Schlagwort-Archive: Deutsch

Von thun zu tun: Orthographie bei Ngrams

Von Kristin Kopf

In den let­zten Tagen sind mir noch tausend Spiel­ereien einge­fall­en, die man mit Ngrams machen kann. Unter anderem lässt sich damit recht gut sicht­bar machen, wie schnell orthographis­che Stan­dar­d­isierung und Änderung sich in Büch­ern durch­set­zen konnten.

Wichtige Zeit­punk­te sind dabei zum einen die II. Orthographis­che Kon­ferenz (1901, dazu im Sch­plock hier und hier), bei der erst­mals eine verbindliche Rechtschrei­bung fest­gelegt wurde, und zum zweit­en die Rechtschreibre­form von 1996. Weit­er­lesen

Ramsauer, einfach unverbesserlich

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe das Ver­hält­nis der Deutschen Bahn zur englis­chen Sprache schon kri­tisi­ert und gelobt, aber eigentlich lässt es mich völ­lig kalt.

Mich regt etwas anderes auf: dass die Deutsche Bahn kom­plett den Anspruch aufgegeben hat, auch nur Anstal­ten zu machen, so zu tun als ob sie den Anschein erweck­en wolle, zumin­d­est ein Lip­pen­beken­nt­nis bezüglich ein­er prinzip­iellen Bere­itschaft abzugeben, wenig­stens vorzutäuschen, uns ein leeres Ver­sprechen machen zu wollen, dass sie the­o­retisch vorhabe, ihr Monopol auf den Schienen­verkehr in Deutsch­land zum Anlass zu nehmen, diesen auf eine Art zu betreiben, die wenig­stens für das zwanzig­ste Jahrhun­dert nicht völ­lig unangemessen gewe­sen wäre.

Wenn es einen Satz gibt, der bei mir Has­s­ge­füh­le aus­löst, dann ist es nicht „Thank you for trav­el­ling with Deutsche Bahn“, son­dern „Wir bit­ten um ihr Ver­ständ­nis“. Weit­er­lesen

[Weihnachten] Weihnachts- vs. Christbaum

Von Kristin Kopf

Vielle­icht hat ja jemand hier Lust auf Weihnachten?

Ich habe mal einen Ngram-Kampf zwis­chen Wei­h­nachts- und Christ­baum angezettelt, den der Wei­h­nachts­baum gewon­nen hat:

Der Christ­baum ist ganz gut ins Ren­nen ges­tartet, kon­nte sein Wach­s­tum dann aber tragis­cher­weise nicht halten.

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Wort-Wahl: Anglizismus des Jahres

Von Kristin Kopf

Ana­tol Ste­fanow­itsch vom Sprachlog ver­anstal­tet auch eine Wort­wahl – und dies­mal vielle­icht eine, in der es wirk­lich um das Wort geht, und nicht um den gesellschaft­spoli­tis­chen Zusam­men­hang, in dem es ent­standen ist … Gesucht ist der Anglizis­mus des Jahres 2010, zu gewin­nen gibt’s auch was und ich sitze mit in der Jury. (*hmpf* Wenn ich das mit dem Gewin­nen vorher gewusst hätte …) Die Kriterien:

Nominierte Wörter soll­ten (ganz oder in Teilen) aus dem Englis­chen stam­men, sie soll­ten neu sein, d.h. im Jahr 2010 zum ersten Mal ver­wen­det wor­den oder wenig­stens zum ersten Mal in das Bewusst­sein ein­er bre­it­en Öffentlichkeit gelangt sein. Sie soll­ten eine inter­es­sante Lücke im deutschen Wortschatz füllen, entwed­er, indem sie eine vorhan­dene Wortbe­deu­tung weit­er aus­d­if­feren­zieren oder, indem sie ein Wort für etwas bere­it­stellen, was es vorher nicht gab oder was vorher nur müh­sam umschrieben wer­den konnte.

Mel­dun­gen bis zum 7. Jan­u­ar in den Kom­mentaren des Sprachlogs unter Angabe von Wort, Quelle und Grund. Bin mal ges­pan­nt, ob Blogleser gute Seis­mo­grafen für Wortschatzer­weiterung sind. Und bei allem Trara nicht vergessen: Wörter sind zwar drol­lige kleine Kerlchen, aber niemal­snicht die Essenz, die unsere Sprache im Inner­sten zusammenhält.

