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Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen

Von Kristin Kopf

Heute habe ich einen Buchtipp für euch: THE COMPLEAT ENGLISH GUIDE FOR THE GERMANS a.k.a. Der vol­lkommene Englis­che Weg=Weiser für die Deutschen. Erschienen 1715 in Leipsick/Leipzig.

Das ganze Buch ist super­span­nend, aber ich bin gle­ich bei den Aussprachehin­weisen hän­genge­blieben. Das geht auf Seite 1 los, klas­sis­cher­weise mit

A

Da gibt’s eine ganze Menge Beispiel­wörter mit Ausspra­chetipps für Deutsche, so z.B.

  • face ‘Gesicht’ → fähs,
  • blame ‘Schuld’ →  blähm.

Ein mod­ernes Lehrbuch würde hier eher fäis und bläim vorschla­gen, also Diph­thonge (Zwielaute). Das liegt nicht daran, dass der Autor keine Ahnung von englis­ch­er Aussprache hat­te (er war immer­hin “Englische[r] Sprach=Meister in Lon­don”), son­dern daran, dass das Englis­che sein Vokalsys­tem im Ver­lauf sein­er Geschichte ganz kräftig durchgerüt­telt hat. Weit­er­lesen

Du, Sie, Müller’s Vieh

Von Susanne Flach

Nebe­nan im Sprachlog hat Ana­tol unter dem Ver­dacht der Inhalt­sleere die Frage gestellt, was seine LeserIn­nen so in welchem Kom­mu­nika­tion­skanal siezen. Das hat mich drin­gendst daran erin­nert, dass ich seit Jahr und Tag mal was zum ‘Siezen im Englis­chen’ schreiben wollte.

Das kommt so: Mit zunehmender Dauer tendiert die Wahrschein­lichkeit gegen 1, dass jemand in ein­er Diskus­sion zur Anrede im Englis­chen behauptet, dass im Englis­chen “streng genom­men” nur gesiezt wird: Das “You” ist kein “Du”, son­dern ein “Sie”, Die Du-Form … ist schon seit 200 Jahren aus dem Wortschatz ver­schwun­den oder Das Englis­che “you” bedeutet nicht “Du”, son­dern entspricht eher ein­er Anre­de­form, die der alt­deutschen Form “Ihr” näherkommt, einem Plur­al, der Respekt bezeugt.

Obwohl sprach­his­torisch nicht völ­lig daneben, ist die Begrün­dung um und bei immer die Gle­iche: Zu grauer Vorzeit gab es thou für die 2. Per­son Sin­gu­lar und you für die 2. Per­son Plur­al. Erstere (thou.2SG) sei dabei ver­loren gegan­gen und nur you.2PL ist übrig geblieben. Ergo: Im Englis­chen wird eigentlich gesiezt.

Das ist aber gle­ich ein dreifach­er Trugschluss. Der erste Trugschluss, an dessen heißen Punk­ten ich mir gar nicht die Fin­ger ver­bren­nen will, ist der, dass die Anre­destrate­gien in bei­den Sprachen irgend­wie eins-zu-eins aufeinan­der über­trag­bar wären. Der Trugschluss beschreibt die Vorstel­lung, dem deutschen Siezen im Englis­chen eine Entsprechung gegenüber­stellen zu kön­nen. Dass das Unsinn ist, kann jed­er bestäti­gen, der bei­de Sprachen auch prag­ma­tisch ganz gut beherrscht und einem Mono­lin­gualen die Anre­dekon­ven­tio­nen der jew­eils anderen Sprache erk­lären möchte. Natür­lich kön­nte man argu­men­tieren, dass man an der Ver­wen­dung von Vor­na­men oder Nach­na­men eine gewisse Duzen-Siezen-Äquiv­alenz erken­nen kann. Das Prob­lem ist aber deut­lich zu vielschichtig und ich möchte mich hier nicht im Dic­kicht ver­hed­dern, das ver­sucht, ein zwei­di­men­sion­ales mor­phosyn­tak­tis­ches Par­a­dig­ma ein­deutig auf ein min­destens vierdi­men­sion­ales Sys­tem von Dis­tanz, Respekt, Kon­text und soziokul­turellen Nor­men anzuwen­den. Darum soll’s mir hier nicht gehen.

