Schlagwort-Archive: Etymologie

Schplockflaute trotz Linguistikleben

Von Kristin Kopf

Eigentlich sollte man denken, dass ich momen­tan vor Sch­plock-Ideen ger­adezu über­spru­dle – immer­hin bere­ite ich ger­ade elf ver­schiedene und extrem span­nende Prü­fungs­the­men vor1. Aber nix da, jed­er Ver­such, darüber zu schreiben, artet in zähe, enzyk­lopädisch-belehrende Abhand­lun­gen aus.

Dann war Chom­sky in Mainz, da kön­nte man ja auch was drüber schreiben – oh, aber er war so unin­spiri­erend und hat all das gesagt, was man so ken­nt und was einen nach den faulen Tomat­en greifen lässt. (“The Min­i­mal­is­tic pro­gram is just an effort to show what’s true is true”, “You don’t have to learn the syn­tax and seman­tics [of for­eign lan­guages] because it’s there already”, “The entire study of lan­guage for 2500 years is kind of off track”) Und dann klumpten sich massen­weise Leute hin­ter­her auch noch um ihn herum zusam­men und ließen sich Auto­gramme geben. Peinlich.

Was ist noch passiert in meinem Lin­guis­tik­leben? Ich war bei ein­er Pro­jek­tvorstel­lung in der Mainz­er Akademie der Wis­senschaften für das geplante Dig­i­tale Fam­i­li­en­na­men­wörter­buch Deutsch­lands, was super­span­nend war. Das Wörter­buch soll alle Fam­i­li­en­na­men Deutsch­lands erfassen und ety­mol­o­gisieren (inklu­sive denen fremd­sprachiger Herkun­ft). Und online ver­füg­bar sein. Und für Laien ver­ständlich for­muliert. Ooooh! Also ganz fest die Dau­men drück­en, dass es bewil­ligt wird.

Diese Woche war ich für drei Tage bei einem tollen Work­shop zu Wort- und Sil­ben­sprachen in Freiburg. Übri­gens inter­es­sant, wie die badis­che Iden­tität in Freiburg immer und über­all betont wird – da wird man auf einem Plakat an der Uni Willkumme geheißen, auf der Speisekarte gibt’s Brägele (Brägili) und Schäufele (Schi­ifili), und Ver­sicherung­sun­ternehmen und Banken bemühen sich um Werbe­sprüche, die irgend­wo badisch beinhalten.

Da der Work­shop ein sehr spezielles The­ma hat­te, lässt er sich kaum für’s Sch­plock auss­chlacht­en. (Einen Lesetipp zum The­ma hat­te ich hier ja schon.) Einen großar­ti­gen Schweiz­erdeutschen Satz aus dem Vor­trag von Beat Sieben­haar will ich euch aber auf keinen Fall voren­thal­ten: blitstststsu:g Über­set­zungsver­suche willkommen!

So, das näch­ste Mal hof­fentlich etwas kohärenter. Bis dahin ein Ver­weis auf meine let­ztjährige Oster­rei­he.

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Freigieb- oder ‑gebig?

Von Kristin Kopf

Das, worüber das ich heute schreiben will, habe ich in mein­er Schulzeit für eine reine Reclam-Eigen­heit gehal­ten. In den Reclamheften stand näm­lich immer freige­big, wo ich freigiebig erwartet hätte. Komis­ch­er Verlag.

Sei­ther ist mir freige­big aber auch in anderen Kon­tex­ten begeg­net, zulet­zt im Wartez­im­mer in Geo (in der Jan­u­a­raus­gabe war übri­gens auch ein Artikel über Piraha/Dan Everett drin):

Wis­senschaftler glauben, dass die Men­schen freige­biger werden. …

Was hat es damit auf sich? Habe ich mein ganzes Leben lang eine Form benutzt, die son­st kein­er kennt?
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[Lesetipp] Interview mit dem Wortwart

Von Kristin Kopf

Matthias Heine hat für die FAS ein Inter­view mit Lothar Lem­nitzer, dem Betreiber der Wort­warte, geführt. Ins­ge­samt recht angenehme Fra­gen und meist sehr gründliche Antworten – ich finde es dur­chaus lesenswert.

Das zu Beginn erwäh­nte Buch “Hirndieb­stahl im Sparadies” habe ich mir übri­gens let­ztes Jahr gekauft, ich war aber nicht beson­ders ange­tan – das eigentlich Coole, näm­lich die Wörter, wer­den durch die sehr bemüht­en Texte mein­er Mei­n­ung nach ver­dor­ben. Ganz zu schweigen von den Illus­tra­tio­nen. Gesam­turteil? Bahn­hofs­buch­hand­lungs­buch. Hat vielle­icht jemand Inter­esse dran?

