Schlagwort-Archive: Englisch

Es war einmal … das Althochdeutsche

Von Kristin Kopf

Ich werfe hier ja ständig mit Sprach­pe­ri­o­den­beze­ich­nun­gen wie Althochdeutsch, Indoger­man­isch oder Früh­neuhochdeutsch um mich. Wahrschein­lich kön­nen sich die meis­ten von Euch vorstellen, dass Althochdeutsch sehr alt ist, aber in welche Jahrhun­derte es konkret fällt, ist wohl kein Allgemeinwissen.

Diese Es-war-ein­mal-Rei­he will Abhil­fe schaf­fen: Ich ordne eine der Vorstufen des Deutschen zeitlich ein und erzäh­le ein bißchen was drüber. Los geht’s mit dem Althochdeutschen, weil das die älteste Form des Deutschen ist.

2009-09-24-AhdDas Althochdeutsche wird für die Zeit zwis­chen 500 und 1050 nach Chris­tus ange­set­zt, also für rund 550 Jahre. Das ist eine Menge Zeit, man kann sich also schon denken, dass man da nur schw­er von ein­er ein­heitlichen Sprache aus­ge­hen kann.

500/750? Hä?

Der Beginn des Althochdeutschen wird oft mit einem lusti­gen Schrägstrich angegeben. Das heißt nicht, dass man ihn sich aus­suchen kann – für bei­de Zahlen gibt es gute Gründe:

[Ich benutze jet­zt erst­mals diese Abschnitts­funk­tion um mehr als nur Fußnoten zu ver­steck­en. Für den Haupt­teil des Artikels also hier klicken:]

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Die Filosofie der Ih-Mehl

Von Anatol Stefanowitsch

In meinem Beitrag zur ver­sanden­den Sprache zitiere ich einen hypo­thetis­chen Satz, den Abend­blatt-Chefredak­teur Matthias Iken als Beispiel für die Über­frach­tung der deutschen Sprache mit Anglizis­men verwendet:

Wer heute beispiel­sweise durch das Inter­net surft, per Fla­trate Soft­ware down­load­et, seine E‑Mails checkt, in Dat­ing­clubs mit Sin­gles chat­tet, Hits in die Charts votet oder clever shoppt — er tut dies muttersprachbefreit.

Ich beze­ichne diesen Satz dort als einen „durch und durch … deutsche[n] Satz … von der Wort­stel­lung über die Flex­ion­sendun­gen der Lehn­wörter bin hin zu deren Bedeutung“.

In einem Kom­men­tar zu dem Beitrag weist mich mein Ham­burg­er Kol­lege (und ehe­ma­liger Pro­fes­sor) Wolf­gang Börn­er san­ft aber bes­timmt zurecht: Weit­er­lesen

Versandende Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu schafft es ein Sprach­nör­gler, so aus­führlich und unin­formiert daneben­zu­greifen, dass ich mich bei allen guten Vorsätzen nicht daran hin­dern kann, aus­führlich darauf zu antworten. Sprach­blogleser Dierk weist in einem Kom­men­tar auf eine Glosse des stel­lvertre­tenden Chefredak­teurs des Ham­burg­er Abend­blatts, Matthias Iken, hin, für die das gilt.

Iken fängt eigentlich sehr schön an: Weit­er­lesen

Sich committen

Von Anatol Stefanowitsch

Man fragt sich manch­mal, ob die vier glück­losen Brüder von der Aktion Lebendi­ges Deutsch auch nur dreißig Sekun­den darauf ver­wen­den, über die Mach­barkeit ihrer Vorschläge nachzu­denken. Im Som­mer­loch war eine Alter­na­tive zu sich com­mit­ten gesucht. Wie schon oft woll­ten die Aktioneure damit ein Lehn­wort abschaf­fen, das mir in freier Wild­bahn kaum je begeg­net ist. Aber sei’s drum. Die Neube­wor­tung ist auf jeden Fall daneben gegan­gen: Weit­er­lesen

[Buchtipp] The Unfolding of Language (Du Jane, ich Goethe)

Von Kristin Kopf

Lan­guage is mankind’s great­est inven­tion – except, of course, that it was nev­er invent­ed. (Guy Deutscher)

Schon wieder ein Buchtipp! Ui! Heute will ich Euch “The Unfold­ing of Lan­guage” von Guy Deutsch­er ans Herz leg­en. Ich hab’s auf Englisch gele­sen, es gibt aber auch eine deutsche Über­set­zung: “Du Jane, ich Goethe”. Keine Angst, der Inhalt wurde bedeu­tend bess­er über­set­zt als der Titel befürcht­en lässt, ich hab mal in der Buch­hand­lung reingelesen.

