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Welli? Selli! Rätsellösen mit der Mittelhochdeutschen Grammatik

Von Kristin Kopf

Nico, der Gewin­ner der Sch­plock-Jubiläumsver­losung 2009, hat sich nicht damit beg­nügt, ein Buch von mir geschickt zu bekom­men – nein, er hat mir auch post­wen­dend ein Buch zurück­geschickt. Jip­pie! Und zwar die Mit­tel­hochdeutsche Gram­matik von Paul/Mitzka in der 18. Auflage, die (und deren Nach­fol­gerin­nen) ich tat­säch­lich noch nicht besaß. Ich habe mich enorm gefreut und gle­ich ange­fan­gen, zu lesen. Bere­its auf Seite 27 habe ich dann etwas her­aus­ge­fun­den, was ich Euch auf keinen Fall voren­thal­ten will …

Im Ale­man­nis­chen gibt es die Wörter sell­er, sel­li, sell. Sie entsprechen unge­fähr dem hochdeutschen ‘jen­er, jene, jenes’/‘dieser, diese, dieses’/‘der, die, das’. Das sind Demon­stra­tivpronomen, aber zu dem The­ma schreibe ich mal geson­dert was. Jet­zt geht es nur darum, dass ich jahre­lang gerät­selt habe, woher die For­men kommen.

Hier ein Beispiel aus meinen Auf­nah­men für die Mag­is­ter­ar­beit – ich hat­te danach gefragt, welche Spiele es früher gab:

Un die Karde­schbi­ile, des häm­mer au gho. Des het mo gwän­lich vun de Vewonde irgend­wie mol gschengt griegt, waisch, un … ja. Sell häm­mer au gho. Un mer hänau fil gschbielt … 

[Und diese Karten­spiele, das haben wir auch gehabt. Das hat man gewöhn­lich von den Ver­wandten irgend­wie mal geschenkt gekriegt, weißt du, und … ja. Das haben wir auch gehabt. Und wir haben auch viel gespielt …]1

For­mal hat sell wed­er mit dies noch mit jenes etwas gemein, und son­st ist mir auch kein neuhochdeutsches Wort einge­fall­en, dem es entsprechen kön­nte. Ich habe immer mal wieder von Leuten den Vorschlag gehört, es kön­nte mit dem franzö­sis­chen cela ‘das’ oder celle, celui ‘die, der’ zu tun haben. Da ist aber nichts dran. Es gibt ein hochdeutsches Wort. Die Mit­tel­hochdeutsche Gram­matik hat mir auf die Sprünge geholfen:

Die neuhochdeutsche Entsprechung ist solch­er (solche, solch­es). Im Althochdeutschen lautete es noch soli­hêr oder sol­her2. Es gab aber die Ten­denz dazu, ein h in unbe­ton­ter Silbe nur noch ganz schwach und schließlich gar nicht mehr auszus­prechen. Das führte zur südale­man­nis­chen Form solêr.

Gle­ichzeit­ig machte auch das Wort welch­er in sein­er althochdeutschen Form uueli­hêr, uuel­her3 diese Entwick­lung mit und wurde zu wel­er. (Auch das gibt es noch heute als weller, welli, wells.)

Und schließlich nahm sich sol­er das wel­er zum Vor­bild und beseit­igte das o zugun­sten des e-Lautes. Das nen­nt man Analo­gie, das eine Wort benutzt das andere als Muster, um mehr Regelmäßigkeit in die For­men zu bringen.

Sell­er über­nahm schließlich im Ale­man­nis­chen die Funk­tions des Demon­stra­tivpronomens, in Auf­gaben­teilung mit den Artikeln. Die alten Demon­stra­tivpronomen dieser und jen­er find­en sich im Dialekt über­haupt nicht mehr. Und wenn man die ursprüngliche Bedeu­tung ‘solch­er’ aus­drück­en will, sagt man ein­fach so ein­er.

Heute Nacht werde ich ruhig schlafen können.

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[Lesetipp] Silbensprachen versus Wortsprachen

Von Kristin Kopf

Dass das Schweiz­erdeutsche für uns Deutsche oft­mals frem­dar­tiger als andere deutsche Dialek­te klingt, kann man unter anderem mit einem typol­o­gis­chen Unter­schied erklären.

Typolo­gie” in der Sprach­wis­senschaft bedeutet, dass man sich einen bes­timmten Aspekt ein­er Sprache her­aus­greift, z.B. die Satzstel­lung, und sich haufen­weise Sprachen anschaut. Dabei fällt einem dann auf, dass es ganz ver­schiedene Arten von Satzstel­lung gibt. Es gibt Sprachen wie das Englis­che, bei denen das Verb zwis­chen Sub­jekt und Objekt ste­ht (I had a beer), aber auch Sprachen wie das Japanis­che, bei denen das Verb ganz am Ende ste­ht (biiru wo non­da ‘(ich) trank ein Bier’). (Man kürzt die Beze­ich­nun­gen ab, ersteres nen­nt man “SVO” und let­zteres “SOV”.)

