänisch (Skær­tors­dag) – schwed. skära und seine Entsprechun­gen heißen eigentlich ‘schnei­den’, haben hier aber wohl eine andere Bedeu­tung.

Aber der grüne Don­ner­stag ist doch nicht ganz einmalig:

  • Tschechisch: Zelený čtvrtek. Die tschechis­che Wikipedia sug­geriert irgen­deine Art von deutschem Ein­fluss (inklu­sive greinen), aber mehr kon­nte ich nicht errat­en. Wenn hier jemand Tschechisch kann … [break­ing news: Meine Fre­undin Esther hat’s über­set­zt: Der zitierte Bischof behauptet tat­säch­lich, es käme vom deutschen Grein­don­ner­stag, der durch Lautver­tauschung zum Grün­don­ner­stag gewor­den sei. Quellen gibt er dazu aber keine an, es ist also Vor­sicht geboten. Auch lustig: In Tschechien scheint man am Grün­don­ner­stag tra­di­tionell Spinat zu essen.]
  • Rumänisch: Joia Verde. Ist neben Joia Mare (s.o.) in meinen Wörter­buch angegeben. Ich kön­nte mir einen deutschen Ein­fluss über die Sieben­bürg­er Sach­sen gut vorstellen, will mich aber nicht zu weit aus dem Fen­ster lehnen.

Beze­ich­nun­gen in weit­eren Sprachen her­zlich willkom­men! Jens ja Lin­da, wie ist es mit Finnisch? Ich bilde mir ein, die Wort­gren­ze gefun­den zu haben (Kiiras|torstai), komme aber man­gels Struk­tur­wis­sen nicht auf die Nen­n­form des Erstglieds.

[Surftipp] Duden-Newsletter

Von Kristin Kopf

Die Duden-Sprach­ber­atung schreibt alle zwei Wochen einen Newslet­ter zu ver­schiede­nen sprach­be­zo­ge­nen The­men – seien es Gram­matik, Ety­molo­gie, Zweifels­fälle, Sprach­wan­del, Redewen­dun­gen, … eine unter­halt­same Mis­chung, die zudem den Vorteil hat, nicht täglich die Mail­box zu ver­stopfen (deshalb habe ich z.B. das “Word of the day” des OED wieder abbestellt). 2009-04-07-dudennewsletter1

Oma, Großvater, Näni, Groma (Verwandtschaftstrilogie Teil 3)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Die Ver­wandtschaft­strilo­gie endet mit etwas, das mich weniger plagt als vielmehr neugierig macht: In manchen Fam­i­lien gibt es unter­schiedliche Beze­ich­nun­gen für die Großel­tern, je nach­dem, ob es die Eltern der Mut­ter oder des Vaters sind. Und auch son­st ist es span­nend, zu welchen Strate­gien man greift, um die Großel­tern auseinanderzuhalten.

Dazu kann man wenig The­o­retis­ches sagen, weil es um Haus­ge­brauch geht – vom Grimm­schen Wörter­buch und meinen üblichen Bibeln ist da nichts zu erwarten. Daher also gle­ich zu den Ergeb­nis­sen mein­er Umfrage:

Unter­schei­det Ihr in der Fam­i­lie die Großel­tern müt­ter­lich­er- und väter­lich­er­seits? Falls ja, wie? 

groseltern1

Wenn die einen Großel­tern mit dem Nach­na­men, die anderen mit dem Vor­na­men beze­ich­net wur­den (o.ä.), so wurde bei­des berück­sichtigt. Es fehlt ein bißchen was an 51, weil manche nur “Name” schrieben, das habe ich mal wegge­lassen, weil etwas unspezifisch.

Son­stiges” war übri­gens ein schön­er Fall, in dem die Großel­tern nach der Kör­per­größe in große(r) und kleine(r) Oma/Opa unter­schieden wurden.

