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Fastnachtsausbruch

Von Kristin Kopf

Es ist wieder soweit … geschmack­los verklei­dete Men­schen pinkeln geräuschvoll an die Hauswand. Und das ist erst der Anfang der Mainz­er Fast­nacht, liebevoll “Fasse­nacht” genan­nt. (Man kann übri­gens “Zug­plakettcher” in der Stadt kaufen.)
Grimms Wörter­buch charak­tierisiert die Fast­nacht char­mant als “die let­zte derb ausgenossene freszzeit vor dem beginn der faste”.

Aber woher kommt eigentlich die Beze­ich­nung? Die gängige Erk­lärung lautet immer, es sei eine Zusam­menset­zung aus “Fas­ten” und “Nacht”, also qua­si die Nächte vor der Fas­ten­zeit — aber ein Blick in Kluges Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch ver­rät, dass es sich nur um eine Volk­se­t­y­molo­gie han­delt. In Wirk­lichkeit ist alles viel … mys­ter­iös­er. Die Herkun­ft ist näm­lich unklar.
Es muss ein­mal eine Form gegeben haben, die fasanaht hieß, wovon der zweite Teil schon ‘Nacht’ bedeutet, aber der erste nicht zuzuord­nen ist. Kluge spekuliert ein bißchen und ist dafür, dass es von ein­er indoger­man­is­chen Wurzel mit der Bedeu­tung ‘reini­gen, läutern’ kommt (*pwos-).
Diese wiederum kön­nte aber auch die Wurzel von fas­ten sein, *pwos-to- ‘rein, rechtschaf­fen, gewis­senhaft’. Also vielle­icht doch die Nacht vor dem Fas­ten? Hm …

Und was ist mit Karneval? Es kommt vom ital. carnevale, das auch wieder ein Herkun­ft­sprob­lem hat. Kluge schlägt eine Entwick­lung wie diese vor: lat. de carne levare ieiu­ni­um ‘von Fleisch weg­nehmen Fas­ten’ (Wort-für-Wort) > car­nel­e­vare > car­nel­e­var­i­um > carnevale.
Nach sein­er Erläuterung hat uns Kluge noch fol­gen­des zu bieten: “Täter­beze­ich­nung: Karneval­ist”.

Snack su Silvester: Seeunkraut

Von Kristin Kopf

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Ein schön­er Fall, der zeigt, dass bei zusam­menge­set­zen Wörtern (Kom­posi­ta) die Teilbe­deu­tun­gen nicht automa­tisch die Gesamtbe­deu­tung ergeben — und dass man entsprechend ganz schön daneben­liegen kann, wenn man die Einzelbe­standteile wörtlich übersetzt:

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Manch­mal wur­den solche wörtlichen Über­set­zun­gen übri­gens zu “richti­gen” deutschen Wörtern — allerd­ings meis­tens nur, wenn es entwed­er noch kein deutsches Wort dafür gab, oder das Wort aus irgen­deinem Grund als inadäquat emp­fun­den wurde.
So etwas nen­nt man dann Lehnüber­set­zung: Hellse­her (frz. clair­voy­ant), Einkauf­szen­trum (engl. shop­ping cen­ter), allmächtig (lat. omnipotens).

[Weihnachten] Die Christmette und Xmas

Von Kristin Kopf

Heute, dank meines Brud­ers, ein bißchen Ety­molo­gie … Warum heißt es Christ­mette und nicht Christmesse?
Die bei­den For­men haben, wider Erwarten, nichts miteinan­der zu tun:

Mette kommt von lat. laudes mātūtī­nae, also ‘Mor­gen­lob’. Irgend­wann fiel das erste Wort weg und im spät­lat. hieß es nur noch mat­ti­na. In dieser Form wurde es dann ins Althochdeutsche (500/750‑1050) entlehnt, wurde im Mit­tel­hochdeutschen (1050–1350) zu mettî(ne), met­tene und kam schließlich bei der heuti­gen Form an.
laudes mātūtī­nae beze­ich­nete die erste Gebet­szeit des Tages, sie wird auch Vig­il oder Matutin genan­nt. Dieses Stun­denge­bet wurde nachts ver­richtet, früh­estens um Mit­ter­nacht, und bezieht sich entsprechend auf den fol­gen­den Tag. Es ist eigentlich keine Messe, also kein Gottes­di­enst mit Eucharistiefeier — dazu wurde nur die Christ­mette. Die ja jet­zt vielerorts auch schon um 22 Uhr gefeiert wird.

Messe kommt von spät­lat. mis­sa ‘Gottes­di­enst’, das so ins Althochdeutsche entlehnt wurde und im Mit­tel­hochdeutschen dann zu messe wurde.
Woher das lat. mis­sa genau kommt, ist nicht ganz gek­lärt, Kluge nen­nt als gängige Hypothese, dass es von Ite, mis­sa est. ‘Gehet, es ist ent­lassen!’ kommt, was vor dem Abendmahl gesagt wurde, um alle wegzuschick­en, die nicht daran teil­nehmen durften.
Von der kirch­lichen Messe kommt übri­gens auch die weltliche, über den Zwis­chen­schritt ‘kirch­lich­es Fest’ zu ‘Jahrmarkt, Großausstellung’.

Das englis­che mass ‘Gottes­di­enst’ hat densel­ben Ursprung wie Messe, Christ­mas entspräche also einem fik­tiv­en *Christmesse für ‘Wei­h­nacht­en’.
Zu Xmas gibt es grade einen kurzen Artikel bei der FAZ, der erk­lärt, woher das X kommt — vom griechis­chen Buch­staben Chi näm­lich, mit dem das Wort Chris­tus (‘der Gesalbte’) im Griechis­chen begin­nt: Χριστός.