Die Schwilis in Georgien

Von Kristin Kopf

Der Tod eines geor­gis­chen Olympiar­o­dlers hat mich let­zte Woche zum Nach­denken über geor­gis­che Fam­i­li­en­na­men gebracht. Eine ganze Menge von ihnen schienen auf -wili zu enden, und ich fragte mich, warum.

Der kür­zlich Ver­stor­bene heißt Nodar Kumar­i­taschwili, auf Geor­gisch ნოდარ ქუმარიტაშვილი. Ich habe ein bißchen herumge­googlet, und noch eine Menge weit­er­er Wil­is gefun­den: Weit­er­lesen

Wann wird’s mal wieder richtig Juni?

Von Kristin Kopf

Heute gibt es mal wieder ein bißchen Ety­molo­gie. Anlass war die fol­gende, som­mer­lich anmu­tende Suchan­frage, die zum Sch­plock führte:

wörter mit juni (26.1.2010)

Deutsche Zusam­menset­zun­gen, die den Monat Juni enthal­ten, scheint es kaum zu geben. Canoo.net liefert nur den Junikäfer.

Es gibt natür­lich auch Wörter, die die Zeichen­kette Juni enthal­ten, aber keinen Bezug zum Monat aufweisen – aber auch nur sehr wenige, z.B. Junior, Jeju­ni­tisEntzün­dung des Leer­darms’ oder Junipe­rusWachold­er’.

Indi­rekt beste­ht aber doch zumin­d­est zwis­chen Junior und Juni eine Beziehung:

Der Juni kommt vom lateinis­chen (mên­sis) Iûnius, also dem Monat der Göt­tin Juno. Deren Name wiederum scheint auf das indoger­man­is­che *yeu- zurück­zuge­hen, das u.a. ‘jung’ oder ‘vital’ bedeuten kon­nte. Die Göt­tin hat­te wahrschein­lich ursprünglich ein jungfräulich­es Element.

Der Junior stammt vom lateinis­chen iûnior ‘der Jün­gere’, dem Kom­par­a­tiv von iuve­nis ‘jung’, das auf dieselbe indoger­man­is­che Wurzel zurück­ge­führt wird.

Unser heutiges jung ist übri­gens, eben­so wie das englis­che young mit diesen For­men ety­mol­o­gisch verwandt.

Das Jejunum, das der Jeju­ni­tis ihren Namen ver­lei­ht, ist aber ander­er Herkun­ft – es geht auf das lateinis­che ieiunus zurück, das ‘hun­grig, durstig, fas­tend’ hieß. Wohl weil dieser Darmab­schnitt nach dem Tod leer ist. Der Arme.

Die Herkun­ft von Junipe­rus ist ungek­lärt.

Wörter mit irgen­dein­er bes­timmten Buch­staben­kette kann man bei Canoo.net übri­gens aus­geze­ich­net suchen. Man set­zt ein­fach Sternchen rund um die Buch­staben, also *juni*, et voilà. Lei­der geht das aber erst ab drei Buch­staben, was mich schon öfter geärg­ert hat.

So, jet­zt geh ich einen Schnee­mann bauen!

Prosit Neujahr!

Von Kristin Kopf

Fro­hes 2010, Ihr alle! Aus gegeben­em Anlass habe ich für heute die Herkun­ft von Prost! im ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch nachgeschlagen.

Das Wort kommt vom lateinis­chen prôdesse – das bedeutet laut Kluge ‘nützen’, mein Wörter­buch gibt als nachk­las­sis­che Bedeu­tung auch ‘helfen, wirk­sam sein’ im medi­zinis­chen Sinne an.

Der Kon­junk­tiv 3. Per­son Sin­gu­lar dieses Verbs ist prôsit, was am besten mit ‘es möge nüt­zlich sein’ wiedergegeben wird. Diese Form wurde so entlehnt (16. Jahrhun­dert) und bald tauchte auch die Kurz­form Prost! auf. Mit­tler­weile war den meiste Leuten nicht mehr klar, dass es sich eigentlich um eine Verb­form han­delte, das Wort wurde ein­fach als Aus­ruf benutzt – wie autsch! oder ey! oder heda! Für den Vor­gang des Prost-Sagens bastelte man sich dann das neue Verb (zu)prosten.

Hätte ich nicht ganz unglaubliche Neu­jahrsvorsätze, was meine Mag­is­ter­ar­beit anbe­t­rifft, würde ich jet­zt noch ein bißchen sam­meln, wie man in anderen Sprachen beim Anstoßen sagt – so hoffe ich ein­fach, dass der eine oder die andere in den Kom­mentaren was dazu zu sagen weiß!

