Die französische Sprache steht kurz vor dem Aussterben: zu einer „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprachschützer Bernard Pivot, wenn die französische Bildungsministerin sich mit ihrem Plan durchsetze, an französischen Universitäten auch das Englische als Unterrichtssprache zuzulassen. Denn Sprache, so Pivot, sei das, was eine Nation ausmache und schon seit jeher sei es so gewesen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwungen hätten. Als Franzose kennt er sich da aus, denn die Kolonialmacht Frankreich hat das bestens vorgemacht, was es Pivot ermöglicht, in einem Nebensatz von „unseren“ – also französischen – „großen Schriftstellern aus Afrika und von den Antillen“ zu schwärmen. Aber wenn es das Französische ist, das verdrängt wird, und sei es nur aus ein paar Seminaren, dann steht die französische Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englischen eine Sprache nach Frankreich zurückkehrt, die sich durch eine jahrhundertelange französische Besatzung bis zur Unkenntlichkeit verändert hat, entgeht ihm offensichtlich. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Französisch
Le mot-dièse: ein ♯hashtag
Anlässlich der französischen Wortneuschöpfung mot-dièse, dem staatlichen Versuch, den overten Anglizismus hashtag durch einen verdeckten zu ersetzen, habe ich mich gefragt, warum das #-Zeichen eigentlich dièse heißt, wie in zahlreichen Pressemeldungen zu lesen:
»Dièse« heißt im französischen [sic!] das Raute-Zeichen »#«, mit dem »Hashtags« vor dem Schlüsselwort [sic!] in Texten etwa im Kurzmitteilungsdienst Twitter markiert werden. (Focus)
Kurioserweise musste ich dabei feststellen, dass (nicht nur) ich von einer falschen Prämisse ausgegangen war: Das französische Wort für unser Doppelkreuz (a.k.a. Rautenzeichen) ist nämlich nicht dièse, sondern Weiterlesen
Sprachbrocken 4/2013
Frankreich ist ja, wenn man deutschen Sprachnörglern glauben schenkt, ein sprachpflegerisches Paradies. Reine Sprachflüsse plätschern dort gallisch glitzernd durch romanisch rollende Wörterwiesen, auf denen präziöse Pariser Phrasenstrukturbäume Schatten spenden. Aus der Fremde eindringendes Sprachunkraut wird von von weisen Wortwächtern mit fester Hand ausgemerzt, die an seiner stelle liebevoll latinisierende landessprachliche Leckerbissen züchten. Die Französinnen und Franzosen würden es auch gar nicht anders wollen, und so herrschte feingeistiges frankophones Frohlocken, als die Academie Française verkündete, dass das Wort Hashtag schon an der Grenze gestoppt worden und durch das mot-dièse („Rautenwort“) ersetzt worden sei. Nur die französische Sprachgemeinschaft konnte dem neuen Wort natürlich wieder mal nichts abgewinnen. Aber die besteht eben, wie überall, aus degoutanten Degenerierten, von denen wir uns nicht düpieren lassen sollten. Weiterlesen
Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen
Heute habe ich einen Buchtipp für euch: THE COMPLEAT ENGLISH GUIDE FOR THE GERMANS a.k.a. Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen. Erschienen 1715 in Leipsick/Leipzig.
Das ganze Buch ist superspannend, aber ich bin gleich bei den Aussprachehinweisen hängengeblieben. Das geht auf Seite 1 los, klassischerweise mit
A
Da gibt’s eine ganze Menge Beispielwörter mit Aussprachetipps für Deutsche, so z.B.
- face ‘Gesicht’ → fähs,
- blame ‘Schuld’ → blähm.
Ein modernes Lehrbuch würde hier eher fäis und bläim vorschlagen, also Diphthonge (Zwielaute). Das liegt nicht daran, dass der Autor keine Ahnung von englischer Aussprache hatte (er war immerhin “Englische[r] Sprach=Meister in London”), sondern daran, dass das Englische sein Vokalsystem im Verlauf seiner Geschichte ganz kräftig durchgerüttelt hat. Weiterlesen
Etymologiequiz die Dritte
So, Semesterferien. Bißchen Zeit zum Luftholen und, juhu, für’s Schplock! Heute gibt es die dritte Ausgabe des Etymologiequiz: Ich gebe euch einen Haufen Wörter und ihr sagt mir, welche davon auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen. Die Neuerung diesmal: Es handelt sich um deutsche und englische Wortpaare.