Das Span­nende an der Typolo­gie ist, dass sich oft Sprachen gle­ich ver­hal­ten, die sowas von gar nicht miteinan­der ver­wandt sind – und gle­ichzeit­ig tun sich bei Sprachen, die eigentlich von ein­er gemein­samen Ursprache abstam­men, enorme Unter­schiede auf. Mit welchem Wort­ma­te­r­i­al, mit welchen Vok­a­beln ein bes­timmter Typ real­isiert wird, ist bei der Typolo­gie näm­lich unwichtig, wichtig ist nur, dass das selbe Prinzip ver­wen­det wird.

So, jet­zt aber zum Schweiz­erdeutschen. Beim Schweiz­erdeutschen geht es nicht um so etwas wie Wort­stel­lung, son­dern um Phonolo­gie. Das Schweiz­erdeutsche ist näm­lich eine “Sil­ben­sprache”, das Stan­dard­deutsche eine “Wort­sprache”. Die Unter­schiede kann man also nicht sehen, wenn man sich Texte anschaut – aber man hört sie ganz gewaltig. Wie das funk­tion­iert, hat Rena­ta Szczepa­ni­ak – meine Ex-Chefin – in einem Artikel für Natur & Geist erk­lärt. Ihr find­et ihn hier (pdf), ab Seite 49:

Auf typol­o­gis­che Unter­schiede stoßen wir schon in unserem täglichen Umgang mit dem Deutschen. So beacht­en wir in der Stan­dar­d­aussprache von Wörtern wie Vere­in oder über­all die mor­phol­o­gis­che Struk­tur (Ver+ein, über+all). Hier fall­en die Sil­ben- mit den Mor­phem­gren­zen zusam­men: Ver.ein und ü.ber.all. Punk­te markieren dabei die Sil­ben­gren­zen. Doch viele von uns ken­nen auch die regionalen, süd­deutschen Vari­anten Ve.rein und ü.be.rall. Hier­bei wer­den die Wörter ungeachtet der Mor­phem­gren­zen in Sil­ben zerteilt. (weit­er)

Und weil sie ein paar Fachter­mi­ni benutzt, die Nichtlin­guis­ten wohl nicht geläu­fig sind, habe ich Euch ein Miniglos­sar gebastelt – in der Rei­hen­folge ihres Auftretens:

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Inklusive aller Personen – ein bißchen Terminologie

Von Kristin Kopf

Wahrschein­lich weiß jed­er von Euch, dass man bei der Kon­ju­ga­tion eines Verbs die “Per­so­n­en” berück­sichti­gen muss. Da gibt es eine 1. Per­son Sin­gu­lar (ich), eine 2. (du), eine 3. (er/sie/es), und dann gibt’s die alle auch noch ein­mal im Plur­al (1. wir, 2. ihr, 3. sie). Woran liegt es aber, dass es zweimal bis drei geht? Warum sagt man nicht ein­fach 1., 2., 3., 4., 5. und 6. Per­son, und gut ist?

Das Prinzip ist sehr ein­fach, aber in meinem Leben vor der Uni war’s mir nicht wirk­lich klar – vielle­icht ist es also auch für jeman­den von Euch noch erhellend.

Das Konzept der “Per­son” benutzen wir, um das Ver­hält­nis von Sprecherin und “Besproch­en­em” zu beschreiben. Sie kommt im Satz als Per­son­al­pronomen (ich, du, sie) oder Nom­i­nal­gruppe (der müde Mann) vor. Und im Deutschen richt­en sich die Ver­ben nach der Per­son des Sub­jek­ts, daher sind die Per­so­n­en auch für die Kon­ju­ga­tion relevant.

Wenn man sie sich gut anschaut, haben die bei­den 1. Per­so­n­en (Sin­gu­lar und Plur­al) etwas gemein­sam, genau­so die 2. und die 3.

2009-08-16-Personen

Sin­gu­lar

Das sind die drei Per­so­n­en im Singular.

  • 1. Per­son: Die Sprecherin meint sich selb­st – Ich schreibe grade einen Blo­gein­trag.
  • 2. Per­son: Die Sprecherin meint den Hör­er – Du kön­ntest mir auch mal helfen!
  • 3. Per­son: Die Sprecherin meint jemand anders, der nicht am Gespräch beteiligt ist – Er geht mir ja sowas von auf die Nerven!

Im Plur­al ist es ähn­lich – bei der 1. Per­son ist immer die Sprecherin dabei, bei der 2. immer der Hör­er, und bei der 3. irgendwelche anderen Leute, die nicht am Gespräch beteiligt sind:

1. Person Plural

Die Sprecherin meint sich selb­st und diejeni­gen, die zu ihrer Gruppe gehören – Wir gehen nach­her noch was trinken. 

