Dieses Jahr nur zwei visuelle Eindrücke von der DGfS-Tagung:
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Sprachkontakt im Deutschen? *gähn*
So, der Anglizismus des Jahres 2010 ist gekürt und heute geleakt worden. Das möchte ich zum Anlass nehmen, ein bißchen über Sprachkontakt nachzudenken und zu zeigen, welche Formen und Intensitätsgrade es dabei geben kann. Um es schon mal vorwegzunehmen: Das Deutsche kann beim Kontakt eigentlich einpacken. Wirklich viel haben wir nicht zu bieten.
Kulturkontakt bringt Sprachkontakt
Sprachkontakt ist eine natürliche Begleiterscheinung von Kulturkontakt und je intensiver dieser Kulturkontakt, desto intensiver können sich auch die beteiligten Sprachen beeinflussen. Diese Kontaktsituation ist meist irgendwie asymmetrisch, das heißt eine der Sprachen hat mehr Prestige, wird von mehr Menschen gesprochen, wird von den Menschen mit den gefährlicheren Waffen gesprochen o.ä. – da gibt es einen ganzen Haufen mehr oder weniger voneinander abhängiger Faktoren. Und damit auch eine Warnung vorweg: Sprachkontakt ist weitaus komplexer, als ich ihn hier darstelle, es gibt eine Vielzahl von Kontaktszenarien mit den wildesten Resultaten.
Änderungswillig: Wort- und Namenschatz
Es lässt sich grob sagen, dass eine Sprache Teilbereiche hat, die aufnahmebereiter für Neuerungen sind und welche, die sich stärker sträuben. Einer dieser sehr aufnahmebereiten Teile ist der Wortschatz (das “Lexikon”). Hat eine anderssprachige Kultur ein nützliches Ding, das man selbst nicht besitzt, dann will man nicht nur das Ding haben, nein, man will es auch benennen können. Dazu gibt es einige Strategien, die sich in lexikalische und semantische Entlehnungen teilen lassen. Weiterlesen
[Anglizismus des Jahres] Die App?
Ich will euch ein wenig an meinen Überlegungen zum Anglizismus des Jahres teilhaben lassen. Dazu picke ich ein paar Kandidaten heraus und schaue, was sie so unternommen haben, um sich im Deutschen zu verbreiten. Beginnen will ich mit der App. Das Wort bezeichnet ein kleines, i.d.R. kostenpflichtiges (aber günstiges) Programm, meist für ein Handy, aber auch für den Computer. Disclaimer: Ich habe noch nie wissentlich eine App genutzt.
Die Bedeutung
app entstand als Kurzform für application ‘Anwendung’. Die englische Wikipedia leitet entsprechend auch von App auf Application software weiter, es gibt keine Differenzierung wie in der deutschen. Entsprechend der allgemeinen Ausgangsbedeutung nennen frühe Texte das, was der App Store verkauft, auch meist Programm. In den Textbeispielen der ersten generischen Verwendungen (s.u.) finden sich als Quasi-Synonyme Progrämmchen, Handyerweiterungen und kleines Programm. Hier ist also schon eine semantische Verengung eingetreten, es geht nicht um irgendein Programm, sondern um ein kleines, das nicht zur Grundfunktion eines Handys oder Computers zählt (Erweiterung). Soweit ich das einschätzen kann, ist diese semantische Entwicklung nichts eigenständig Deutsches, sondern im Englischen passiert und dann mit dem Wort zusammen entlehnt worden. Weiterlesen
[Werkzeug] Ngram Viewer
Beim Language Log wurde ja schon ausführlich über das neuste Google-Spielzeug berichtet – man kann damit in einem Korpus, das einen Auszug aus GoogleBooks darstellt, nach Wörtern oder Wortketten suchen und sich ihren Häufigkeitsverlauf anzeigen lassen. Dabei wird die Gebrauchsfrequenz errechnet, indem das Gesuchte (das n‑gram, wobei n für die Zahl der Wörter im Suchbefehl steht) durch die Gesamtwortzahl des entsprechenden Jahres geteilt wird.