Unabhängig des Genitivs

Von Anatol Stefanowitsch

Die Berlin­er Mor­gen­post liefert jahreszeitlich passend eine Bilder­strecke mit der Über­schrift „Ein Fest unab­hängig jed­er Reli­gion”. Diese Über­schrift ist interessant

Unabhaengigjederreligion

Erstens, weil sie gel­o­gen ist — die Bilder­strecke bringt ein Beispiel nach dem anderen dafür, wie Chris­ten Wei­h­nacht­en feiern. Andere Reli­gio­nen kom­men nur auf einem einzi­gen Bild mit der fol­gen­den Bil­dun­ter­schrift vor: „Aber nicht über­all kommt das Fest gut an. Der islamis­che Gelehrte Jus­suf al-Kar­dawi will Wei­h­nacht­en ver­bi­eten lassen, weil es nicht mit dem islamis­chen Glauben vere­in­bar ist.“ Weit­er­lesen

[Werkzeug] Ngram Viewer

Von Kristin Kopf

Beim Lan­guage Log wurde ja schon aus­führlich über das neuste Google-Spielzeug berichtet – man kann damit in einem Kor­pus, das einen Auszug aus Google­Books darstellt, nach Wörtern oder Wortket­ten suchen und sich ihren Häu­figkeitsver­lauf anzeigen lassen. Dabei wird die Gebrauchs­fre­quenz errech­net, indem das Gesuchte (das n‑gram, wobei n für die Zahl der Wörter im Such­be­fehl ste­ht) durch die Gesamt­wortzahl des entsprechen­den Jahres geteilt wird.

Die Sache ist für uns aus vie­len tausend Grün­den prob­lema­tisch: wilde Textsorten­zusam­menset­zung des Kor­pus – aber für Englisch gibt es immer­hin Unterko­r­po­ra wie Fic­tion, Amer­i­can Eng­lish und British Eng­lish –, die Kor­pus­größe vari­iert stark, d.h. Funde zu einem rel­a­tiv frühen Zeit­punkt (z.B. 1800) schla­gen stärk­er zu Buche als später (z.B. 2000), auch wenn nor­mal­isiert wurde, …

Messer, Gabel, …

Ein paar mögliche Prob­leme habe ich mal mit der Suche nach “Messer,Gabel,Löffel” für 1900 bis 2000 durchge­spielt. Man kön­nte hier den Ein­druck erhal­ten, die Gabel trete am sel­tensten auf und das Mess­er sei enorm viel häu­figer (alle Dia­gramme führen direkt zur entsprechen­den Suchan­frage mit größeren Darstellungen):

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Von r, Nasalstrichen und Häkchen

Von Kristin Kopf

Ich trage seit Urzeit­en die Kind­heit­serin­nerung mit mir herum, dass ich lange Zeit dachte, die Goten bei Aster­ix und die Goten hät­ten einen Sprach­fehler, weil sie immer f statt s sagten. Wer’s nicht ken­nt: Die Goten “sprechen” in Frak­turschrift. Das ist eine soge­nan­nte “gebroch­ene Schrift”, die neben dem run­den <s> auch das lange <ſ> besitzt. (Die Verteilung ist ganz grob: Sil­be­nan­fang und ‑mitte <ſ>, Sil­be­nende <s>.) Nun habe ich eben ein­mal nach einem Beispiel gegooglet und ent­deckt, dass die Erin­nerung wohl falsch ist: In den Comics wird immer das <s> benutzt. Hier z.B. müsste das <ſ> in <marschieren>, <ist> und <Lust> ste­hen und auch hier ist es nir­gends zu find­en. Eine vom heuti­gen Stand­punkt aus leser­fre­undliche Entscheidung.

Dass <ſ> und <f> sich in gebroch­enen Schriften sehr ähn­lich sehen, ist ja recht weit ver­bre­it­etes Wissen:

nit vstopf­fē lassē

r gegen r!

Aber wusstet Ihr, dass es zwei Schrei­bun­gen von <r> gab? Schaut mal:

…/deßhalben sol man sich daruor hüten/vnd sonderlich/vor grossem zoren/Vnmuot/Sorgfeltigkayt/vnnd forchte des todts

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Säumige Handwerker

Von Anatol Stefanowitsch

Die Ham­burg­er Handw­erk­skam­mer wirbt seit eini­gen Monat­en in Bah­nen, Bussen und Zeitun­gen, und im Sep­tem­ber sog­ar mit einem Groß­plakat am Dock 10, mit dem Slo­gan „Zugegeben, Ham­burg ist uns gut gelun­gen. Aber wir hat­ten ja auch 1.200 Jahre Zeit“.

Hamburgistunsgutgelungen

Ich nehme an, dass das Handw­erk sich mit diesem Werbe­spruch pos­i­tiv darstellen will, auch wenn ich den ver­schlun­genen Gedanken­gang nicht nachvol­lziehen kann, auf dem ein Wer­ber zur Überzeu­gung gelangt ist, dass der Slo­gan diesen Zweck erfüllt.

Denn dass die Ham­burg­er Handw­erk­er min­destens 1.200 Jahre brauchen, um über­haupt mal vor­bei zu schauen, das wussten wir auch so. Neu ist nur, dass sie auch noch stolz darauf sind.