Allerd­ings ist das Deutsche da nicht ganz so präzise wie manch andere Sprache. Es bleibt näm­lich offen, was das genau für Leute sind, die zur Wir-Gruppe gehören. Da gibt es zwei Möglichkeiten:

a) Ich spreche für mich und min­destens eine weit­ere Per­son, meine aber meinen Gesprächspart­ner nicht mit. Das ist die “exk­lu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen darf nicht mit in die Kneipe kommen:

1. Person Plural (exklusiv)

1. Per­son Plur­al (exk­lu­siv)

b) Mein Gesprächspart­ner ist auch Teil mein­er Gruppe, er ist in das Wir eingeschlossen. Das ist die “inklu­sive” Bedeu­tung. Das grüne Män­nchen kommt auch mit in die Kneipe:

1. Person Plural (inklusiv)

1. Per­son Plur­al (inklu­siv)

Diese Unter­schei­dung muss man im Deutschen durch den Kon­text tre­f­fen, was nicht immer gelingt. Andere Sprachen haben ver­schiedene Pronomen für ein exk­lu­sives und ein inklu­sives Wir. Hier die entsprechen­den Wörter in Motu, ein­er ozeanis­chen Sprache Papua Neuguineas:

  • 1. Per­son Sin­gu­lar: lau ‘ich’
  • 1. Per­son Plur­al inklu­siv: ita ‘ich und du (und evtl. Dritte)’
  • 1. Per­son Plur­al exk­lu­siv: ai ‘ich und Dritte (ätschbätsch, du nicht!)

2. Person Plural

Die Sprecherin meint den Hör­er und die Leute, die zu sein­er Gruppe gehören. Das kann auch wieder auf zwei Arten geschehen, allerd­ings ist der Unter­schied nicht so gravierend:

a) Die Sprecherin spricht nur eine Per­son aus der Gruppe an (z.B. weil die anderen nicht anwe­send sind, oder eine andere Sprache sprechen, oder weil sie unhöflich ist …), es gibt also nur einen Hörer.

b) Die Sprecherin spricht alle Per­so­n­en aus der Gruppe gle­ichzeit­ig an, es gibt also mehrere Hörer.

2. Person Plural

2. Per­son Plural

3. Person Plural

Bei der drit­ten Per­son Plur­al sind Leute gemeint, die nicht am Gespräch beteiligt sind. Im Gegen­satz zum Sin­gu­lar jet­zt eben min­destens zwei.

3. Person Plural

3. Per­son Plural

Hier müssen aber nicht unbe­d­ingt Men­schen (oder Tiere) gemeint sein, die Gemein­ten reden ja eh nicht mit. Es kann also auch um Dinge oder abstrak­te Konzepte gehen.

2009-08-16-sie-dinge

3. Per­son Plural

Die 1. Per­son umfasst also immer die Sprecherin, die 2. immer den Hör­er und die 3. unbeteiligte Per­so­n­en oder Dinge. Im Sin­gu­lar immer nur eine Entität, im Plur­al min­destens zwei. (Und natür­lich ist die Min­destzahl für den Plur­al in Sprachen, die den Dual haben, drei.)

Bei Familie Kistenpfennig

Von Kristin Kopf

2009-08-Kistenpfennig

Vor zwei Wochen bin ich durch ein Indus­triege­bi­et ger­adelt (roman­isch, was?) und habe dabei die Fir­ma Kistenpfen­nig ent­deckt. (Es scheint ihr da aber auch nicht so gut zu gefall­en, denn im Sep­tem­ber zieht sie um.)

Kistenpfen­nig ist ein­er der schillern­deren Fam­i­li­en­na­men des Deutschen – und zwar ganz beson­ders, wenn man sich anschaut, wo er herkommt. Spon­tan ver­muten wohl die meis­ten Men­schen, dass es etwas mit ein­er Kiste zu tun hat – vielle­icht eine Schatztruhe oder sowas – aber dem ist nicht so.

Was hat Bleibtreu mit Kistenpfennig zu tun?

Kistenpfen­nig ist ein soge­nan­nter “Satz­name”, also ein Name, der ursprünglich ein richtiger Satz war. Satz­na­men sind rel­a­tiv sel­ten, dazu gehören z.B. Diene­gott, Bleib­treu, Nährdich, Lach­nitt ‘lach nicht’, Thu­dichum, Sprin­gins­feld, Kehrein, Flick­en­schild ‘flick den Schild’. Ich habe hier Beispiele aus­gewählt, die heute noch recht gut ver­ständlich sind (übri­gens alle aus Kun­ze, S. 152). Viele dieser Satz­na­men haben aber laut­liche Verän­derun­gen mit­gemacht oder sind dialek­tal geprägt, sodass man heute nicht mehr so klar sehen kann, woher sie kommen.

So ist das auch mit Kistenpfen­nig. Der Name bein­hal­tet das Verb küssen, wörtlich heißt er also ‘küss den Pfen­nig’ (kis ten pfen­nig). Dass ein i- statt eines ü-Lautes benutzt wird, ist dialek­tal gar nicht so sel­ten. Man nen­nt das Phänomen “Entrun­dung”, weil der einzige Unter­schied zwis­chen den bei­den Laut­en darin beste­ht, dass beim ü die Lip­pen gerun­det wer­den, beim i aber nicht. (Ein­fach mal pro­bieren: Wenn Ihr ein i aussprecht und dann langsam die Lip­pen zu einem Kuss­mund formt, wird automa­tisch ein ü draus.)

Es gibt den Namen auch in der gerun­de­ten Vari­ante, näm­lich als Küssenpfenig (in Öster­re­ich). Olschan­sky gibt auch noch Küstenpfen­nig an, aber da finde ich zumin­d­est keine Tele­fon­buchein­träge, muss also sehr sel­ten (oder schon aus­gestor­ben) sein.

Kistenpfen­nigs gibt’s aber auch nicht ger­ade viele. Eine Abfrage mit Geogen, ein­er Kartierungssoft­ware für Fam­i­li­en­na­men, ergibt 37 Tele­fo­nan­schlüsse in Deutschland:

2009-08-Kistenpfennig-absolut

Und wer heißt so?

Wie kam man über­haupt auf die Idee, jeman­den Kistenpfen­nig zu nennen?

Der Name ist ein soge­nan­nter “Über­name”. Über­na­men beschreiben eine charak­ter­is­tis­che Eigen­schaft oder das Ausse­hen der benan­nten Per­son. So kann jemand mit schwarzem Haar Schwarz genan­nt wer­den, jemand von eher unter­durch­schnit­tlich­er Kör­per­größe Klein, eine unan­genehme Per­son wird zum Greulich. Und ein Kistenpfen­nig ist ein Geizhals – ein­er, der jeden Pfen­nig küsst.

Es gibt noch einige weit­ere Satz­na­men mit dieser Bedeu­tung, z.B. Wehrenpfen­nig ‘vertei­di­ge den Pfen­nig’, Zip­penpfen­nig ‘spare den Pfen­nig’ und Wrief­pfen­nig ‘reib Pfennig’.

Es gibt auch noch weit­ere Fam­i­li­en­na­men mit Pfen­nig. Men­schen, die geschickt mit Geld umge­hen kön­nen, heißen Wucherpfen­nig, Win­nepfen­nig. Wer es nicht schafft, sein Geld gewinnbrin­gend einzuset­zen, ist ein Schim­melpfen­nig oder Sulzepfen­nig (von salzen, also ein­pökeln). Und wer ver­schwen­derisch lebt wird Zehrenpfen­nig (von zehren, früher in der Bedeu­tung ‘ver­prassen’) oder Schmeltzpfen­nig genannt.

Wie konnte das passieren?

Fam­i­li­en­na­men gab es nicht immer. Im Früh­mit­te­lal­ter und vorher tru­gen die Men­schen Ruf­na­men (Sigfried, Kriemhilt, …) und, wenn das nicht aus­re­ichte (weil z.B. jemand anders auch so hieß), Beina­men. Gab es also zwei Sigfrieds im Dorf, kon­nte ein­er Klein und der andere Groß genan­nt wer­den, oder nach den Berufen ein­er Müller und der andere Schnei­der, … man war sehr kreativ, es gab auch Benen­nun­gen nach dem Wohnort, dem Herkun­ft­sort oder dem Vater.

Nun spitzte sich allerd­ings die Lage immer weit­er zu, und zwar weil die Städte immer weit­er wuch­sen, also immer mehr Men­schen den sel­ben Ruf­na­men tru­gen, und weil man sich bei der Benen­nung tra­di­tions­be­wusst zeigte: Die Nach­be­nen­nung war in Mode. Kinder wur­den auf den Namen der Eltern, der Pat­en oder der Großel­tern getauft, auch Herrsch­er­na­men waren sehr beliebt. Und Schutzheilige – und mit ihnen die bib­lis­chen Namen. Im Spät­mit­te­lal­ter hießen 23% aller Frauen Mar­gare­ta, 18% Katha­ri­na. Bei den Män­nern hieß fast jed­er dritte Johannes.

Schließlich wur­den die Beina­men “fest”: Sie wur­den auf die Kinder weit­er­vererbt und somit zu Fam­i­li­en­na­men. Sigfrid Klein hieß noch so, weil er klein war, aber sein Sohn Johannes Klein war vielle­icht der größte Junge der Straße – trug aber trotz­dem den Namen des Vaters. Man geht davon aus, dass dieser Prozess im 12. Jahrhun­dert in Süd­deutsch­land begann und nach und nach das ganze deutsche Sprachge­bi­et erfasste. Als Gründe dafür sieht man neben Bevölkerungswach­s­tum und Nach­be­nen­nung die Sicherung von Erbansprüchen und die zunehmende Bürokratie (Steuerlis­ten, Urkunden, …).

Und so ste­hen heute die armen Kistenpfen­nigs mit ihrem Namen da, obwohl sie wom­öglich sehr großzügig sind. Also vielle­icht ein Segen, dass man die Herkun­ft des Namens nicht mehr direkt erkennt …

Aller guten Dinge sind 2: Alles Gute, liebes Schplock!

Von Kristin Kopf

Heute wird das Sch­plock zwei Jahre alt! Weil man einem Blog nichts schenken kann, schenkt das Sch­plock aus diesem freudi­gen Anlass Euch was! Ich ver­lose unter allen, die bis ein­schließlich Son­ntag einen Kom­men­tar oder ein Ping­back hin­ter­lassen, eines der Buchtipp-Büch­er. Zur Wahl stehen:

Aus gegeben­em Anlass geht es heute um die Zahl 2, und zwar auf zweier­lei Wegen:

Drei Formen der Zahl zwei und ihre Verstecke

Im Indoger­man­is­chen hieß ‘zwei’ *dwôu und hat­te bere­its dieselbe Bedeu­tung – ziem­lich unspan­nend eigentlich. Was aber inter­es­sant ist: zwei kon­nte früher flek­tieren, d.h. die Zahl richtete sich im Genus nach dem Gezählten. Wie Adjek­tive heute. Die For­men waren im Alt- und Mit­tel­hochdeutschen zwêne (maskulin), zwô, zwâ (fem­i­nin), zwei (neu­trum). Ein paar Beispiele?

  • di zwene mar­c­graven gere vnt ekke­wart ‘die zwei Mark­grafen Gere und Ekke­wart’ (Der Nibelunge Not I,9,3) – mar­c­grav ist maskulin → zwene
  • Under im in eyn­er kamern waren zwo jungfrauwen besloßen ‘unter ihm in ein­er Kam­mer waren zwei Jungfrauen eingeschlossen’ (Pros­alancelot 1281) – jungfrauw ist fem­i­nin → zwo
  • der worhte zwei mezzer, diu ez sniten ‘der schuf zwei Mess­er, die es schnit­ten’ (Wol­fram von Eschen­bach: Parzi­val 490,21) – mezzer ist neu­trum → zwei

Dieses Phänomen hat sich teil­weise dialek­tal erhal­ten, zum Beispiel in manchen schweiz­erdeutschen Dialek­ten. Munske (1983:1007) gibt die Beispiele

  • zwee Hünd ‘zwei Hunde’
  • zwoo Chüe ‘zwei Kühe’
  • zwäi Hüen­er ‘zwei Hühner’

Im Neuhochdeutschen gibt’s neben zwei auch noch die Vari­ante zwo, durch die man eine Ver­wech­slung mit drei ver­hin­dern will (“An Gleis zwo fährt jet­zt ein …”). Das ist die alte fem­i­nine Form.

zwei selb­st ist zwar ety­mol­o­gisch recht ein­fach, aber es steckt in ein­er ganzen Rei­he von Wörtern, in denen wir es heute nicht mehr unbe­d­ingt ver­muten würden:

  • als Zwi- in Zwieback (zweimal geback­en), Zwillich (zweifädi­ges Gewebe), Zwill­ing, Zwirn (urspr. zwei­drähtiger Faden), zwis­chen (urspr. zweifach, bei­de), Zwist, Zwitter
  • als Zwei- in Zweifel (von zweifältig, ges­pal­ten), Zweig (in zwei gegabelt)
  • und in Zuber (Gefäß mit zwei Henkeln).

Einzahl, Zweizahl, Mehrzahl

Im heuti­gen Deutschen haben wir zwei Numeri, den Sin­gu­lar (die Ein­zahl) und den Plur­al (die Mehrzahl). Danach flek­tieren wir Ver­ben (ich gehe vs. wir gehen), Sub­stan­tive (das Kind vs. die Kinder) und Adjek­tive (die kleine Katze, die kleinen Katzen).

Es gibt aber Sprachen, die nicht nur unter­schei­den, ob es um ein Ding/Wesen oder um mehrere geht, son­dern die es auch wichtig find­en, zu markieren, wenn es um exakt zwei geht. Diese Kat­e­gorie nen­nt man “Dual”. In ein­er Vorstufe des Deutschen muss es den Dual ein­stens gegeben haben: im Indoger­man­is­chen. Im Slowenis­chen hat er sich tapfer erhal­ten. Hier ein paar Beispiele (Quelle):

Der Dual beim Verb: Wenn von zwei Per­so­n­en die Rede ist, wird eine andere Verb­form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • gov­orim ‘ich spreche’ – 1. Per­son Singular
  • gov­ori­va ‘wir bei­de sprechen’ – 1. Per­son Dual
  • gov­o­rimo ‘wir (mind. 3 Leute) sprechen’ – 1. Per­son Plural

Der Dual beim Sub­stan­tiv: Wenn über zwei Dinge gesprochen wird, wird eine andere Form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • knji­ga ‘Buch’ – Singular
  • knji­gi ‘zwei Büch­er’ – Dual
  • knjige ‘Büch­er (mind. 3)’ – Plural

Bei vie­len Sprachen find­et sich der Dual nur in einem Teil des Sys­tems, näm­lich bei den Per­son­al­pronomen. Es gibt also ver­schiedene Wörter für ‘ich’, ‘du’, ‘er’, ‘sie’, ‘wir bei­de’, ‘ihr bei­den’, ‘sie bei­de’, ‘wir’, ‘ihr’, ‘sie’.

So, und jet­zt schwinge ich mich wieder auf mein Zweirad und urlaube weiter.

