Bei unserem Voting zum Anglzismus des Jahres 2013 haben wir einen Milestone erreicht: Halbzeit bei der Nominierungsphase. Zeit, also, für eine Executive Summary auch hier im Sprachlog. Bis gestern konnten wir auf unserer Nominierungsseite 41 Vorschläge unserer Target Group posten, und heute kamen noch einmal elf Wortkandidaten dazu, die die Jury in einer ersten eigenen Recherche identifiziert hat. Damit stehen wir in unserer Competition aktuell bei 52 Wörtern, die um den Sieg in unserer Winner-takes-all-Wörterwahl kämpfen müssen. Weiterlesen
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Anglizismus 2013: Es geht los
Am Freitag haben wir darauf hingewiesen: Es ist die Jahreszeit der Wörterwahlen, und damit auch Zeit für den „Anglizismus des Jahres 2013“: Wie schon in den letzten drei Jahren werden wir mit Ihrer Hilfe in den nächsten Monaten wieder das englische Lehnwort wählen, das die deutsche Sprache im laufenden Jahr am stärksten bereichert hat. Wir erinnern uns: 2010 kam das Wort leaken auf Platz 1 (und zwar ohne dass Mitglieder der Jury das vor der Bekanntgabe enthüllt hätte); im Jahr 2011 wurde der Shitstorm zum Sieger gekürt (eine Entscheidung, die einen internationalen Mediensturm, aber keine Empörungswelle auslöste; im letzten Jahr gewann dann Crowdfunding knapp vor Hipster und Fracking (die Kosten der Wörterwahl trug die Jury ganz ohne finanzielle Hilfe aus dem Netz). Weiterlesen
Pronomen für alle
Auch englischsprachige Sprachgemeinschaften führen mal mehr, mal weniger erhitzte Diskussionen um geschlechtergerechte Sprache. Dabei haben sie es sehr leicht: Da die meisten Substantive im Englischen kein grammatisches oder natürliches Geschlecht haben, sind es eigentlich nur die Personalpronomen für die dritte Person Einzahl und eine Handvoll von Personenbezeichnungen wie chairman, waitress oder cleaning woman, die Probleme bereiten. Für letztere gibt es längst Alternativen (chair person, server, cleaner), sodass genau genommen nur die Personalpronomen übrig bleiben.
Bei englischen Pronomen wird (genau wie im Deutschen und vielen anderen Sprachen) in der der dritten Person Einzahl – und nur dort – nach Geschlecht unterschieden: männlich wahrgenommene Personen werden mit he, weiblich wahrgenommene mit she bezeichnet. ((Ich könnte hier einfach „Männer“ und „Frauen“ schreiben, aber interessanterweise verwenden wir Pronomen nicht nach dem tatsächlichen Geschlecht, für das wir ja bei den meisten Menschen nur indirekte Evidenz haben, sondern nach dem vermuteten.)) Das ist in zweifacher Hinsicht problematisch.
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Crowdsourcing, Oxford-style
Don’t mention it – in etwa „nicht der Rede wert“ – ist im Englischen eine der Standardantworten auf Dankesbekundungen. Das Oxford English Dictionary hat dieses Motto so verinnerlicht, dass man sich dort gar nicht erst bedankt. Man stellt zwar ein Online-Formular bereit, über das Nutzer/innen Erstbelege, Wortvorschläge, Fehler und anderes melden können – Crowdsourcing hat beim OED eine lange Tradition, schon die erste Auflage stützte sich stark auf Sprachbelege, die von belesenen Sprachliebhaber/innen eingeschickt und in der Redaktion des Wörterbuchs von Hand sortiert und in Zettelkästen verwahrt wurden (für unsere jüngeren Leser/innen: Das Internet gab es im neunzehnten Jahrhundert noch nicht). Aber eine Reaktion bekommt man auch dann nicht, wenn der gemeldete Vorschlag umgesetzt oder Mangel behoben ist Weiterlesen
Krautspeak Day
To most Germans, today is just an ordinary Samstag (or Sonnabend, depending on where they live). But to German language prescriptivists, it is a quasi-national holiday, a linguistic Fourth of July and Fifth of November rolled into one: the Tag der Deutschen Sprache (“Day of the German Language”), a sort of prescient commemoration day for the German language as it will have been when it no longer is.
In the English-speaking world, prescriptivists are concerned mainly with a small set of words and grammatical structures that they call “bad grammar” – phenomena like the “split” infinitive or the passive (structures which they would like to remove from the language completely), the relative markers that and which (which they would like to see used for restrictive and non-restrictive relative clauses respectively), and certain sentential adverbs like hopefully (which they seem to think should never be used to express the speaker’s attitude towards the contents of a sentence). They typically justify their proscriptions and prescriptions by appeals to logic (although they never spell out what that logic actually is). Weiterlesen
Sprachpanscher und Sprachpinscher
Warum Menschen, die keine Ahnung von Sprache haben, sich ausgerechnet zu einem Verein zusammenschließen, dem es um Sprache gehen soll, werde ich wohl nie verstehen. Aber wenn ich so einen Verein hätte, würde ich es genau wie der Verein Deutsche Sprache machen, und mich darauf beschränken, anderer Leute Sprachgebrauch zu kritisieren. Denn die sind dann vielleicht so beschäftigt damit, sich gegen die Kritik zu verwahren, dass sie gar nicht nachfragen, worauf diese sich eigentlich gründet.
