Schlagwort-Archive: Deutsch

[Lesetipp] Rudi Keller über Sprachwandel

Von Kristin Kopf

Rudi Keller, seines Zeichens Entlehn­er der The­o­rie der unsicht­baren Hand in die Lin­guis­tik, hat der Süd­deutschen vor fast einem Jahr ein Inter­view gegeben. (Gefun­den hier.) Es geht, natür­lich, um Sprach­wan­del. Ich finde es eher so lala, vieles wird nur angeris­sen und bleibt dann kon­text­los ste­hen, aber die Grund­hal­tung ist mir sym­pa­thisch. Nur dass er davon spricht, dass die Sick-Leser i.d.R. nicht dazu in der Lage sind, das, was sie lesen, “umzuset­zen”, jagt mir einen kalten Schauer den Rück­en hin­unter. Herr bewahre uns!

Schade übri­gens, dass bei vie­len Leuten nur wenig angekom­men zu sein scheint, viele Kom­mentare klin­gen so, als seien nur die Zwis­chenüber­schriften gele­sen worden …

2009-05-04

Der ange­sproch­ene Auf­satz Kellers (von 2004) find­et sich übri­gens hier, darin wer­den fast alle im Inter­view ange­sproch­enen Punk­te aus­führlich­er behan­delt, dies­mal ohne die Ele­mente, die mir am Inter­view mißbe­ha­gen. Wis­senschaftlich gese­hen ist es Fast Food (leicht ver­daulich & nichts Neues), aber als all­ge­mein­ver­ständliche Darstel­lung ist es abso­lut zu empfehlen.

Pink und Rosa

Von Anatol Stefanowitsch

Gestern auf dem Spielplatz. Eine Unte­hal­tung zwis­chen einem Mäd­chen und einem Jun­gen, bei­de etwa acht Jahre alt:

Sie: Find­est du ein pinkes Fahrrad bess­er, oder ein rosanes?

Er: Pink ist das­selbe wie Rosa.

Sie: Äh-äh, ist es über­haupt nicht.

Er: Doch, pink ist nur das englis­che Wort für „Rosa“.

Sie: Ja, aber es ist trotz­dem nicht dasselbe.

Er: Was ist denn der Unterschied?

Sie: Es sind zwei ver­schiedene Farben.

Er: Welche denn?

Sie: Pink ist so ’ne Art Neon­dunkel­rosa. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll.

(Zeigt auf ihren Gürtel)

Pink und Rosa

Pink und Rosa

Hier, das hier ist Pink (zeigt eine Farbe, die unge­fähr Bild 1 entspricht), und das hier ist Rosa (zeigt eine Farbe, die unge­fähr Bild 2 entspricht).

Er: Hä? Das ist doch bei­des Rosa.

Dieses Gespräch (das ich hier etwas verkürzt drama­tisiert wiedergegeben habe) war aus gle­ich drei Grün­den inter­es­sant. Weit­er­lesen

[Lesetipp] Luca und Leonie in Love

Von Kristin Kopf

2009-05-01-lucaleonieHeute mal wieder ein Link- und Lesetipp, dank einem Offline-Tipp von Luise: Luca und Leonie in Love.
Es geht um die Androg­y­nisierung von Ruf­na­men1 im Deutschen, d.h. das Phänomen, dass sich männliche und weib­liche Vor­na­men immer ähn­lich­er wer­den. Frau Nübling (Vor­name: Damaris) hat es unter­sucht und ein Jour­nal­ist (Vor­name: Alfons) hat einen wirk­lich lesenswerten Artikel draus gemacht, Respekt! Es wer­den sog­ar Dinge wie die Sonorität­shier­achie erklärt

(So sieht sie Vokale und Kon­so­nan­ten auf einem phonetis­chen Kon­tin­u­um, auf dem stimmhafte Dauer­laute wie „l“, „m“, „n“, „j“, weil sie weich­er klin­gen, den Vokalen näher ste­hen als die stimm­losen Plo­sive „p“, „t“, „k“),

und ansatzweise2 auch Silbenstrukturen

(Die lieblichen Laute ste­hen auch nicht mehr so oft neben anderen Kon­so­nan­ten (wie das „l“ in Elke), son­dern kön­nen sich zwis­chen Vokalen (wie das „l“ in Julian) oder vor Vokalen (wie das „l“ in Leah) laut­lich viel freier ent­fal­ten. […] Zudem bestätigt die Liste, dass Kon­so­nan­ten­clus­ter — wie bei den ersten bei­den Buch­staben von Brigitte — am Ausster­ben sind).

Nach all den lang­weili­gen Top-Ten-des-Jahres-Artikeln, die ich im Laufe meines Lebens lesen musste, ist das echt mal was anderes.

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Tagesmus und Gezirkumfixe

Von Kristin Kopf

Mein HiWi-Job mit Otfrid neigt sich dem Ende zu – eines mein­er Fund­stücke zum Abschluss:

Verse: 95 Innan thés batun thár thie jún­goron then méistar,
Verse: 96 tház er thar gisázi zi dága­muase inti ázi.

[Indessen bat­en da die Jünger den Meis­ter, dass er sich dort zum Früh­stück hin­set­zen und essen möge.]

(Otfrid von Weis­senburg, Evan­gelien­buch 2, Kapi­tel 14)

Das Früh­stück war ein “Tagesmus” und bietet einen schö­nen Anlass dafür, sich mit dem Wort Mus ein­mal näher zu befassen. Im Althochdeutschen hieß muos (oder, wie hier, muas geschrieben) noch ‘Essen, Speise, Mus’, vom west­ger­man­is­chen *môsa- ‘Zukost’. Wahrschein­lich war es eine Ableitung von *mati- Speise’ (darauf geht z.B. das englis­che meat ‘Fleisch’ zurück). Heute beze­ich­net es in der Stan­dard­sprache ‘Obst­brei’, region­al kann es aber auch für ‘Gemüse’ stehen.

Gemüse ist ein Mus(s)

Ja, genau, Gemüse … das kommt auch von Mus und hieß zuerst ‘Brei, zerklein­erte Nahrung’, dann ‘pflan­zliche Nahrung, ess­bare Pflanzen’. Von Mus zu Gemüse kommt man übri­gens ganz leicht, näm­lich mit dem Zirkum­fix gi-X-i.

Ein “Zirkum­fix” ist ein Ele­ment, das ein Wort von bei­den Seit­en umk­lam­mert. Da wo ich das X einge­set­zt habe, kon­nten vor langer, langer Zeit ein­mal alle möglichen Sub­stan­tive einge­set­zt wer­den. Das so neuge­bildete Wort hat­te auch eine neue Bedeu­tung: ‘Menge/Gruppe/Gesamtheit von X’. Solche Wörter nen­nt man daher “Kollek­tiv­bil­dun­gen” oder “Kollek­ti­va” und man kann sie auch heute noch massen­weise im Deutschen find­en.1

Berg – Gebirge
Fed­er – Gefieder
Feld – Gefilde
Schwest­er – Geschwister
Stern – Gestirn
Wet­ter – Gewitter
Mauer – Gemäuer
Ast – Geäst
Wass­er – Gewässer
Bau – Gebäude
Blut – Geblüt
Fall – Gefälle
Faß – Gefäß
Haus – Gehäuse
Hag – Gehege
Land – Gelände
Pack – Gepäck
Wurz – Gewürz
Zucht – Gezücht

Durch die lange Zeit, die seit ihrer Bil­dung ver­gan­gen ist, haben viele dieser Kollek­ti­va allerd­ings mit­tler­weile ganz andere Bedeutungen.

Wenn man sich die bei­den Grup­pen rechts anschaut, fällt schnell etwas auf: In der ersten Gruppe find­et sich im Kollek­tivum immer ein i, wo in der Aus­gangs­form ein e ste­ht. Das hat einen ein­fachen Grund:

Lustiges Lauteheben bei den Westgermanen

Die West­ger­ma­nen hat­ten ein lustiges Laut­ge­setz namens “West­ger­man­is­che Hebung” (oder i-Umlaut”), das besagte: Wenn in der beton­ten Silbe ein e ste­ht und in der darauf­fol­gen­den Silbe ein i, j oder u, dann wird das e zum i.

  1. berg → wird abgeleit­et mit dem Zirkum­fix: gi-berg-i
  2. gi-berg-i enthält in der beton­ten Silbe ein e und in der Fol­ge­silbe ein i
  3. Das i ver­wan­delt das e eben­falls in ein i
  4. Das Ergeb­nis: gibirgi

Wem das verdächtig nach Assim­i­la­tion klingt, der hat recht: Das Laut­ge­setz nen­nt sich nicht umson­st Hebung. i, j und u, die aus­lösenden Laute, wer­den ganz oben im Mundraum gebildet, 2009-04-29-wghebunge, wie man sieht, etwas weit­er unten. 

Jet­zt üben aber die Fol­ge­laute einen enor­men Druck auf das e aus, sie brüllen unun­ter­brochen “Komm her zu mir, komm her zu mir!” und schließlich gibt das e nach. Es lässt sich nach oben heben und wird damit zum i. Ein klar­er Fall von vorau­seilen­dem Gehor­sam und ein tri­umphaler Sieg für die faule Zunge.

Was ihr könnt, können wir schon lange!

Ein Blick auf die zweite Gruppe von Wörtern zeigt, dass die West­ger­man­is­che Hebung nicht alles erk­lären kann: Woher kom­men all die Umlaute? Aus dem Althochdeutschen! Auch a, o und u woll­ten sich verän­dern, also kam es, schwup­ps, zum Primär- und Sekundärum­laut.2
Die Regel war ganz ähn­lich: Wenn in der beton­ten Silbe a, o oder u standen und in der darauf­fol­gen­den Silbe ein i oder j, wur­den die Laute zu ä, ö oder ü.

Dies­mal ist aber das u kein Aus­lös­er, weshalb man auch nicht von ein­er Hebung spricht,2009-04-29-umlaut son­dern von ein­er “Palatal­isierung”. Das bedeutet, dass die Laute sich in Rich­tung des Pala­tums (das ist der harte Gau­men) ver­schieben, also nach vorne – dahin, wo die aus­lösenden Laute (i und j) sitzen. Es wird also aus einem hin­teren oder zen­tralen Vokal (rechts der grauen Lin­ie) ein vorder­er Vokal (links der grauen Lin­ie), weil ein vorder­er Vokal (das i) laut nach Gesellschaft brüllt.

Wir haben also wieder:

  1. ast → wird abgeleit­et mit dem Zirkum­fix: gi-ast-i
  2. gi-ast-i enthält in der beton­ten Silbe ein a und in der Fol­ge­silbe ein i
  3. Das i ver­wan­delt das a in ein ä
  4. Das Ergeb­nis: giästi

Wie leicht zu erken­nen ist, gab es im Althochdeutschen keine totale Assim­i­la­tion: ä, ö und ü sind dem i nur ähn­lich­er als a, o und u, sie sind nicht mit ihm iden­tisch. Daher nen­nt man den Vor­gang auch “par­tielle Assimilation”.

Das e in Gehege war übri­gens auch mal ein a, es liegt also auch ein Umlaut vor. Warum man es nicht als ä schreibt, ist aber eine andere Geschichte.

Der Narr hat seine Schuldigkeit getan …

Jaja, das aus­lösende i in der Fol­ge­silbe – wo ist es eigentlich hin? Im Mit­tel­hochdeutschen gab es in den unbe­ton­ten Sil­ben ein großes Vokalster­ben: Nach und nach wur­den alle Vokale abgeschwächt, bis sie am Ende nur noch [ə] waren, wie in gesagt. In vie­len Fällen ist dieser reduzierte Laut dann völ­lig wegge­fall­en. Der Prozess heißt Neben­sil­ben­ab­schwächung und hat­te weitre­ichende Fol­gen für das kom­plette Sprach­sys­tem, aber dazu ein ander­mal. Jet­zt gehe ich mein Nacht­mus essen.

