Schlagwort-Archive: Entlehnung

Weil ist faszinierend, weil Sprachwandel

Von Anatol Stefanowitsch

Wie die Oxford Eng­lish Dic­tio­nar­ies wählt auch die Amer­i­can Dialect Soci­ety jedes Jahr ein englis­ches Wort des Jahres. Während erstere in diesem Jahr das eher offen­sichtliche Self­ie zum Sieger kürten, fiel die Wahl der Amer­i­can Dialect Soci­ety auf das zunächst befremdliche because. Geehrt wurde das Wort nicht, weil es 2013 neu ent­standen oder beson­ders häu­fig ver­wen­det wor­den wäre, son­dern, weil es eine inter­es­sante gram­ma­tis­che Entwick­lung durchläuft.

Because + X

Herkömm­licher­weise kann because im Englis­chen nur in zwei gram­ma­tis­chen Struk­turen ver­wen­det wer­den – als soge­nan­nte „sub­or­dinierende Kon­junk­tion“, die einen Neben­satz ein­leit­et (wie in [1]), oder als Teil des prä­po­si­tion­sar­ti­gen Wortkom­plex­es because of (wie in [2]):

  • (1) Joe stayed home because she was sick.
  • (2) Joe stayed home because of her headache.

Im ersten Fall entspricht because der deutschen Kon­junk­tion weil (vgl. Joe blieb zu hause, weil sie krank war.), ((Oder auch den Kon­junk­tio­nen da und denn, wobei im Deutschen inter­es­sant ist, dass auf da ein Neben­satz und auf denn ein Haupt­satz fol­gt (da sie krank war vs. denn sie war krank), während weil sowohl mit Haupt­sätzen (weil sie war krank) als auch mit Neben­sätzen (weil sie krank war) auftreten kann.)) im zweit­en Fall würde man im Deutschen typ­is­cher­weise wegen ver­wen­den (wegen ihrer Kopf­schmerzen).

Dass die Amer­i­can Dialect Soci­ety because zum Wort des Jahres gewählt hat, liegt daran, dass seine gram­ma­tis­chen Möglichkeit­en sich in den let­zen Jahren dahinge­hend verän­dert haben dass es (vor allem in Online-Sprache) inzwis­chen auch mit Sub­stan­tiv­en (vgl. [3]), Adjek­tiv­en (vgl. [4]) und sog­ar Ver­ben (vgl. [5]) und Inter­jek­tio­nen (vgl. [6]) auftritt: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: instagrammen

Von Kristin Kopf

Im Sep­tem­ber 2012 twit­terte @PSchydlowski das vielfach im Inter­net und in Zeitun­gen weit­er­ver­bre­it­ete Foto eines Schildes mit der Aufschrift:

BITTE HIER IM RESTAURANT DAS ESSEN NICHT INSTAGRAMMEN!

(Diesen Zettel bitte auch nicht!)

2013-12-21-instagrambild1

Sym­bol­fo­to

Unser Kan­di­daten­wort beze­ich­net eine kul­turelle Prax­is, die, jede Wette, in mod­erne Ben­imm­rat­ge­ber einge­hen wird: Das Fotografieren mit einem mobilen Endgerät, ver­bun­den mit dem Teilen des Fotos im Web 2.0. Das scheint beson­ders häu­fig Mahlzeit­en zu betr­e­f­fen, aber auch Son­nenun­tergänge und Selb­st­por­traits (also Self­ies) sind gut mit dabei. Dass das Phänomen ein­er starken gesellschaftlichen Bew­er­tung unter­liegt, zeigen Tum­blrs wie Pic­tures of hip­sters tak­ing pic­tures of food oder die Nick­el­back-Par­o­die Look at this Insta­gram (Col­lege Humor).

Das »Insta­gram­men« ist eine Hand­lung, die sowohl off- als auch online stat­tfind­et und von der immer nur ein Teil für die Umge­bung sicht­bar ist: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: performen

Von Susanne Flach

Unser heutiges Unter­suchung­sob­jekt per­formt außeror­dentlich gut in allen Kri­te­rien. Per­for­men ist sozusagen eine Art Wort­feld­könig unter den Kan­di­dat­en für 2013 — denn ein­er­seits kom­ple­men­tiert es ein bere­its länger im Deutschen existieren­des Muster mit per­form-Stäm­men, ander­er­seits hat es seine seman­tis­chen Lücke in der bun­ten Welt der Kul­tur­rezen­sio­nen gefun­den (und sich längst bre­it gemacht). Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: Paywall vs. Bezahlschranke

