Schlagwort-Archive: Etymologie

Wo spricht man Platt? Und wo das beste Hochdeutsch?

Von Kristin Kopf

Ernst Wil­helm hat in seinem Blog gefragt, wie der Zwiebelfisch drauf kommt, dass man südlich von Han­nover kein Platt mehr spreche. Ich nehme an, der Zwiebelfisch hat um des drama­tis­chen Effek­ts Willen unter­trieben – denn natür­lich spricht man auch südlich von Han­nover noch Platt. Je nach Def­i­n­i­tion auch noch viel weit­er südlich.

Die Beze­ich­nung Platt wird näm­lich für zwei Dinge ver­wen­det, die sich teil­weise über­lagern: Zum einen ist es ein Syn­onym für die wis­senschaftliche Beze­ich­nung Niederdeutsch. Damit wer­den alle Mundarten beze­ich­net, die von der Zweit­en Lautver­schiebung nicht erfasst wur­den, wo man also noch Pund, Appel, dat und mak­en statt Pfund, Apfel, das und machen sagt. In Han­nover und Umge­bung heißt die niederdeutsche Mundart Ost­fälisch. Im Süden reicht sie bis Göt­tin­gen und noch ein Stückchen weit­er. Das sieht man pri­ma auf diesem Auss­chnitt ein­er Wikipedi­akarte – das Ost­fälis­che trägt die Num­mer 7:

2009-07-16-Niederdeutsch

Rheinisches Platt – ein Oxymoron?

Hinzu kommt aber noch eine zweite Ver­wen­dung von Platt, bei der sich die SprecherIn­nen her­zlich wenig darum scheren, ob sie im niederdeutschen Gebi­et leben oder nicht, näm­lich als Syn­onym für Dialekt. Diesen Gebrauch find­et man vor allem im west­mit­teldeutschen Sprachraum, also zwis­chen Ger­m­er­sheim und Düs­sel­dorf. Eine Befra­gung des Atlas’ der deutschen All­t­agssprache zeigt das ein­drück­lich – hier der Link zur Karte, alle blauen Punk­te beze­ich­nen SprecherIn­nen, die von ihrem Dialekt als Platt sprechen. (Soweit ich das ver­standen habe, kann ein Ort­spunkt aus nur ein­er Per­son beste­hen, aber auch aus mehreren, je nach dem, wie viele geant­wortet haben. Also ist es eher als Impres­sion zu werten, ähn­lich wie bei König.)

Ist Platt platt?

Das Wort Platt kommt wohl aus dem Nieder­ländis­chen, das es wiederum aus dem Franzö­sis­chen entlehnt hat. Im Nieder­ländis­chen tauchte es erst­mals in einem Druck des Neuen Tes­ta­ments aus Delft aus – im Titel und Vor­wort kommt die Wen­dung in goede plat­ten duytsche vor (Sanders 1982:26). plat bedeutet dabei ‘klar, deut­lich, allen ver­ständlich’ und nahm nach und nach die Bedeu­tung ‘allen ver­ständliche Sprache’ (im Gegen­satz zum Lateinis­chen) an. Das Wort schaffte es auch in den niederdeutschen Sprachraum, und von dort aus wahrschein­lich ins West­mit­teldeutsche – allerd­ings nicht bevor es eine Bedeu­tungsver­schlechterung zu ‘niedrige, derbe Sprech­weise’ mit­gemacht hat­te. Ab dem 18. Jahrhun­dert war es in Nord­deutsch­land gebräuch­lich. Sowohl Sanders (1982) als auch Stell­mach­er (1990) weisen darauf hin, dass die neg­a­tive Bedeu­tung noch heute mitschwinge. Mir selb­st kam das allerd­ings nie so vor, eher im Gegenteil.

Die Erk­lärung, dass Platt vom plat­ten Land komme, auf dem es gesprochen wird, find­et sich übri­gens in älteren Wörter­büch­ern (z.B. bei Campe 1809), scheint aber mit­tler­weile wider­legt zu sein.

Platt- und Hochdeutsch

Ernst Wil­helm schreibt auch:

Eck frage mek ohne­dem worumme die Luie glöwet dat heier in use Gegend dat beste Hochdütsch esproket ward. [Meine Über­set­zung: Ich frage mich sowieso, warum die Leute glauben, dass hier in unser­er Gegend das beste Hochdeutsch gesprochen wird.]

Das frage ich mich allerd­ings auch.

Bis Anfang des 17. Jahrhun­derts war Niederdeutsch (genauer die ältere Sprach­stufe Mit­tel­niederdeutsch) sowohl die gesproch­ene als auch die geschriebene Sprache in Nord­deutsch­land. Dass ihre Ver­schrif­tung endete und sie fast nur noch in den nieder­eren Gesellschaftss­chicht­en gesprochen wurde, hat mehrere Gründe (nach König 2005):

  • den großen Ein­fluss der hochdeutschen Dichter­sprache in mit­tel­hochdeutsch­er Zeit (1050–1350).
  • den Nieder­gang der Hanse im 15. Jahrhun­dert (das Mit­tel­niederdeutsche wurde auch als Hans­esprache beze­ich­net) und den gle­ichzeit­i­gen wirtschaftlichen Auf­stieg oberdeutsch­er Städte (Augs­burg, Nürnberg).
  • wichtige poli­tis­che und juris­tis­che Insti­tu­tio­nen, die im Süden ange­siedelt sind (Kaiser, Reichskammergericht).
  • die zunehmende kul­turelle Bedeu­tung des Südens.

Das “beste” Hochdeutsch im niederdeutschen Gebiet?

Als Hoch- und Schrift­sprache set­zte sich also das Hochdeutsche durch. Nun gab es zu Beginn des 19. Jahrhun­derts bere­its eine sehr ein­heitliche hochdeutsche Schrift­sprache (wie die ent­stand, erzäh­le ich ein ander­mal) – aber die Aussprache war ein ganz anderes Paar Schuhe, je nach Region kon­nte das schriftlich so ein­heitliche Deutsch sehr, sehr ver­schieden klin­gen. Die niederdeutschen Dialek­te sind in der Aussprache von den hochdeutschen Dialek­ten ziem­lich weit ent­fer­nt, wesentlich weit­er als vom Nieder­ländis­chen z.B. Für Nord­deutsche war das Hochdeutsche wie eine Fremd­sprache, es musste ganz neu gel­ernt wer­den. Wie man es schrieb war klar, wie aber sollte es aus­ge­sprochen wer­den? Das Zauber­wort heißt “Schreiblau­tung”, also buch­stabenge­treue Aussprache des Geschriebenen.

Im Süden war es leicht, das Geschriebene entsprechend der lokalen Dialek­te auszus­prechen – Dialekt und Schrift­sprache waren ja doch recht eng miteinan­der ver­wandt. So gab (und gibt) es in vie­len süd­deutschen Dialek­ten kein ö, son­dern an den entsprechen­den Stellen ein e. Es heißt also heren statt hören, Wert­er statt Wörter. Immer ein e zu lesen, wo ein <ö> stand, war für die Men­schen über­haupt kein Prob­lem. (Wir sprechen hier natür­lich nur von Men­schen, die lesen kon­nten. Men­schen, die nicht zu dieser Schicht gehörten, sprachen auss­chließlich ihren Dialekt, ohne Ver­such, sich dem nur geschriebe­nen Stan­dard anzupassen.)