So gehören zum Beispiel engl. very ’sehr’ und dt. wahr zusammen: Beide haben ihren Ursprung in der indogermanischen Form *weros-. Fun fact: Das englische Wort hat nicht den Weg über die historischen Vorstufen des Englischen genommen, sondern Weiterlesen
[Anglizismus des Jahres] Emanzipiert sich das Tablet?
Heute also das Tablet. Ein flacher, tastaturloser Computer von umstrittenem Nutzen und auf jeden Fall ein Wort, das mir für eine Analyse auf den ersten Blick ähnlich unattraktiv erschien wie die letztjährige App: Vor meinem inneren Auge türmten sich Berge von trockener Technikberichterstattung und Werbegefasel, ganz vorne mit dabei die Firma Apple. Aber, coole Sache: So schlimm war’s gar nicht bzw. man konnte sehr schnell drüberscannen. Und meine Recherche liefert sogar richtig schöne Ergebnisse, schaut mal:
Das war eine Korpusrecherche in den vier Zeitungen, die ich auch für -gate genutzt habe.1 Weiterlesen
Fremde Wörter, fremde Schrift
Beim Stöbern in alten Drucken stößt man immer mal wieder auf interessante Dinge. Recht bekannt ist ja die funktionale Schriftartenteilung:
Während gebrochene Schriften für den deutschen Text eingesetzt wurden, wurden in vielen Drucken Antiquaschriften (unsere heutiger Normalfall) für Fremdwörter benutzt. Ein willkürlich gewähltes Beispiel:
Schon spannender wird es, wenn man sich anschaut, wo die Grenzen der Fremdwortmarkierung verlaufen: Was der eine Drucker klar erkennt, ist für den anderen nicht weiter bemerkenswert. So stehen hier zwei Fremdwörter nebeneinander, von denen nur das erste (Interims) als solches markiert wurde, während publication (oder auch in der Zeile drüber Adiaphoris) unmarkiert bleibt:
In diesem Text hingegen wurde satisfaction ‘Befriedigung’, das dem selben lateinischen Muster folgt, klar hervorgehoben:
Interessant auch, dass hier der flämische Name Verheyen ebenfalls als fremd markiert wird. (Sein Buch, von dem im Textausschnitt die Rede ist, ist in der deutschen Übersetzung hier zu finden, der Herr ist dieser.)
Am besten sind aber die haarspalterischen Drucker. Das sind die, die bemerkten, dass an einem Fremdwort ja nicht alles fremd ist: Weiterlesen
Frühstück auf Türkisch
Ich versuche mich mal wieder am Türkischlernen und kämpfe mit Siebgedächtnis gegen einem riesigen Vokabelberg. Dabei habe ich einen Zusammenhang zwischen drei Wörtern festgestellt, die ich mir jetzt prompt merken kann. Und zwar ‘Kaffee’, ‘Frühstück’ und ‘braun’:
kahve
kahvaltı
kahverengi
Katalanische Wochen(tage)
Anfang September war ich auf einer Konferenz in Barcelona, wo ja Katalanisch regionale Amtssprache ist, eine romanische Kleinsprache. Eine lustige Entdeckung für mich waren die katalanischen Wochentagsbezeichnungen, wie auf diesem Parkhausöffnungszeitenschild zu sehen:
In die richtige Reihenfolge gebracht und im Singular lauten sie: Weiterlesen
Haarige Sache
So, JJ und radierer haben das Etymologiequiz perfekt gelöst! Ich hatte ja einen Preis mit Etymologiebezug versprochen (den jetzt einfach beide kriegen), was haltet Ihr von Olschanskys “Täuschende Wörter”? Und als Trostpreis für alle anderen Teilnehmer gibt’s einen Link zu SpecGrams EtymGeo™, wo man Städtenamen rauskriegen muss – absolut empfehlenswert.
Gut, Formalitäten geklärt, jetzt weiter mit der Nachbetrachtung ausgewählter Wortpaare: