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Der Beitrag, wo von “wo” handelt

Von Kristin Kopf

André hat neulich ange­fragt, wo eigentlich die wo-Rel­a­tivsätze ver­bre­it­et seien. Ihr wisst schon, die wo man mit wo bildet. Mir scheint, ziem­lich weit. Über Grimms Wörter­buch habe ich einen Auf­satz von Weise (1917) gefun­den, der als Hotspot den Süd­west­en angibt, also das Ale­man­nis­che (auch in der Schweiz) inklu­sive Schwäbisch.

Aber auch ander­swo find­et es sich, zum Beispiel im Bairischen, Fränkischen, Ost­fränkischen, Ober­hes­sis­chen, Mosel­fränkischen und Lothringis­chen. Hui! Hier eine sehr unge­fähre grafis­che Darstel­lung. Das orange Gebi­et ist das, wo wo benutzt (wurde):

Allerd­ings sind die wo-Rel­a­tivsätze nicht über­all gle­ich stark ver­bre­it­et, in vie­len Gebi­eten nehmen mache Sätze wo und andere was anderes. Lei­der habe ich dazu keine detailiert­eren, kartier­baren Angaben gefun­den. (Ich habe aber auch nicht beson­ders zeitaufwändig gesucht.) Am kon­se­quentesten bei der wo-Ver­wen­dung ist wohl wirk­lich das Alemannische.

Neben dem “lang­weili­gen” der/die/das (und dem kaum brauch­baren welch­er/welche/welch­es) gibt’s in deutschen Dialek­ten übri­gens auch noch Weit­er­lesen

Warhafftige Beschreibung …

Von Kristin Kopf

Let­zte Woche bin ich auf einen großar­ti­gen Buchti­tel gestoßen und habe gemerkt, dass Twit­ter und Face­book­sta­tus zu klein dafür sind … daher also hier:

Warhafftige
Beschreibung
Von denen Drey wilden
Hunden
Welche sich
unweit Leipzig in der gegend Dölitzsch/Brena/
Bitterfeld/Kühne und Schenckenbergk/im Jahr 1710.
vom Monat Augus­to biß zum Ende des Novem­br. sehen las=
sen/und was sie vor grossen Schaden an
Schaff=Vieh gethan/
Auch wie ein­er im Dorff Rhödigen/so in die Gerichte
des Her­rn Cammer=Herrn von Miltitz und in das Schen=
cken­ber­gis­che Kirch=Spiel gehörig/den 29. Nov. mit Ge=
walt getödtet worden.
Nach glaub­würdi­ger Nachricht von obbe­melden Orthen
selb­st einge­holt und nebst
gelehrten Anmerckungen
Ob Men­schen sich in solche Hunde ver­wan­deln können?
oder es nur in der Phan­tasie beste­he? ob dieses tolle oder wilde Hun=
de gewe­sen? woher solche wilde Hunde kom­men? und ob sie aus ei=
ner Antipathie gegen die Schaffe solchen Schaden gethan?

Erschienen in Leipzig 1711. Hier kann man sich ein Foto davon anschauen. Oder es gle­ich für 850 Euro kaufen

Ganz ehrlich? Für diese Ver­wen­dung von Antipathie lohnt es sich wahrschein­lich schon.

Und damit der lin­guis­tis­che Touch erhal­ten bleibt: Laut Kluge haben wir das Wort aus dem Lateinis­chen (antipathîa), was wiederum von griechisch antipátheia kommt. Das ist eine Abstrak­t­bil­dung zu antipathes ‘ent­ge­genge­set­zt füh­lend’, in dem páthos, die ‘Gemüts­be­we­gung’ drin­steckt. Wir haben’s seit dem 16./17. Jahrhundert.

Über die Vokauisierung

Von Kristin Kopf

Ich war ja kür­zlich in der Schweiz und habe mir ganz fasziniert zahlre­iche schweiz­erdeutsche Dialek­te ange­hört. Ganz beson­ders auf­fäl­lig in der Phonolo­gie fand ich vier1 Dinge und von diesen vieren kan­nte ich eines noch nicht: das vokalisierte l. Lest ein­fach mal …

[…] D’r Himu vou Wouche
U äs rägnet, was es abe mah,
Nume im Schoufän­schter vom
Reisebüro
Schi­int d’Sunne no.

Hät­ti Flügu zum Flüge
Flug i mit de Vögu furt
U chiem nie meh hei.
I’nes Land ohni Näbu, ohni Räge,
I’nes Land wo si Sunne hei…
I gieng hüt no …. uf u dervo,
Eifach uf u der­vo. […] Weit­er­lesen

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

Ibere Ittume-Inglische ine ‑Ialektde

Von Kristin Kopf

[Gegenüber dem Orig­i­nal leicht verändert.]

Let­zte Woche habe ich Peter Hafen getrof­fen. Er ist der erste Vor­sitzende des Bern­er Mat­teänglisch-Clubs (mit der char­man­ten Abkürzung Mäc). Die Geheim­sprache Mat­teänglisch hat er in sein­er Schulzeit – wie schon sein Vater und sein Groß­vater – von seinen Klassenkam­er­aden gel­ernt. Die fol­gen­den Erk­lärun­gen basieren teils auf seinen Erzäh­lun­gen, teils auf dem Mäc-Buch Mat­teänglisch. Geschichte der Mat­te. Dialekt und Geheim­sprache von Stirnemann.

Mat­teenglisch ent­stand im Bern­er Mat­te­quarti­er und basiert auf dessen Dialekt, dem Mat­te­di­alekt (oder Mat­te-Bern­deutsch) – der vie­len auch schon wie eine Geheim­sprache vorgekom­men sein dürfte, aber nicht mit ihr ver­wech­selt wer­den sollte.

Der Mattedialekt als Soziolekt

Die Mat­te ‘Wiese’ ist ein beson­der­er Stadt­teil Berns: Sie liegt in der Fluß­biegung der Aare direkt am Wass­er – und über 30 Meter unter dem Rest der Stadt. Hier waren früher vor allem Schif­fer und Handw­erk­er ange­siedelt, später dann auch Indus­trie­un­ternehmen und ihre Arbeiter.

Lage der Mat­te in Bern – Quelle: Tschub­by (cc-by-sa, bearbeitet)

In der Mat­te kon­nte sich durch zwei Bedin­gun­gen ein sehr eigen­ständi­ger Dialekt entwick­elt: Weit­er­lesen

[Schplock goes English] How to pronounce German ö and ü

Von Kristin Kopf

Wel­come to Schplock’s first Eng­lish post – a tuto­r­i­al on round­ed front vow­els, name­ly <ö> and <ü>. Impa­tient read­ers might want to skip the more the­o­ret­i­cal first “half” and jump right to the DIY-part below.

What is round in a rounded vowel?

Round­ed vow­els are gen­er­al­ly pro­duced by form­ing a cir­cle with your lips. Or more technically:

Lip round­ing involves draw­ing the cor­ners of the lips togeth­er and pro­trud­ing the lips for­ward from their nor­mal rest posi­tion. (Mad­dieson 2008)

That’s a very com­mon prop­er­ty in back vow­els (pro­duced by putting your tongue some­where in the back of your mouth) like

  • [o] which does­n’t exist in Eng­lish, but you may know it from French eau ‘water’, Ital­ian sole ’sun’ or Span­ish tomar ‘take’,
  • [ɔ] in thought,
  • [u] in goose and
  • [ʊ] in book.

An extreme­ly sim­pli­fied ver­sion of where those sounds are pro­duced can be found in the fig­ure to the right.

In Ger­man, those four sounds dif­fer not only in tongue posi­tion, but also in length: the “lax” vow­els /ɔ/ and /ʊ/ are always short, the “tense” vow­els /o/ and /u/ are always long.

Front vs. back

Round­ing in front vow­els is pret­ty rare in the world’s lan­guages. The prop­er­ty can be found in only 37 of the 526 lan­guages con­sid­ered for the cor­re­spond­ing WALS-map. Only 23 of these pos­sess both high (i.e. ü) and mid (i.e. ö) round­ed front vow­els.1

Source: Ian Mad­dieson, World Atlas of Lan­guage Struc­tures. CC BY-NC-ND.2 (Click for a larg­er version)

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Häppscher und andere Kleinigkeiten

Von Kristin Kopf

Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind For­men, bei denen trotz Verkleinerung ein Plur­al gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:

Meenzer Häppscher

Süpp­sch­er als Meen­z­er Häppscher

Wo es im Stan­dard­deutschen das Häppchendie Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbil­dung also unverän­dert bleibt, sagt man auf Rhein­hes­sisch ’s Häppsche(n) die Häppscher.

Ob und wie der Plur­al bei Verkleinerungs­for­men (“Diminu­tiv­for­men”) markiert wer­den kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die For­men für Apfel­bäum­chen im Plur­al zeigt: Weit­er­lesen

Der Weltkopf 2010

Von Kristin Kopf

Als ich anf­ing Englisch zu ler­nen, fand ich es selt­sam, einen Pokal cup zu nen­nen, wo das doch ‘Tasse’ heißt. Mir war schon klar, dass ein Wort in ein­er Fremd­sprache Zusatzbe­deu­tun­gen haben kann, die es im Deutschen nicht hat, aber das schien mir doch weit herge­holt. World Cup, die Welttasse?

Mit­tler­weile weiß ich natür­lich, dass cup Gefäße ganz ver­schieden­er Art beze­ich­nen kann, neben Tassen, Bech­ern, Kelchen, Näpfen und Schalen eben auch Pokale und per (metonymis­ch­er) Über­tra­gung auch gle­ich das ganze Ereig­nis, bei dem der Pokal errun­gen und über­re­icht wird.

Was ich aber noch nicht so lange weiß: Dass das Wort cup einen Ver­wandten im Deutschen hat – den Kopf. Und das kommt so … Weit­er­lesen

Herrliche Etymologie, dämliche Aufgabe

Von Kristin Kopf

Auf der Suche nach Auf­gaben zur Wort­bil­dung bin ich vor eini­gen Wochen auf die fol­gende Frage gestoßen:

Quelle: Bach­e­lor­wis­sen Ger­man­is­tis­che Lin­guis­tik (Busch/Stenschke)

Beschreiben Sie aus­ge­hend von der zugrunde liegen­den Wort­bil­dung den Bedeu­tungswan­del bei den Adjek­tiv­en däm­lich und her­rlich.

Erst fand ich’s lustig, aber dann hat mich das Mitleid mit den armen Bach­e­lors gepackt. Das ist näm­lich eine ganz gemeine Falle. Weit­er­lesen