Diejeni­gen, die wirk­lich durch ver­schiedene Beze­ich­nun­gen unter­schei­den, find­en sich hier noch ein­mal genauer:
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Die “Son­sti­gen” :

  • Oma/Opa vs. Gro­ma/Gropa
  • Oma/Opa vs. Groß­ma­ma/Groß­pa­pa
  • Omi/Opi vs. Ömi/Öpi
  • Oma/Opa vs. Nana/Näni (Schweiz­er Einfluß)

Eni für ‘Groß­vater’ (und par­al­lel gilt das auch alles für ‘Groß­mut­ter’) ist nach Müller (1979) bis ins 14. Jh. im kom­plet­ten süd­deutschen Raum belegt, ganz beson­ders in der Schweiz und auch in Öster­re­ich. Um 1900 lebte das Wort als Neni/Näni/Endi(fat­ter) noch am Südos­trand der deutschsprachi­gen Schweiz (Appen­zell – Chur – Davos – Bosco Gurin), über die heutige Ver­bre­itung habe ich zwar nichts gefun­den, aber gestor­ben ist nicht. Die Form ist ver­wandt mit dem hochdeutschen Ahn, das ein­mal ‘Groß­vater’ hieß (vgl. hier).

Fun Fact: Mein Brud­er und ich unter­schei­den unsere Großmüt­ter nach dem Vor­na­men (also Oma + Name) – als unsere Großväter noch lebten, wur­den sie natür­lich auch entsprechend unter­schieden, allerd­ings nur wenn ganz expliz­it von ihnen die Rede war. Wenn es um das Großel­tern­paar ging, wurde immer die Beze­ich­nung für die Groß­mut­ter benutzt. Also “Wir fahren zur Oma X!” oder “Ich habe Geld von der Oma X bekommen!”.

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So, das war’s mit der Verwandt­schafts­umfrage. Ich bedanke mich noch ein­mal ganz her­zlich bei allen, die mir geant­wortet haben!

Und hier zum Mitmachen:

Aktu­al­isierung:

Wenn man selb­st etwas in der Umfrage ein­trägt, erscheint nur eine Stimme für “oth­er”. Die Antworten will ich Euch aber nicht vorenthalten:

  • Oma Spitz­name, Omi (2x)
  • Omama/Opapa vs. Ama/Apa

Ein Kuddelmuddel: Die Großverwandten (Verwandtschaftstrilogie Teil 2)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Mein Brud­er und ich haben einige Groß­cousins und -kusi­nen. Wir meinen damit die Enkel der Geschwis­ter unser­er Großel­tern – ganz beson­ders aus ein­er bes­timmten Fam­i­lie, weil wir mit den Kindern teil­weise in die Schule gin­gen. Wir haben auch ein paar Groß­tan­ten und Großonkel, aber das sind nicht die Eltern der Großkusi­nen/-cousins, son­dern deren Großel­tern. Hm, selt­sam. Wer sind denn dann die Kusi­nen oder Cousins unser­er Eltern? Dafür haben wir keine Beze­ich­nun­gen, wahrschein­lich auch, weil sie in unserem Leben nie wirk­lich eine Rolle gespielt haben.

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Großver­wandte in Kristins Familie

Was sagen nun meine Versuchspersonen?

Großkusinen und ‑cousins

Was ver­ste­ht Ihr unter “Großku­sine”?

Es gab 13 Per­so­n­en, die die Beze­ich­nung Großku­sine nicht kan­nten und zusät­zlich 3, die die Beze­ich­nung nie ver­wen­den. Diese Antworten blieben unberück­sichtigt. Manch­mal wur­den mehrere Möglichkeit­en angegeben, die habe ich alle berück­sichtigt. Ein schönes Syn­onym für Großku­sine habe ich bei all­dem auch noch gel­ernt: Cous-Cou­sine. Ken­nt das noch wer?

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Eine Großku­sine ist …

Ihr seht, der Kampf tobt in erster Lin­ie zwis­chen den Kusi­nen der Eltern und deren Töchtern. Die VertreterIn­nen der Kusine-der-Eltern-Frank­tion argu­men­tierten häu­fig damit, dass die Tochter der Groß­tante natür­lich die Großku­sine sein müsse.

Die VertreterIn­nen der Enke­lin-der-Groß­tante-Frank­tion (wie ich) argu­men­tierten hinge­gen damit, dass jemand, der mit -kusine beze­ich­net wird, der­sel­ben Gen­er­a­tion ange­hören müsse wie man selbst.

Beson­ders inter­es­sant fand ich zwei Antworten:

  • alle (weib­lichen) Ver­wandten die ich zur mein­er eige­nen Gen­er­a­tion zäh­le, und bei denen die Ver­wandtschafts­beziehung weit­er ist als Schwester/Kusine
  • Ich wuerde mal sagen, dass Großkusi­nen bei mir all jene Ver­wandte sind, die irgend­wie ver­wandt mit mir sind und noch dazu weib­lich in mein­er (groben) Alter­sklasse. Falls zu alt wer­den sie dann Grosstan­ten. Maennlich entsprechend.

Diese bei­den unter­stützen die Enke­lin-der-Groß­tante-Frak­tion, sind aber noch radikaler: Die Großku­sine ist ein­fach eine ent­fer­nte weib­liche Ver­wandte gle­ichen Alters.

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Viele Leute schrieben über ihren Gebrauch und set­zten dazu, dass sie sich nicht sich­er seien, ob sie das Wort richtig gebraucht­en oder gar, dass sie sich sich­er seien, dass sie es falsch gebraucht­en. Ich glaube allerd­ings, dass es gar keinen ein­deuti­gen Gebrauch gibt, und die Antworten bestärken mich darin. Ich kann Euch auch nur allen rat­en, Groß­cousin zu googlen und die diversen Forums­beiträge dazu nachzule­sen: Man fühlt sich wie bei Lori­ot! Auch alle angegebe­nen “Quellen” scheinen nur jew­eils den per­sön­liche Gebrauch der AutorIn­nen widerzuspiegeln.

Und für alle, die auch noch abstim­men wollen:

Großtanten und ‑onkel

Vor­weg ein schneller Blick ins Deutsche Wörter­buch der Grimms, das einen älteren Sprach­stand widergibt:

  • grosz­tante, f., schwest­er des grosz­vaters oder der groszmutter
  • groszbase, f., avi­ta magna, soror avi [= Schwest­er des Großvaters]
  • grosz­muhme, f.: die gros­muhm matert­era magna, avi­ae soror […] so viel als der grosze-mut­ter schwester
  • gros­zonkel, m., was groszoheim
  • gros­zo­heim, m., avun­cu­lus mag­nus, avi­ae frater [= Brud­er der Großmutter]
  • groszvet­ter, m., patru­us mag­nus, avi pater­ni vel mater­ni frater [= Brud­er des Großvaters]

Oh, diese Unsitte der lateinis­chen Umschrei­bun­gen in der Lexiko­gra­phie! Ich habe sin­ngemäß über­set­zt, nach diesem Wörter­buch.

Das ergibt fol­gen­des Bild:

grostantegrimm

Dass danach unter­schieden wird, ob es Geschwis­ter der Groß­mut­ter oder des Groß­vaters sind, ähnelt dem Prinzip bei den Geschwis­tern der Eltern, das ich für das Alt- und Mit­tel­hochdeutsche schon erläutert habe. Die Beze­ich­nun­gen wan­dern qua­si eine Gen­er­a­tion “nach oben” und wer­den mit Groß- verse­hen, also alles schön par­al­lel. (Groß­cousin(e) find­et sich bei den Grimms über­haupt nicht, nicht ein­mal für Cousin(e) gibt es einen Ein­trag – let­ztere tauchen aber wenig­stens gele­gentlich in Beispiel­sätzen auf.)