Kiss and Ride

Von Kristin Kopf

Ich mache ein bißchen Urlaub. Ihr werdet hof­fentlich nicht viel davon mit­bekom­men, denn ich habe schon was prä­fab­riziert, aber der Anlass ist ein­fach zu gut:

2009-08-04-Kissandride

© Sch­plock, 2009

Ich habe mich gle­ich mal informiert, ob da jemand am Bahn­hof Offen­burg beson­ders kreativ war, oder ob ich nur mal wieder ein Phänomen ver­schlafen habe. Kiss and Ride scheint es als Begriff schon eine ganze Weile zu geben, es hat auch einen Wikipedi­aein­trag, aber so ein schönes Pik­togramm haben bish­er nur die wenig­sten hin­bekom­men. Beson­ders stil­voll finde ich die Kom­bi­na­tion von eingeschränk­tem Hal­te­ver­bot und sym­pa­this­ch­er Kusserlaubnis.

Über flauschige Bibbili

Von Kristin Kopf

Ich bin ger­ade dabei, die Dialek­tauf­nah­men, die ich für meine Mag­is­ter­ar­beit gemacht habe, zu analysieren. Dabei suche ich zu jedem Wort die althochdeutsche Form – auch zu Wörtern, von denen ich gar nicht weiß, ob es sie im Althochdeutschen schon gab.

Momen­tan halte ich mich ger­ade ein bißchen beim Wort Bib­bili auf, dem badis­chen Wort für ‘Küken’.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Weil die Beze­ich­nung so offen­sichtlich anders ist als die hochdeutsche Form, ver­suchen die Dialek­t­sprecherIn­nen oft eine ety­mol­o­gis­che Erk­lärung dafür zu find­en. Dabei wird meis­tens der Bib­biliskäs ange­führt (laut Duden Bibeleskäs(e)), ein quarkähn­lich­er Rohmilchkäse – er taugt zur Erk­lärung des Wortes allerd­ings nicht, da er nach den Tieren benan­nt ist: Mit ihm wur­den die Küken früher gefüttert.

Friedel Scheer-Nahor von der Uni Freiburg hat sich dem Bib­bili 2001 in einem Artikel für die Badis­che Zeitung gewid­met. Sie führt das Wort auf eine Laut­malerei zurück:

Wer ein­mal gese­hen und gehört hat, wie eine Küken­schar hin­ter der Glucke her­läuft, wird sich denken kön­nen, dass sowohl Bib­bili als auch Zib­bili tre­f­fende laut­ma­lerische Bil­dun­gen sind.

Auf ihrer Seite gibt es auch eine schöne Karte zum The­ma, auf der man die Ver­bre­itung des Wortes in Baden sehen kann:

Leserumfrage Badische Zeitung

Leserum­frage Badis­che Zeitung (mit fre­undlich­er Genehmi­gung von Friedel Scheer-Nahor)

Neben Bib­bili gibt es also noch zahlre­iche weit­ere Wörter für Küken im Badis­chen. Was auf­fällt ist, dass sie alle auf -li oder -le enden. Das ist die badis­che Endung, die dem hochdeutschen -lein entspricht, eine Verkleinerungs­form (“Diminu­tiv”). Die Endung -chen gibt es übri­gend im ale­man­nis­chen Sprachge­bi­et nicht – selb­st das Mäd­chen heißt Maid­li. Ich nehme an, dass -l(i|e) auch bei Bib­bili die Verkleinerungsendung darstellt, also nur bib­bi (bzw. zib­bi) laut­ma­lerisch ist. (Im Hochdeutschen haben wir ja auch piep­piep als Vogel­geräusch.)1

Bib­bili ist aber bei Weit­em nicht aufs Badis­che beschränkt. Auf ein­er Seite mit Schu­lauf­sätzen von Schweiz­er Kindern find­en sich z.B. eine Menge Treffer:

  • Im näch­sten Raum entwick­el­ten sich die Bibili im Ei.
  • Sie haben sehr viel Bibili und Eier. Wir durften ein Frei­land­bibili und zwei gezüchtete Bibili mit­nehmen.
  • Die Bibili sind gelb. Die Bibili sind gewach­sen. Die Bibili haben schon Schwanzfed­ern. Die Bibili piepsen viel.

Und auch son­st scheint es in der Schweiz ein respek­ta­bles Wort zu sein:

  • Banker helfen Bibeli auf die Beine (blick.ch)
  • Brah­ma Hüh­n­er-Bibeli zu verkaufen (tier-inserate.ch)
  • Was macht ihr mit den Bibeli, wenn sie gross sind? Gehen sie zurück auf einen Bauern­hof? (fichten.ch)

Weit­er nördlich und west­lich find­et sich das Wort eben­falls noch:

  • Pfälzisch (Pfälzis­ches Wörter­buch):
    • Bib, Bibi n.: 1. ‘Huhn’, Sprache des Kleinkindes, Bib (bīb), meist in der Wieder­hol­ung Bibib (bibīb) […]
    • Bibilchens-käse m.: ‘weißer Käse’, eigentl. ‘Käse, mit dem man die Bibichen (Hüh­nchen) füttert’ […]
  • Mosel­fränkisch & Ripuar­isch (Rheinis­ches Wörter­buch):
    • Bibb […]: 1. Lock­ruf für Hüh­n­er […], 2. Bibb, meist ‑che (-ī-) Huhn, Kosen., bes. in der Kinderspr[ache …]
  • Elsäs­sisch (Elsäs­sis­ches Wörter­buch):
    • Bibbele­fleisch n. eig. Fl. von einem Hühnchen.
  • Lothringisch (Lothringis­ches Wörter­buch):
    • Bible […] pl. 1. Küch­lein. […] – 2. Huhn in der Kindersprache […]

Für östlichere Gebi­ete habe ich lei­der keinen Onlinezu­griff auf wis­senschaftliche Wörter­büch­er. (Bairisch? Thüringisch? Säch­sisch? Öster­re­ichisch?) Ein Öster­re­ichisch-Online­pro­jekt führt aber Pip­pale auf, auch sehr ähnlich.

