Derzeit bedroht Öl die amerikanische Golfregion. Dieses Bild ist in Wahrheit noch zynischer, als es klinkt. Womit wir beim Thema wären. Verschiedene Medien, darunter Spiegel Online, Focus und die Zeit, sprechen von einer Naturkatastrophe*.
Moment. Der Tsunami 2004 war eine Naturkatastrophe. Sichuan und Haiti waren Naturkatastrophen. Es wäre vermutlich streitbar, ob der Ausbruch des Eyjafjallajökull eine Naturkatastrophe im eigentlichen Sinne war — er war es immerhin für die Angehörigen der audiovisuellen Medienlandschaft.
Und auch wenn die Menschheit dem schwarzen Gold wie einem Gott huldigt, ist eine Ölpest nichts Natürliches. Die Explosion auf der Deepwater Horizon und seine Folgen ergeben eine Umweltkatastrophe, eine vom Menschen verursachte, also nicht-natürliche Katastrophe. Wie jede Ölpest. Für die Finanzwelt ausgedrückt: wenn Obama sagt, dass BP für die Katastrophe bezahlen wird, dann gibt es einen Schuldigen. Bei Naturkatastrophen gibt es den nicht.
Linguistisch sind beide Wörter sogenannte Komposita, in diesem Fall zusammengesetzte Substantive. Aber sie unterscheiden sich in ihrer Kopf-Kern-Struktur:
- Naturkatastrophe = ’natürliche Katastrophe’ (siehe auch engl. natural disaster -> Adjektiv (natural) + Substantiv)
- Umweltkatastrophe = ‘Katastrophe für die Umwelt’
In beiden Fällen ergeben sich zwar Auswirkungen für Natur und Umwelt — in der Umweltkatastrophe sind diese auch semantisch zugänglicher. Im Fall der Naturkatastrophe werden die verheerenden Auswirkungen aber nicht vom Substantiv ‘Natur’ getragen — dieses sagt lediglich aus, dass es sich um eine natürlich Ursache handelt, z.B. bei Erdbeben, Flutereignissen, Vulkanausbrüchen. Die Ursache der Katastrophe ist wiederrum in Umweltkatastrophe nicht sofort ersichtlich (wobei es sich grundsätzlich um vom Menschen verursache Ereignisse handelt). Es ist auch eine Frage der Konvention: und die ist (noch), dass Umwelt- und Naturkatastrophen zwei Paar Schuhe sind. So gesehen dürften Journalisten das Isländische für die Komposition Eyjafjallajökull verantwortlich machen (genau genommen finden sich in Eyjafjallajökull auch Elemente von Derivation und Flektion, aber belassen wir es mal dabei).
Aber menschliches Gewinnstreben bleibt eine Umweltkatastrophe.
*Im Zuge von Recherchen scheint zumindest SpOn den Lapsus bemerkt zu haben und hat Naturkatastrophe durch Umweltkatastrophe ersetzt. Der Verdacht liegt übrigens nahe, dass die fraglichen Medien eine Agenturmeldung übernommen haben. Wäre wohl ein Fall für die Jungs hier.