The Unfolding of Language

The Unfold­ing of Language

Worum geht es? Darum, wie Sprache entste­ht und sich verän­dert. Deutsch­er hat als großes Ziel vor Augen zu erk­lären, wie kom­plizierte Satzstruk­turen und Gram­matik ent­standen sein kön­nten. Da die Entste­hung der Sprache viel zu lange her ist, um darüber irgendwelche Aus­sagen zu tre­f­fen, wählt Deutsch­er “neuere” Beispiele aus ganz ver­schiede­nen Sprachen, nur wenige Jahrhun­derte oder Jahrtausende alt. Die all­ge­meinen Prinzip­i­en, die darin wirken, ver­mutet er auch schon zu früheren Zeit­en. Der unter Laien ver­bre­it­eten Ansicht, dass unsere Sprache ein­mal per­fekt war und jet­zt nur noch ver­fällt, wider­spricht er entschieden.

Das Buch kommt kom­plett ohne Fachter­mi­ni aus – und ist den­noch wis­senschaftlich fundiert. (Gram­matikalisierung, Analo­giebil­dung und Ökonomie spie­len z.B. eine große Rolle.) Ich hat­te eine Menge Spaß beim Lesen, und das, obwohl ich die meis­ten präsen­tierten Fak­ten und Gedanken schon kan­nte – es ist ein­fach richtig gut geschrieben und clever aufge­baut. Mein per­sön­lich­es High­light war die The­o­rie zur Entste­hung der Wurzelkon­so­nan­ten im Ara­bis­chen, ein The­ma, über das ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte.

Deutschen würde ich übri­gens eher zur deutschen Aus­gabe rat­en, die keine bloße Über­set­zung ist. Viele Grund­la­gen wer­den näm­lich im Orig­i­nal an kleinen Beispie­len aus dem Englis­chen erk­lärt. Für die deutsche Über­set­zung wurde, wo es möglich war, nach deutschen Beispie­len gesucht, die das gle­iche zeigen. So geht es zum Beispiel ein­mal darum, dass im Englis­chen die Entwick­lung von th zu f eigentlich ganz nahe­liegend ist und auch in eini­gen Dialek­ten vorkommt. Den Laut th gibt es im Deutschen aber nicht, so dass schließlich p zu b gewählt wurde, etwas, das man z.B. im Hes­sis­chen beobacht­en kann.

Wer sich für Sprache und Sprachen inter­essiert, dem kann ich das Buch wirk­lich nur empfehlen!

[Buchtipp] Watching the English

Von Kristin Kopf

Buchtipps sind keine Spezial­ität von mir. Nicht, dass ich nicht einen ganzen Stapel von empfehlenswerten Büch­ern auf meinem Nacht­tisch liegen hätte. Aber irgend­wie kann ich mich nur sel­ten davon überzeu­gen, was drüber zu schreiben. Und wenn ich’s dann tue, sind es schon alte Hüte. Jet­zt will ich die Zahl der drin­gend nöti­gen Tipps auf drei verringern:

2009-08-20-foxWatch­ing the Eng­lish. The Hid­den Rules of Eng­lish Behav­iour” habe ich vor eini­gen Jahren gele­sen und mit­tler­weile ist seine große Zeit in den deutschen Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen (denn da ste­ht es eigentlich in jed­er größeren Stadt) schon fast wieder vorüber. Als ich es mein­er Mut­ter schenk­te, hat­te sie es sich schon selb­st gekauft. Als ich es Memo empfehlen wollte, kan­nte er es schon längst. Ihr müsst es also lesen, Grup­pen­zwang und so! Aber ganz abge­se­hen davon, ist es wirk­lich großartig.