Die Sache ist für uns aus vielen tausend Gründen problematisch: wilde Textsortenzusammensetzung des Korpus – aber für Englisch gibt es immerhin Unterkorpora wie Fiction, American English und British English –, die Korpusgröße variiert stark, d.h. Funde zu einem relativ frühen Zeitpunkt (z.B. 1800) schlagen stärker zu Buche als später (z.B. 2000), auch wenn normalisiert wurde, …
Messer, Gabel, …
Ein paar mögliche Probleme habe ich mal mit der Suche nach “Messer,Gabel,Löffel” für 1900 bis 2000 durchgespielt. Man könnte hier den Eindruck erhalten, die Gabel trete am seltensten auf und das Messer sei enorm viel häufiger (alle Diagramme führen direkt zur entsprechenden Suchanfrage mit größeren Darstellungen):
Ibere Ittume-Inglische ine ‑Ialektde
[Gegenüber dem Original leicht verändert.]
Letzte Woche habe ich Peter Hafen getroffen. Er ist der erste Vorsitzende des Berner Matteänglisch-Clubs (mit der charmanten Abkürzung Mäc). Die Geheimsprache Matteänglisch hat er in seiner Schulzeit – wie schon sein Vater und sein Großvater – von seinen Klassenkameraden gelernt. Die folgenden Erklärungen basieren teils auf seinen Erzählungen, teils auf dem Mäc-Buch Matteänglisch. Geschichte der Matte. Dialekt und Geheimsprache von Stirnemann.
Matteenglisch entstand im Berner Mattequartier und basiert auf dessen Dialekt, dem Mattedialekt (oder Matte-Berndeutsch) – der vielen auch schon wie eine Geheimsprache vorgekommen sein dürfte, aber nicht mit ihr verwechselt werden sollte.
Der Mattedialekt als Soziolekt
Die Matte ‘Wiese’ ist ein besonderer Stadtteil Berns: Sie liegt in der Flußbiegung der Aare direkt am Wasser – und über 30 Meter unter dem Rest der Stadt. Hier waren früher vor allem Schiffer und Handwerker angesiedelt, später dann auch Industrieunternehmen und ihre Arbeiter.
In der Matte konnte sich durch zwei Bedingungen ein sehr eigenständiger Dialekt entwickelt: Weiterlesen
Häppscher und andere Kleinigkeiten
Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind Formen, bei denen trotz Verkleinerung ein Plural gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:
Wo es im Standarddeutschen das Häppchen – die Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbildung also unverändert bleibt, sagt man auf Rheinhessisch ’s Häppsche(n) – die Häppscher.
Ob und wie der Plural bei Verkleinerungsformen (“Diminutivformen”) markiert werden kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die Formen für Apfelbäumchen im Plural zeigt: Weiterlesen
uMzantsi Afrika: Sprachen in Südafrika
Ja, ne, Kristin versucht krampfhaft, der WM linguistische Aspekte abzugewinnen. Weniger von der Fußballseite (zu der es natürlich auch – teilweise weniger globale – Untersuchungen gibt) als vom Austragungsort her: Welche Sprachen werden in Südafrika eigentlich gesprochen?
Oh Gott, viel zu viele für einen Schplockbeitrag! (Ethnologue zählt 31.) Ich beschränke mich mal auf die elf offiziellen:
Afrikaans, Ndebele (auf der Karte isiNdebele), Nord-Sotho (Sesotho sa Leboa), Süd-Sotho (Sesotho), Swati (siSwati), Tsonga (Xitsonga), Tswana (Setswana), Venda (Tshivenda), Xhosa (isiXhosa), Zulu (isiZulu) und Englisch.
Alle außer Afrikaans & Englisch gehören zu den sogenannten Bantusprachen (von denen ich Xhosa schon einmal wegen seiner Klicklaute erwähnt habe!).
