Schlagwort-Archive: Flexion

Ich steh’ an deiner Krippen hier

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert sich ja die eine oder der andere hier noch an die lin­guis­tis­che Wei­h­nacht­slied­analyse anno 2008: Damals habe ich mir angeschaut, warum die Alten sun­gen und nicht san­gen und wieso die Kinder­lein kom­men sollen, nicht die Kindlein. In der diesjähri­gen Neuau­flage geht es um die Krip­pen, die uns dann nach eini­gen Schlenkern auch ver­rat­en wird, warum wir Elisen­le­bkuchen essen:

 Ich steh an dein­er Krip­pen hier,
O Jesulein, mein Leben,
Ich komme, bring und schenke dir,
Was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Muth, nimm alles hin,
Und laß dirs wohlgefallen.

(Und zum Anhören. Text: Paul Ger­hardt, 1656) ((Wer, wie ich, von der Melodie ver­wirrt ist: Da gibt es zwei.))

Jeder nur eine Krippe!

Ganz offen­sichtlich ist hier von nur ein­er Krippe die Rede — trotz­dem ste­ht da Krippen! Und beim weit­eren Durch­forsten des Lied­textes tauchen noch mehr solch­er Fälle auf:

Zur Seit­en will ich hie und dar / Viel weiße Lilien stecken

Suchst mein­er See­len Her­rlichkeit / Durch Elend und Armseligkeit

Was ist da los? Wenn wir die For­men nach der heuti­gen Gram­matik analysieren, ist alles klar: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: instagrammen

Von Kristin Kopf

Im Sep­tem­ber 2012 twit­terte @PSchydlowski das vielfach im Inter­net und in Zeitun­gen weit­er­ver­bre­it­ete Foto eines Schildes mit der Aufschrift:

BITTE HIER IM RESTAURANT DAS ESSEN NICHT INSTAGRAMMEN!

(Diesen Zettel bitte auch nicht!)

2013-12-21-instagrambild1

Sym­bol­fo­to

Unser Kan­di­daten­wort beze­ich­net eine kul­turelle Prax­is, die, jede Wette, in mod­erne Ben­imm­rat­ge­ber einge­hen wird: Das Fotografieren mit einem mobilen Endgerät, ver­bun­den mit dem Teilen des Fotos im Web 2.0. Das scheint beson­ders häu­fig Mahlzeit­en zu betr­e­f­fen, aber auch Son­nenun­tergänge und Selb­st­por­traits (also Self­ies) sind gut mit dabei. Dass das Phänomen ein­er starken gesellschaftlichen Bew­er­tung unter­liegt, zeigen Tum­blrs wie Pic­tures of hip­sters tak­ing pic­tures of food oder die Nick­el­back-Par­o­die Look at this Insta­gram (Col­lege Humor).

Das »Insta­gram­men« ist eine Hand­lung, die sowohl off- als auch online stat­tfind­et und von der immer nur ein Teil für die Umge­bung sicht­bar ist: Weit­er­lesen

Zur Lage der deutschen Flexion, oder: Dativ, Genitiv, Tod?

Von Kristin Kopf

Ein Spoil­er vor­weg: Sie liegt gut, die deutsche Flex­ion. Wie jedes lebendi­ge Wesen bewegt sie sich natür­lich ein wenig in ihrem Bett, weshalb es zu gegen­wartssprach­lichen Vari­anten wie den fol­gen­den kommt:

am Rand des Son­nen­sys­temsam Rande des Sonnensystems

der Wasserüber­schuss des Tan­gani­kader Wasserüber­schuss des Tan­gani­kas

einen Bär fan­geneinen Bären fangen

der Entschluss des Autorsder Entschluss des Autoren

dank des Zauber­tranks dank dem Zaubertrank

mit langem weißem Haarmit langem weißen Haar

wenn sie dort stünde wenn sie dort stände

Ja, genau, mit »Flex­ion« ist die Markierung gram­ma­tis­ch­er Infor­ma­tio­nen an z.B. Sub­stan­tiv­en, Ver­ben und Adjek­tiv­en gemeint und wir befind­en uns hier in Teil 3 unser­er Artikelserie zum »Bericht zur Lage der deutschen Sprache« (zu Teil 1 und 2).