Wie alt das Wort ist, kon­nte ich lei­der nicht her­aus­find­en – Grimms Wörter­buch hat keinen Ein­trag dafür, Adelung auch nicht. In den mit­tel­hochdeutschen Wörter­büch­ern find­et sich erst recht nichts, genau­sowenig im althochdeutschen (dort ist ein Küken ein huoniklîn, also ein kleines Huhn). Über mögliche Gründe kann ich nur spekulieren:

Es sieht so aus, als habe es zunächst einen Lock­ruf gegeben, mit dem man Hüh­n­er rief, und zwar Bib(i) – ganz ähn­lich wie Miez für Katzen. Daraufhin wurde der Lock­ruf oder das nachgemachte Piepsen als Beze­ich­nung für das Tier ver­wen­det, und zwar zuerst nur in der Kinder­sprache – also wie Wauwau. Irgend­wann begann man, die jun­gen Hüh­n­er mit ein­er Verkleinerungs­form davon zu beze­ich­nen. Diese Verkleinerung wurde wesentlich bere­itwilliger in die Erwach­se­nen­sprache aufgenom­men als Bib(i) selb­st. So find­et sich im Pfälzis­chen Bib(i) als kinder­sprach­lich, aber man bildet For­men wie Bibilchen­skäse, eine Zusam­menset­zung mit offen­sichtlich exis­ten­tem BibilchenKüken’. Für etwas kleines, flauschig-niedlich­es nahm man ein niedlich­es, kindlich­es Wort wahrschein­lich eher an als für ein aus­gewach­senes Nutztier.

Ob es das Wort schon “immer” gab, oder ob es in ver­schiede­nen Dialek­ten unab­hängig voneinan­der ent­standen ist, lässt sich wohl nicht fest­stellen. Es scheint zwar keine alten Quellen in mein­er momen­ta­nen Reich­weite zu geben, aber wenn das Wort kinder­sprach­lichen Ursprungs ist, ver­wun­dert das auch nicht weit­er. Wahrschein­lich hat es die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Küken’ irgend­wann ver­drängt, die alten Beze­ich­nun­gen für ‘Huhn’ und ‘Hahn’ blieben aber erhalten.

So, jet­zt aber Ende der Speku­la­tion. Lokale Beze­ich­nun­gen für Küken sind in den Kom­mentaren hochwillkommen!

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Ferry Very Good (Reloaded)

Von Anatol Stefanowitsch

Vor einiger Zeit habe ich mir hier im Sprach­blog über den Werbeslo­gan fer­ry-very-good der nieder­ländis­chen Fir­ma Dalessi gewun­dert. Zum einen fand ich ihn seman­tisch schw­er durch­schaubar, zum anderen war ich der Mei­n­ung, dass die for­male Analo­gie zwis­chen fer­ry und very nur dann wirk­lich gut funk­tion­iert, wenn man den Unter­schied in der Stimmhaftigkeit des ersten Lauts ignori­ert — so, wie es die nördlichen Dialek­te des Nieder­ländis­chen tun.

Nun hat ein Kom­men­ta­tor, der nach eigen­er Aus­sage Ger­rit Pots­ma, Chef der Fir­ma Dalessi ist, auf diesen Beitrag geant­wortet und hat ver­sucht, zumin­d­est in das Bedeu­tungs­dunkel etwas Licht zu brin­gen (ob der Kom­men­tar wirk­lich von Pots­ma stammt, kann ich natür­lich nicht beurteilen, aber es scheint zumin­d­est plau­si­bel, da der Kom­men­tar ins­ge­samt nicht nach einem Täuschungs­man­över klingt; seine IP-Adresse gehört immer­hin einem nieder­ländis­chen Inter­ne­tan­bi­eter): Weit­er­lesen

Googlehupf gegoogelt

Von Kristin Kopf

Patrick hat im Mai bemerkt, dass ich <gegooglet> schreibe statt <gegoogelt>:

Mir ist auch aufge­fall­en, dass Du „gegooglet“ schreib­st, obwohl Präskrip­tivis­ten „googel-“ als Stamm vorschreiben (vgl. hier). Wäre mal inter­es­sant rauszufind­en wie oft dieser „Fehler“ so im Schnitt passiert.