Der zweite Trugschluss ist mor­phosyn­tak­tis­ch­er Natur. Richtig ist zunächst, dass for­mal nicht zwis­chen you.2SG+V und you.2PL+V unter­schieden wer­den kann. Das ist jet­zt natür­lich wenig erstaunlich, denn die einzige Präsensver­balflex­ion des Englis­chen find­et sich in der 3. Per­son Sin­gu­lar Indika­tiv (zumin­d­est in der Stan­dard­va­ri­etät und mit Aus­nahme von {BE}).

Dieser Trugschluss sug­geriert aber, dass im Englis­chen die Zeile ‘2SG’ leer ist, was natür­lich nicht stim­men kann (mehr dazu später). Wenn wir jet­zt mal die sozi­olin­guis­tis­che Siezen-Duzen-Unter­schei­dung weglassen, gibt es auch im Englis­chen die seman­tis­che Unter­schei­dung you ‘du’ und you ‘ihr’ — you ist da im Ver­gle­ich zum Deutschen ambig; aber immerhin.

1SG I am ich bin
2SG you are du bist
3SG he/she/it is er/sie/es ist
1PL we are wir sind
2PL you are ihr seid
3PL they are sie sind

(Wenn wir’s also wirk­lich streng nehmen wür­den, ist Siezen schon allein deshalb Unfug, weil you.PL natür­lich ‘ihr’ entspricht. Aber sind wir mal nicht so.)

Was ver­loren gegan­gen ist, ist die gram­ma­tis­che Unter­schei­dung von 2SG und 2PL, nicht eine 2SG-Form an sich. Die fol­gende Darstel­lung der his­torischen Entwick­lung ist stark vere­in­facht, nichtzulet­zt, weil nur die Nom­i­na­tiv-For­men angegeben sind und hier noch der Dual aus dem Altenglis­chen aus­geklam­mert ist (Smith 1999: 77, 113, 146):

AE ME FNE ModE ModE (dialektal/
kontextuell)
2SG.NOM þu thou thou you you/thou (arch.)
2PL.NOM ge ye ye/you you yous(e)/yiz/yez

An dieser kurzen Über­sicht ist rel­a­tiv klar erkennbar, dass you [ju:] die ‘Weit­er­en­twick­lung’ des 2PL-Pronomens ist und der Bruch beim 2SG-Pronomen im Früh­neuenglis­chen (FNE) liegt. Die Erk­lärung geht so: <g> wurde im Altenglis­chen (AE) prä­vokalisch [j] aus­ge­sprochen und <þ> als [ð], wie im heuti­gen they. Aber es bedeutet eben nicht, dass die 2SG-Form an sich ver­schwun­den ist — die ältere Form thou wurde nach ein­er ziem­lich kom­plex­en Vari­a­tion im thou/you-Kos­mos von you ver­drängt, welche dabei vom Plur­al-Kon­text auf den Sin­gu­lar-Kon­text aus­geweit­et wurde und die Funk­tion you.2SG ‘du’ über­nahm. Die Gründe dafür find­en sich vor allem im stilis­tis­chen und sozio­prag­ma­tis­chen Bere­ich (Busse 2002). Die ganze Geschichte ist in Wahrheit z.B. in Verbindung mit dem vor­ange­gan­genen Kasus­ab­bau sehr viel kom­plex­er, aber für den Moment soll das reichen.

Hier kön­nen wir ein Konzept aus der Sozilin­guis­tik ins Spiel brin­gen, die soge­nan­nte T-/V‑Un­ter­schei­dung (Brown & Gilman 1960). Anders aus­ge­drückt: thou hat früher nicht nur eine Numerusun­ter­schei­dung ermöglicht (2SG), son­dern auch als T‑Pronomen fungiert (von lat. tu ‘du’), you/ye dage­gen als V‑Pronomen (von lat. vos ‘ihr/Sie’). So gab es ein Hon­ori­fikum, mit dem man auch nur eine Per­son ansprechen kon­nte, also zusät­zlich zu du/ihr auch eine entsprechende du/Sie-Unter­schei­dung tre­f­fen kon­nte — die soge­nan­nte T-/V‑Un­ter­schei­dung. Diese Unter­schei­dung existiert im heuti­gen Englisch aber nicht mehr — und you erfüllt als you.2SG die Funk­tion ‘eine mir gegenüber­ste­hende Per­son’ und als you.2PLzwei oder mehrere mir gegenüber­ste­hende Personen’.