Im niederdeutschen Sprachge­bi­et gab es die Möglichkeit ein­er mod­i­fizierten Aussprache nicht. Die Laute des Niederdeutschen waren ein­fach zu ver­schieden von denen des Hochdeutschen. Im Sprechen hätte man bei jedem Wort qua­si die Auswirkun­gen der Zweit­en Lautver­schiebung und ander­er Laut­wan­del­prozesse des Hochdeutschen rück­gängig machen müssen, und das geht ein­fach nicht. Entsprechend sprachen die Men­schen im niederdeutschen Gebi­et die hochdeutsche Schrei­bung aus, wie sie das­tand. So gelangte man schließlich zur Auf­fas­sung, die Nord­deutschen sprächen das beste Hochdeutsch.

Durch lange sorgfältige Pflege hat sich auf der Bühne eine besonders reine Aussprache des Deutschen herausgebildet”

Es gab aber auch noch einen zweit­en Ort, an dem man sich sehr um eine ein­heitliche Lau­tung bemühte: Die The­ater­bühne. Schon Goethe forderte eine ein­heitliche Büh­ne­naussprache ein, und 1898 wurde sie schließlich auf ein­er Kon­ferenz von Mit­gliedern des deutschen Büh­nen­vere­ins und Vertretern der Ger­man­is­tik in Berlin fest­gelegt. Nachzule­sen ist sie in Theodor Siebs’ “Deutsche Büh­ne­naussprache”. Es han­delt sich dabei aber aus­drück­lich nicht um eine Schreiblau­tung, Siebs – übri­gens ein Nord­deutsch­er – schreibt:

[D]ie Schrei­bung kann niemals Maßstab für die Aussprache sein. Die Schrift ist gegenüber der Aussprache stets etwas Sekundäres.

Das merkt man z.B. bei Wörtern mit <st> oder <sp> am Anfang: Würde man sie nach der Schrei­bung aussprechen, müsste es S‑tein oder S‑piel heißen. Siebs forderte aber, wie es auch der tat­säch­lichen Aussprache entsprach, den sch-Laut:

[D]ie nord­west­deutsche Aussprache sp, st ist als mundartliche Eige­nart auf der Bühne dur­chaus zu vermeiden.

Bis zur Entste­hung des Aussprachedu­dens (BRD, 1962) bzw. des “Wörter­buchs der deutschen Aussprache” (DDR, 1964) war die Büh­ne­naussprache maßgebend,  sie galt als kor­rekt. Für kor­rek­te Aussprache gibt es übri­gens auch einen Fach­be­griff: Orthoepie (also wie Orthografie, nur gesprochen). Obwohl die Büh­ne­naussprache von der nord­deutschen Schreiblau­tung bes­timmt bee­in­flusst wurde, ist sie nicht mit ihr gle­ichzuset­zen. Es ist also reine Def­i­n­i­tion­ssache, wo das “beste” Hochdeutsch gesprochen wird. Wenn man die Güte aber daran misst, wie sehr die Aussprache als kod­i­fiziert­er Stan­dard gilt, dann hat Han­nover nicht mehr so viel zu melden.

Heutige Aussprachewörter­büch­er lassen sehr viele Vari­at­en zu und berück­sichti­gen das gesproch­ene Deutsch zu einen größeren Maße. Sie ori­en­tieren sich auch nicht mehr an Schaus­pielerIn­nen, son­dern z.B. an Nachricht­en­sprecherIn­nen, also Men­schen, die ein möglichst bre­ites Pub­likum möglichst neu­tral informieren wollen.

[Beim Googlen bin ich auch noch auf einen inter­es­san­ten Artikel zum The­ma gestoßen: Han­nover für Sprach­be­gabte]

Skurrile Ortsnamen – heute: Katzenelnbogen

Von Kristin Kopf

Das Sch­plock wurde in den let­zten Wochen immer wieder mit Such­abfra­gen wie lustige städte name (8.7.), land­karte lustige städte (6.7.), lustige städte­na­men (3.7., 27.6.), lustige städt­de­na­men deutsch­land­karte (30.6.) und lustide städte namen (28.6.) gefun­den. Auch die Nach­frage nach lusti­gen Deutsch­land­karten war enorm.

Der lustig­ste Ort, der mir so spon­tan ein­fällt, ist Katzenelnbo­gen. Fragt nicht wie, auf dem Weg zu irgen­deinem Fach­schaftswoch­enende sind wir eines Nachts dort vorbeigekommen.

Die Wikipedia bietet eine Ety­molo­gie für den Namen an, näm­lich das lat. Cat­timeli­bo­cus als Zusam­menset­zung aus Cat­ti (ein­er Volks­beze­ich­nung) und Meli­bo­cus (‘Berg, Gebirge’). Als Quelle wird Mey­ers Kon­ver­sa­tion­slexikon angegeben, aber ich bin damit nicht so glück­lich. Der erste zitierte Ein­trag gibt zwar “lat. Cat­timeli­bo­cus, ‘Meli­bokus der Kat­ten’” in Klam­mern nach dem Ort­sna­men an, das heißt aber noch lange nicht, dass die deutsche Beze­ich­nung darauf zurück­ge­ht. Die zweite “Quelle” zeigt, dass Meli­bokus keines­falls ‘Berg, Gebirge’ bedeutet, son­dern vielmehr ein Eigen­name ist und auch Malchen heißt: “ein­er der bemerkenswertesten Gipfel an der hes­sis­chen Bergstraße, am nord­west­lichen Rande des Oden­waldes, östlich von Zwin­gen­berg”. Hier seht ihr, dass der nicht ger­ade in der Nähe von Katzenelnbo­gen liegt. Auch die Infor­ma­tion “Bei Ptolemäos beze­ich­net Meli­bokon oros den Thüringer Wald oder den Harz rückt den Meli­bokus nicht näher an Katzenelnbo­gen heran.

Suchbild mit Katze

Such­bild mit Katze

Die zweite Ety­molo­gie, auf die die Wikipedia ver­weist (“Eine andere Inter­pre­ta­tion besagt…”), stammt von der pri­vat­en Home­page von Hein­rich Tis­chn­er. Die Seite ist ein Kurio­sum – Herr Tis­chn­er liefert beispiel­sweise Über­set­zun­gen in ver­schiedene Sprachen kosten­los, aber expliz­it nicht, wenn man sie sich dann tätowieren lassen will. Und der sprach­wis­senschaftliche Bere­ich bedi­ent sich höchst selt­samer Ter­mi­ni, die Darstel­lung der zweit­en Lautver­schiebung würde ich mal als eigen­willig beze­ich­nen. Der Ein­trag zu Katzenelnbo­gen sieht aber nicht so schlecht aus, lei­der kann ich die genan­nten Quellen momen­tan nicht über­prüfen. Er ken­nt die Geschichte mit den Chat­ten auch, hält sie aber für eine gelehrte Neu­bil­dung. Nach Tis­chn­er kommt die Beze­ich­nung wirk­lich von Katze – als Syn­onym für etwas Kleines/Minderwertiges – und Ellen­bo­gen – als Beze­ich­nung für eine Bach­biegung. Als Ern­st­nen­nung führt er Cazenele­bo­gen (1102) an.