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Falsche Freunde und wahre Worte

Von Kristin Kopf

2009-04-25-fauxamisKür­zlich habe ich eine schöne Liste mit falschen Fre­un­den aus dem Mit­tel­hochdeutschen gefun­den. “Falsche Fre­unde” ken­nt wahrschein­lich jed­er aus der Schule – Wörter, die sich täuschend ähn­lich sehen/täuschend ähn­lich klin­gen, aber völ­lig ver­schiedene Bedeu­tun­gen haben. Meis­tens entste­hen sie dadurch, dass zwei Sprachen ein und das­selbe Wort unter­schiedlich behan­deln – es kommt zu Bedeu­tungsverän­derun­gen, die nicht par­al­lel ver­laufen. (So macht z.B. das Englis­che aus einem ger­man­is­chen Wort etwas anderes als das Deutsche, ver­gle­iche gift ‘Geschenk’ und Gift.) Oder aber eine Sprache entlehnt ein Wort und es bekommt eine leicht (oder radikal) andere Bedeu­tung. (So z.B. ein franzö­sis­ches Lehn­wort im Deutschen.)

Falsche Fre­unde” im Mit­tel­hochdeutschen sind eigentlich nur die Vorgänger unser heuti­gen Wörter, bevor sie all die Bedeu­tungsver­schiebun­gen durchgemacht haben. Die Gefahr, dass wir sie in ihrer heuti­gen Bedeu­tung ver­ste­hen ist natür­lich beson­ders groß, weil es sich ja um eine Vorstufe des heuti­gen Deutschen han­delt und es erstaunlich oft ganz gut klappt, die neuhochdeutsche Bedeu­tung zu nehmen.

Ein paar willkür­liche Beispiele aus der Liste, wie immer mit ein­er Vernei­gung vor Kluges Ety­mol­o­gis­chem Wörterbuch:

Mit den Sinnen denken

Das mit­tel­hochdeutsche betraht­en ‘bedenken, erwä­gen, aus­denken’ bekam im Früh­neuhochdeutschen den Bedeu­tungszusatz ‘beim Anschauen erwä­gen’, machte also eine Bedeu­tungsv­eren­gung mit. Schließlich nahm der Aspekt des Anschauens über­hand, sodass betra­cht­en heute ‘anschauen’ heißt. Das Ele­ment des Nach­denkens find­et man noch im Wort Betra­ch­tun­gen. Solche Bedeu­tungsver­schiebun­gen passieren sehr häu­fig mit Wahrnehmungsver­ben und Ver­ben, die kog­ni­tive Vorgänge beschreiben (begreifen und erfassen z.B. kom­men aus der anderen Rich­tung, sie beze­ich­neten ursprünglich das konkrete Anfassen, beziehen sich jet­zt aber auf das Verstehen).

My home is my castle

ellende ‘fremdes Land, Fremde’ ist tat­säch­lich der Ursprung für unser heutiges Elend. Das Wort Land steckt sog­ar noch drin: Im West­ger­man­is­chen gab die Bil­dung *alja-landja- ‘außer Lan­des seiend’. Im Althochdeutschen fällt der Umlaut über das Wort her und macht elilen­ti daraus.1

Im Aus­land zu sein war ein­stens kein Spaß, meist war man da, weil man ver­ban­nt war – und so kam es, dass das Wort die Bedeu­tung ‘Unglück, Jam­mer’ annahm. Es hat also eine Bedeu­tungsver­schlechterung mitgemacht.

Das ist nicht witzig!

Das Wort witze heißt im Mit­tel­hochdeutschen ‘Wis­sen, Ver­stand, Besin­nung, Ein­sicht, Klugheit, Weisheit’. Es ist eine Ableitung von wis­sen. Im 17. Jahrhun­dert hat das franzö­sis­che Wort esprit auf den Witz eingewirkt, das sich in der Bedeu­tung mit ihm über­schnitt, aber zusät­zlich das ‘geistre­iche’ Ele­ment besaß. (Das nen­nt man Lehnbe­deu­tung: Ein vorhan­denes Wort entlehnt eine Bedeu­tung von einem Wort aus ein­er anderen Sprache.) So bekam Witz bald die Bedeu­tung ‘geistre­iche For­mulierung’ und im 18. Jahrhun­dert mussten Witze nicht mehr geistre­ich sein, das Wort hieß nur noch ‘Scherz’. So kann der Intellekt in den Schmutz gezo­gen wer­den … der Unter­gang des Abend­lan­des ist nahe …