Wahrscheinlich ist den meisten von euch gleich aufgefallen, dass die Bantusprachen zwei sehr ähnliche Bezeichnungen haben – je eine davon besitzt einen Zusatz am Anfang: isiNdebele, Sesotho sa Leboa, Sesotho, siSwati, Xitsonga, Setswana, Tshivenda, isiXhosa, isiZulu.
Das ist kein Zufall, sondern liegt in einer gemeinsamen grammatischen Besonderheit begründet. Weiterlesen
Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …
Schon seit Beginn des Aschewolkendramas schreibt FAZ.net (nicht als einzige) ziemlich konsequent vom Eyjafjalla. Eine Miniauswahl:
- Nach dem Ausbruch des Eyjafjalla muss man nun die Eruption des Katla befürchten.
- Aber sonst geht das Leben weiter wie eh und je – jedenfalls wie in den knapp 200 Jahren, die der Eyjafjalla unter seiner dicken Gletscherdecke geschlummert hatte …
- Die Aschewolke des Eyjafjalla hat sich fürs Erste verzogen.
- Und yeah: Comeback des Eyjafjalla
Zu Beginn des ganzen Dramas schrieb man zuweilen noch vom Eyjafjalla-Gletscher und dem Ausbruch des isländischen Vulkans am Eyjafalla-Gletscher, aber auch schon vom Eyjafjalla-Vulkan.
Gletscher = Berg = Vulkan?
Ich habe hin- und hergerätselt warum, denn wirklich Sinn ergibt das für mich nicht. Ich erinnere: Eyjafjallajökull heißt ‘Insel(n)bergegletscher’. Der Gletscher heißt so und der Vulkan unter dem Gletscher heißt auch so, sagt die deutsche Wikipedia.
Wenn man den ‘Gletscher’ weglässt, wie die FAZ das tut, erhält man also nicht den “echten” Namen des Vulkans.
Die Hartnäckigkeit der FAZ hat mich dann aber doch verunsichert, und so zog ich aus zu klären, ob das Wort auch wirklich den gesamten Berg inklusive Vulkan bezeichnet. Weiterlesen
[Surftipp] Language Log und der Eyjafjallajökull
Heute nur ein schneller Surftipp: Mark Liberman hat beim Language Log über die Aussprache von Eyjafjallajökull (dem lustigen, aschespuckenden isländischen Vulkan) geschrieben, mit vielen Hörbeispielen.
Das ist ein Kompositum aus drei Wörtern: Eyjafjallajökull ‘Insel(n)+berge+gletscher’. fjalla ist Genitiv Plural, bei eyja bin ich mir nicht sicher – könnte Nominativ Singular oder Genitiv Plural von eyja sein, oder nur Genitiv Plural von ey, beides heißt wohl ‘Insel’. (Alle Kasusbestimmungen nach diesem Wörterbuch.)
Vulkan heißt auf Isländisch übrigens eldfjall ‘Feuerberg’ oder eldstöð, dessen Zweitglied ich aber nicht übersetzen kann.
Update 20.4.
Da zur Zeit sehr viele Leute über die Suche “Eyjafallajökull Aussprache” hergeraten, aber nur ungefähr zwei Drittel von ihnen zum Language Log weiterklicken, hier ein pragmatischer Aussprachevorschlag mit dem deutschen Schriftsystem: ej.ja.fjat.la.jö.kütl (alle Vokale kurz). Und ein Link zur gesprochenen Version der Wikipedia: Eyjafallajökull.
Eldstöð
Die deutsche Bahn als Bewahrerin
Dass Anatol Stefanowitsch im Schplock Blogfutter gefunden hat, ehrt mich enorm. Wie schön, dass sein Beitrag wiederum Anlass für einen Schplock-Beitrag gibt.
Der Beitrag im Sprachlog heißt “Die Deutsche Bahn, Bewahrerin der englischen Sprache” – und darin verbirgt sich ein witziges Phänomen, zu dem ich in meinen HiWi-Zeiten mal umfangreiche Korpusrecherchen angestellt habe. (Die hier verwendeten Beispiele entstammen nicht den damaligen Recherchen.)
Es geht um die Bewahrerin.