Alles nicht so ganz befriedi­gend … also dachte ich mir, ich schaue mal, was die Katzenelnbo­gen­er selb­st sagen, die wer­den ja hof­fentlich jeman­den haben, der sich mit der Orts­geschichte ausken­nt. Und scheint tat­säch­lich so: “Die wohl warschein­lich­ste [sic!] Deu­tung des Namens ist: ‘Ort an der kleinen Bachkrüm­mung (Dörs­bach)’.” Damit ste­ht es 2:1 für Tis­chn­er & Katzenelnbo­gen vs. IP 89.60.232.82. Ich würde das noch nicht als End­stand beze­ich­nen, aber als Tendenz.

Auf dieser Karte hier habe ich Euch Katzenelnbo­gen markiert, und noch ein paar andere Orte mit skur­rilen oder net­ten Namen: Dün­fus, Möcht­enich, Ken­n­fus, Erpel, Hohn, Guck­heim, Ich­st­edt und Neuglück. Weit­ere Nen­nun­gen sind her­zlich willkommen!

こんにちは & Guten Tag

Von Kristin Kopf

Ich habe ja die Suchan­frage katakana guten tag kür­zlich zum Anlass genom­men, ein bißchen was über japanis­che Schrift­sys­teme zu schreiben. Dabei habe ich geschrieben:

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. […] Das wird nor­maler­weise so geschrieben:今日は.

Nun stimmt es auf jeden Fall, dass 今日は (sehr oft auch in Hira­gana-Schrei­bung: こんにちは) benutzt wird, um jeman­den zu grüßen. Die Form heißt aber wörtlich nur ‘dieser Tag, heute’ oder ‘was diesen Tag/heute bet­rifft’. 今 (こん) kon ste­ht für ‘dies’ und 日 (にち) nichi für ‘Tag’. 日 heißt übri­gens auch noch ‘Sonne’ und ist ein Teil des Wortes Japan: 日本 nihon (‘Son­nenur­sprung, ‑basis’).

Das は ist eine Par­tikel. (Ja, in der Sprach­wis­senschaft ist es die Par­tikel, Mehrzahl die Par­tikeln.) Japanis­che Par­tikeln zeigen die Funk­tion eines Wortes in einem Satz an. Sie sind also so ähn­lich wie Kasusendun­gen, nur dass sie nicht direkt am Wort kleben, son­dern am Ende der betr­e­f­fend­en Wort­gruppe (“Nom­i­nalphrase”) ste­hen. Es gibt eine Par­tikel, die das Sub­jekt markiert (が ga) und eine, die das Objekt markiert (を o). Es gibt auch eine, die eine Gen­i­tivkon­struk­tion bilden kann (の no) und noch eine Menge mehr mit anderen Funk­tio­nen. Hier mal ein Satz:

追いかけていた。
Hund SUBJ Katze OBJ ver­fol­gte

Ein Hund ver­fol­gte eine Katze.’

Die Par­tikel は hat eine inter­es­sante Funk­tion: Sie ist ein Topikmarker.

Weil das Top­ik im Deutschen meis­tens auch gle­ichzeit­ig das Sub­jekt des Satzes ist, haben deutsche Japanis­chlerner­In­nen oft enorme Prob­leme damit, den Unter­schied zwis­chen der Sub­jek­t­par­tikel が und der Top­ik­par­tikel は zu ver­ste­hen. Ganz grob vere­in­facht markiert die Top­ik­par­tikel den Teil des Satzes, über den eine Aus­sage getrof­fen wird. Wenn sich z.B. in ein­er Runde Leute vorstellen und man sagt 私クリスチーンです (ich TOP Kristin bin) ‘Ich bin Kristin’ dann benutzt man は um zu beto­nen, dass es jet­zt um einen selb­st geht. Also als wür­den sich im Deutschen Hanspeter, Car­o­line, Fritz und Bet­ti­na schon vorgestellt haben und dann sage ich “Ja, und ich bin Kristin” oder “Ich bin Kristin”. Dabei betont man also den Gegen­satz zu allen anderen. Das ist nur eine Funk­tion des Top­iks, ich belasse es jet­zt aber mal dabei.

Als Hil­f­skon­struk­tion um den Unter­schied zum Sub­jekt deut­lich zu machen, benutzt man beim Erk­lären oft die Wen­dung was X bet­rifft … Das allerd­ings ist nicht beson­ders ele­gant und keine gute deutsche Über­set­zung des japanis­chen Satzes.

Bei 今日は ist das は ein Hin­weis darauf, dass es sich wahrschein­lich ein­mal um einen Satzteil gehan­delt hat, man mit­tler­weile aber nur noch den Anfang sagt – das, worüber man eine Aus­sage tre­f­fen will. Ich habe lei­der kein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch für’s Japanis­che (und wenn, kön­nte ich es wohl nicht lesen), aber ich habe ein bißchen gegooglet und z.B. diese Erk­lärung gefunden:

btw, こんにちは does actu­al­ly just mean Today.…..
It’s adop­tion as a greet­ing is cus­tom­ary; it is used as an entry into a conversation:
こんいちは、どうですか?
So, how are you / how are things today?
The abbre­vi­a­tion to its use as a greet­ing sim­i­lar to Hel­lo or Good Day is an adopt­ed custom.

Danach kommt es also von Wie geht’s heute? Da im sel­ben Ein­trag aber ein Fehler steckt, was Guten Mor­gen bet­rifft, bin ich noch etwas skep­tisch, ob’s wirk­lich von genau dieser Kon­struk­tion kommt. Dass da aber mal was gewe­sen sein muss, halte ich für ziem­lich sicher.

Guten Tag im Deutschen hat ja auch einen Teil seines Satzes ver­loren, näm­lich so etwas wie Ich wün­sche dir einen guten Tag! Und sog­ar das guten geht oft unter. Das passiert übri­gens in vie­len Sprachen und ist ganz natür­lich: Oft gebrauchte Grüße müssen kurz sein, man kann ja nicht immer den Riese­naufwand eines ganzen Satzes betreiben.

Der neue Duden und die ***maut

Von Kristin Kopf

Die 25. Duden-Auflage ste­ht ins Haus – ob ich mir mal wieder einen kaufe? Mein aktuell­ster ist von 1996 (21. Auflage) und hat als Reform-vor-der-Reform-Werk einen gewis­sen his­torischen Wert.

In ein­er Pressemit­teilung kann man schon mal guck­en, welche Wörter es dies­mal geschafft haben: hier. Einige ver­wun­dern mich etwas, die hätte ich schon längst drin ver­mutet: Busch­funk, Fern­beziehung, Ret­tungss­chirm, Stock­brot und Vogelschlag.

