Dass das Schweizerdeutsche für uns Deutsche oftmals fremdartiger als andere deutsche Dialekte klingt, kann man unter anderem mit einem typologischen Unterschied erklären.
“Typologie” in der Sprachwissenschaft bedeutet, dass man sich einen bestimmten Aspekt einer Sprache herausgreift, z.B. die Satzstellung, und sich haufenweise Sprachen anschaut. Dabei fällt einem dann auf, dass es ganz verschiedene Arten von Satzstellung gibt. Es gibt Sprachen wie das Englische, bei denen das Verb zwischen Subjekt und Objekt steht (I had a beer), aber auch Sprachen wie das Japanische, bei denen das Verb ganz am Ende steht (biiru wo nonda ‘(ich) trank ein Bier’). (Man kürzt die Bezeichnungen ab, ersteres nennt man “SVO” und letzteres “SOV”.)
Das Spannende an der Typologie ist, dass sich oft Sprachen gleich verhalten, die sowas von gar nicht miteinander verwandt sind – und gleichzeitig tun sich bei Sprachen, die eigentlich von einer gemeinsamen Ursprache abstammen, enorme Unterschiede auf. Mit welchem Wortmaterial, mit welchen Vokabeln ein bestimmter Typ realisiert wird, ist bei der Typologie nämlich unwichtig, wichtig ist nur, dass das selbe Prinzip verwendet wird.
So, jetzt aber zum Schweizerdeutschen. Beim Schweizerdeutschen geht es nicht um so etwas wie Wortstellung, sondern um Phonologie. Das Schweizerdeutsche ist nämlich eine “Silbensprache”, das Standarddeutsche eine “Wortsprache”. Die Unterschiede kann man also nicht sehen, wenn man sich Texte anschaut – aber man hört sie ganz gewaltig. Wie das funktioniert, hat Renata Szczepaniak – meine Ex-Chefin – in einem Artikel für Natur & Geist erklärt. Ihr findet ihn hier (pdf), ab Seite 49:
Auf typologische Unterschiede stoßen wir schon in unserem täglichen Umgang mit dem Deutschen. So beachten wir in der Standardaussprache von Wörtern wie Verein oder überall die morphologische Struktur (Ver+ein, über+all). Hier fallen die Silben- mit den Morphemgrenzen zusammen: Ver.ein und ü.ber.all. Punkte markieren dabei die Silbengrenzen. Doch viele von uns kennen auch die regionalen, süddeutschen Varianten Ve.rein und ü.be.rall. Hierbei werden die Wörter ungeachtet der Morphemgrenzen in Silben zerteilt. (weiter)
Und weil sie ein paar Fachtermini benutzt, die Nichtlinguisten wohl nicht geläufig sind, habe ich Euch ein Miniglossar gebastelt – in der Reihenfolge ihres Auftretens:
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