Das damals geze­ich­nete Bild gilt, mit den Beze­ich­nun­gen Groß­tante und -onkel, heute noch immer. Meine Ver­suchsper­so­n­en waren sich hier viel, viel einiger:

Was [ver­ste­ht Ihr] unter “Groß­tante”?

grostantetorte

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Vielle­icht nicht so selt­sam, dass hier alles viel klar­er scheint – die Beze­ich­nung scheint es ja auch schon viel länger zu geben, wenn man sich danach richtet, dass das Grimm­sche Wörter­buch sie, im Gegen­satz zu Großkusi­nen und ‑cousins, kennt.

Wie bei Tante und Onkel auch, erwäh­nen hier manche, dass auch die Ehep­art­ner­in­nen der entsprechen­den männlichen Per­son Groß­tan­ten sein kön­nen, das habe ich aber nicht sys­tem­a­tisch verfolgt.

Und für weit­ere Abstimmungen:

… der weiß nicht, was er will

Von Kristin Kopf

Willkom­men im April! Ich hoffe, Euch macht heute kein­er zum Aprill­snar­ren:

APRILLSNARR, m. pois­son d’avril, engl. april’s fool, april­fool: selb­st die übri­gen, die man hier als lächer­lich hin­ter­gangne april­snar­ren (dupes) beze­ich­net. GÖTHE 46, 161. im nördlichen Eng­land sagt man april­gouk, aprils­gauch, kukuk. BRAND pop­u­lar antiq­ui­ties ed. Hal­li­well. Lond. 1848. 1, 139.

Inter­es­sant, dass es das Wort heute gar nicht mehr gibt, dafür aber den Aprilscherz. Eine kurze Recherche im DWDS fördert let­zteren in den let­zten hun­dert Jahren 49-mal zutage, ersteren hinge­gen über­haupt nicht. Im W‑Archiv der geschriebe­nen Sprache von Cos­mas-II gibt grade mal es einen April­snar­ren, allerd­ings in einem Liedti­tel (und den Aprilscherz 1039-mal).

Mey­ers Großes Kon­ver­sa­tions-Lexikon von 1905 ken­nt den April­snar­ren noch (dafür den -scherz nicht), so lange kann sein Tod also nicht her sein:

April­snarr, Spot­tname eines »in den April Geschickten«.

Wann ist der Narr also ver­schwun­den und der Scherz aufge­taucht? Haben die bei­den sich gegen­seit­ig abgelöst? Oder ist der Narr gar nicht tot, son­dern nur extrem sel­ten? So viele Fragen …

Egal wie – auf einen guten April! Ohne sein Wetter:

  • APRILLENWETTER, m. her­ren­gun­st und april­len­wet­ter sind verän­der­lich; april­len­wet­ter, män­ner­schwüre. FR. MÜLLER 1, 292.
  • APRILLENZEIT, f.

dein lieb­ster war ein junges blut,
und junges blut hegt wankelmut
wie die aprillenzeit.
BÜRGER 47a.

Von meiner Tante der Mann (Verwandtschaftstrilogie Teil 1)

Von Kristin Kopf

Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

Wegen mein­er Ver­wandtschaft­shausar­beit habe ich mich in der let­zten Zeit viel, viel, viel mit Ver­wandtschafts­beze­ich­nun­gen beschäftigt. Dabei gibt es ein paar Dinge, die mich schon immer plagen:

  1. Ehep­art­ner von Tan­ten und Onkel
  2. Großkusi­nen und Groß­cousins / Groß­tan­ten und Großonkel
  3. Großel­tern müt­ter- und väterlicherseits

Zu jedem der Punk­te will ich in einem eige­nen Beitrag ein bißchen was erk­lären, und dann wer­den ich pseu­do-empirisch: Ich habe eine Umfrage gemacht! Die Ergeb­nisse baue ich ein, wo sie passen, aber sie sind natür­lich nicht sta­tis­tisch sig­nifikant oder sonst­wie ern­stzunehmen. Meine Ver­suchsper­so­n­en waren 51 deutsche Studierende/AkademikerInnen (27w/24m), alle mit deutsch­er Mut­ter­sprache1, einige wenige zweis­prachig, Alters­durch­schnitt 28,4 Jahre.