Kate Fox ist eine britis­che Anthro­polo­gin, die sich einem skur­rilen Inselvolk wid­met: Den Englän­dern. Sie analysiert das Volk mit dem Beschrei­bungsin­stru­men­tar ihres Fach­es und schafft es dabei, uns die Englän­der zunächst völ­lig zu ent­frem­den und sie uns dann wieder sehr nahe zu brin­gen. Man sollte das Buch keines­falls zu kurz vor ein­er Reise auf die Insel lesen – die daraus entste­hende Angst davor, all diese geheimnisvollen gesellschaftlichen Regeln zu brechen, kann in enormem Stress resultieren.

Warum ich “Watch­ing the Eng­lish” so fan­tastisch finde? Es ist wis­senschaftlich fundiert – aber nicht vollgestopft mit unver­ständlich­er Ter­mi­nolo­gie. Kate Fox erk­lärt genau, wie sie arbeit­et und warum sie es so tut. Es ist lebendig – zur Illus­ta­tion dienen oft mit­ge­hörte Gespräche oder selb­st gemachte Beobach­tun­gen, aber auch kleine Anek­doten. Es ist humor­voll – nicht zum Brüllen komisch, aber auf eine sehr feine, schmun­zel­nde Art humor­voll. Kate Fox nimmt ihre Arbeit ernst, kann aber auch wun­der­bar selb­stiro­nisch sein.

Das Buch beste­ht aus zwei Teilen, “Con­ver­sa­tion Codes” und “Behav­iour Codes”. Im ersten Teil geht es um sch­plock­rel­e­vantes, näm­lich Sprache und Kom­mu­nika­tion. Dabei kommt natür­lich das beliebte Wet­ter zur Sprache, aber es geht auch darum, wie ein Gespräch zwis­chen zwei Unbekan­nten ver­läuft, in welchem Ver­hält­nis Sprache und Klasse zueinan­der ste­hen und welche Beson­der­heit­en in einem Pub zu beobacht­en und ‑lauschen sind. Wusstet ihr zum Beispiel, dass man sich beim Ken­nen­ler­nen nie direkt mit Name und Beruf vorstellt? Der Name wird erst ganz am Schluss und ganz beiläu­fig genan­nt, den Beruf lässt man sein Gegenüber erraten.

Der zweite Teil wid­met sich ver­schiede­nen Lebens­bere­ichen und ihnen eige­nen Ver­hal­tens­mustern. Es wird erk­lärt, warum my home my cas­tle ist, es geht um Arbeit, Freizeit, Klei­dung und vieles mehr. Auch die enorme Bedeu­tung des Schlange­bildens wird unter die Lupe genom­men: Englän­der stellen sich über­all an und hal­ten die Rei­hen­folge peni­bel ein. Selb­st wenn sie ganz alleine sind.

Alle “Regeln” arbeit­et Fox durch Beobach­tun­gen, Inter­views und auch kleine Exper­i­mente her­aus – sie bricht sie und analysiert die Reak­tio­nen darauf. Diese Regeln fügen sich nach­her zu etwas zusam­men, das sie “the Gram­mar of Eng­lish­ness” nen­nt, ein Regel­w­erk, das von eini­gen weni­gen Prinzip­i­en bes­timmt wird und alle Ver­hal­tens­muster auf ein gemein­sames Grund­muster zurückführt.

Watch­ing the Eng­lish” gibt es – das The­ma legt es nahe – nur auf Englisch. Wer von Euch davon genug zum Bücher­lesen kann, dem sei es aller­wärm­stens ans Herz gelegt!

Hier noch eine der kleinen Regeln zum Reinschnuppern:

The Weath­er-as-fam­i­ly Rule

While we may spend much of our time moan­ing about our weath­er, for­eign­ers are not allowed to crit­i­cize it. In this respect, we treat the Eng­lish weath­er like a mem­ber of our fam­i­ly: one can com­plain about the behav­iour of one’s own chil­dren or par­ents, but any hint of cen­sure from an out­sider is unac­cept­able, and very bad manners.

Although we are aware of the rel­a­tive­ly undra­mat­ic nature of the Eng­lish weath­er – the lack of extreme tem­per­a­tures, mon­soons, tem­pests, tor­na­does and bliz­zards – we become extreme­ly touchy and defen­sive at any sug­ges­tion that our weath­er is there­fore infe­ri­or or unin­ter­est­ing. […] Indeed, the weath­er may be one of the few things about which the Eng­lish are still unself­con­scious­ly and unashamed­ly patriotic.