Das Kapi­tel zur Entwick­lung der Flex­ion im Deutschen von Lud­wig Eichinger ((Eichinger, Lud­wig M. (2013): Die Entwick­lung der Flex­ion: Gebrauchsver­schiebung, sys­tem­a­tis­ch­er Wan­del und Sta­bil­ität der Gram­matik. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dich­tung und Union der deutschen Akademien der Wis­senschaften (Hg.): Reich­tum und Armut der deutschen Sprache. Erster Bericht zur Lage der deutschen Sprache. Berlin, 121–170.)) nimmt das Phänomen aus zwei ver­schiede­nen Per­spek­tiv­en unter die Lupe: Zum einen betra­chtet Eichinger einzelne Flex­ive (das sind die konkreten Endun­gen), zum anderen das dahin­ter­ste­hende System.

Aus dem Beitrag möchte ich heute nur einen Punkt her­aus­greifen: Das Ver­hält­nis von Gen­i­tiv und Dativ. Weit­er­lesen

Auf Kriegsfuß: Die Zeit und die Linguistik

Von Kristin Kopf

Es ist eigentlich müßig, sich über die »Studi­um Generale«-Rätselreihe der ZEIT aufzure­gen, aber ich kann nicht anders. Diese Woche: »Ein­führung in die Sprach­wis­senschaften«. ((Das Fach selb­st heißt an den meis­ten Unis Sprach­wis­senschaft, oder auch Lin­guis­tik, manch­mal noch mit mod­i­fizieren­den Adjek­tiv­en wie all­ge­meine, the­o­retis­che, kog­ni­tive etc. Der Inhalt des Tests deckt aber primär Einzel­philolo­gien (beson­ders die let­ztes Mal ja zu kurz gekommene Ger­man­is­tik) ab, von daher passt der Plur­al vielle­icht wieder.))

Die ZEITlichen Vorstel­lun­gen davon, was man so an sprach­wis­senschaftlichem Grundw­erkzeug braucht, sind äußerst simpel:

  1. Nor­mgemäße deutsche Rechtschrei­bung (Groß- und Klein­schrei­bung, Fremdwortschreibung)
  2. Nor­mgemäße deutsche Gram­matik (Gen­i­tiv­bil­dung)
  3. Wis­sen über Sprach­fam­i­lien und Amtssprachen (natür­lich nur europäische)
  4. Lateinken­nt­nisse (oh my!)

Hinzu kommt das Auflösen ein­er Chat-Abkürzung (waru­u­u­um?) und, bess­er passend, ter­mi­nol­o­gis­ches Wis­sen (Welthil­f­ssprache, Deter­mi­na­tivkom­posi­tum).

Aus 1., 2. und 4. trieft die Ahnungslosigkeit nur so her­aus. Natür­lich muss man, wenn man studiert, Rechtschreib- und Gram­mati­knor­men der Unterrichtssprache(n) beherrschen. Das lernt man aber nicht in ein­er sprach­wis­senschaftlichen Ein­führung, das lernt man in der Schule, und was dann noch nicht sitzt, kann man ler­nen, wenn man in seine kor­rigierten Hausar­beit­en reinschaut.

Den Unter­schied zwis­chen dem, was die ZEIT denkt, und dem, was im Studi­um wirk­lich vorkommt, will ich an Frage 9 etwas verdeut­lichen. Hier wird in typ­is­ch­er Sick­manier gefragt:

The Quest – Der Fluch des Judaskelch” heißt ein US-amerikanis­ch­er Spielfilm. Wie hätte er kor­rek­ter­weise heißen müssen?