Mit den Ehep­art­nern der Tan­ten und Onkel geht es los:

Die meis­ten Men­schen, die ich kenne, beze­ich­nen die Ehep­art­ner ihrer Tanten/Onkel eben­falls als Tante/Onkel. Als Kind fand ich das unmöglich, Heiratsver­wandtschaft hat­te unter dieser Beze­ich­nung nichts für mich zu suchen. Aber was ist die Alter­na­tive? Jedes Mal zu sagen “Ach übri­gens, mein ange­heirateter Onkel hat sich gestern zusam­men mit dem Mann mein­er Tante betrunk­en” ist ziem­lich umständlich, und umständliche For­mulierun­gen umge­ht man ja gerne, vor allem bei so hochfre­quenten Ver­wen­dun­gen wie meinem Beispielsatz.

Die Wahl, vor der man ste­ht, ist also sich a) präzise oder b) kurz auszu­drück­en. Kurz ist die natür­lichere Wahl. Das zeigt auch das Umfrageergebnis:

Im Gespräch mit Drit­ten, wie beze­ich­net Ihr die Ehe­frau Eueres Onkels und wie den Ehe­mann Euer­er Tante? 

tantetorte

33 Per­so­n­en wählten die kürzeste Möglichkeit und beze­ich­nen die Ehep­art­ner eben­falls als Tante und Onkel. Zwei beson­ders span­nende Details:

  • Eine Per­son beze­ich­net dann nur ange­heiratete Tanten/Onkels als Tante/Onkel, wenn die Eheschließung vor ihrer Geburt stattge­fun­den hat.
  • Jemand beze­ich­net die ihm sym­pa­this­cheren und näher­ste­hen­den Ehep­art­ner als Tante/Onkel, die weniger sympathischen/entfernteren als Frau von Onkel, Mann von Tante.

Die 11 Per­so­n­en, die manch­mal Tante/Onkel und manch­mal Umschrei­bun­gen gebrauchen, ver­weisen meist auf das Kom­mu­nika­tion­sziel. Nur wenn ein Mißver­ständ­nis dro­ht, greifen sie zur Erläuterung. (Nur drei Per­so­n­en gaben an, bei­des aus­tauschbar zu gebrauchen.)

Die 3 Per­so­n­en, die Erläuterun­gen bevorzu­gen, wählen For­mulierun­gen wie “der Mann mein­er Tante”, mein ange­heirateter Onkel oder mein Onkel, der Mann mein­er Tante.

Es gibt übri­gens ein schönes Buch, Comut­ter, Papi und Lebens­ab­schnitts­ge­fährte von Helen Chris­ten, in dem die neueren Entwick­lun­gen in der Benen­nung und der Anrede von Ver­wandten und Ich-weiß-nicht-so-recht-ob-Ver­wandten unter­sucht wer­den. Ich habe es vor Ewigkeit­en mal ange­le­sen und komme grade nicht dran, aber wenn ich es das näch­ste Mal in den Hän­den halte, schaue ich, ob sich davon nicht etwas für das Sch­plock eignet.

[poll­dad­dy poll=1505575]

Für alle, die nicht Teil mein­er exk­lu­siv­en Umfrage sein kon­nten, gibt’s jet­zt noch die Möglichkeit, was zu sagen. Bitte nur ein­mal abstimmen:

Weit­er­lesen

Fragen an das Internet beantwortet

Von Kristin Kopf

Word­Press ver­fügt über eine elende Sta­tis­tik­funk­tion, die man stun­den­lang sinn­los anstar­ren kann. Um die vergeudete Zeit etwas zu recht­fer­ti­gen, will ich ein paar “Fra­gen” beant­worten, die über Suchan­fra­gen zum Sch­plock geleit­et wur­den, wo dann zwar die Such­wörter, nicht aber die Antworten vorhan­den waren.

schmettern ethymologisch (12.3.2009)

Wahrschein­lich ist es ein laut­ma­lerisches Wort, das irgend­wie mit mit­tel­hochdeutschem smîzen ‘stre­ichen, schmieren’ (das ist die Vor­form von schmeißen) und niederdeutschem schmad­dern ‘schmieren’ ver­wandt ist.