Von Kristin Kopf

Die Pay­wall ist eine aufgewärmte Anglizis­mus-des-Jahres-Kan­di­datin: Schon let­ztes Jahr nahm Kil­ian Evang sie im Textthe­ater auseinander:

Das englis­che pay­wall, sel­tener: pay wall, ist ein Sub­stan­tiv und ein Kom­posi­tum aus dem Verb pay („bezahlen“) und dem Sub­stan­tiv wall („Mauer“). Ins Deutsche wurde es als Pay­wall prak­tisch unmod­i­fiziert über­nom­men und beze­ich­net auch das­selbe wie im Englis­chen: eine tech­nis­che Vor­rich­tung, mit der Online-Medi­en den Zugang zu ihren Inhal­ten beschränken, wobei diese Beschränkung für zahlende Benutzer/innen aufge­hoben wird, typ­is­cher­weise in Form eines Abon­nements. [im Textthe­ater weiterlesen]

Sein­er gründlichen Beschrei­bung des Wortes und des dahin­ter­ste­hen­den tech­nis­chen Konzepts kann ich ein Jahr später wenig hinzufü­gen. Meine Haupt­fra­gen heute daher: Hat Pay­wall im ver­gan­genen Jahr eine weit­ere Ver­bre­itung erfahren und wie ver­hält es sich mit­tler­weile zu sein­er teilüber­set­zten Konkur­renz Bezahlschranke ?

Offline lieber übersetzt

Für deutschsprachige Zeitun­gen sieht es so aus, als sei die Ver­wen­dung von Pay­wall angestiegen: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2013: ranten

Von Susanne Flach

Nach­dem Michael am Mon­tag im LEXIKOGRAPHIEBLOG mit Veg­gie Day den ersten Kan­di­dat­en besprochen hat, startet heute auch die Juryabor­d­nung des Sprachlogs in die Kandidatenbesprechung.

Eigentlich habe ich mich bei den Recherchen recht schnell gefragt, warum ranten auf der Short­list gelandet ist. Und dann hab ich mich daran erin­nert, dass ich das selb­st war — ver­mut­lich wegen ein­er gewis­sen Fasz­i­na­tion für das Shit­stormesque. Weit­er­lesen

Von Tribunen und Tribünen

Von Susanne Flach

Am Mon­tag scheit­erte bei Wer wird Mil­lionär? ein Kan­di­dat an der „Wortherkun­ft“ von Tribüne, deren Her­leitung RTL immer­hin 125.000€ wert gewe­sen wäre. Was zunächst von RTL als ein­fach sug­geriert und in der Folge von vie­len Boule­vard­jour­nal­is­ten und Kom­men­ta­toren als „offen­sichtlich“ dargestellt wurde, ist aber etwas kom­plex­er (das Sprachlog twit­terte).

Die Frage lautete: Weit­er­lesen

Tablet [Anglizismus 2012]

Von Kristin Kopf

Das Tablet ist ein Wiedergänger: Bere­its let­ztes Jahr hat es Anspruch auf den Anglizis­mus­des­jahresti­tel erhoben. Wer sich für die aus­führliche Besprechung inter­essiert, sollte sich daher den dama­li­gen Blog­beitrag dazu anschauen – heute unter­suche ich, wie sich das Wort sei­ther gemacht hat und ob es 2012 eine Gewin­n­chance hat.

Rein sub­jek­tiv rechne ich mit ein­er enor­men Fre­quenz­zu­nahme, basierend auf der Beobach­tung, dass die Geräte immer häu­figer zu sehen und für viele Men­schen zu einem All­t­ags­ge­gen­stand gewor­den sind.

Ein Blick in die Zeitung bestätigt das:

Vorkom­men pro Mio Tex­twörter. Quelle: Nürn­berg­er Nachricht­en, Mannheimer Mor­gen, Ham­burg­er Mor­gen­post, Braun­schweiger Zeitung via Cos­mas II. (n=1.632)

Erst­mals über­traf 2012 das blanke Wort Tablet (grüne Lin­ie) verdeut­lichende Zusam­menset­zun­gen wie Tablet-PC oder Tablet-Com­put­er (blaue Lin­ie). Das Konzept ist jet­zt also fest genug bei der Zeitungsle­ser­schaft ver­ankert, es bedarf sprach­lich­er Hil­festel­lung nicht mehr unbe­d­ingt. Damit ist einge­treten, was ich let­ztes Jahr ger­adezu prophetisch prog­nos­tiziert habe – und zwar schneller als gedacht:

Ich wage zu behaupten, dass sich die Form Tablet, falls das Gerät über­lebt, auf lange Sicht gegenüber Tablet-Com­put­er durch­set­zen wird. Ist kürz­er, und wenn man weiß, was gemeint ist, braucht kein Men­sch mehr eine deskrip­tive Benennung.

