Schlagwort-Archive: Deutsch

Nachgedanken zum Jugendwort 2014

Von Anatol Stefanowitsch

Da ich für den Lon­don­er Radiosender Mon­o­cle (der mich immer anruft, wenn in Deutsch­land etwas sprach­lich Sig­nifikantes passiert) noch ein­mal den Siegern von Lan­gen­schei­dts Jugend­wort-Wet­tbe­werb hin­ter­her recher­chieren musste, hier noch ein paar Fak­ten und Nachgedanken zu unserem gestri­gen Leak (die Radiosendung selb­st gibt es als Pod­cast hier, ich komme ganz am Schluss). Weit­er­lesen

Gedeih und Verderb des deutschen Wortschatzes

Von Anatol Stefanowitsch

In der öffentlichen Diskus­sion um den Zus­tand der deutschen Sprache lag die Hoheit lange Zeit völ­lig unange­focht­en bei den Sprach­nör­glern. Wohl wagte sich ab und zu eine ein­same Stimme aus der Sprach­wis­senschaft ins Feuil­leton, um an der einen oder anderen Stelle etwas Real­ität in die Debat­te zu brin­gen, aber ins­ge­samt schien es intellek­tuell wenig befriedi­gend, sich in die unweiger­lich kla­maukhafte Auseinan­der­set­zung mit Anglizis­men­jägern und Sprachver­ar­mungs-apoka­lyp­tik­ern zu begeben – und vielle­icht war man sich auch ein­fach etwas zu schade dafür.

Das hat sich in den let­zten Jahren geän­dert. Büch­er wie das unglück­lich betitelte aber inhaltlich ordentlich gemachte Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den »Zwiebelfisch« von André Mei­n­unger, Du Jane, ich Goethe von Guy Deutsch­er oder Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entste­ht von Heike Wiese nah­men zu The­men wie dem Ver­fall von Gram­matik, der Entste­hung von Sprache(n) u.a. Stel­lung, und seit 2007 bloggen Kristin (damals noch im Sch­plock) und ich (damals noch im Bre­mer Sprachlog) regelmäßig über Sprach­wan­del, Lehn­wörter, Jugend­sprache, Sprach­poli­tik und vieles mehr (später kamen andere junge Sprach­blog­gerin­nen dazu – z.B. unsere Sprachlogkol­le­gin Susanne, Michael Mann vom lexiko­grafieblog).

Über die Jahre ist es uns, denke ich, gelun­gen, die öffentliche Diskus­sion zu bee­in­flussen – zwar haben die Sprach­nör­gler immer noch die Ober­hand, aber vie­len inter­essierten Men­schen ist inzwis­chen klar, dass Sprach­nörgelei nicht die einzige Sichtweise auf Sprache ist (und auch nicht die richtige).

Es freut uns, dass nun mit etwas Ver­spä­tung (oder, sagen wir, mit ruhiger Würde) auch die insti­tu­tion­al­isierte Sprach­wis­senschaft die öffentliche Diskus­sion um Sprache sucht. Gestern Abend stell­ten die Deutsche Akademie für Sprache und Dich­tung und die Union der deutschen Akademien der Wis­senschaften unter dem Titel „Reich­tum und Armut der deutschen Sprache“ ihren „ersten Bericht zur Lage der deutschen Sprache“ vor. Die Presse berichtet bish­er eher zöger­lich, aber das kommt hof­fentlich noch [→Google News].
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Halbzeit bei den Nominierungen zum Anglizismus 2013

Von Anatol Stefanowitsch

Bei unserem Vot­ing zum Anglzis­mus des Jahres 2013 haben wir einen Mile­stone erre­icht: Hal­bzeit bei der Nominierungsphase. Zeit, also, für eine Exec­u­tive Sum­ma­ry auch hier im Sprachlog. Bis gestern kon­nten wir auf unser­er Nominierungs­seite 41 Vorschläge unser­er Tar­get Group posten, und heute kamen noch ein­mal elf Wortkan­di­dat­en dazu, die die Jury in ein­er ersten eige­nen Recherche iden­ti­fiziert hat. Damit ste­hen wir in unser­er Com­pe­ti­tion aktuell bei 52 Wörtern, die um den Sieg in unser­er Win­ner-takes-all-Wörter­wahl kämpfen müssen. Weit­er­lesen