Im Mit­tel­hochdeutschen hieß es sme­tern und hat­te die Bedeu­tung ‘klap­pern, schwatzen’. Das Wort hat ab dem 16. Jahrhun­dert die Bedeu­tung ‘mit Geräusch hin­schleud­ern’, man musste also immer etwas schmettern. Später dann brauchte das Verb kein Objekt mehr, es beze­ich­net sei­ther eher die Tat­sache, dass etwas einen ‘krachen­den Schall’ verur­sacht. Wenn man ein Objekt ver­wen­den will, benutzt man hin­schmettern.

Danke übri­gens für die Inspi­ra­tion mit ethymol­o­gisch!

eichhörnchen etymologisch (22.3.2009)

Voll­tr­e­f­fer – eine Volk­se­t­y­molo­gie! Klas­sis­ch­er Fall für Olschan­sky: Schon im Althochdeutschen hat man das Wort als Zusam­menset­zung aus Eiche und Horn analysiert (eih­horno), dabei geht es eigentlich auf das ger­man­is­che Wort *aikur­na- zurück, was die indoger­man­is­che Wurzel *aig- bein­hal­tet, ‘sich heftig bewe­gen, schwingen’.

Obwohl also ety­mol­o­gisch von einem Horn nicht die Rede sein kann, wurde das Wort Mitte des 19. Jahrhun­derts zu ein­er generellen Beze­ich­nung für alle ver­wandten Nagetiere der Famile Sci­uri­dae wie z.B. Baumhörnchen, Erd­hörnchen, Flughörnchen.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia (Ray eye), CC-by-sa‑2.0‑de

paumen hochdeutsch (19.3.2009)

Wahrschein­lich geht es hier um eine alte dialek­tale Form des Wortes Bäume. Zu Beginn der althochdeutschen Zeit gab es die soge­nan­nte “Zweite Lautver­schiebung”, und ein Teil davon, die “Medi­en­ver­schiebung”, verän­derte die west­ger­man­is­chen Laute b, d und g.

  • [d] wurde zu [t], das sieht man z.B. an Wörtern wie Tag, auf Englisch day, weil das Englis­che keine Zweite Lautver­schiebung hat­te. Es gibt noch massen­haft weit­ere Beispiele (Tochterdaugh­ter, Tordoor, Tierdeer, …).
  • [b] und [g] blieben im Hochdeutschen weit­er­hin [b] und [g] – ver­glichen mit dem Englis­chen ist also kein Unter­schied festzustellen: Buch book, Bierbeer, gutgood, graugrey, …

Im Alto­berdeutschen aber, vor allem im Alt­bairischen, wurde teil­weise [b] > [p] und [g] > [k]. (Es ist aber zumin­d­est in der Schrei­bung nicht kon­se­quent durchge­führt, oft ste­hen auch <b> und <g>.) Wir find­en in alt­bairischen Tex­ten also Wörter wie perg ‘Berg’, kot ‘Gott’ und paum, ‘Baum’. Hier ist z.B. ein Auss­chnitt aus dem Wes­so­brun­ner Gebet, dessen Entste­hung auf ca. 790 geschätzt wird:

Dat gafre­gin ih mit firahim fir­i­u­uiz­zo meista,
dat ero ni uuas noh ûfhimil,
noh paum nih­heinîg noh pereg ni uuas,
ni suigli ster­ro nohheinîg noh sun­na ni scein,
noh mâno ni liuh­ta noh der mâręo sêo.
Dô dâr niu­ui­ht ni uuas enteo ni uuenteo
enti dô uuas der eino almahtî­co cot, …

(Text nach TITUS)