Wenn jet­zt also jemand sagt, im englis­chsprachi­gen Raum wird “eigentlich” gesi­et­zt, der sagt damit ja, dass die Kat­e­gorie 2SG ungenutzt dastünde (s.o.). Dass das nicht richtig ist, zeigt sich erstens in der Numerusun­ter­schei­dung der Reflex­ivpronom­i­na, wo your­self.2SG und your­selves.2PL klar die Exis­tenz der Numeruskat­e­gorie bele­gen. Zweit­ens tritt you.2PL dialek­tal, kon­textab­hängig und umgangssprach­lich als yous(e)/yez/yiz.2PL auf und ermöglicht so eine Dis­am­bigu­ierung von you.SG und you.PL. Wenig über­raschend find­en sich alle Belege für yous(e), youz(e), yiz, oder yez im BNC dementsprechend in den Gen­res der gesproch­enen Sprache wie ‘Fic­tion’, ‘Oral His­to­ry’, ‘Inter­view’ oder ‘Con­ver­sa­tion’.

Iro­nis­cher­weise ist eine mögliche Erk­lärung für das Ver­schwinden des thou.2SG aus dem Pronom­i­nal­par­a­dig­ma der Stan­dard­sprache, dass man zu Shake­spear­es Zeit­en you.2PL (damals V‑Form) in ein­er Höflichkeitsspi­rale auch für Anre­den nutzte, für die man bis dahin die T‑Form thou nutzte. Die Ironie dabei ist, dass thou jet­zt archaisch ist und abge­se­hen von weni­gen Dialek­tver­wen­dun­gen heute auf religiöse und erzkon­ser­v­a­tive Kon­texte beschränkt ist: Thou, my Lord! ‘Du, mein Gott’, also gewis­ser­maßen jet­zt eine höhere For­mal­ität aufweisen. Der Prozess in der Stan­dard­sprache war aber um 1700 abgeschlossen, you der unmarkierte Fall für die all­ge­meine Anrede und die syn­tak­tis­che V-/T‑Un­ter­schei­dung somit wegge­fall­en (Busse 2002: 3, OED).

Der dritte Trugschluss ist deshalb ety­mol­o­gisch. Nur weil etwas irgend­wann (hier: so vor, hm, 300–400 Jahren) mal so und so war, heißt das nicht, dass es noch so ist bzw. dass es noch so sein sollte. Heute wird gibt es im Englis­chen keine gram­ma­tis­che V-/T‑Un­ter­schei­dung. Selb­st die dialek­tale Ver­wen­dung von thou ist auf einen sehr inti­men-famil­iären Kon­text beschränkt. Wenn, dann wer­den Dis­tanz, Respekt oder son­stige Hier­ar­chie­un­gle­ich­heit­en auf andere Weise aus­ge­drückt. Aber gesiezt wird hier bes­timmt niemand.

(Genau­so däm­lich ist es umgekehrt zu behaupten, im Englis­chen gäbe es kein Sie. Soll­ten Sie das aus meinen Zeilen lesen oder gele­sen haben, gehen Sie zurück zu Trugschluss 1 und 2.)

Ach so ja: Die Großschrei­bung der Anrede Sie im Deutschen ist irgend­wie auch nur eine schrift­sprach­liche Kon­ven­tion, die zum Beispiel das strafrechtlich­es Beziehungs­ge­flecht bei ich wurde von Ihnen/ihnen kranken­haus­reif geschla­gen dis­am­bigu­iert. Hände hoch, wer beim siezen an eine abwe­sende dritte Per­son im Plur­al denkt? Mor­phosyn­tak­tisch nutzen wir im Deutschen für die Höflichkeit­sanrede die 3.PL, was sprachty­pol­o­gisch übri­gens sehr ungewöhn­lich ist (Helm­brecht 2005, 2011). Denkense mal drüber nach, bevor Sie behaupten, im Englis­chen wird gesiezt: What did They do yes­ter­day? und Ihren gegenüber meinen.

Wie würde das denn klin­gen, wenn Sie eine Duzbekan­ntschaft auf Englisch mal übel beschimpfen möchten?

Fuck thou?

PS: Also, Ana­tol, wie du siehst, sieze ich im Blog. Es lässt sich im Zweifels­fall leichter beleidigen.


Brown, Roger & Albert Gilman. 1960. The pro­nouns of sol­i­dar­i­ty and pow­er. In: Sebeok, Thomas [ed]. Style in Lan­guage. MIT Press: 253–276.