Was ich total wider­lich finde ist Cam­pus­maut. Ich ste­he Sprache sehr, sehr sel­ten wer­tend gegenüber und finde alles furcht­bar span­nend und inter­es­sant, aber Cam­pus­maut ist für mich der Hor­ror. Ich weiß nicht, wer sich’s aus­gedacht hat (ange­blich Studierende?), für mich ist es auf jeden Fall ein typ­is­ches Spiegel-online-Wort. Ja, ich lese da. Ja, es hat masochis­tis­che Ausmaße.

Ich habe sog­ar mal einen Beitrag über Spiegel-online-Deutsch ange­fan­gen, bin aber über Cam­pus­maut und bim­sen (*arrrg* Der Hor­ror!) nicht hin­aus­gekom­men. Spiegel online hat ja die Unter­rubrik UniSPIEGEL. Sie ken­nt das Wort Stu­di­enge­bühren qua­si gar nicht. Wenn das mal verse­hentlich ein­er schreibt, scheint es vor Veröf­fentlichung des Artikels mit Suchen-Erset­zen in Cam­pus­maut umge­wan­delt zu wer­den. Die Wort­bil­dung war am Anfang mal orig­inell – aber als per­ma­nentes Syn­onym? Die Luft ist raus und die Beze­ich­nung klingt ein­fach nur noch total verkrampft.

Eine willkür­liche Auswahl:

  • Stu­di­enge­bühren-Umfrage: Cam­pus­maut ver­has­ster denn je (25.06.2009)
  • Als die von ihnen beantragte Senkung der Cam­pus­maut im Sen­at abgeschmettert wurde, fühlten sich die Stu­den­ten­vertreter vol­lends veräp­pelt. (05.06.2009)
  • Urteil zur Cam­pus­maut: Eltern müssen Stu­di­enge­bühren zahlen (29.05.2009)
  • Sie forderten die kom­plette Abschaf­fung der Cam­pus­maut — doch Stu­den­ten, die Grü­nen und die SPD sind mit ihrer Klage am bay­erischen Ver­fas­sungs­gericht gescheit­ert. (28.5.2009)

Für den Zeitraum vom 24.01.2005 bis 09.07.2009 gibt die spiegeleigene Suche 159 Tre­f­fer aus. Der 24. Jan­u­ar 2005 scheint die Erst­nen­nung zu sein, damals noch als Cam­pus-Maut, frühere Belege find­et die Suche nicht:

Längst bere­it­en sich Wis­senschaftsmin­is­ter, Unis und Kred­it­ge­ber auf die Cam­pus-Maut vor, der­weil pla­nen die Stu­den­ten den Protest. (24.01.2005)

So, jet­zt habe ich meinem Abscheu Worte ver­liehen, jet­zt ist wieder gut. Ich habe ja nur sehr wenig gegen das Wort an für sich, es zeigt eine Menge Kreativ­ität und schafft es auch noch festzuhal­ten, dass Stu­di­enge­bühren und LKW-Maut zu einem ähn­lichen Zeit­punkt große The­men in den Medi­en waren – aber die pen­e­trante Benutzung tut ihm ein­fach nicht gut.

05.06.2009

Japanische Schrift 2: Malen die Japaner gerne?

Von Kristin Kopf

(Teil 1 | Teil 2)

Heute geht es nach Alphabet‑, Sil­ben- und Moren­schriften um einen weit­eren Typ Schrift­sys­tem: den logografischen.

Bei logografis­chen Schrift­sys­te­men beste­ht ein Bezug zwis­chen dem Beze­ich­neten und dem Schriftze­ichen, aber kein­er (bzw. kaum ein­er) zur Laut­gestalt des Wortes. Die japanis­chen Kan­ji stellen ein solch­es Sys­tem dar. Hier seht ihr das Kan­ji für Geld:

2009-07-07-kanji

Logografis­che Zeichen kön­nen unter­schiedlichen Bil­dung­sprinzip­i­en fol­gen. Was man direkt erwartet sind Pik­togramme, also Bildze­ichen: Das Beze­ich­nete wird direkt abge­bildet. Das ist zum Beispiel der Fall beim Zeichen für ‘Pferd’, 馬. Sieht nicht aus wie ein Pferd? Die Zeichen sind natür­lich zwis­chen­zeitlich vere­in­facht wor­den. Die Entwick­lung kann man sich so vorstellen (nach Fol­jan­ty 1984:32):

2009-07-07-Kanjipferd

Dann gibt es Ideogramme, also Sinnze­ichen. Sie beste­hen aus mehreren Pik­togram­men und erhal­ten durch die Kom­bi­na­tion eine neue Bedeu­tung. So ergibt zum Beispiel ‘Men­sch’ 人 und ‘Lanze’ 戈 zusam­men die neue Bedeu­tung ‘angreifen’ 伐. Damit lassen sich auch abstrak­tere Inhalte darstellen.

Auch Sym­bol­ze­ichen wie 一 ‘1’, 二 ‘2’, 三 ‘3’ zählen dazu.

Und schließlich sind da noch die Phono­gramme, also Lautze­ichen. Sie sind eben­falls aus (min­destens) zwei Kan­ji zusam­menge­set­zt – dabei liefert eines von ihnen ein wenig Infor­ma­tion zur Bedeu­tung und das andere zur Aussprache. Hier ein Beispiel (nach Fol­jan­ty 1985:47):

Das Zeichen für ‘Berg’ ist 山. Das Zeichen für ‘Kap’ ist 崎. Es besteht

  1. aus dem Berg-Kan­ji (links), das für den Bedeu­tung­steil zuständig ist, also zeigt, dass das neue Wort auch etwas mit Bergen zu tun hat (Wikipedia: “Kap beze­ich­net eine auf­fäl­lige oder scharfe Land­spitze, die beson­ders an Gebirgsküsten gut aus­geprägt sein kann”), und
  2. aus dem Kan­ji 奇 ‘selt­sam, Neugierde’, dessen Bedeu­tung für das neue Wort völ­lig irrel­e­vant ist. Wichtig ist aber, wie 奇 aus­ge­sprochen wird, und zwar ki. Das Wort 崎 bein­hal­tet diese Silbe näm­lich, es wird misaki gesprochen. Diesen Kan­jibe­standteil nen­nt man Phonetikum, weil er einen Hin­weis zur Aussprache gibt.

Die Phono­gramme erscheinen oft wie Hexerei 😉

Da die Aussprache nicht an das Schriftze­ichen gebun­den ist, ist im Japanis­chen etwas sehr Ver­rück­tes möglich: Ein und das­selbe Schriftze­ichen kann auf ver­schiedene Arten aus­ge­sprochen wer­den. Das nen­nt man Lesun­gen. Die meis­ten Zeichen haben min­destens zwei Lesun­gen, und je nach Wort wählt man die eine oder die andere. Da gibt’s grobe Regeln, aber die ers­pare ich Euch heute lieber.