Ooooh! Es fehlt ein -s! Oder ein -es? Zu Hülf! Unter­gang des Abend­land ((es))! Nun lernt man in ein­er Ein­führungsvor­lesung in die ger­man­is­tis­che Lin­guis­tik aber nicht, wie man die Gen­i­tiven­dung mit Rot­s­tift dazuschreibt oder geifer­nde, intel­li­gen­z­ab­sprechende Kom­mentare in Inter­net­foren verfasst.

Was man vielle­icht, vielle­icht ler­nen kön­nte, meist in einem höheren Semes­ter, ist, dass der Filmti­tel ein aktuelles Sprach­wan­delphänomen illus­tri­ert, an dem auch die ZEIT selb­st fleißig mitwirkt.
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Fremdwörter gesucht!

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert sich hier jemand noch an meine Mag­is­ter­ar­beit? Da ging es let­ztlich um Plu­ral­bil­dung im Ale­man­nis­chen, hat eine Menge Spaß gemacht, aber auch eine Menge Fra­gen aufge­wor­fen, denen ich damals nicht nachge­hen kon­nte. Eine davon ist die, wie dialek­tal mit Fremd­wörtern umge­gan­gen wird.

Nun dachte ich mir let­ztes Jahr im Herb­st, es wäre ganz schön, das mal noch sys­tem­a­tisch anzuschauen, und entsprechend habe ich ein Abstract für eine Kon­ferenz ein­gere­icht, die nun schon bald ist. Es ist also höch­ste Zeit, Dat­en sam­meln zu gehen! Dazu fahre ich dem­nächst in den Schwarzwald. Ich habe schon alle nöti­gen Imp­fun­gen, aber was ich noch nicht habe, sind alle nöti­gen Items. Also die Wörter, deren Plu­ral­bil­dungsver­fahren ich unter­suchen will. Und da kommt ihr ins Spiel: Vielle­icht fall­en euch ja Wörter ein, auf die ich noch nicht gekom­men bin? Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Soll man adden adden?

Von Kristin Kopf

adden ist ein schwieriger Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres 2011. Wie von vie­len Seit­en schnell bemerkt wurde, ist das Wort in gewis­sen Kreisen schon seit langem recht ver­bre­it­et – so zum Beispiel für das Hinzufü­gen von Kon­tak­ten bei ICQ (danke für den Hin­weis, Katrin! Ken­nt und nutzt das noch wer? Und wann und wie ist das eigentlich aus meinem Leben verschwunden?).

Das Wort wurde auch let­ztes Jahr schon nominiert (hier), hat es dann aber nicht in die engere Auswahl geschafft. Allerd­ings hat mein­er Erin­nerung nach nie­mand eine gründliche Analyse dazu geschrieben und wer weiß, vielle­icht hat sich seit damals ja auch einiges getan. Die diesjährige Nominierung ist hier zu finden.

Zunächst ein­mal muss

eine Begriffserklärung

her. Weit­er­lesen

Zur Erlustigung was über frühneuhochdeutsche Grammatikschreibung

Von Kristin Kopf

(Hin­weis: Die orangen Pas­sagen wur­den nachträglich geändert/hinzugefügt.)

Hach, wie schön es sich über Sprache schwär­men lässt … hier aus Der Hóchdeutsche Schlüszel zur Schreib­richtigkeit oder Rechtschrei­bung (Samuel Butschky, Leipzig 1648), weit­ge­hend wortwörtlich von Her­rn Schot­telius geklaut:

Sehr wohl ver­gle­icht Herr
Schot­tel / unsere Hóchdeutsche
Haupt= und Helden­spráche / einem
ansehlichen/fruchtbringendenBau=
me / welch­er seine saftre­iche Wur=
tzeln/ tief in den Erd­bó­den / und da=
rinn weit aus­gestrekt / also / daß er
die Feuchtigkeit / und das Mark der
Erden / ver­mit­tels sein­er äderlein/
an sich zeucht ; seineWurtzeln/durch
ein fruchtre­ich­es saftiges Naß /
zeucht ‘zieht’
durchhärtet/tauer­hafft macht / und
sich selb­st in die Natur einpfropffet:
Denn die Wurtzeln / und saftige
Stamwörter / unser­er Spráche /
haben den Kern/und das Mark/aus
der Ver­nun­ft geso­gen / und sich auf
die Haupt­gründe der Natur ge=
stam­met: ihren Stamm aber lassen
sie hóch empor ragen ; ihre Zweige/
tauer­hafft ‘dauer­haft’
und Reiser­lein / in unaussäglicher
Menge/ in steter Gewißheit / wun=
der­samer man­nig­faltigkeit / und an=
sehlich­er Pracht her­aus wachsen /
also/daß die Erlus­ti­gung an diesem
Wun­der­stükke / könne stets völlig/
Reiser­lein ‘Ästchen’
und die Genüßung dero süssesten
Früchte / unendlich seyn.
Genüßung ‘Genuss’

Viel Blabla? Die ganze Baum­meta­pher klingt zwar sehr abge­dreht, aber wenn man genau hin­li­est und nach­schaut, wovon im Text drumherum die Rede ist, wird klar, dass Wurzeln, Stamm, Äste und Reis­er den Kom­plex­itäts­grad von Wörtern beze­ich­nen. Weit­er­lesen

Fremde Wörter, fremde Schrift

Von Kristin Kopf

Beim Stöbern in alten Druck­en stößt man immer mal wieder auf inter­es­sante Dinge. Recht bekan­nt ist ja die funk­tionale Schriftartenteilung:

Während gebroch­ene Schriften für den deutschen Text einge­set­zt wur­den, wur­den in vie­len Druck­en Anti­quaschriften (unsere heutiger Nor­mal­fall) für Fremd­wörter benutzt. Ein willkür­lich gewähltes Beispiel:

… im Col­lo­quio zu Leipzig … (1559)

Schon span­nen­der wird es, wenn man sich anschaut, wo die Gren­zen der Fremd­wort­markierung ver­laufen: Was der eine Druck­er klar erken­nt, ist für den anderen nicht weit­er bemerkenswert. So ste­hen hier zwei Fremd­wörter nebeneinan­der, von denen nur das erste (Inter­ims) als solch­es markiert wurde, während pub­li­ca­tion (oder auch in der Zeile drüber Adi­apho­ris) unmarkiert bleibt:

… erst nach des Inter­ims pub­li­ca­tion vorgenom­men wor­den … (1559)

In diesem Text hinge­gen wurde sat­is­fac­tion ‘Befriedi­gung’, das dem sel­ben lateinis­chen Muster fol­gt, klar hervorgehoben:

… als in welchem Buche du völ­lige sat­is­fac­tion find­en würdest. (1712)

Inter­es­sant auch, dass hier der flämis­che Name Ver­heyen eben­falls als fremd markiert wird. (Sein Buch, von dem im Tex­tauss­chnitt die Rede ist, ist in der deutschen Über­set­zung hier zu find­en, der Herr ist dieser.)

Am besten sind aber die haarspal­ter­ischen Druck­er. Das sind die, die bemerk­ten, dass an einem Fremd­wort ja nicht alles fremd ist: Weit­er­lesen

Katalanische Wochen(tage)

Von Kristin Kopf

Anfang Sep­tem­ber war ich auf ein­er Kon­ferenz in Barcelona, wo ja Kata­lanisch regionale Amtssprache ist, eine roman­is­che Klein­sprache. Eine lustige Ent­deck­ung für mich waren die kata­lanis­chen Wochen­tags­beze­ich­nun­gen, wie auf diesem Parkhausöff­nungszeit­en­schild zu sehen:

In die richtige Rei­hen­folge gebracht und im Sin­gu­lar laut­en sie: Weit­er­lesen

Zwei Auswüchse

Von Kristin Kopf

Das Ety­molo­giequiz ist vor­bei und ich will ein paar der Wort­paare in den näch­sten Tagen noch ein wenig näher beleucht­en. Los geht’s mit dem Dau­men und seinem Partnerwort …

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