Busse, Ulrich. 2002. Lin­guis­tic vari­a­tion in the Shake­speare cor­pus — mor­pho-syn­tac­tic vari­abil­i­ty of sec­ond per­son pro­nouns. Ben­jamins.

Helm­brecht, Johannes. 2006. Typolo­gie und Dif­fu­sion von Höflichkeit­spronom­i­na in Europa. Folia Lin­guis­ti­ca 39(3–4): 417–452. [Link zu ein­er frei ver­füg­baren Ver­sion von 2005, Arbeitspa­piere des Sem­i­nars für Sprach­wis­senschaft der Uni­ver­sität Erfurt (18).]

Helm­brecht, Johannes. 2011. Polite­ness Dis­tinc­tions in Pro­nouns. In: Dry­er, Matthew S. & Mar­tin Haspel­math [eds]. The World Atlas of Lan­guage Struc­tures Online. Max Planck Dig­i­tal Library, chap­ter 45. [Link] (06. Mai 2012).

Smith, Jere­my J. 1999. Essen­tials of Ear­ly Eng­lish. Rout­ledge.

Etymologiequiz die Dritte

Von Kristin Kopf

So, Semes­ter­fe­rien. Bißchen Zeit zum Luft­holen und, juhu, für’s Sch­plock! Heute gibt es die dritte Aus­gabe des Ety­molo­giequiz: Ich gebe euch einen Haufen Wörter und ihr sagt mir, welche davon auf einen gemein­samen Ursprung zurück­ge­hen. Die Neuerung dies­mal: Es han­delt sich um deutsche und englis­che Wortpaare.

So gehören zum Beispiel engl. very ’sehr’ und dt. wahr zusam­men: Bei­de haben ihren Ursprung in der indoger­man­is­chen Form *weros-. Fun fact: Das englis­che Wort hat nicht den Weg über die his­torischen Vorstufen des Englis­chen genom­men, son­dern Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres 2011: Shitstorm

Von Kristin Kopf

Ihr habt es auf dem ein oder anderen Weg bes­timmt schon mit­bekom­men: Der Anglizis­mus des Jahres 2011 ist gewählt! Auf den ersten Platz hat es Shit­storm geschafft, zu dem ander­swo schon viel geschrieben wurde (Lau­da­tio, AdJ 2010, AdJ 2011) und das auch der Favorit des Pub­likums war.

Den zweit­en Platz hat Stresstest gemacht (Besprechung im Sprachlog). Das war auch ein­er mein­er Top-3-Kan­di­dat­en (unter uns gesagt, der top­ste davon), und weil bish­er qua­si alle Medi­en meine Begrün­dung dafür bis zur Unken­ntlichkeit verkürzt haben, kriegt Ihr sie hier in voller Länge. Nicht furcht­bar kreativ, aber komplett:

Die Bil­dung gefällt mir beson­ders gut, weil das Wort auf den ersten Blick gar nicht so fremd aussieht: Sowohl Stress als auch Test sind schon lange bestens inte­gri­ert. Dass das Kom­posi­tum, neben älteren Bil­dun­gen, neu entlehnt wurde, wird an der Ver­wen­dung im Sinne von ‘Über­prü­fung der physis­chen Belast­barkeit’ deut­lich. Dabei hat das Sim­pliz­ium Stress diese neue Bedeu­tung (noch) nicht angenom­men, sie bleibt auf das Kom­posi­tum beschränkt.
Ein leicht­es Minus muss das Wort bezüglich der seman­tis­chen Lücke in Kauf nehmen: Den extrem ähn­lichen Belas­tung­stest gab es bere­its. Die Moti­va­tion für die Entlehnung dürfte damit eine andere gewe­sen sein.

Der drit­ten Platz ist mit circeln beset­zt, ein Kan­di­dat, dem ich, ganz ehrlich, gar nichts abgewin­nen kann. Andere schon. Hm, wer weiß, vielle­icht über­rascht er mich ja eines Tages doch noch positiv.

So, das war’s für 2011. Hat Spaß gemacht, war aber auch eine Art ganz per­sön­lich­er Stresstest. Was Euch anbe­langt: Gehet hin und entlehnet neue Kan­di­dat­en für den AdJ 2012!