2009-07-28-gegooglet

Ich habe natür­lich einen Grund für meine Schrei­bung, und zwar die Tat­sache, dass Google drin­steckt. Da das Verb eine Ableitung des Eigen­na­mens ist, erscheint es mir höchst gewagt, diesen Eigen­na­men schriftlich zu entstellen, in googel. Genau das tun aber Wörter­büch­er wie der Duden. Und haben dafür zugegeben­er­maßen auch einen guten Grund: Es gibt eine ganze Menge deutsch­er Ver­ben auf -eln, in die sich googeln aus­geze­ich­net einfügt:

  • han­deln, ich han­dle – gehandelt
  • lächeln, ich läch­le gelächelt
  • googeln, ich google gegoogelt

Die 1. Per­son Sin­gu­lar spielt hier eine wichtige Rolle: Statt ich han­dele, lächele kann es auch ich han­dle, läch­le heißen. Den Aus­fall des e im Wortin­neren beze­ich­net man als “Synkope”. Dadurch entste­ht eine Form auf -le, die dem Ende von Goog-le gle­icht. Das bietet eine Art Anknüp­fungspunkt für das neue Verb: In der 1. Per­son Sin­gu­lar kann es unverän­dert bleiben, in den anderen fügt es sich in die Rei­he der anderen l-Ver­ben ein. (Diesen Vor­gang nen­nt man “Analo­gie”.)

Dass die 1. Per­son Sin­gu­lar in den deutschen Ver­ben aus der Rei­he tanzt (ich handle, du handelst, er handelt; wir/sie handeln, ihr handelt) ist zwei ver­schiede­nen Tilgung­sprozessen geschuldet. Das e in han­dle ist näm­lich nicht das­selbe wie in handeln: Bei han­deln gehört es zum Wort­stamm, bei han­dle ist es die Flexionsendung.

Vor langer, langer Zeit (im Mit­tel­hochdeutschen, 1050–1350) hat­ten ein­mal sowohl Stamm als auch Endung immer ein e:

Stamm Endung
Infini­tiv handel en
ich handel e
du handel est
er/sie/es handel et
wir handel en
ir handel et
sie handel en

Dann wurde das Endungs-e synkopiert, und zwar

  • bei allen Ver­ben in der 2./3. Sg. und der 2. Pl. (du mach­est > du machst)
  • bei Ver­ben, deren Stamm auf -er oder -el endet im Infini­tiv und der 1./3. Pl. (sie han­de­len > sie han­deln).

Es bleibt also nur die 1. Per­son Sin­gu­lar be-e-t:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich handel e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Nun gibt es aber noch eine zweite e-Tilgung. Dies­mal ist sie frei­willig und bet­rifft das e im Stamm. Bei Ver­ben, die auf -el enden, kann es in der 1. Per­son Sin­gu­lar getil­gt wer­den, also ich han­dele oder ich han­dle. Ersteres sieht man aber m.E. wirk­lich nur noch in schriftlich­er Form:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich hand(e)l e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Daraus resul­tierend ist das vorher dreisil­bige Wort in allen Präsens­for­men zweisil­big gewor­den: han-deln, han-dle, … Dadurch wird das Wort ohne Infor­ma­tionsver­lust kürz­er und bekommt das trochäis­che Beto­nungsmuster (betonte Silbe – unbe­tonte Silbe), das generell im Deutschen sehr beliebt ist.

Die gesproch­ene Sprache ist vielerorts noch viel weit­er und hat mit­tler­weile alle e-Laute eli­m­iniert: ich han­dl, du han­dlst, er han­dlt, wir/sie han­dln, ihr han­dlt. Deshalb ist die Debat­te darüber, ob man <googlen> oder <googeln> schreibt für das gesproch­ene Deutsch auch ziem­lich irrel­e­vant – gesprochen heißt es ein­fach gugln.

Ich habe mal gegooglet (“Seit­en auf Deutsch”), und zwar den Infini­tiv (goog[el/le]n) und das Par­tizip (gegoog[el/le]t):

  • -le: 726 000 (gesamt) – Infini­tiv: 644.000, Par­tizip: 82.000
  • -el: 964 000 (gesamt) – Infini­tiv: 543.000, Par­tizip: 421.000

Ins­ge­samt hat also die Duden­lö­sung die Nase vorn, allerd­ings gibt es große Unter­schiede zwis­chen Infini­tiv (googlen dominiert leicht) und Par­tizip (gegoogelt dominiert extrem). Google selb­st scheint das Wort übri­gens nicht zu gebrauchen.

Posieren vor dem Gesicht

Von Anatol Stefanowitsch

Auf Mal­lor­ca wartet auf arglose Pauschal­touris­ten ja derzeit eine nicht zu unter­schätzende Gefahr, eine schreck­liche Seuche, die gnaden­los und ohne Anse­hen der Per­son zuschlägt, vor der es keinen Schutz und für die es keine wirk­same Behand­lung gibt.

Ich rede natür­lich von den Ani­ma­teuren, die uns Urlaubern unsere paar Tage ehrlich ver­di­ente Auszeit ver­miesen, indem sie uns mit Pool- und Strand­spie­len, Gesangswet­tbe­wer­ben und Bin­goaben­den belästi­gen. In meinem Hotel waren die Ani­ma­teure eher halb­herzig bei der Sache, und so kon­nte ich mich ihnen voll­ständig entziehen. Aber gestern abend, längst aus dem Urlaub zurück, bin ich ihnen doch in die Falle getappt. Weit­er­lesen