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Schuttertal revisited

Von Kristin Kopf

(Ergänzun­gen zu: Am Pas­cal seine Mut­ter | Wer­be­hefter für Motogross­ren­nen)

Nach­dem ich gestern – nicht primär für das Sch­plock – eine Stunde vor dem Regal mit Dialek­tbeschrei­bun­gen in der Insti­tuts­bib­lio­thek ges­tanden habe, gibt es noch ein paar Kleinigkeit­en zum Ale­man­nis­chen nachzu­tra­gen, lustiger­weise aus einem Buch, das Lehrerin­nen helfen soll, Dialek­te­in­flüsse aus dem Ale­man­nis­chen zu erken­nen und die Schüler dafür zu sen­si­bil­isieren. Darin wer­den Schüler­fehler analysiert und erk­lärt, also sehr ähn­lich wie das, was ich hier gemacht habe. Dann mal los:

Am Pascal seine Mutter …

… scheint ein beliebter Fehler zu sein. Zur Erin­nerung: dem wird dialek­tal so aus­ge­sprochen, dass es nur noch wie äm oder am klingt, weshalb das Kind hier am Pas­cal statt dem Pas­cal geschrieben hat. (Dass die Namen Artikel haben, ist ja auch über das Ale­man­nis­che hin­aus verbreitet.)

Das Buch hat ein Beispiel, in dem es eigentlich um die falsche Flex­ion von Her­rn geht, wo es auch zu ein­er solchen Rein­ter­pre­ta­tion kam:

(1) wir woll­ten im Herr Lehrer die Hose zunähen ‘wir woll­ten dem Her­rn Lehrer die Hose zunähen’

Der reduzierte Vokal vor dem [m] wurde hier als [i] analysiert, in meinem Pas­cal-Beispiel als [a], aber der Effekt ist sehr ähnlich.

Werbehefter für Motogrossrennen

Das Büch­lein gibt noch eine ganz ordentliche Aus­beute an Sub­stan­tiv­en her, die im Ale­man­nis­chen den Plur­al mit -er bilden, im Hochdeutschen aber nicht. Im Orig­i­nal­beitrag habe ich ja schon Heft Hefter und StückStück­er genan­nt, die kom­men in der Liste auch vor, und zusät­zlich gibt es:

  • Stein – Steiner
  • Seil – Seiler
  • Bein – Beiner
  • Ding – Dinger
  • Geschenk – Geschenker
  • Scheit – Scheiter
  • Bett – Better
  • Geschäft – Geschäfter
  • Hemd – Hemder
  • Spiel – Spieler
  • Gewicht – Gewichter
  • Men­sch – Menscher
  • Geschmack – Geschmack­er (kommt mir ohne Umlaut selt­sam vor)
  • Unglück – Unglücker
  • Schick­sal – Schick­saler (kommt mir ohne Umlaut selt­sam vor)
  • Gewehr – Gewehrer
  • Geschirr – Geschirrer
  • Hag – Häger
  • Brot – Bröter
  • Ross – Rösser
  • Ort – Örter

Nicht alle davon ver­wen­det man im Schut­ter­tal, aber sehr viele kom­men mir sehr ver­traut vor.

Dagegen ist kein Mittel gewachsen

Von Kristin Kopf

Auf der Fahrt zur DGfS-Tagung im März fiel mir fol­gen­des “Falt­blatt Ihr Reise­plan” in die Hand:
mittelgewachsen1

Es dauerte eine ganze Weile, bis mir klar wurde, woher mein Unbe­ha­gen stammte: Statt kein Kraut gewach­sen ste­ht in der Wer­beanzeige kein Mit­tel. Selt­sam, zumal es um ein pflan­zlich basiertes Mit­tel geht, Kraut also vol­lkom­men angemessen gewe­sen wäre. Lange habe ich mir den Kopf darüber zer­brochen, ob es nun Absicht (dazu schien es mir zu unauf­fäl­lig) oder ein Verse­hen (dazu schien es mir zu pro­fes­sionell) war. Oder ob sich die Wen­dung gar verän­dert? Let­zteres ist schnell über­prüf­bar, eine kurze Googelei führt zu 39 Tre­f­fern1 für “kein Mit­tel gewach­sen” – ein paar Kostproben:

Die Suche nach “kein Kraut gewach­sen” erzielt hinge­gen 38.500 Tre­f­fer – sieht also so aus, als sei es eher ein Versprecher/Verschreiber als ein Wan­del­prozess. Wie kamen die Leute aber auf Mit­tel, warum wird die Ver­tauschung doch rel­a­tiv häu­fig gemacht?

Wahrschein­lich hat das mit anderen Wen­dun­gen zu tun, die etwas ähn­lich­es aus­drück­en wie dage­gen ist kein Kraut gewach­sen, z.B. da(gegen) hil­ft kein Mit­tel, es gibt kein Mit­tel gegen X, etc. Die große inhaltliche Ähn­lichkeit führt dazu, dass Kraut leicht gegen Mit­tel aus­ge­tauscht wer­den kann. Das nen­nt man “Kon­t­a­m­i­na­tion”. Weit­ere Beispiele2 sind:

(1) Sei mir nicht übel. < Sei mir nicht böse + Nimm’s mir nicht übel

(2) Er ist mit auf die Pelle getreten. < Er ist mir auf die Pelle gerückt + Er ist mir auf die Füße getreten

Das Wele­da-Rät­sel ist übri­gens gelöst, das Unternehmen hat mir auf eine Anfrage geantwortet:

Es wurde in der Wer­beanzeige für Fer­rum phos­pho­ricum comp. absichtlich „Kraut“ durch „Mit­tel“ erset­zt, weil es ein wenig irri­tiert wodurch die Aufmerk­samkeit erhöht wird.

Trau­rige Nachricht­en, macht mich das doch zum unwilli­gen Werkzeug der Wer­bekam­pagne. Glück­licher­weise ist die Erkäl­tungs­sai­son erst­mal vor­bei, sodass sich hier hof­fentlich auch nie­mand bewor­ben fühlt.

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[Surftipp] Jenseits von ASCII

Von Kristin Kopf

Mal wieder ein Link, während ich noch auf eine Mail warte, die Infor­ma­tio­nen für den näch­sten inhaltlichen Beitrag liefern soll. Über Strange Maps gefun­den: Eine Karte mit ein­er Über­sicht über Son­derze­ichen in den Zeichen­sätzen europäis­ch­er Sprachen:

2009-04-20-ascii

Die Größe der Län­der ori­en­tiert sich an der Zahl der über Ascii hin­aus­ge­hen­den Zeichen ein­er Sprache, ein beliebtes Prinzip. Ein Wort der War­nung: Dass ein ungewöhn­lich­es Zeichen sich im Zeichen­satz befind­et, heißt noch lange nicht, dass es in der entsprechen­den Sprache unun­ter­brochen in Ver­wen­dung ist.

Man kann sich die Karte als Pdf herun­ter­laden oder sog­ar als Poster zuschick­en lassen.

2009-04-20-niederl

Willkür­lich her­aus­gepickt will ich ein bißchen was zum Nieder­ländis­chen sagen: Es hat sämtliche Vokale mit zwei Punk­ten drüber. Das sind aber nicht, wie im Deutschen für <ä, ö, ü>, Umlautze­ichen, d.h. man spricht sie nicht anders aus als <a, o, u>. Die Punk­te dienen vielmehr dazu, die Wort­struk­tur anzuzeigen und heißen Trema.

Die nieder­ländis­che Wikipedia zum Trema:

Het trema of deel­teken is een spelling­steken dat bestaat uit twee pun­t­jes die boven een klink­erteken wor­den gezet. Het trema geeft aan dat de ermee gemar­keerde klink­er het begin is van een nieuwe let­ter­greep en dus niet moet wor­den gelezen als zou hij samen met de er aan vooraf­gaande letter(s) een klank weergeven, zoals in knieën.

