Schlagwort-Archive: Etymologie

Auf dem Holzweg mit dem Holzweg

Von Kristin Kopf

Das Bild­blog hat einen taz-Blog­a­r­tikel über Ter­ror­ex­perten ver­linkt, der den Titel »Plä­doy­er zur Abschaf­fung des Ter­ror­ex­perten. Sel­ten waren so viele so schnell auf dem Holzweg« trägt und eine beze­ich­nende Illus­tra­tion besitzt: Einen Steg aus Holz, der durch ein Moor führt.

Die Bild­wahl ist ein schön­er Hin­weis darauf, wie die Bedeu­tung der Wen­dung auf dem Holzweg sein ‘sich irren’ mit der Zeit intrans­par­ent wurde – und zwar, weil das zuge­hörige Konzept für die bre­ite Bevölkerung immer unwichtiger wurde und den meis­ten Leuten heute unbekan­nt ist.

Ein Holzweg, wie in der Wen­dung gebraucht, ist näm­lich nicht ein ‘Weg aus Holz’, son­dern ein ‘Weg für Holz’. Also wie ein Hol­zlager, nicht wie ein Holzbein. Und das kam so: Weit­er­lesen

Etymologiequiz die Zweite

Von Kristin Kopf

Nach­dem das erste Ety­molo­giequiz ganz gut lief, kommt heute die zweite Ausgabe:

In diesem Wor­dle sind immer mehrere Wörter miteinan­der ver­wandt, das heißt sie gehen auf eine gemein­same Wurzel in ein­er früheren Sprach­stufe zurück, und, ich zitiere mich selbst

[d]ie Ver­wandtschaft kann ziem­lich weit zurück­ge­hen, weshalb der Bezug bei den wenig­sten offen­sichtlich ist. So wür­den, wären sie drin, Etat und Dis­tanz zusam­menge­hören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. sta­tus ‘Zus­tand’, was zu stāre ‘ste­hen’ gebildet wurde und Dis­tanz kommt von lat. dis­tan­tia, ein­er Abstrak­t­bil­dung zu dis­tāre ‘voneinan­der weg­ste­hen’, das sich aus dis- und stāre ‘ste­hen’ zusam­menset­zt.

Im Gegen­satz zum let­zten Mal sind es dies­mal nicht immer Paare, es kön­nen auch drei Wörter zusam­menge­hören. (Ins­ge­samt gibt es 16 Grup­pen.) Lösungsvorschläge und wilde Speku­la­tio­nen kön­nen in die Kom­mentare gepostet wer­den und erscheinen dann alle auf ein­mal am näch­sten Mon­tag. Und wie let­ztes Mal will ich darauf hin­weisen, dass der Blick in ein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch die ganze Sache lang­weilig macht. Aber muss man selb­st wissen 😉

Viel Spaß!

Update (20.6.2011): So, jet­zt gibt’s auch die Lösung. David hat alles richtig, her­zlichen Glück­wun­sch! Und für die visuell Ver­an­lagteren nach dem Cut … Weit­er­lesen

Jetzt mal Buttercakes bei die Fische (I)

Von Susanne Flach

Zuerst die unfrei­willige Komik: “Anglizis­men gehen mir auf den Keks.”

Warum komisch? Weil Keks ein Anglizis­mus ist. Also nicht so offen­sichtlich vielle­icht. Vielmehr ist es ein ehe­ma­liger, mit­tler­weile so gut inte­gri­ert­er und so eingedeutschter Anglizis­mus, dass er gar nicht mehr als solch­er erkennbar ist und sel­tenst in Anglizis­men­fil­tern hän­gen bleibt (aller­höch­stens um zu beto­nen, dass wir nicht ja alles aus­bürg­ern müssen). Eigentlich wollte ich nur amüsiert einen Anglis­ten­witz zum Besten geben und es dabei belassen. Doch dann uferte eine kleine Recherche so unglaublich aus, dass sich jen­seits der beina­he all­bekan­nten Herkun­ft und Entwick­lung von cakes (engl.) > Cakes (dt. pl.) > Keks (pl. & sg.) > Keks (sg.)/Kekse (pl.) plöt­zlich ein fan­tastis­ches Anschau­ungs­beispiel für eine ganze Menge sprach­lich­er Prozesse auftat.