Das habe ich bei den Men­schen als größtes Wun­der erfahren: dass es die Erde nicht gab und nicht den Him­mel, es gab nicht den Baum und auch nicht den Berg, es schien nicht ein einziger Stern, nicht die Sonne, es leuchtete wed­er der Mond noch die glänzende See. Als es da also nichts gab, was man als Anfang oder Ende hätte ver­ste­hen kön­nen, gab es schon lange den einen, allmächti­gen Gott, …” (Über­set­zung aus Nübling 2006:23)

Und im Grimm­schen Wörter­buch gibt es einige Beispiele für paumen:

  • FRUCHTTRÄGERLEIN, n. frucht­knospe, bei MEGENBERG 93, 15: (vor dem blitz) ver­hül­let diu nâtûr diu fruht­trager­lein, daჳ sint die frühti­gen knödel (knötchen) auf den paumen, mit pletern, sam dâ ain amme ir kint ver­hül­let mit windeln.
  • FÜRBASZ , adv. weit­er, weit­er fort. […] STEINHÖWEL (1487) 64; doch nach langem seinen bedunken in gůt dauchte, seyt­mal er der fin­ster nacht hal­ben nitt fürpasz mochte, auf einen paumen ze steigen.
  • NACHSPÜREN, verb.1) intran­si­tiv, spürend fol­gen, aufzus­püren (zu erforschen, zu ergrün­den) suchen […] die aich­hörn­lein lof­fen / auf den paumen, der ich keim kund / nach-spüren, weil ich het kein hund. H. SACHS 4, 286, 8 K.

So. Auf die näch­sten Suchan­fra­gen ist das Sch­plock vorbereitet!

… wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

Von Kristin Kopf

Von mein­er Ger­man­is­tik-Ver­wandtschaft­shausar­beit sind ein paar Bröckchen fürs Sch­plock abge­fall­en. Es geht um den Wan­del der Typolo­gie von Ver­wandtschaftssys­te­men – also nicht darum, wie sich einzelne Wörter verän­dern (wobei ich darauf auch ein wenig einge­hen will), son­dern darum, wie sich kom­plette Sys­teme verän­dern. Und da kann sich erstaunlich viel tun. Ich will heute nur auf einen kleinen Teilaspekt einge­hen, der die Eltern­gener­a­tion (auch G+1 genan­nt) betrifft.

Dort wer­den im heuti­gen Deutsch zwis­chen Blutsver­wandten zwei Unter­schei­dun­gen getroffen:

  • Frau oder Mann? Mut­ter, Tante vs. Vater, Onkel
  • In direk­ter Lin­ie ver­wandt oder nicht? Vater, Mut­ter vs. Tante, Onkel

Da drang ein Dutzend Anverwandten / Herein, ein wahrer Menschenstrom!

Im Althochdeutschen gab es noch eine weit­ere Unterscheidung:

  • Frau oder Mann? muot­er, muo­ma, basa vs. fater, fetiro, oheim
  • In direk­ter Lin­ie ver­wandt oder nicht? muot­er, fater vs. muo­ma, basa, fetiro, oheim
  • Müt­ter­lich­er­seits oder väter­lich­er­seits? muo­ma, oheim vs. basa, fetiro

Die vier Beze­ich­nun­gen für die Geschwis­ter der Eltern lauteten also:

(1) muo­ma ‘Schwest­er der Mutter’
(2) basa ‘Schwest­er des Vaters’
(3) fetiro ‘Brud­er des Vaters’
(4) oheim ‘Brud­er der Mutter’

Und hier für Leute, die es lieber visuell haben:

verwahd

Ahd. Ver­wandtschaftssys­tem nach Nübling et al. (2006)

Ein solch­es Sys­tem nen­nt man auch bifur­cate col­lat­er­al type.

Da kamen Brüder, guckten Tanten, …”

Die Unter­schei­dung mütterlicherseits/väterlicherseits ist heute also ver­schwun­den. Wenn man sich die Wörter anschaut, dann kom­men sie einem aber alle noch bekan­nt vor. Wie kommt’s?