Es gibt also im Japanis­chen drei Schrift­sys­teme: Zwei Moren­schriften und eine logografis­che Schrift. Die Auf­gaben sind klar getren­nt, sodass die Wahl des Schrift­sys­tems schon Infor­ma­tio­nen über den Inhalt ver­mit­telt: Bei Kan­ji rech­net man mit Wort­stäm­men, bei Hira­gana mit gram­ma­tis­chen Infor­ma­tio­nen und bei Katakana mit Fremd­wörtern oder Werbung.

Fronleichnam frönt den Leichen

Von Kristin Kopf

Fron­le­ich­nam als (katholis­chen) Feiertag gibt es seit 1246 immer am zweit­en Don­ner­stag nach Pfin­g­sten. Das Fest ist auf keinen konkreten bib­lis­chen Anlass zurück­zuführen – gefeiert wird die kör­per­liche Gegen­wart Jesu in Hostie und Mess­wein bei der Wand­lung. (Stich­wort Transsub­stan­ti­a­tion)

Es han­delt sich mal wieder um einen Feiertag, dessen Ety­molo­gie im Reli­gion­sun­ter­richt alljährlich durchgekaut wurde – aber den fern vom katholis­chen Glauben Aufgewach­se­nen unter Euch kann ich vielle­icht noch was Neues erzählen. Dazu werde ich das Wort Fron­le­ich­nam ein­mal auseinandernehmen …

2009-06-11-fronleichnam2

Das ware noch Zeit­en, als zu Fron­le­ich­nam die Sonne schien …

Fronleichnam und Frondienst

Das Erst­glied Fron gibt es als eigen­ständi­ges Wort kaum noch. Wie das gle­ichbe­deu­tende Fron­di­enstzwangsweise Dien­stleis­tun­gen in Form von kör­per­lichen Arbeit­en für unter­schiedliche Herrschaft­strägerste­ht es zwar im Wörter­buch, wird aber viel sel­tener benutzt als let­zteres. Bei Google habe ich für Fron qua­si keine mod­er­nen Ver­wen­dun­gen gefun­den. Für Fron­di­enst schon:

Der Sam­stag sollte im Bedarfs­fall wieder Werk­tag ohne Zuschläge sein. Die Leute gehen doch eigentlich gern zur Arbeit, das ist doch kein Fron­di­enst”, sagte von Pier­er der “Bild”-Zeitung. (Man­ag­er Mag­a­zin)

Pri­vate Altersvor­sorge im Fron­di­enst für die öffentliche Hand (Yahoo Nachricht­en)

In der Schweiz wird Fron­di­enst ganz neu­tral benutzt, für ‘frei­williger Arbeitseinsatz’:

Jed­er geleis­tete Fron­di­enst-Halb­tag wird auf unserem Fron­di­enst-Ausweis ver­merkt. Für zehn Fron­di­enst-Halb­tage gibt es eine Gratis-Über­nach­tung in ein­er unser­er Club­hüt­ten für zwei Per­so­n­en. (Schweiz­erisch­er Alpin­club Sek­tion Blüm­lisalp)

Fron­di­enst durch Vere­ins­mit­glieder und weit­ere Inter­essierte ist ein­er der Stützpfeil­er des Typo­ra­mas. (Typo­ra­ma)

Was war aber die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung?

Die Basis bildet das althochdeutsche frō ‘Herr’1, beziehungsweise dessen Gen­i­tiv Plur­al, frōno ‘der Herren/der Göt­ter’. Diese Gen­i­tiv­form kon­nte auch als Adjek­tiv gebraucht wer­den und hieß dann ‘rechtlich, gerichtlich, öffentlich’ (bezo­gen auf den weltlichen Her­ren und seinen Macht­bere­ich) oder ‘göt­tlich’.

Die weltliche Bedeu­tung führte zu Wörtern wie Fron­bote ‘Gerichts­bote’ und Fron­di­enst ‘Her­ren­di­enst’ (daraus verkürzt dann Fron). Auch das deutsche Wort frö­nen ist mit Fron eng ver­wandt (es hieß ursprünglich ‘dienen, unter­wor­fen sein’).

Die religiöse Bedeu­tung bescherte uns Fron­le­ich­nam.

2009-06-11-fronleichnam

Herzlichen Fronleichnam!

Also heißt Fron­le­ich­nam ‘göt­tlich­er Leichnam/Leichnam des Her­ren’? Nein, das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Das Zweit­glied hat­te früher ein­mal eine andere Bedeu­tung: Im Alt- und Mit­tel­hochdeutschen gab es das Wort līch ‘Kör­p­er, Fleisch, Leiche’, und von ihm abgeleit­et die Form līch-hinamo ‘Kör­p­er’. Das hinamo kommt vom west­ger­man­is­chen hamōn ‘Hülle, Klei­dung, Leib’. Die Verbindung der bei­den Wörter war wahrschein­lich ursprünglich poet­isch und hieß so etwas wie ‘Hülle des Fleis­ches’ oder ‘Gefäß des Lebens’ und somit let­ztlich ‘Kör­p­er’.

Das Wort Kör­p­er gibt es erst seit dem Mit­tel­hochdeutschen (denn es hat ja ein p!). Es war eine Entlehnung des lateinis­chen cor­pus und ver­drängte das bis dahin übliche līch. Erhal­ten hat es sich dann nur in der früheren Nebenbe­deu­tung ‘tot­er Kör­p­er, Leiche’.

Fron­le­ich­nam heißt somit ‘Körper/Leib des Her­ren’ und ist eine Teilüber­set­zung der lateinis­chen Fes­t­beze­ich­nung cor­pus christi ‘Körper/Leib Christi’. Der Bezug zum Gefeierten wird sofort klar: Es geht ja um die kör­per­liche Präsenz in der Eucharistie.

Ende gut, alles gut? Ja, aber eines muss ich doch noch schnell loswer­den: Das alte Wort līch ‘Kör­p­er, Fleisch, Leiche’ hat noch eine andere Entwick­lung mit­gemacht. Es kon­nte an ein anderes Wort (x) ange­hängt wer­den, das dann die Bedeu­tung ‘ein­er, dessen Körper/Gestalt x ist’ bekam. Nach und nach wurde -līch dann zu ein­er reinen Adjek­tiven­dung, ‘etwas, das in der Art von x ist’: fröh-lich, fre­und-lich, herz-lich, … Dabei ver­lor es auch sein langes ī und ist heute nur noch ein kurzes -lich. Durch das i in der Endung gab es, wo möglich, Umlaut: gründ-lich, höf-lich, schwärz-lich.

Weit­er­lesen

Heames trinkt Dajeeling

Von Kristin Kopf

2009-06-02-DababerAls der Empfänger des Amer­zon-Paketes und ich am Son­ntag Tee tranken, kon­nten wir noch nicht ahnen, was das Leben auf der Rech­nung für uns bere­i­thielt: Das Gegen­stück zum Hermes-Boten.

Wie bere­its erk­lärt, wird das /r/ im Deutschen oft fast wie ein [a] aus­ge­sprochen. Wenn vor dem /r/ aber bere­its ein [a] ste­ht, ver­schmilzt es qua­si mit ihm1:

(1) Rhabarber → Rhababer

Das nicht mehr hör­bare r wurde in diesem Fall entsprechend auch nicht geschrieben.