Diese Zusam­menset­zun­gen wer­den in den kom­menden Jahren sich­er noch weit­er zurück­ge­hen. ((Sag ich jet­zt, damit ich bei der AdJ-2013-Nominierung erneut auf meine prophetis­chen Fähigkeit­en ver­weisen kann.))

Im Gegen­zug braucht man mit­tler­weile mehr Dif­feren­zierungsmöglichkeit­en, um all die Tablets voneinan­der unter­schei­den zu kön­nen: Kom­posi­ta mit einem Erst­glied, das das Tablet näher bes­timmt (lila Lin­ie) nehmen weit­er zu. In fast allen Fällen wird hier Bezug auf den Her­steller oder Verkäufer (Apple, Aldi, Sony-Tablet, …) oder auf Leis­tungs­fähigkeit und Größe genom­men (High­end-, Full-HD-, Sieben-Zoll-, Riesen-Tablet, …).

Zwar war der Anstieg des Wortes Tablet von 2010 nach 2011 viel deut­lich­er (um 3,8 Prozent­punk­te) als der von 2011 nach 2012 (um 2,2 Prozent­punk­te) ((Eine Suche über Begriffe im Wan­del der ZEIT liefert zwar für Die Zeit einen sprung­haften Anstieg 2012, hier in ich aber skep­tisch, was die Daten­ba­sis bet­rifft. Über den Bug­fix­ing-Modus gelangt man an absolute Zahlen, das sind für 2012 genau 116 Tre­f­fer, die sich recht gle­ich­mäßig über das Jahr verteilen (z.B. je 10 im Novem­ber und Dezem­ber). Hier muss also bei der Nor­mal­isierung etwas schiefge­gan­gen sein.)), allerd­ings würde ich das nicht sofort als AdJ-Aus sehen. Das Tablet hat 2012 an Land gewon­nen, beson­ders gegenüber bemut­tern­den Bil­dun­gen, in denen es nur Erst­glied ist. Es ist zwar sprach­lich nicht beson­ders aufre­gend, aber man kann von so einem Anglizis­mus jet­zt auch nicht alles erwarten.

posten [Anglizismus 2012]

Von Susanne Flach

Nachtwerk­er hat uns posten beschert, was zu sein­er „eige­nen Über­raschung“ Runde 1 über­standen hat. Die Skep­sis war nicht unbe­grün­det: „Ach was, viel zu alt!“. Aber eine kon­tinuier­liche Steigerung seit Jahren ist eine Möglichkeit, das Kri­teri­um FREQUENZZUWACHS zu inter­pretieren: Und: posten ist wirk­lich nicht unspannend.

Ursprung & Integration

posten hat einen Ein­trag im Duden (und ste­ht natür­lich auf sonem Anglizis­menin­dex, aber der wächst erfahrungs­gemäß schneller, als Sie fail! sagen kön­nen). Im DUDEN liest man zum Ursprung: „englisch to post, eigentlich = mit der Post ver­schick­en, zu: post < franzö­sisch poste“. Die konzeptuelle und orthografis­che Par­al­lele zur deutschen Post ist nahe­liegend, ety­mol­o­gisch nicht falsch und kön­nte dazu geführt haben, es beson­ders mit schreiben, aber auch den Alter­na­tiv­en senden oder schick­en ein­deutschen zu wollen (die ganz uner­schüt­ter­lichen schla­gen auch schon mal veröf­fentlichen, kom­men­tieren oder ein­stellen vor).

Des Dudens Aussprachehil­fe ist [poʊstn] (mit [oʊ] an nor­damerikanis­che Vari­etäten angelehnt; im britis­chen Englisch ist es [əʊ]). Weil mich das nicht überzeugt hat, habe ich vor der Bib­lio­thek kurz­er­hand zwei hip­pen jun­gen Men­schen [po:stn] aus dem akustis­chen Jute­beu­tel geleiert und nehme das mal als heute gängigere Form an. Im Gegen­satz zur deutschen Post (kurz­er hal­bof­fen­er Vokal) liegt bei posten ein langer hal­bgeschlossen­er Vokal vor. Das ist wenig ver­wun­der­lich: /oʊ/ ist ein Laut (z.b. wie in go, low oder boat), den wir im Deutschen nicht haben und deshalb mit Bor­d­mit­tel erset­zen. Das ist ein nor­maler Vor­gang und ist bei Alt-Anglizis­men wie Koks nicht mehr erkennbar ([ko:ks] statt [kəʊks]). ((Sie sehen, wir näh­ern uns der Fort­set­zung der Keks-Trilo­gie.))