Anglizismus 2013: Es geht los

Von Anatol Stefanowitsch

Am Fre­itag haben wir darauf hingewiesen: Es ist die Jahreszeit der Wörter­wahlen, und damit auch Zeit für den „Anglizis­mus des Jahres 2013“: Wie schon in den let­zten drei Jahren wer­den wir mit Ihrer Hil­fe in den näch­sten Monat­en wieder das englis­che Lehn­wort wählen, das die deutsche Sprache im laufend­en Jahr am stärk­sten bere­ichert hat. Wir erin­nern uns: 2010 kam das Wort leak­en auf Platz 1 (und zwar ohne dass Mit­glieder der Jury das vor der Bekan­nt­gabe enthüllt hätte); im Jahr 2011 wurde der Shit­storm zum Sieger gekürt (eine Entschei­dung, die einen inter­na­tionalen Medi­en­sturm, aber keine Empörungswelle aus­löste; im let­zten Jahr gewann dann Crowd­fund­ing knapp vor Hip­ster und Frack­ing (die Kosten der Wörter­wahl trug die Jury ganz ohne finanzielle Hil­fe aus dem Netz). Weit­er­lesen

Das generische Femininum und die Gegner des Femininums

Von Anatol Stefanowitsch

Es mag diejeni­gen über­raschen, die mich für einen „poli­tisch kor­rek­ten“ Sprachex­trem­is­ten hal­ten, aber meine Mei­n­ung ist: Nie­mand muss gerechte Sprache gut find­en. Es gibt da schlicht keinen Zwang. Wer ungerechte Sprache ver­wen­den will, darf das selb­stver­ständlich tun, muss aber natür­lich mit den Kon­se­quen­zen leben. Die nor­maler­weise völ­lig aus­bleiben, und im unan­genehm­sten Fall darin beste­hen, auf die Tat­sache hingewiesen zu wer­den, ungerechte Sprache zu verwenden.

Und erst recht muss nie­mand bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache gut find­en. Ger­ade Sex­is­mus ist der­ar­tig tief nicht nur im Wortschatz, son­dern auch in der Gram­matik des Deutschen ver­ankert, dass fast jed­er Vorschlag zu ein­er gerechteren Sprache kurzfristig ein mehr oder weniger prob­lema­tis­ch­er Kom­pro­miss bleiben muss. Das wis­sen natür­lich auch die fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft­lerin­nen ((Aus Grün­den der Les­barkeit ver­wende ich hier und im Fol­gen­den in gener­ischen Zusam­men­hän­gen auss­chließlich die fem­i­nine Form; das männliche Geschlecht ist dabei selb­stver­ständlich mit gemeint.)) und Aktivistin­nen, von denen die Vorschläge kom­men, denn die haben sich ja im Zweifels­fall über­durch­schnit­tlich aus­führlich mit Sprache beschäftigt.

Und natür­lich ist es völ­lig legit­im, bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache aus der Per­spek­tive ein­er Sprach­wis­senschaft­lerin zu kri­tisieren. Aber wer das tut, sollte dann eben auch fundierte Argu­mente brin­gen. Das tun die Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, die sich zum gener­ischen Fem­i­ninum bish­er zu Wort gemeldet haben, lei­der nur sel­ten. Wed­er der Freiburg­er Roman­ist Hans-Mar­tin Gauger noch der Berlin­er Sprach­wis­senschaftler André Mei­n­unger hat­ten irgen­dein Argu­ment zu bieten, das in der fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft nicht schon vielfach entkräftet wor­den wäre. Und auch dem jüng­sten Neuzu­gang in der Gruppe fem­i­ninumkri­tis­ch­er Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, dem Frank­furter Ger­man­is­ten Horst Dieter Schloss­er, fällt keins ein.
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Meine Suppe ess’ ich nicht unter anderem Namen!

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurz­er Nach­trag zur Sache mit dem Zige­uner­schnitzel: Wie der Tagesspiegel berichtet, fol­gen Teile der Han­nover­an­er Gas­tronomie dem Beispiel der Stadt, und stre­ichen dieses und ähn­liche Wörter (z.B. Zige­uner­sauce und -gulasch) von der Speisekarte. Die Gerichte nen­nen sie stattdessen Puzs­ta-Schnitzel oder Schnitzel Ungarisch­er Art, Pikante Sauce oder Papri­ka-Sauce und Paprik­ag­u­lasch. Weit­er­lesen

Im Zenit der Macht

Von Anatol Stefanowitsch

Merkel sei am (oder im oder auf dem) Zen­it ihrer (oder der) Macht, berichtet die deutsche Presse ein­mütig. Ein paar der vie­len Beispiele:

  1. Angela Merkel ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Tagesspiegel)
  2. Merkel ist jet­zt auf dem Zen­it ihrer Macht (Focus)
  3. Angela Merkels größter Erfolg: Bun­deskan­z­lerin auf Zen­it ihrer Macht (Rhein Zeitung)
  4. Die alte und wohl auch neue Kan­z­lerin ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Spiegel Online)
  5. Während François Hol­lande ger­ade mit nur noch 23 Prozent Zus­tim­mung in der jüng­sten Umfrage einen Tief­punkt erre­icht habe, ste­he die Bun­deskan­z­lerin im Zen­it ihrer Macht. (Die WELT)
  6. Merki­avel­li am Zen­it der Macht (Wiener Zeitung)

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Wahlprogrammlinguistik

Von Anatol Stefanowitsch

Für Unentschlossene bietet das Sprachlog zur heuti­gen Bun­destagswahl eine aller­let­zte Entschei­dung­shil­fe. Für jede Partei, die in den Umfra­gen über 2 Prozent liegt, haben wir mit­tels quan­ti­ta­tiv­er kor­puslin­guis­tis­ch­er Ver­fahren (ein­er dis­tink­tiv­en Kollex­e­m­analyse, für diejeni­gen, die es genau wis­sen wollen) ermit­telt, welche Wörter in ihrem Wahl­pro­gramm häu­figer vorkom­men als in allen Wahl­pro­gram­men zusam­men. Das ist inter­es­san­ter, als ein­fach für jedes Wahl­pro­gramm die häu­fig­sten Wörter zu ermit­teln, weil wir auf unserem Weg für jede Partei beson­ders die Unter­schiede zu allen anderen Parteien, also das, was sie beson­ders macht, herausfinden.

Wir präsen­tieren hier kom­men­tar­los die Top 10 jed­er Partei, wobei wir den jew­eils eige­nen Parteina­men und Teile davon, Funk­tion­swörter (Prä­po­si­tio­nen, Pronomen usw.) und Eigen­na­men sowie das Wort Wahl­pro­gramm und seine Syn­onyme wegge­lassen haben. Weit­er­lesen

Krautspeak Day

Von Anatol Stefanowitsch

To most Ger­mans, today is just an ordi­nary Sam­stag (or Sonnabend, depend­ing on where they live). But to Ger­man lan­guage pre­scrip­tivists, it is a qua­si-nation­al hol­i­day, a lin­guis­tic Fourth of July and Fifth of Novem­ber rolled into one: the Tag der Deutschen Sprache (“Day of the Ger­man Lan­guage”), a sort of pre­scient com­mem­o­ra­tion day for the Ger­man lan­guage as it will have been when it no longer is.

In the Eng­lish-speak­ing world, pre­scrip­tivists are con­cerned main­ly with a small set of words and gram­mat­i­cal struc­tures that they call “bad gram­mar” – phe­nom­e­na like the “split” infini­tive or the pas­sive (struc­tures which they would like to remove from the lan­guage com­plete­ly), the rel­a­tive mark­ers that and which (which they would like to see used for restric­tive and non-restric­tive rel­a­tive claus­es respec­tive­ly), and cer­tain sen­ten­tial adverbs like hope­ful­ly (which they seem to think should nev­er be used to express the speaker’s atti­tude towards the con­tents of a sen­tence). They typ­i­cal­ly jus­ti­fy their pro­scrip­tions and pre­scrip­tions by appeals to log­ic (although they nev­er spell out what that log­ic actu­al­ly is). Weit­er­lesen

Ein Feiertag für die deutsche Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Das Deutsche hat eine Sprachge­mein­schaft mit über 100 Mil­lio­nen Mit­gliedern, von denen die meis­ten im All­t­ag nie ern­sthaft mit irgen­dein­er anderen Sprache in Berührung kommen.

Auf deutschen Fernsehkanälen laufen nicht nur den ganzen Tag lang qual­i­ta­tiv zweifel­hafte aber unzweifel­haft deutschsprachige Eigen­pro­duk­tio­nen, auch Filme und Serien aus dem Aus­land wer­den auss­chließlich in deutsch syn­chro­nisierten Fas­sun­gen gesendet. Kaum noch ein Kino zeigt Filme im Orig­i­nal und seit Online die DVD getötet hat, wird es immer schw­er­er, Orig­i­nal­fas­sun­gen über­haupt noch zu bekom­men. Weit­er­lesen