Ähn­lich, aber nicht ganz iden­tisch, ver­hält es sich mit

(2) Darjeel­ing → Dajeel­ing

Hier kön­nte wieder das deutsche Phänomen ver­ant­wortlich sein, es kann aber auch sein, dass wir die r-lose Aussprache schon mit dem Wort zusam­men entlehnt haben.

Der Name der Teesorte kommt von der gle­ich­nami­gen Region und Stadt in Indi­en (auf Deutsch <Dar­jil­ing> geschrieben). Die spricht man auch im Orig­i­nal, d.h. im Nepali, mit einem r-Laut aus: Bei Wikipedia hören. Auch ein amerikanis­chen Wörter­buch wie Mer­ri­am-Web­ster hat ein­deutig ein r dort.

Wir haben das Wort aber höchst­wahrschein­lich von den Briten über­nom­men – fragt sich also, wie es in Eng­land aus­ge­sprochen wurde und wird. Aha: ohne r (hier bei Youtube, 0:44).

Dafür gibt es einen ein­fachen Grund: “rho­tis­che” und “nicht-rho­tis­che” Vari­etäten. (Die Beze­ich­nung stammt vom griechis­chen Buch­staben Rho <ρ>, der unserem <r> entspricht.)

In rho­tis­chen Vari­etäten des Englis­chen wird das <r> immer aus­ge­sprochen, in nicht-rho­tis­chen Vari­etäten hinge­gen nur manch­mal. Und zwar immer dann, wenn es vor einem Vokal ste­ht, der zur sel­ben Silbe gehört: In rich wird es gesprochen (weil ein Vokal, das i, fol­gt), in guard aber nicht (weil ein Kon­so­nant, das d, fol­gt).

Dar­jeel­ing beste­ht nun aus drei Sil­ben: Dar|jee|ling. Das r ste­ht also am Sil­be­nende, nicht vor einem Vokal. Dementsprechend wird es in nicht-rho­tis­chen Vari­etäten des Englis­chen nicht aus­ge­sprochen. Und wie sind die jet­zt verteilt?

(Quelle: Wikipedia)

Es gibt zwar Gegen­den in den USA, wo man das /r/ nicht real­isiert (hier rot) … (Quelle: Wikipedia)

(Quelle: Wikipedia)

… und welche in Eng­land, wo man es real­isiert … (Quelle: Wikipedia)

… aber die Faus­tregel lautet: Im Stan­dard Amer­i­can Eng­lish über­all r, in der Received Pro­noun­ci­a­tion (dem Stan­dard­bri­tisch) nicht, genau­sowenig im aus­tralis­chen Englisch.

Man spricht davon, dass das r in Eng­land “ver­loreng­ing”. Die Amerikan­er hat­ten qua­si Glück, sie sind vor dem r-Ver­lust aus­ge­wan­dert und haben es entsprechend behal­ten. Die Sprech­er der US-Regio­nen ohne r haben es wahrschein­lich aus Pres­tige­grün­den abgelegt.

Viele Aus­tralier in spe hinge­gen kon­nten kein r mehr exportieren – sie stammten in erster Lin­ie aus Lon­don und Umge­bung, wo der Dialekt schon nicht mehr rho­tisch war. Durch die enge Bindung Aus­traliens an Großbri­tan­nien wurde die britis­che Aussprache als Norm ange­se­hen, wodurch das r natür­lich erst recht nicht mehr Fuß fassen konnte.

Alles klar?

Was ist jet­zt also mit dem Tee? Egal ob wir ihn britisch oder deutsch aussprechen, es wird ein Dajeel­ing draus und der Schreibfehler liegt auf der Hand. Nur die amerikanis­che Aussprache kön­nte sich­er davor schützen – ob sie einen Stil­bruch darstellt, soll aber lieber jemand anders entscheiden.

Weit­er­lesen

Von Pentekoste zu Pfingsten: Die 2. Lautverschiebung schlägt zu

Von Kristin Kopf

Ah, endlich wieder ein kirch­lich­er Feiertag, der der Erläuterung bedarf. Fro­he Pfingsten!

Das Wort kommt von griechisch pen­tēkostē ‘fün­fzig­ster (Tag nach Ostern)’. Im Althochdeutschen gibt es keine belegten For­men davon, son­dern nur die Form fim­fchusti. Bei ihr wurde der erste Bestandteil der griechis­chen Zahl, das pent-, ein­fach über­set­zt: fimf ‘fünf’. Es muss aber auch das entlehnte Wort schon gegeben haben, denn im Mit­tel­hochdeutschen stoßen wir auf pfin­geste(n), einen Nach­fol­ger des griechis­chen Wortes ohne über­set­zte Teile.

Warum kann das Wort nicht zweimal entlehnt wor­den sein? Ein­mal, mit der hal­ben Über­set­zung, im Althochdeutschen, und dann noch ein­mal unüber­set­zt im Mit­tel­hochdeutschen? Dafür gib es einen guten Grund: die “Zweite Lautverschiebung”.

Die “Zweite Lautverschiebung” schlägt zu

Die “Zweite Lautver­schiebung” ist ein Prozess, infolgedessen bes­timmte Laute sich in andere Laute ver­wan­del­ten. An seinem Ende ste­ht der Beginn der deutschen Sprache: Das Althochdeutsche.

Was da im Detail passiert, ist ziem­lich kom­plex. Abhängig von ihrer Posi­tion im Wort und ihrer laut­lichen Umge­bung ver­wan­deln sich die ger­man­is­chen Laute p, t und k sowie das d:

2009-06-01-2LV

Die genauen Bedin­gun­gen ers­pare ich Euch heute, sie sind aber prob­lem­los ergooglebar.

Deutsch vs. Englisch: Pfffff!

Die Zweite Lautver­schiebung passierte nur im Hochdeutschen. Alle anderen ger­man­is­chen Sprachen haben sie nicht mit­gemacht.1 Entsprechend find­et man z.B. im Englis­chen noch die “alten” Laute:

Englisch(ohne 2. LV)Deutsch(mit 2. LV)

p: pound Pfund
ship Schiff
t: to zu
to eat essen
k: cook Koch
d: daugh­ter Tochter

Woher kommt die Pistazie?

Cle­vere Sch­plock-LeserIn­nen wer­den sich natür­lich sofort fra­gen, wie es sein kann, dass wir heute den Laut /p/ im Deutschen haben, wenn doch immer entwed­er /pf/ oder /f/ draus wurde. Die logis­che Antwort: In der Regel sind das Fremd­wörter. Viele stam­men aus dem Niederdeutschen (das kein hochdeutsch­er Dialekt ist!), wie Stapel, viele aus dem Lateinis­chen, wie Pistazie, und eine Menge natür­lich auch aus dem Englis­chen, wie Computer.