Auch mor­phol­o­gisch fügt sich posten naht­los ins heimis­che Flex­ion­spar­a­dig­ma: ich poste, du postest, sie postet oder er hat gepostetAnders als bei manchen Entlehnun­gen gibt’s bei posten kaum orthografis­che Ver­wirrung: gepostet ist mit über 5 Mil­lio­nen Google-Tre­f­fern deut­lich vor gepost­ed mit etwa ein­er hal­ben Mil­lion. Das kön­nte an der laut­lich bere­its erfol­gten Inte­gra­tion liegen und/oder ist durch das <t> im Stamm von posten begün­stigt (bei adden beispiel­sweise ist das Ver­hält­nis etwa 2:1 für geadded). Auch im Teilko­r­pus „Wikipedia-Diskus­sio­nen 2003–2011“ im DeReKo liegt gepostet mit etwa 1,400 Tre­f­fern klar vor gepost­ed mit 29.

Schreiben? veröffentlichen? Posten!

Wir posten Fotos, Sta­tus­meldun­gen, Videos oder Links auf Face­book, Beiträge auf Blogs oder Kom­mentare und Tipps in Foren und Mail­inglis­ten. Nun kön­nte man auch sagen, dass man einen Blog­beitrag schreibt, Fotos veröf­fentlichtNachricht­en inner­halb ein­er Mail­inglist sendet/verschickt oder in Foren kom­men­tiert. Zu argu­men­tieren, dass wir mit posten ein Wort für all diese Dinge haben, würde diesen Beitrag aber nur unnötig abkürzen und posten aus dem Ren­nen werfen.

Denn wir kön­nen keine Büch­er posten (sehr wohl aber schreibenveröf­fentlichen oder schick­en), Lady Gaga postet keine neue Sin­gle (höch­stens das dazuge­hörige Video), und ob ich einen Kom­men­tar poste oder einen Kom­men­tar kom­men­tiere sind zwei ver­schiedene Dinge. Aber auch hier wäre die Diskus­sion eher langweilig.

Neben dem seman­tis­chen Unter­schied, welche nicht-/realen Objek­te ich posten kann oder nicht, liegt eine syn­tak­tis­che Erk­lärung darin, mit welch­er Argu­mentstruk­tur posten über­wiegend assozi­iert ist. Anders als viele poten­tielle Konkur­renten wie schicken/schreiben wird posten meist tran­si­tiv ver­wen­det (das hat es mit veröf­fentlichen gemein), etwa ich poste ein Bild oder er postet seine Mei­n­ung (im Forum); sel­tener intran­si­tiv (sie postet oft nachts) und noch sel­tener ditran­si­tiv. Eine ditran­si­tive Ver­wen­dung würde ein/e Empfänger/in und einen intendierten Trans­fer implizieren und braucht deshalb einen beson­deren Inter­pre­ta­tion­skon­text: ?ich poste dir mor­gen einen Link (auf die Wall) oder ??sie postet ihrem Pro­fil ein Video.

Warum? Weil der Prozess des Postens bzw. das, was wir posten, keine/n lokalisierbare/n, bestimmte/n Empfänger/in hat oder haben muss. Zumin­d­est liegt der Fokus über­haupt nicht darauf, den Trans­fer­vor­gang zu jeman­dem abzuschließen oder zu beto­nen: ich kön­nte mir nen Wolf posten mit Bildern, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos — unab­hängig davon, ob’s jemand sieht, hätte ich immer noch Bilder, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos gepostet (aber immer noch nicht geschickt).

Damit unter­schei­det sich posten grundle­gend von schreiben oder schick­en (wer hat sich eigentlich und übri­gens diese Alter­na­tiv­en aus welchem Ärmel gezo­gen?), die in ihrer pro­to­typ­is­chen Ver­wen­dung ditran­si­tiv sind und deshalb mit Prozessen von DINGEN/OBJEKTEN > EMPFÄNGER/INNEN assozi­iert sind (ich schreibe dir einen Brief, er schickt mir ein Paket). Weil in tran­si­tiv­en Ver­wen­dun­gen wie bei posten das indi­rek­te Objekt fehlt, fehlt natür­lich auch der Fokus auf den Empfänger/innen.

Und bei schreiben und schick­en (trans.) son­st so? Die Behaup­tung, diese bei­den Alter­na­tiv­en wer­den über­wiegend ditran­si­tiv ver­wen­det, fehlt ein Plau­si­bil­itätskern. Klar, denn sie kön­nen einen Kom­men­tar schreiben, dessen Sig­nale nie­mand wirk­lich empfängt (ich schreibe einen Beitrag). Aber schreiben Sie tat­säch­lich URLs und RAW-Dat­en in Ihre Sta­tuszeile bei Face­book? Eben. Die These wäre dann ja noch zusät­zlich, dass man mit posten üblicher­weise das Ver­bre­it­en von Din­gen und Gedanken beze­ich­net, die gar keinen schreiberischen Charak­ter haben, oder, wenn das bei Sta­tus­meldun­gen doch der Fall ist, der Fokus auf dem Gesamtkunst­werk liegt. Aber selb­st wenn Sie URLs abtip­pen wür­den (nein, nein, es heißt nicht copy & post), beze­ich­nen wir den abgeschlosse­nen oder geplanten Vor­gang mit posten, nicht den Prozess des, äh, Abtippens.

Gepostete Daten

Eine lose Belegsamm­lung aus den Wikipedia-Diskus­sio­nen (DeReKo):

Den Link zum Raub­druck-Ver­lag habe ich gepostet, falls du dir das Heft zum Nach­le­sen kaufen willst. [WDD11/A00.16711]

Sor­ry dass ich anonym poste, aber ich habe mich noch nicht angemeldet. [WDD11/A01.05660]

darf ich jet­zt trotz­dem was posten, auch wenn ich (noch) nicht auf alle argu­mente einge­he? [WDD11/A00.10032]

Ich wäre dir dankbar, wenn Du hier mal zu deinem Males­ta entsprechende Links posten würdest. Vielle­icht wirds dann ja klar­er. [WDD11/A00.16711]

Im übri­gen poste ich Beiträge wenn ich Zeit und Lust dazu habe und nicht wenn du es dir wün­scht. [WDD11/A02.06862]

Er hat ihn ein­fach nur aus Prinzip gepostet … typ­isch. [WDD11/A02.82922]

Der Fokus liegt hier natür­lich auf der inter­ak­tiv­en Kom­mu­nika­tion zwis­chen Wikipedia-Autor/in­nen mit erhofften Empfänger/innen, aber die tran­si­tive Ver­wen­dung über­wiegt (Links, Quellen, Beiträge, Mei­n­un­gen). Weil nach gut 100 Bele­gen keine ditran­si­tive Ver­wen­dung zu find­en war, habe ich auf Google expliz­it danach gesucht:

Like & ich poste dir was auf die pin­nwand [Quelle]

ich poste dir meinen skype­na­men pri­vat. [aus einem Coach­ing-Forum]

Ich poste dir mal einen trig­ger mit dem man per aufer­ste­hung Helden wieder­bel­ben kann, den musst du prinzip­iell nur noch an deinen anpassen [aus einem Gam­ing-Forum, mit Code]

Im Unter­schied zu kom­men­tieren oder veröf­fentlichen ist die ditran­si­tive Ver­wen­dung aber dur­chaus möglich (bei ?Ich veröf­fentliche ihr was auf die Pin­nwand wär ich skep­tisch). In diesen Beispie­len tritt die Trans­ferbe­deu­tung in den Vorder­grund: Inten­tion und ein Fokus auf Emp­fang und Empfänger/in. Denn entwed­er ist posten in der Bedeu­tung von schicken/emailen zu ver­ste­hen (1 & 2, wobei in 2 eine eher untyp­is­che Ver­wen­dung vor­liegt) oder, wie im let­zten Beispiel, erfüllt das dir eine Funk­tion ‚hab ich mal extra für dich gemacht und eingestellt‘.

Vielle­icht ist es ein quan­ti­ta­tiv wack­liger Ver­such. Aber die Ten­denz ist ein­deutig: posten hat sich seman­tisch und konzeptuell und syn­tak­tisch in genau die Lücke geset­zt, die das Web im deutschen Inven­tar geris­sen hat. Von der Beschränkung auf einen irgend­wie konkreten, aber irgend­wie nicht-physikalis­chen Kon­texts natür­lich ganz zu schweigen. 

Fazit (postende)

Bei son­er Wahl sollte man sich immer über­raschen lassen.

Hipster [Anglizismus 2012]

Von Susanne Flach

Unser Cheflexikologe Michael vom lexiko­gra­phieblog lehnte in diesem Jahr den Ruf in die Jury aus zeitlichen Grün­den ab und wusste bere­its bei der Nominierung von Hip­ster offen­bar, warum: Wie will man das denn bitte definieren? Hip­ster fällt — begrif­flich! — in die gle­iche Kat­e­gorie wie Spießer und Yup­pie: irgend­wie hat man eine klare Vorstel­lung davon, was das sein soll, man will’s erkan­nt haben, wenn man’s sieht — aber natür­lich will’s mal wieder kein­er gewe­sen sein. Kurz: jen­seits humoriger Selb­st­geißelung ist Hip­ster als Eigen­beze­ich­nung sel­ten. Der Hip­ster ist ein kul­turell nahezu undefinier­bar amor­phes urbanes Phänomen in klas­sis­chen Hip­ster­biotopen (hier kartografiert).

Das wort

Hip­ster, eine Ableitung vom Adjek­tiv hip ‚hip‘, gebildet mit dem Agen­tiv­suf­fix -ster, ver­gle­ich­bar in Wort­bil­dun­gen des Englis­chen wie trick­ster, drug­ster, joke­ster oder young­ster. ((Beson­ders gut gefällt mir noch die Schöf­pung Wimp­ster im DWDS aus der ZEIT 37/2006: „Bevorzugtes Objekt der Begierde: der ‚Wimp­ster‘, eine Mis­chung aus Trend­set­ter (Hip­ster) und Weichei (Wimp).“)) Der Oxford Eng­lish Dic­tio­nary (OED) kon­sta­tiert für die frühere Phase des Früh­neuenglis­chen (ab etwa 1500) eine erhöhte Pro­duk­tiv­ität. Das Suf­fix -ster ist aber älter und geht min­destens auf das Altenglis­che -estre oder -istræ zurück, wo es Berufs­beze­ich­nun­gen für weib­liche Per­so­n­en ableit­ete, ana­log zum -er für Män­ner. Im Mit­te­lenglis­chen wurde -estre durch das franzö­sis­che -eresse abgelöst — -ster wurde also zunehmend maskulin inter­pretiert und durch -eresse/-ess kom­ple­men­tiert. Mit der gestiege­nen Pro­duk­tiv­ität von -ster ließ das Wort­bil­dungsmuster im 16. Jahrhun­dert auch vere­inzelt Bil­dun­gen mit Adjek­tiv­en oder Ver­ben zu (z.B. young­ster, 1589, oder rub­ster, 1537). ((„-ster, suf­fix“. OED Online. Decem­ber 2012. Oxford Uni­ver­si­ty Press. 28 Jan­u­ary 2013 <http://www.oed.com/view/Entry/189877?rskey=dbgDgC&result=1&isAdvanced=false>.))

Hip­ster liegt fürs Deutsche — ver­mut­lich — aus­nahm­s­los als Maskulinum vor. Ver­suche, nach fem­i­ni­nen For­men zu suchen, sind zum Scheit­ern verurteilt, weil für Hip­ster die meis­ten Genus‑, Kasus- und Numeruskom­bi­na­tio­nen zusam­men­fall­en und Suchergeb­nisse deshalb nicht auseinan­derzuhal­ten, geschweige­denn ver­gle­ich­bar sind (die Hip­ster für FEM.SG,  MASK.PL und MASK.PL„gener­isch“, etc.). Der Hip­ster hat mit gerun­det 39,000 Tre­f­fern gegenüber die Hip­sterin mit 224 Tre­f­fern leicht die Nase vorn. Es ist unwahrschein­lich, dass hier 38,776 Fälle von Synkretismus vor­liegen. Wahrschein­lich­er ist, dass Hip­ster, obwohl gen­der­bar, nicht gegen­dert wird. Abgeleit­et von Hip­ster gibt es erste Ver­suche, hip­stern als Verb zu etablieren.

Entlehnung & Aktualität

Hip­ster gibt es schon länger, auch in der deutschen Sprache. Die Exis­tenz zweier voneinan­der rel­a­tiv unab­hängiger Wikipedia-Ein­träge zu Hip­ster (20. Jahrhun­dert) und Hip­ster (21. Jahrhun­dert) sug­geriert, dass zeit- und kul­turhis­torisch Hip­ster1 und Hip­ster2 zu tren­nen sind. Ein­er der früheren ver­i­fizier­baren Belege stammt aus der ZEIT von 1962, der hip­ster als „unüber­set­zbar“ bezeichnet.