In mein­er Abbil­dung habe ich die Cousins und Kusi­nen unter­schla­gen. Die gab es in althochdeutsch­er Zeit natür­lich auch schon, unter anderem Namen. Wahrschein­lich hießen sie muomen­sun etc., waren also zusam­menge­set­zte Beze­ich­nun­gen – beson­ders viele Quellen gibt es aber nicht ger­ade, ich habe nur einen Auf­satz von 1900 gefun­den, der die For­men erwäh­nt, die meis­ten Darstel­lun­gen lassen sie ein­fach weg.

Schließlich kam es zu einem Bedeu­tungswan­del. In einem ersten Schritt begann man, die Beze­ich­nun­gen für die Geschwis­ter der Eltern auch für deren Kinder zu ver­wen­den – die Tochter von Base oder Vet­ter (wir sind jet­zt schon im Früh­neuhochdeutschen!) wurde auch zur Base, der Sohn von Oheim und Muhme auch zum Oheim, etc. Die Beze­ich­nun­gen hat­ten jet­zt also zwei Bedeu­tun­gen. Nach einem wilden Kud­del­mud­del einigten sich die Begriffe dann endlich: Oheim und Muhme durften Brud­er oder Schwest­er der Eltern beze­ich­nen, egal auf welch­er Seite, und Base und Vet­ter beka­men den Job, deren Kinder zu übernehmen. Damit sind wir typol­o­gisch bei unserem heuti­gen Sys­tem ange­langt: Es wird zwar unter­schieden, ob Schwest­er oder Brud­er der Eltern, aber nicht von welch­er Seite. Das nen­nt man auch lin­eal type. Von da an gab es nur noch auf der Wor­tebene Veränderungen:

… Da stand ein Vetter und ein Ohm!

Der Fam­i­liensegen stand bald schon wieder schief: Muhme und Oheim beka­men harte Konkur­renz, die neu­modis­chen Beze­ich­nun­gen Tante und Onkel, aus dem Franzö­sis­chen entlehnt, macht­en sich ab Mitte des 17./Anfang des 18. Jahrhun­derts bre­it. Unge­fähr Mitte des 20. Jahrhun­derts war die Schlacht dann geschla­gen, Tante und Onkel gin­gen siegre­ich hervor.

Auch Base und Vet­ter hat­ten zwis­chen­zeitlich keine Ruhe gefun­den, Anfang bis Mitte des 17. Jahrhun­derts kamen Cou­sine und Cousin zu Besuch, und es gefiel ihnen so gut, dass sie blieben. Die Base warf Mitte des 20. Jahrhun­derts das Hand­tuch, der Vet­ter führt noch Rückzugsgefechte.

2009-03-20-verwfnhd

(Früh-)Neuhochdeutsches Ver­wandtschaftssys­tem

Im Dig­i­tal­en Wörter­buch der deutschen Sprache habe ich mal ein bißchen herumpro­biert, in der Hoff­nung, den Nieder­gang von Muhme, Oheim, Base und Vet­ter sicht­bar machen zu kön­nen. Base musste ich gle­ich rauswer­fen, da waren zu viele Tre­f­fer mit der chemis­chen Bedeu­tung drunter. Muhme hat­te kaum Tre­f­fer, Oheim und Vet­ter gin­gen so. Hier mal exem­plar­isch der Oheim – auf­grund der gerin­gen Tre­f­fer­zahl ist das Dia­gramm aber nur dazu geeignet, einen groben Ein­druck zu bekommen:

oheimgrafik

Den Auf­stieg von Onkel, Tante, Cousin und Kusine kann man lei­der nicht nachver­fol­gen, zumin­d­est sehen die Unter­schiede für mich völ­lig insignifikant aus. An den Zahlen kann man im Ver­gle­ich aber ganz gut sehen, welche Form sich durchge­set­zt hat, nur eine Zunahme ist eben nicht erkennbar. Hier der Onkel1:

onkelgrafik

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