Eines haben sie dabei alle gemein­sam: Sie kamen erst nach der Zweit­en Lautver­schiebung ins Deutsche. Wären sie schon vorher dagewe­sen, hätte die Ver­schiebung sie gnaden­los ver­wan­delt, ohne Rück­sicht auf ihre Herkun­ft. Pfaffe z.B. geht auf lateinisch papa zurück, wan­derte aber so früh ein, dass es von der Zweit­en Lautver­schiebung ergrif­f­en wurde.

Pinksteren, Pentecost und Päischten

Und damit sind wir bei Pfing­sten: Wir wis­sen, dass es auf ein griechis­ches Wort mit p zurück­ge­ht (pentēkostē). Da heute kein p mehr im Wort zu find­en ist, son­dern ein pf, muss das Wort schon vor der Zweit­en Lautver­schiebung entlehnt wor­den sein. Also vor dem Althochdeutschen. Entsprechend muss es die Form im Althochdeutschen schon gegeben haben – wahrschein­lich hat sich nur kein­er die Mühe gemacht, es aufzuschreiben.

Wie oben vorherge­sagt, hat das Wort in allen anderen ger­man­is­chen Sprachen sein p behal­ten:

  • Englisch: Pente­cost (auch: Whit­sun­day ‘weißer Son­ntag’)
  • Nieder­ländisch: Pinksteren
  • Afrikaans: Pinkster
  • Lux­em­bur­gisch: Päis­cht­en, Péngscht­en
  • Dänisch: Pinse
  • Nor­wegisch (Nynorsk & Bok­mål): Pinse
  • Schwedisch: Pingst
  • Färöisch hat nicht entlehnt, son­dern nutzt: hví­tusun­na ‘weißer Sonntag’
  • Isländisch genau­so: Hví­ta­sun­nudagur ‘weißer Sonntag’

Luxemburgisch???

Komisch, ne? Lux­em­bur­gisch ist doch fast ein deutsch­er Dialekt? Warum ben­immt es sich nicht wie das Hochdeutsche?

Ich habe Euch oben nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich habe behauptet, dass die vier Laute im kom­plet­ten Althochdeutschen zu den sieben neuen Laut­en wur­den. Nun ist das Althochdeutsche aber ein Kon­strukt. Das gab es so gar nicht. Es gab ganz viele ver­schiedene ger­man­is­che Dialek­te, alle eng ver­wandt, aber es gab keinen Stan­dard. Und diese Dialek­te haben sich nicht alle gle­ichzeit­ig auf die gle­iche Weise verändert.

Das deutsche Sprachge­bi­et lässt sich in drei große Unterge­bi­ete ein­teilen: Oberdeutsch (braun), Mit­teldeutsch (türkis) und Niederdeutsch (gelb).

2009-06-01-Heutige_deutsche_Mundarten-Ausschnitt

Michael Post­mann (Wikipedia)

Die Zweite Lautver­schiebung tobte nur im ober- und mit­teldeutschen Sprachraum, dem hochdeutschen Gebi­et. Dabei war sie aber unter­schiedlich erfol­gre­ich. Die Ver­schiebung von p, t und k erfol­gte näm­lich mit abnehmender Inten­sität von Süden nach Nor­den. In Ben­rath bei Düs­sel­dorf ver­siegte sie ganz, daher nen­nt man die Gren­ze zwis­chen Türkis und Gelb die “Ben­rather Lin­ie”. Nördlich davon sprach man ursprünglich kein Hochdeutsch mehr.

Der Rheinische Fächer

Das langsame Ver­sick­ern der Lautver­schiebung im west­mit­teldeutschen Raum führt zu einem inter­es­san­ten Phänomen: Man kann das Gebi­et in Längsstreifen ein­teilen, und je nördlich­er der Streifen liegt, desto weniger macht sich die Zweite Lautver­schiebung bemerk­bar. Wenn man das auf ein­er Karte einze­ich­net, entste­ht eine Art Fäch­er­struk­tur, daher nen­nt man das auch den “Rheinis­chen Fäch­er”. Hier eine schema­tis­che Darstel­lung von mir:

2009-06-01-Rheinischer-Fächer-Tutorium

Eine viel schönere Karte gibt’s z.B. hier: Uni Tri­er [9.8.16: Link ersetzt].

Dialek­t­ge­bi­et A hat also mehr Ver­schiebung als B, B mehr als C, und so weit­er. Jen­seits von D hat die Zweite Lautver­schiebung so wenig gewirkt wie in den anderen ger­man­is­chen Sprachen.

Unter den Lin­i­en­na­men seht ihr Beispiel­wörter: Südlich der Ger­m­er­sheimer Lin­ie heißt es also Pfund, nördlich davon Pund. Das Lux­em­bur­gis­che ist nun his­torisch eng ver­wandt mit den mosel­fränkischen Dialek­ten. Manche Leute sagen auch, es sei ein­er, aber da werde ich mich nicht in ide­ol­o­gis­che Grabenkämpfe stürzen. Es liegt auf jeden Fall nördlich der Lin­ien 1, 2 und 3, man sagt dort also Pond ‘Pfund, Apel ‘Apfel und dat (ohne 2. LV), aber Duerf ‘Dorfund maachen (mit 2. LV).

Ihr seht also, dass p im Anlaut p bleibt, denn alle Wörter, die wie Pfund gehen, ver­hal­ten sich auch so. Die p>pf-Regel hat es also nicht ins Mit­teldeutsche geschafft.

Und so bleibt Pfin­g­sten Päis­cht­en.

Weit­er­lesen

Ein Rohling muss kein Wüstling sein

Von Kristin Kopf

Das ver­sproch­ene zweite Com­put­er­wort − dies­mal viel alltäglich­er: Rohling. Eine unbeschriebene CD oder DVD. Ich kenne das Wort schon ewig und habe noch nie darüber nachgedacht, aber kür­zlich war mir med­i­ta­tiv zumute:

Rohling ist eine Wort­bil­dung auf -ling wie Abkömm­ling, Erstling, Son­der­ling, Gün­stling, Däum­ling, Schädling, Flüchtling

Wen mögen die Linge?

Das Suf­fix -ling sorgt dafür, dass das Wort, an das es ange­hängt wird, ein Sub­stan­tiv wird. Dabei ist die Aus­gangs­ba­sis ziem­lich egal, das -ling gibt es bei vie­len Wortarten:

Sub­stan­tiv Hof Höfling
Adjek­tiv schwach Schwäch­ling
Verb saugen Säugling

(Wie man sieht, gibt es in der Regel Umlaut, wegen dem [i] in -ling.)

Wirklich jeden?

Jein. Sub­stan­tivierun­gen mit -ling gibt es zwar zu ver­schiede­nen Wor­tarten, aber ganz wichtig für die Zunei­gung der Linge ist natür­lich, welche Wor­tarten sie heute noch mögen. Neu­bil­dun­gen nach dem Muster von Häuptling oder Lehrling gibt es heute qua­si nicht mehr1, die Schwäch­linge hinge­gen blühen auf: Das Suf­fix kann mit­tler­weile (fast) nur noch an Adjek­tive treten. Der Duden-Newslet­ter gibt z.B. Naivling und Prim­i­tivling als Neuschöp­fun­gen an.