Auch andere, nicht-alko­holis­che Neu­jahr­swün­sche sind natür­lich willkom­men! In Rumänien zum Beispiel, wo ich zweimal Neu­jahr gefeiert habe (und es keine Indus­trienorm für SprengsätzKnaller zu geben scheint), wün­scht man La mulţi ani! (gesprochen etwa la mulz an) ‘Auf viele Jahre!’. Das geht aber auch zu anderen Anlässen wie dem Geburtstag.

Frohe linguistische Weihnachten!

Von Kristin Kopf

Die Bescherung ist vorbei:

Heute Abend will ich noch schnell eine Frage klären, und zwar warum es Wei­h­nachten heißt. Das ist eine alte Plu­ral­form, aber der Plur­al müsste ja eigentlich *Wei­h­nächte laut­en.

Das Wort Nacht war ursprünglich (im Althochdeutschen) ein soge­nan­ntes “Wurzel­nomen” und hat­te über­haupt keine Plu­ral­en­dung. Es hieß also in Ein- und Mehrzahl diu naht. Das war natür­lich äußerst unprak­tisch, weil man wed­er am Sub­stan­tiv selb­st, noch an umgeben­den Adjek­tiv­en o.ä. erken­nen kon­nte, um welchen Numerus es sich handelte.

Im Mit­tel­hochdeutschen guck­te das Wort sich daher ein anderes Ver­fahren bei ein­er anderen Gruppe von Sub­stan­tiv­en ab: Die Kom­bi­na­tion von Umlaut und -e, die z.B. bei MachtMächte existierte. Viel prak­tis­ch­er. NachtNächte.

Das war aber nicht das einzige Vor­bild: In eini­gen Gegen­den schaute sich Nacht bei Wörtern wie Gaben die Endung -en ab. Die gab es damals aber noch nicht im kom­plet­ten Plur­al, son­dern nur im Gen­i­tiv und Dativ: Später verän­derte sich diese Gruppe weit­er, sodass es zur Endung -en im ganzen Plur­al kam, aber da war die Nacht schon nicht mehr mit von der Par­tie, sie hat­te sich in Nächte verwandelt.

Jet­zt stellt sich nur noch die Frage, warum es Wei­h­nacht­en heißt, wenn das -en doch nur im Gen­i­tiv und Dativ auf­tauchte. Die Antwort? Wei­h­nacht­en war ein­mal eine Kon­struk­tion, und zwar ze den wîhen nacht­en ‘zu/an den geweihten/heiligen Nächt­en’. Man feierte nicht nur eine Nacht lang! Die Prä­po­si­tion ze forderte, wie zu heute, den Dativ, und der besaß die Endung.

Diese Kon­struk­tion wurde so inten­siv gebraucht, dass die Wörter wîhen nacht­en zusam­men­wuch­sen und Wei­h­nacht­en bilde­ten (das nen­nt man “Uni­ver­bierung”). Dabei bewahrten sie den alten Dativ Plural.

StuTS in Bochum

Von Kristin Kopf

Ich war diese Woche auf der 46. StuTS in Bochum und hat­te eine Menge Spaß mit ein­er Menge großar­tiger Men­schen. Es gab super­viele span­nende Vorträge – hier zwei Rand­no­ti­zen für Euch:

  • Regen­schirm heißt auf Lux­em­bur­gisch Präbbe­li. Das kommt vom gle­ichbe­deu­ten­den franzö­sis­chen para­pluie. (Fränz)
  • Das griechis­che Alpha (Α, α) kommt vom phönizis­chen Alef. Im Griechis­chen ste­ht es für den a-Laut, das war aber ursprünglich im Phönizis­chen nicht so – dort stand es für den Kon­so­nan­ten, den wir im Deutschen am Wor­tan­fang vor Vokalen aussprechen: den Glot­tisver­schlus­slaut [ʔ] (hier zu hören, immer vor dem a). Den hat­te das Alt­griechis­che wahrschein­lich nicht, der erste Laut, den die Griechen also hörten, war [a].  So wurde das Zeichen uminter­pretiert. (Julia & Ste­fan)

Und noch was zum Gucken:

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Ich tränke, du trinkst – ich fälle, du fällst …

Von Kristin Kopf

Heute will ich was über Ver­ben erzählen. Und zwar über eine ganz bes­timmte Art von Ver­ben: Kausati­va. Kausati­va (von lat. causa ‘Ursache, Grund’)  sind Ver­ben, die aus­drück­en, dass man jeman­den (oder etwas)  zu etwas bringt:

fällen Weit­er­lesen

Von Tausend zur Million: Augmentativa

Von Kristin Kopf

Was haben Kar­ton, Bal­lon, Bat­tail­lon, Salon, Medail­lon und Mil­lion gemein­sam? Ganz zu schweigen von Mine­strone, Can­nel­loni und Tortel­loni?

Mehrere Dinge … zunächst ein­mal sind es ganz klar Fremd­wörter. Weit­er­lesen