Wenn wir hier­mit also durch sind, haben wir Entlehnung, phonetis­che und orthographis­che Inte­gra­tion, Vari­a­tion, Reanalyse und Sprach­wan­del abge­hakt, Meth­o­d­en der his­torischen Sprach­wis­senschaft angeschnit­ten und neben­bei eine urbane Leg­ende entza­ubert. Nur die Redewen­dun­gen, die müssen draußen bleiben. Freuen Sie sich nen Keks!

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Der andere Mai

Von Kristin Kopf

Ihr ken­nt doch sich­er “das andere Links” – aber wusstet ihr, dass es auch mal einen “anderen Mai” gab? Also known as Juni.

Diese Benen­nung wird logis­ch­er, wenn man weiß, dass ander­er nicht immer nur seine heutige Bedeu­tung besaß, die ja so unge­fähr ‘nicht dieser’ ist. Schaut mal diese Bibel­stellen aus dem ersten Buch Gen­e­sis von ca. 1466 (Straßburg) und 1494 (Lübeck) an:

(1) … vnd es war gemacht abent und der mor­gen DER ANDER TAGE. (2) … und van deme auende vnd van deme morghen waert DE ANDER DACH

Bei Luther heißt die entsprechende Stelle:

7 Da machet Gott die Feste / vnd schei­det das wass­er vnter der Fes­ten / von dem wass­er vber der Fes­ten / Vnd es geschach also.
8 Vnd Gott nen­net die Fes­ten / Himel. Da ward aus abend vnd mor­gen der ander Tag.

Für die nicht ganz so Bibelfesten noch deut­lich­er wird es dann, wenn man sich das Inhaltsverze­ich­nis der Luther­bibel anschaut, oder auch sowas hier: Weit­er­lesen

Haarige Sache

Von Kristin Kopf

So, JJ und radier­er haben das Ety­molo­giequiz per­fekt gelöst! Ich hat­te ja einen Preis mit Ety­molo­giebezug ver­sprochen (den jet­zt ein­fach bei­de kriegen), was hal­tet Ihr von Olschan­skys “Täuschende Wörter”? Und als Trost­preis für alle anderen Teil­nehmer gibt’s einen Link zu Spec­Grams Etym­Geo™, wo man Städte­na­men rauskriegen muss – abso­lut empfehlenswert.

Gut, For­mal­itäten gek­lärt, jet­zt weit­er mit der Nach­be­tra­ch­tung aus­gewählter Wortpaare:

Zopf und Weiterlesen

Zwei Auswüchse

Von Kristin Kopf

Das Ety­molo­giequiz ist vor­bei und ich will ein paar der Wort­paare in den näch­sten Tagen noch ein wenig näher beleucht­en. Los geht’s mit dem Dau­men und seinem Partnerwort …

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Ichi, ni, san …

Von Kristin Kopf

Eben habe ich in einem Zeit-Artikel gelesen:

Die zwei Atom­an­la­gen in Fukushima‑1 (Dai­i­ni) und ‑2 (Dai­ichi) wur­den nach Angaben des Betreibers Tep­co am Tag des Erd­bebens vor gut ein­er Woche von ein­er 14 Meter hohen Flutwelle getroffen.

Bei den Benen­nun­gen in Klam­mern, Dai­i­ni und Dai­ichi, liegt ein bißchen was im Argen. Zunächst mal hat das erste ein i zu viel abbekom­men (richtig: Dai­ni). Und dann sind die bei­den Wörter ver­tauscht. Das kann man mit ger­ingfügi­gen Japanis­chken­nt­nis­sen erschließen: Es reicht, bis zwei zählen zu kön­nen. In Daini steckt ni ‘zwei’, in Daiichi steckt ichi ‘eins’.

Und das dai? Weit­er­lesen

[Lesetipp] Mobile Gesellschaft? Ach was!

Von Kristin Kopf

Nach­dem meine Beiträge zur Fam­i­li­en­na­men­geografie recht inter­essiert aufgenom­men wur­den, find­en vielle­icht einige von euch auch diesen Artikel aus der FAZ lesenswert (gedruckt erschienen let­zten Son­ntag in der FAS). Es geht um das Pro­jekt Deutsch­er Fam­i­li­en­na­me­nat­las, das ich schon erwäh­nt habe, mit vie­len bun­ten Karten (die in der Druck­aus­gabe größer sind als im Atlas selb­st!) und eini­gen span­nen­den Details im Text.