Und wer sind sie überhaupt?

Die Linge sind viel­seit­ig. Es gab sie schon im Althochdeutschen und sie bilde­ten damals laut Kluge “Zuge­hörigkeitssub­stan­tive”. Der Häftling gehört also in die Haft, der Hän­fling in den Hanf, der Fremdling in die Fremde und der Fäustling an die Faust. Jagut. Sehr allgemein.

Die Bil­dun­gen gehen auf ein -ing zurück, z.B. in edil+ing, lant­sidil+ing ‘Land­sasse’. Das l im Aus­laut solch­er Wörter wurde dann als Teil der Endung reanalysiert, -ing wurde zu -ling.

Die ent­stande­nen Sub­stan­tive sind größ­ten­teils Men­schen (Sprössling, Liebling, Fremdling, Ein­drin­gling, Zögling), es sind aber auch Tiere dabei (Schmetter­ling, Frischling, Nestling, Sper­ling), gele­gentlich Pflanzen (Pfif­fer­ling < mhd. pfef­fer­linc zu Pfef­fer, Schößling, Schier­ling < ahd. sker­il­ing zu *skar­na- ‘Mist’) und sog­ar Dinge (Schilling, Fäustling) und Abstrak­ta (Früh­ling).

Linge sind doof!

Die heute noch pro­duk­tiv­en Sub­stan­tive auf -ling sind i.d.R. abw­er­tende Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen (fast auss­chließlich für Män­ner ver­wend­bar), meis­tens sucht man sich für sie auch gle­ich neg­a­tive Basen aus, wie Aggres­sivling, Auf­drin­gling, …

Diese neg­a­tive Wer­tung ist sehr stark, es gibt keine pos­i­tiv­en neuen Linge. Das böse Vorurteil wird aber natür­lich nicht von allen älteren Bil­dun­gen geteilt, die Beze­ich­nun­gen für Nicht-Men­schen sind neu­tral, die für Men­schen kön­nen neg­a­tiv sein, müssen es aber nicht. (Ein net­ter Dia­log zum The­ma.) Vielle­icht ist die abw­er­tende Bedeu­tung über den Zwis­chen­schritt der Verkleinerung ent­standen (wie bei Säugling oder auch den Tier­jun­gen – Frischling – oder kleinen Tieren – Sper­ling, Bläul­ing). Wein­rich et al. (2003) sind der Mei­n­ung, dass die neg­a­tive Bedeu­tung zunächst nur im neg­a­tiv­en Adjek­tiv steck­te und von dort aus qua­si auf die Endung überg­ing, die sich dann auch an neu­trale Wörter hän­gen kon­nte, um sie schlecht zu machen: Schreiber­ling. Lei­der erschöpfen sich meine kur­sorischen Nach­forschun­gen aus Zeit­grün­den hier.

Ist ein Rohling brutal?

Jet­zt aber endlich zur unbeschriebe­nen CD! Das Wort Rohling gab es schon lange vor den CDs in Nicht-Com­put­erbe­deu­tung, und zwar gle­ich doppelt:

  1. ein bru­taler Mensch
  2. Guß- oder Schmiede­teil, der zum Werk­stück weit­er­ver­ar­beit­et wird.” (aus: Das neue Taschen­lexikon in 20 Bän­den, 1992)

Hier ist schön zu erken­nen, dass das Wort ein­mal neg­a­tiv ist (wenn es einen Men­schen beze­ich­net) und ein­mal neu­tral (bei einem Ding).

Ob die bei­den Bedeu­tun­gen auf eine Ursprungs­form zurück­ge­hen (d.h. von einem Objekt auf einen Men­schen über­tra­gen), kon­nte ich nicht her­aus­find­en, sie kön­nen dur­chaus unab­hängig voneinan­der gebildet wor­den sein. Grimms Wörter­buch ken­nt nur den groben Men­schen (und gle­ich­namige Pilze und Frösche), was aber wegen der tech­nis­cheren Beze­ich­nung des Met­all­teils nicht viel heißen muss:

RÖHLING, m., auch rohling, homo rud­is, gebildet wie frischling, neul­ing. bei MAALER der ihm eige­nen form rouw entsprechend röuwl­ing (der) ferus (vgl. roh I): die witwe merk­te wohl, wo es den rohling drück­te. KLINGER 6, 215;

Trotz Unergiebigkeit der Lit­er­atur (Das Taschen­lexikon ken­nt ihn noch nicht, Wikipedia ist ungewöhn­lich kurz ange­bun­den und Kluge gibt erst recht nichts her) wage ich es zu behaupten, dass der CD-Rohling wohl von der zweit­en Bedeu­tung herkommt. Eben­so wie das Met­all­teil ist die unbeschriebene CD für unsere Zwecke “form­bar” und erhält erst so ihre Bedeu­tung. Erscheint mir sehr plau­si­bel. Auch wenn die gewalt­tätige Erk­lärung irgend­wie schön­er wäre.

Welche Linge ken­nt Ihr?

Weit­er­lesen

Ein paar Krümel …

Von Kristin Kopf

… fürs Sch­plock. Ich mache momen­tan ein Prak­tikum und bin kaum noch zuhause, geschweige denn in der Bib­lio­thek, was alle laufend­en Sch­plock-Pro­jek­te etwas verzögert.

Heute nur ein Wort, das ich bei der Arbeit aufgeschnappt habe: Brotkru­menpfad, eine direk­te Über­set­zung von bread­crumb trail. Was wiederum inspiri­ert vom deutschen Vor­bild ist, auch wenn der Aus­druck im Märchen nicht auf­taucht (“Wart nur, Gre­tel, bis der Mond aufge­ht, dann wer­den wir die Brot­bröck­lein sehen, die ich aus­gestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus”).

Wenn man den Kon­text berück­sichtigt − es ging um eine Inter­net­seite − erschließt sich ziem­lich leicht, was gemeint ist:

2009-05-07-brotkrumen1Selt­sam nur, dass die Brotkru­menpfade als sin­nvolle Nav­i­ga­tion gese­hen wer­den, im Märchen ging das ja voll daneben.

Die englis­che Wikipedia weiß übri­gens, dass die Grimm­schen Märchen auch im englis­chen Sprachraum nicht mehr so oft gele­sen zu wer­den scheinen:

Some com­men­ta­tors and pro­gram­mers alter­na­tive­ly use the term “cook­ie crumb” (or some vari­ant) as a syn­onym to describe the pre­vi­ous­ly men­tioned nav­i­ga­tion tech­nique, but this usage is con­sid­ered incor­rect and most like­ly rep­re­sents a lin­guis­tic cor­rup­tion of the orig­i­nal ‘bread­crumb’ metaphor.”

Hät­ten die Eltern von Hänsel und Gre­tel Geld für Kekse gehabt, wäre das ja alles eh nie passiert …

Das näch­ste Mal geht es um einen weit­eren Begriff aus der Com­put­er­welt. Aber vorher muss ich meine Ken­nt­nisse in deutsch­er Wort­bil­dung noch etwas auffrischen.