[Lesetipp] Silbensprachen versus Wortsprachen

Von Kristin Kopf

Dass das Schweiz­erdeutsche für uns Deutsche oft­mals frem­dar­tiger als andere deutsche Dialek­te klingt, kann man unter anderem mit einem typol­o­gis­chen Unter­schied erklären.

Typolo­gie” in der Sprach­wis­senschaft bedeutet, dass man sich einen bes­timmten Aspekt ein­er Sprache her­aus­greift, z.B. die Satzstel­lung, und sich haufen­weise Sprachen anschaut. Dabei fällt einem dann auf, dass es ganz ver­schiedene Arten von Satzstel­lung gibt. Es gibt Sprachen wie das Englis­che, bei denen das Verb zwis­chen Sub­jekt und Objekt ste­ht (I had a beer), aber auch Sprachen wie das Japanis­che, bei denen das Verb ganz am Ende ste­ht (biiru wo non­da ‘(ich) trank ein Bier’). (Man kürzt die Beze­ich­nun­gen ab, ersteres nen­nt man “SVO” und let­zteres “SOV”.)

Das Span­nende an der Typolo­gie ist, dass sich oft Sprachen gle­ich ver­hal­ten, die sowas von gar nicht miteinan­der ver­wandt sind – und gle­ichzeit­ig tun sich bei Sprachen, die eigentlich von ein­er gemein­samen Ursprache abstam­men, enorme Unter­schiede auf. Mit welchem Wort­ma­te­r­i­al, mit welchen Vok­a­beln ein bes­timmter Typ real­isiert wird, ist bei der Typolo­gie näm­lich unwichtig, wichtig ist nur, dass das selbe Prinzip ver­wen­det wird.

So, jet­zt aber zum Schweiz­erdeutschen. Beim Schweiz­erdeutschen geht es nicht um so etwas wie Wort­stel­lung, son­dern um Phonolo­gie. Das Schweiz­erdeutsche ist näm­lich eine “Sil­ben­sprache”, das Stan­dard­deutsche eine “Wort­sprache”. Die Unter­schiede kann man also nicht sehen, wenn man sich Texte anschaut – aber man hört sie ganz gewaltig. Wie das funk­tion­iert, hat Rena­ta Szczepa­ni­ak – meine Ex-Chefin – in einem Artikel für Natur & Geist erk­lärt. Ihr find­et ihn hier (pdf), ab Seite 49:

Auf typol­o­gis­che Unter­schiede stoßen wir schon in unserem täglichen Umgang mit dem Deutschen. So beacht­en wir in der Stan­dar­d­aussprache von Wörtern wie Vere­in oder über­all die mor­phol­o­gis­che Struk­tur (Ver+ein, über+all). Hier fall­en die Sil­ben- mit den Mor­phem­gren­zen zusam­men: Ver.ein und ü.ber.all. Punk­te markieren dabei die Sil­ben­gren­zen. Doch viele von uns ken­nen auch die regionalen, süd­deutschen Vari­anten Ve.rein und ü.be.rall. Hier­bei wer­den die Wörter ungeachtet der Mor­phem­gren­zen in Sil­ben zerteilt. (weit­er)

Und weil sie ein paar Fachter­mi­ni benutzt, die Nichtlin­guis­ten wohl nicht geläu­fig sind, habe ich Euch ein Miniglos­sar gebastelt – in der Rei­hen­folge ihres Auftretens:

Weit­er­lesen

[Hörtipp] So Wrong It’s Right

Von Kristin Kopf

Eben beim Lan­guage Log gefun­den: Eine Radiosendung der BBC mit Stephen Fry. Es geht, natür­lich, um Sprache – um Sprach­poli­tik, um Sprach­wan­del, um Ein­stel­lun­gen zu Sprache, und es ist ganz großartig.

This pro­gramme is called “So Wrong It’s Right” in order to show that what is held to be wrong can, by dint pure­ly of usage, be right – and often is. It’s mis­sion is to bold­ly go into the out­er reach­es of the lan­guage badlands.

Die Auf­nahme ist nur für eine Woche da, beeilt Euch also! Es gibt noch zwei weit­ere Fol­gen, die näch­ste ist am kom­menden Dien­stag zu hören. Ich hab’s mir in den Kalen­der geschrieben.

2009-08-11-Fry