[Anglizismus des Jahres] Publikumsabstimmung

Von Kristin Kopf

Für alle, die’s noch nicht mit­bekom­men haben: Noch bis ein­schließlich 11.2. läuft die Pub­likumsab­stim­mung für den Anglizis­mus des Jahres 2011! Noch sind 16 Wörter im Ren­nen, nämlich

-gate, Bar­camp, circeln, Cloud, Con­tent­farm, Cyberkrieg/-war, Euro-Bonds, Hack­tivism, Hair­cut, Mas­terand, Occu­py, Post-Pri­va­cy, Script­ed Real­i­ty, Shit­storm, Stresstest, Tablet

Ich bin ger­ade dabei, mir für die Juryab­stim­mung eine Mei­n­ung zu bilden und finde es ziem­lich schwierig. Ganz ehrlich: Eigentlich haut mich kein Kan­di­dat so richtig um. Bei eini­gen sehe ich Poten­zial für in ein, zwei Jahren, hmja. Aber mal schauen, zu welchen Erken­nt­nis­sen ich heute Nacht gelange, wenn ich alle Blog­beiträge der Jury noch ein­mal gründlich gele­sen habe.

[Anglizismus des Jahres] Emanzipiert sich das Tablet?

Von Kristin Kopf

Heute also das Tablet. Ein flach­er, tas­tatur­los­er Com­put­er von umstrit­ten­em Nutzen und auf jeden Fall ein Wort, das mir für eine Analyse auf den ersten Blick ähn­lich unat­trak­tiv erschien wie die let­ztjährige App: Vor meinem inneren Auge türmten sich Berge von trock­en­er Tech­nikberichter­stat­tung und Wer­bege­fasel, ganz vorne mit dabei die Fir­ma Apple. Aber, coole Sache: So schlimm war’s gar nicht bzw. man kon­nte sehr schnell drüber­scan­nen. Und meine Recherche liefert sog­ar richtig schöne Ergeb­nisse, schaut mal:

(Suche in Nürn­berg­er Nachricht­en, Mannheimer Mor­gen, Ham­burg­er Mor­gen­post, Braun­schweiger Zeitung, per Cos­mas II web; absolute Zahlen)

Das war eine Kor­pus­recherche in den vier Zeitun­gen, die ich auch für -gate genutzt habe.1 Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] Greift ‑gate um sich?

Von Kristin Kopf

Unter den Vorschlä­gen für den Anglizis­mus des Jahres 2011 gab es auch ein Wort­teil von nicht so recht bes­timm­barem Charak­ter, näm­lich -gate. Das will ich mir heute genauer anschauen – par­al­lel zu suz, die zeit­gle­ich mit mir ihre Beobach­tun­gen zum The­ma postet.

Vorgeschla­gen wurde es von Patrick Schulz, der let­ztes Jahr den Gewin­ner leak­en nominiert hat, und zwar mit der fol­gen­den Begründung:

Ich schlage dieses Jahr das Skan­dal­isierungssuff­fix -gate zum AdJ vor. Es wird dazu benutzt, die seman­tis­che Deno­ta­tion seines Kopfes (Also die Bedeu­tung dessen, an das es sich ran­hängt) zu einem Skan­dal von nationaler Trag­weite zu erk­lären oder auch zu verk­lären. Diese mitunter iro­nisierende Nebenbe­deu­tung hebt es m.E. von beste­hen­den Äquiv­a­len­ten ab.

Ganz aktuelle Beispiele sind u.a. padgate, Gut­ten­gate oder Jena­gate.

Es geht dabei weniger darum, irgendwelche kur­zlebi­gen Wörter, die auf ‑gate enden, für den AdJ2011 vorzuschla­gen, son­dern dieses gebun­dene und sie verbindende Mor­phem, welch­es an beliebige Kopflex­eme ange­hängt wer­den darf um eine sozial- und/oder medi­enkri­tis­che Botschaft zu ver­mit­teln. Es ist dabei im höch­sten Maße pro­duk­tiv, wie die eben erwäh­n­ten Beispiele zeigen. Noch dazu geht es mit eini­gen inter­es­san­ten pho­nol­o­gis­chen Prozessen ein­her, so heist es etwa Gut­ten­gate, nicht aber *Gut­ten­berggate o.ä..

Ich will in diesem Beitrag über­prüfen, ob -gate wirk­lich so häu­fig neue Wort­bil­dun­gen einge­ht und falls ja, wozu sie dienen. Patrick ver­mutet ja einen iro­nis­chen Unter­ton, was ich nicht ganz von der Hand weisen will. Ob der aber nur durch den Äußerungskon­text entste­ht, oder wirk­lich schon dem Ele­ment anhaftet, bleibt zu klären. Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Soll man adden adden?