[Anglizismus des Jahres] ausrollen?

Von Kristin Kopf

aus­rollen in Bezug auf Tech­nik (z.B. ein Update) ist ein Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres 2010, der von vie­len Seit­en als schon lang etabliert kri­tisiert wurde. Das ist hier beson­ders schwierig her­auszubekom­men, weil das Wort in ein­er anderen, weniger metapho­rischen Bedeu­tung (Tep­pich, Teig), schon lange existiert. Wir haben es also mit ein­er Lehnbe­deu­tung zu tun: Ein Aspekt des englis­chen to roll out, näm­lich dieser technische/produktionsbezogene, wurde über­nom­men, aber einem deutschen Wort zugeschla­gen. Das passiert oft bei Wörtern, die sich for­mal oder inhaltlich gle­ichen, hier ist bei­des der Fall.

Was kann man alles ausrollen?

Zunächst ein­mal stellt sich die Frage, was das Wort über­haupt heißt. Ich lag mit mein­er Intu­ition z.B. ziem­lich daneben bzw. hat­te nur einen Teilaspekt erfasst. Glück­licher­weise gibt es einen Wikipedi­aein­trag für Roll­out (seit Juni 2004), aus dem sich die fol­gen­den Bedeu­tun­gen des­til­lieren lassen (fast wörtlich übernommen!):

teilw. syn­onym: Mark­te­in­führung, Ein­führung

  1. Flugzeug­bau: erst­ma­liges Her­aus­rollen des Flugzeugs aus sein­er Baustätte (oft mit Fes­takt verbunden)
  2. Soft­ware 1: Veröf­fentlichen und Verteilen von Soft­ware­pro­duk­ten auf entsprechende Clients (auch Soft­ware-Dis­tri­b­u­tion) – wird durch zen­trales Host­ing zunehmend obsolet
  3. Soft­ware 2: organ­isatorische Pro­jekt-The­men (z.B. Infor­ma­tions­dis­tri­b­u­tion über Organ­i­sa­tion­sein­heit­en, Mar­ket­ing, Soft­ware- und Prozess-Train­ing, Mon­i­tor­ing und Report­ing über den Rollout-Verlauf)
  4. Hard­ware: Aus­tausch sämtlich­er Com­put­er­hard­ware bei einem Gen­er­a­tionswech­sel der Com­put­er eines Unternehmens

1, 2 und 4 sind mir klar, aber … 3? Hä? Hinzuge­fügt wurde die entsprechende Pas­sage im Novem­ber 2006, lei­der ohne Erk­lärung in den Diskus­sion­s­seit­en. Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] entfrienden/entfreunden?

Von Kristin Kopf

Heute beschäftige ich mich mit einem der Kan­di­dat­en, bei denen nicht das kom­plette Mate­r­i­al entlehnt wurde, näm­lich dem Dop­pelka­n­di­dat­en ent­frien­den/ent­fre­un­den. Hier haben wir es mit ein­er Ableitung zu tun. Ihre Bedeu­tung würde ich unge­fähr fassen als: ‘eine bei einem sozialen Netzwerk/Computerspiel/… beste­hende Verknüp­fung (“Fre­und­schaft”) wieder auflösen’.

Vor man entfrienden kann, muss man frienden!

Will man diese Bil­dung unter­suchen, dann muss man sich zunächst ein­mal anschauen, wie ihre Basis, also frien­den/fre­un­den, zus­tande kam, wie man sie in den fol­gen­den Beispie­len findet:

Noch mehr Leute hier, die ihre Eltern bei Face­book nicht gefrien­det haben? (Quelle)

Ich hab so viele Leute gefrien­det, wenn ich nicht mehrmals täglich die Frienslist lesen würde, käme ich gar nicht mehr hin­ter­her! (Quelle)

Ella Lin­gens Gym­na­si­um kann man nicht “frien­den” nur “liken”, oder? (Quelle)

Hab ein paar von euch gefre­un­det ‚hoffe das ist ok! (Quelle)

Auf­fäl­lig ist, dass hier meist das Par­tizip vorkommt, d.h. über die Hand­lung öfter in der Ver­gan­gen­heit gesprochen wird. Mir selb­st kommt der Infini­tiv schon fast ungram­ma­tisch vor. Weit­er­lesen