Während bei Hip­ster1 üblicher­weise das Avant­gardis­tis­che, Poli­tis­che und Rebel­lis­che im Vorder­grund ste­ht und — gle­icher­maßen durch die ret­ro­spek­tive Brille — diesem deshalb eine gewisse Cool­ness zuge­s­tanden wird, wird Hip­ster2 Cool­ness als inhärentes Charak­ter­is­tikum eines hip­pen Selb­st­bilds unter­stellt (und damit abge­sprochen). Zusät­zliche zen­trale Def­i­n­i­tion­s­merk­male sind neben ein­er Woh­nung in Szenevierteln offen­bar gän­zlich unpoli­tis­che Chi­no­ho­sen, Kaf­feeschaum­vari­a­tio­nen, Tele­fone mit Bin­nen­ma­juskeln, Nerd­brillen, Club Mate und Jutebeutel.

Hal­ten wir fest: eine Neu- bzw. Wieder­entlehnung. Denn obwohl Hip­ster so neu nicht ist, erfüllt es ein zen­trales Kri­teri­um: eine deut­liche Zunahme 2012. (Man beachte die Karte der geografis­chen Verteilung der Suchan­fra­gen. Etwas über­raschen mag das hohe Inter­esse an Hip­ster für die der uncoolen Cool­ness unverdächti­gen Städte Duis­burg, Darm­stadt, Mainz und Mün­ster. Rel­a­tiviert wird das, weil Han­nover in der Liste nicht auftaucht.) 

Aber Michael fragte ja auch danach, ob es heute noch neu­tral oder pos­i­tiv ver­wen­det wird. Das ist eher unwahrschein­lich, vor allem, weil der Begriff zu häu­fig in Tex­ten über den Umbruch urbaner Gesellschaftsstruk­turen (→Gen­tri­fizierung) mit vie­len neg­a­tiv­en Begleit­e­mo­tio­nen auftaucht:

Hass auf die Hip­ster in Kreuzberg und New York. [Tagesspiegel, 22. März 2012]

Der Hip­ster mit dem Jute­beu­tel — das neue Has­sob­jekt. [Die Welt, 10. März 2012]

Der Hip­ster — bär­tig, cool, ver­achtet. [Tagesspiegel, 18. April 2012]

(Ein Gegen­beispiel zum „wir sind so nicht“ ist die taz, die den Hip­ster auf­fäl­lig neu­tral als „Men­schen wie du und ich“ beschreibt (taz, 18. Novem­ber 2012).)

Das war nicht immer so: die spöt­tis­chen oder aufge­lade­nen Beschrei­bun­gen sind eine neuere Entwick­lung. Im ZEIT-Archiv des DWDS find­en sich ab den 1990er bis 2009 viele Belege mit neutraler(er) Szenezustandsbeschreibung:

Er war irgen­det­was zwis­chen Häftling und Hartz IV, und nun stand er hier, mit­ten in Mitte, wo die Heimat der Hip­ster ist, vor einem Laden, der bräun­liche Sweat­shirt­jack­en und Jeans mit niedrigem Bund verkauft, stand dort wie ein Türste­her und ver­bre­it­ete Angst. (ZEIT 7/2008)

Char­lotte ist eine unter­drück­te Haus­frau, die in dem schwärmerischen Hip­ster das Gegen­pro­jekt ihres Estab­lish­ments erken­nt. Char­lotte Hellekant singt sie mit ein­er drama­tis­chen Durch­lagskraft, in der stets die bürg­er­liche Angst vor dem Kon­trol­lver­lust mit­flack­ert. (ZEIT 41/2002)

Und jen­seits von Zeitungs­bele­gen, in denen die Gen­tri­fizierungs­de­bat­te meist auf ein unbekan­ntes Wesen pro­jiziert wird? Eine kurze Analyse von etwa sechs Tagen Hip­stertweets: ein­er von einem Men­schen mit hip­ster im Alias, ein neu­traler Meta-Tweet (mein eigen­er) und der Rest von der fol­gen­den Sorte:

Twit­ter braucht drin­gend Warn­hin­weise: Ver­wahrloste Hip­ster sitzen auf der Park­bank mit nix außer ihrem Smart­phone, das sie fest umk­lam­mern. @SoucieSpogk

hip­ster hip­ster gib mir mein berlin zurück @Mel61718

Vor einiger Zeit waren es ja sie Alt-68er, die hier die Poli­tik prägten. Hab schon ein wenig Angst vor der Zeit, wenn die Hip­ster dran sind. @Zellmi