Von Kristin Kopf

adden ist ein schwieriger Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres 2011. Wie von vie­len Seit­en schnell bemerkt wurde, ist das Wort in gewis­sen Kreisen schon seit langem recht ver­bre­it­et – so zum Beispiel für das Hinzufü­gen von Kon­tak­ten bei ICQ (danke für den Hin­weis, Katrin! Ken­nt und nutzt das noch wer? Und wann und wie ist das eigentlich aus meinem Leben verschwunden?).

Das Wort wurde auch let­ztes Jahr schon nominiert (hier), hat es dann aber nicht in die engere Auswahl geschafft. Allerd­ings hat mein­er Erin­nerung nach nie­mand eine gründliche Analyse dazu geschrieben und wer weiß, vielle­icht hat sich seit damals ja auch einiges getan. Die diesjährige Nominierung ist hier zu finden.

Zunächst ein­mal muss

eine Begriffserklärung

her. Weit­er­lesen

Was macht eigentlich … leaken?

Von Kristin Kopf

Die Nominierungsphase für den Anglizis­mus des Jahres 2011 läuft (noch bis zum 31.12.!) – eine schöne Gele­gen­heit, mal besinnlich zu wer­den und nachzuschauen, wie es dem Gewin­ner von let­ztem Jahr ergan­gen ist: leak­en. Es gab damals zwei recht aus­führliche Analy­sen von suz und mir, denen aber für 2010 die Dat­en fehlten: Das Wort trat ja erst im Herb­st so richtig ans Licht der bre­it­en Öffentlichkeit, und das DeReKo (eine enorm große Samm­lung von Zeitung­s­tex­ten, zugänglich via Cos­mas II) umfasste damals nur die erste Jahreshälfte. Mit­tler­weile sind die Dat­en da und ich hab mal reingeschaut, allerd­ings mit ernüchtern­dem Ergeb­nis: Das Verb leak­en tritt 2010 grade mal zweimal auf, inklu­sive ein­er scherzhaften Verwendung:

  • Ulmen schlüpft in die Rolle sein­er Kun­st­fig­ur Uwe Wöll­ner und erk­lärt aktuelle Begriffe wie „Leak­ing“ („Wenn ich niese, zum Beispiel, leake ich meine Erkäl­tung“). (Mannheimer Mor­gen, 13.12.2010, S. 28)
  • Wiki leakt weit­er. Die «Rund­schau» reist nach Island zu Mit­stre­it­ern von Julian Assange. (St. Galler Tag­blatt, 15.12.2010, S. 12)

Im Jahr 2011 (erste Jahreshälfte) dann bish­er drei Tre­f­fer, ein­er scherzhaft:

  • Leak­en, das heisst etwas vor der Veröf­fentlichung ver­bre­it­en, sei «grund­sät­zlich ein anar­chis­tis­ch­er Akt». (St. Galler Tag­blatt, 28.01.2011, S. 9)
  • Merke: „Ein klein­er Wiki leakt in jedem von uns!“ (Nürn­berg­er Nachricht­en, 03.03.2011, S. 8)
  • Wohin der Weg eines trans­par­enteren Staates führen kön­nte, zeigte eine Äußerung des Bun­des­daten­schutzbeauf­tragten Peter Schaar: „Wenn Möglichkeit­en zur Freiga­be von Dat­en erle­ichtert wer­den, min­dert das den Druck, Dat­en zu leak­en.“ (Rhein-Zeitung, 18.04.2011, S. 32)

Für die Vor­jahre sieht das immer­hin noch schlechter aus, wie ich in meinem let­ztjähri­gen Artikel schon erwäh­nt habe (2005 gibt es drei Ver­wen­dun­gen für Computerspiele/Musik, die aus der Wikipedia stam­men, das war’s), aber Ten­den­zen kann man daraus nun wirk­lich keine ableiten.