[Meine eilige Über­set­zung: Das Trema oder der Tren­npunkt ist ein Schriftze­ichen, das aus zwei Punk­ten beset­zt, die über Vokalze­ichen geset­zt wer­den. Das Trema zeigt an, dass der damit markierte Vokal den Anfang ein­er neuen Silbe darstellt und somit nicht so gele­sen wer­den darf, als würde er gemein­sam mit dem/den vor­ange­hen­den Buch­staben einen Laut wiedergeben, wie in knieën ‘Knie (Plur­al)’.]

Ein Wort wie nieder­ländisch knie ‘Knie’ (gesprochen fast wie im Deutschen) wird im Plur­al also in die Sil­ben knie-ën geteilt. (Im Deutschen sagen wir ja ein­mal “kni” und ein­mal “kni-je”, schreiben es aber bei­de Male gle­ich.) Beispiele für das Trema (aus dem Wikipediaeintrag):

  • <ä> tetraëder ‘Tetraed­er’
  • <ë> con­ciërge ‘Haus­meis­terIn’
  • <ï> egoïsme ‘Ego­is­mus’
  • <ö> coör­di­natie ‘Koor­di­na­tion’
  • <ü> reünie ‘Tre­f­fen’

Die so markierten Buch­staben wer­den also genau­so gesprochen wie ihre punk­t­losen Kol­le­gen, die Punk­te dienen nur der Silbentrennung.

Fälle, in denen die bei­den Punk­te wirk­lich einen Umlaut darstellen und somit einen ander­sklin­gen­den Laut beze­ich­nen, gibt es zwar auch, aber nur sehr wenige, näm­lich Fremd­wörter aus dem Deutschen, wie:

  • <ä> salon­fähig, einzel­gänger
  • <ö> fremd­kör­p­er
  • <ü> glüh­wein, über­haupt

Im Deutschen hinge­gen gibt es Trema­ta (d.h. in ihrer Nicht-Umlaut-Funk­tion) nur bei Eigen­na­men (i.d.R. aus anderen Sprachen) wie Cit­roën aus dem Franzö­sis­chen. Trema­ta auf <a, o, u> gibt es meines Wis­sens keine, es beste­ht also keine Verwechslungsgefahr.

Beitragsaufrufe und Auswahlfragen

Von Anatol Stefanowitsch

Sprachblogleser/innen der ersten Stunde erin­nern sich vielle­icht, dass ich der „Aktion Lebendi­ges Deutsch“ gegenüber anfänglich eigentlich pos­i­tiv eingestellt war. Es ist nichts dage­gen einzuwen­den, sich Lehn­wörter daraufhin anzuse­hen, ob es im Deutschen nicht bere­its eine kon­ven­tionelle Alter­na­tive gibt oder ob man nicht mit Hil­fe pro­duk­tiv­er Wort­bil­dungsmech­a­nis­men eine Alter­na­tive aus dem beste­hen­den Wortschatz zusam­men­bauen kön­nte. Ob die sich dann durch­set­zt oder ob die Sprachge­mein­schaft aus welchen Grün­den auch immer — und es gibt oft gute Gründe — beim Lehn­wort bleibt, kann man dann get­rost dem evo­lu­tionären Prozess über­lassen, durch den eine Sprache sich ständig verän­dert und neuen Gegeben­heit­en anpasst. Weit­er­lesen

[Surftipp] Müller, Meier, Hassdenteufel

Von Kristin Kopf

Müller, Meier, Has­s­den­teufel – Was unsere Namen ver­rat­en” ist ein Radiobeitrag über Fam­i­li­en­na­men, gemacht von Studieren­den des jour­nal­is­tis­chen Sem­i­nars der Uni Mainz. Gesendet wurde er zwar schon im Jan­u­ar, aber die Inhalte sind auch im Inter­net abruf­bar. Inter­viewt wur­den vor allem die Mitar­bei­t­erin­nen des DFG-Pro­jek­ts Deutsch­er Fam­i­li­en­na­me­nat­las, und wenn man noch nichts über Namenkunde weiß, ist das auf jeden Fall sehr span­nend. Alle Beiträge kön­nen hier gehört und geschaut werden:

2009-04-17-hassdenteufel