Fazit: wir sind alle ein bisschen Hipster

Bei vie­len, vie­len Tweets und Blog­posts über den Hip­ster genügt ein Blick ins Pro­fil der­jeni­gen, um zu wis­sen, dass es mit Hip­ster eigentlich ganz ähn­lich ist, wie mit Spießer: es sind immer die anderen und die haben auch noch an allem Schuld. Sie gehen nie bei Rot über eine unbekan­nte Kreuzung und spülen But­ter­dosen vor Wiederver­wen­dung ein­mal heiß durch? Sehense.

Hip­ster, ein Wort, das tat­säch­lich unüber­set­zbar ist. Zur rekur­siv­en Absur­dität von Ein­deutschungsver­suchen: eine mögliche Alter­na­tive wäre Trend­set­ter (Antwort auf die unschuldige Frage: „Wie würdest du Hip­ster über­set­zen?“), welch­es aber eben­falls auf dem Index ste­ht und wofür schon Schrittmach­er, Vor­re­it­er oder Weg­bere­it­er vorgeschla­gen wurden.

Eine Lücke gefüllt? Natür­lich, auch wenn’s schon recht lange im Deutschen heimisch ist (lange vor der Hip­s­ter­de­bat­te aktueller Couleur). Aber man darf ein­wer­fen, dass der Attrib­ut­epool der Klasse „Hip­sterIn­nen“ so der­maßen tief und bre­it ist, dass die Def­i­n­i­tion schw­er ist und der Begriff — in Abwe­sen­heit iden­ti­fizier­baren Ref­eren­z­gruppe — irgend­wie schwammig bleibt.

P.S.: Damit ich das Bild nicht umson­st gemacht habe: unlängst forderte die FU-Hochschul­gruppe von DIE PARTEI die Zulas­sungs­beschränkung für Jute­beutel­träger. ((Was machen wir jet­zt mit Good­ies auf Tagun­gen? Ein­lasskon­trollen für Wis­senschaftsver­lage?)) Aber die wollen ja auch den Pren­zlauer Berg end­lagern.

Wahlwer­bung, DIE PARTEI-Hochschul­gruppe, Freie Uni­ver­sität Berlin, Jan­u­ar 2013

Fracking/fracken [Anglizismus 2012]

Von Anatol Stefanowitsch

In den näch­sten Wochen disku­tiert die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury die Wortkan­di­dat­en, die es in die Endrunde geschafft haben. Heute das Sub­stan­tiv Frack­ing und das dazuge­hörige Verb frack­en.

Das Wort Frack­ing (mach­mal auch: Frac­ing) ist eine Kurz­form des englis­chen Hydraulic Frac­tur­ing, der Beze­ich­nung für eine Tech­nik zur Förderung von Rohstof­fen wie Erdöl und Erdgas. Dabei wird in die Gesteinss­chicht­en, die die Rohstoffe umschließen, unter hohem Druck ein Gemisch aus Wass­er und ver­schiede­nen Chemikalien hineingepumpt, um auf diese Weise Risse zu erzeu­gen, durch die die Rohstoffe zur Bohrungsstelle fließen können.

Wer mehr über die Tech­nik selb­st erfahren will, dem sei dieser aktuelle Beitrag im Fis­chblog emp­fohlen; aus lexiko­grafis­ch­er Per­spek­tive sind zwei Dinge wichtig: In Deutsch­land lagert sehr viel Erdgas in Gesteinss­chicht­en, an die ohne diese Tech­nik derzeit kein Her­ankom­men ist (weshalb die Energiekonz­erne die Tech­nik gerne in großem Maßstab anwen­den möcht­en), und die Tech­nik hat schw­er­wiegende Kon­se­quen­zen für die Umwelt (weshalb vor allem die Men­schen in den poten­ziellen Frack­ing-Gebi­eten das unbe­d­ingt ver­hin­dern wollen). Das führt zu ein­er anhal­tenden Debat­te, die das Wort im let­zten Jahr in den all­ge­meineren Sprachge­brauch gespült hat: Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus taucht es 2010 in nur zwei Tex­ten auf, 2011 find­et es sich bere­its 70 Mal in 25 ver­schiede­nen Tex­ten, und bis Juli 2012 (weit­er geht das Kor­pus derzeit noch nicht) waren es dann schon über 400 Tre­f­fer in mehr als 160 Tex­ten. Weit­er­lesen