In mein­er Daten­not habe ich auf Google­News zurück­ge­grif­f­en. Das ist aus mehreren Grün­den keine beson­ders gute Idee, darunter z.B.:

  •  Man hat keine Ahnung, wieviele Tex­twörter ins­ge­samt durch­sucht wer­den. Da das von Jahr zu Jahr vari­ieren kann, kön­nte die rel­a­tive Vorkom­men­shäu­figkeit eine ganz andere sein, als die absolute nahelegt. Wenn man davon aus­ge­ht, dass die Textzahl jedes Jahr steigt, dann ist auch der Anstieg von leak­en nicht mehr so ungewöhnlich.
  • Die Datierung ist unzu­ver­läs­sig. Der Tre­f­fer, den ich für 2002 hat­te, bezieht sich z.B. anachro­nis­tis­cher­weise auf Wik­ileaks und stammt dann auch in Wirk­lichkeit von 2010. Wer weiß, wie viel da son­st noch im Argen liegt.

Nichts­destotrotz habe ich die Suche unter­nom­men, und zwar mit der Suchanfrage

leak­en” OR “leake” OR “leakst” OR “leakt” OR “leak­te” OR “leak­test” OR “leak­tet” OR “leak­ten” OR “geleakt” OR “geleak­te” OR “geleak­ten” OR “geleak­ter” OR “geleak­tes” OR “geleak­tem”

Die sollte so ziem­lich alle erwart­baren ver­balen und adjek­tivis­chen Vorkom­men abdeck­en. Für die let­zten zehn Jahre find­et man dann die fol­gen­den Ergeb­nisse in absoluten Zahlen (von mir bereinigt):


Einen Anstieg kann man daraus, wie bere­its bemerkt, nicht ableit­en, aber man kann sich das Ver­hält­nis der ver­schiede­nen Anwen­dungs­bere­iche zueinan­der anschauen. Die Ein­teilung ist recht grob, weil ich bei Fil­men, Musik und Tech­nik nicht sauber aus­sortiert habe, wann es sich um ein geleak­tes Pro­dukt han­delte und wann um Infor­ma­tio­nen dazu (sind auch teil­weise im roten Balken gelandet, aber nicht so furcht­bar sys­tem­a­tisch) – wenn jemand Zeit hat … Momen­tan sieht es so aus, als sei prozen­tu­al nur die Film-Musik-Tech­nik-Bedeu­tung etwas gestiegen (2010 56%, 2011 65%) und die Über­tra­gung auf die Infor­ma­tions­be­deu­tung ließe noch auf sich warten (falls sie jemals so richtig kommt; 2010 25%, 2011 24%). Vielle­icht tut sich aber, wie gesagt, etwas im Über­schnei­dungs­bere­ich “Infor­ma­tio­nen zu Fil­men, Musik, Technik”.

Ich fürchte, wir müssen in einem Jahr wieder nach­schauen, wie es dem Leak­en so geht.

[Werkzeug] Es läppert sich …

Von Kristin Kopf

Kür­zlich kam jemand mit der Suchan­frage es läp­pert sich ethy­mol­o­gisch hier­her. Zu ethy­mol­o­gisch hab ich schon mal was geschrieben, zum Läp­pern aber nicht. Wie zur Herkun­ft viel­er ander­er Wörter oder Phrasen auch nicht. Daher gibt’s heute ein bißchen Hil­fe zur Selbsthilfe.

Will man die Bedeu­tungs- und Laut­geschichte eines Wortes erkun­den, dann hil­ft ein Blick in ein soge­nan­ntes “Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch”. Für das Deutsche gibt es da mehrere, zum Beispiel den Kluge, den Pfeifer und das Duden-Herkun­ftswörter­buch (genaue Angaben s.u.). Ich habe früher meist den Kluge benutzt, finde aber Pfeifer mit­tler­weile bess­er, weil er mehr Wort­bil­dun­gen verze­ich­net. Und die gute Nachricht: Die Ein­träge aus dem Pfeifer gibt es auch online, und zwar auf der DWDS-Seite.

Ein­fach in das Such­feld das fragliche Wort (hier: läp­pern) eingeben. Die Suche erfol­gt in allen Kom­po­nen­ten des DWDS (das sind u.a. Kor­po­ra und ein “nor­males” Wörter­buch) und die Ergeb­nisse wer­den in kleinen Kästen präsen­tiert. Der Ety­molo­gie-Kas­ten befind­et sich oben rechts, hier orange  hinterlegt:

Da zeigt sich dann, dass es läp­pert sich (bzw. es läp­pert sich zusam­men) die Bedeu­tung ‘in kleinen Men­gen zusam­menkom­men’ hat. Sie lässt sich mit der Geschichte des Verbs läp­pern recht gut nachvol­lziehen: Weit­er­lesen