Ob das bei der DUDEN-Redaktion funktioniert, die vom VDS gerade zum Sprachpanscher des Jahres ernannt wurde, bleibt abzuwarten – die Redaktion des Wörterbuchs ist nicht gerade für eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit bekannt (der letzte Tweet der Pressestelle stammt vom 4. April 2013, die letzte Pressemeldung von Anfang Juli). Aber wenn sie sich äußert, dann hat der VDS ihr mit der Begründung zur Sprachpanscher-Wahl eine Steilvorlage geliefert, anhand derer sie die Funktionsweise eines modernen Wörterbuchs erklären könnte: Weiterlesen
Shitstorm wem Shitstorm gebührt
Das Oxford English Dictionary ist einer langen Tradition sorgfältiger lexikografischer Arbeit auf höchstem wissenschaftlichen Niveau verpflichtet – es ist quasi, wie sein Name schon sagt, das Oxford unter den English Dictionaries.
Dabei spielt vor allem die Suche nach Erstbelegen – also den ersten schriftlich dokumentierten Verwendungen von Wörtern – eine Rolle. Diese werden häufig von lexophilen Laien an die Redaktion des OED geschickt, wo sie dann sorgfältig nach allen Regeln der Wörterbuchmacherei überprüft und gefaktencheckt werden, bevor sie den bisherigen Erstbeleg eines Wortes auf die Müllhalde der Sprachgeschichte befördern dürfen.
Oder sie werden einfach aus Internetquellen mit notorisch unzuverlässiger Datierung übernommen ohne auch nur oberflächlich auf Plausibilität überprüft zu werden. So geschehen im Fall eines alten Bekannten des Sprachlogs, dem shitstorm. Der findet sich im OED als Unterpunkt des Eintrags für shit und wird definiert als „a frenetic or disastrous event; a commotion, a tumult“ (ein hektisches oder katastrophales Ereignis, ein Durcheinander, ein Tumult). Weiterlesen
Sprachbrocken: Der Shitstorm ist Establishment
Da aktualisiert die Duden-Redaktion ihr Wörterbuch mit über 5000 Wörtern, darunter urdeutsche (und hervorragend zueinander passende) Schönheiten wie Schuldenbremse und Vollpfosten, und alles, was die internationale Presse interessiert, ist – der Shitstorm. Nicht ganz unschuldig an dem internationalen Medieninteresse: Die Sprachlogger/innen, unter deren Federführung Shitstorm zum „Anglizismus des Jahres“ 2011 gewählt wurde. Kaum ein Artikel, der diese Wahl nicht als Aufhänger nimmt (unser Jurymitglied Michael Mann hat es über den damaligen Bericht auf The Local sogar in den Bericht der BBC geschafft). Weiterlesen
Deutsche, deutschere, deutscheste Bahn
Dass deutsche Unternehmen die englische Sprache gerne verwenden, um sich ein internationales Image zu geben, ist nicht nur ein Trivialplatz, es ist sogar Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung. ((Z.B. Ingrid Piller (2001) Identity construction in multilingual advertising. Language in Society 30, 153–186.)) Besonders die Deutsche Bahn hat das in der Vergangenheit so ausgiebig getan, dass sie sogar von Lehnwortliberalen wir mir dafür schon (wenn auch sehr milde) kritisiert worden ist – wir haben sie im Sprachlog aber auch schon für ihre kreative Lehnwortikonografie und für ihr nur scheinbar defizientes, tatsächlich aber historisch akkurates Englisch gelobt. Weiterlesen
Sprachbrocken 25/2013
Die sprachliche Nachricht der Woche war fraglos „‚Tweet‘ kommt ins Wörterbuch“. Das Wörterbuch, um das es dabei ging, war das Oxford English Dictionary, das tweet war das englische Verb to tweet. Und tatsächlich findet sich der entsprechende Eintrag bereits in der Online-Version des Wörterbuchs, ebenso, wie der für das Substantiv tweet. Dabei ist nicht das Wort selbst neu, denn das stand bisher natürlich schon mit der Bedeutung „einen kurzen, hohen Ton oder eine Serie solcher Töne machen“ (für das Verb) und „kurzer, hoher Ton wie ihn ein kleiner Vogel macht“ (für das Substantiv) im größten Wörterbuch der englischen Sprache. Nun kommen zwei Verbbedeutungen hinzu. Eine für das Verb ohne Objekt (z.B. John tweets): „einen Beitrag auf dem sozialen Netzwerkdienst Twitter machen. Auch: Twitter regelmäßig oder gewohnheitsmäßig verwenden“. Und eine für das Verb mit Objekt (z.B. John tweeted a picture of a cat): „eine Nachricht, eine Information auf Twitter veröffentlichen“. Als Erstbeleg für Verb und Substantiv gibt das OED derzeit einen Blogbeitrag auf dem Blog NevOn vom 15. März 2007 an – für Sprachfans eine klare Herausforderung, einen früheren Beleg zu finden. Weiterlesen