Schlagwort-Archive: Deutsch

Auf dem Holzweg mit dem Holzweg

Von Kristin Kopf

Das Bild­blog hat einen taz-Blog­a­r­tikel über Ter­ror­ex­perten ver­linkt, der den Titel »Plä­doy­er zur Abschaf­fung des Ter­ror­ex­perten. Sel­ten waren so viele so schnell auf dem Holzweg« trägt und eine beze­ich­nende Illus­tra­tion besitzt: Einen Steg aus Holz, der durch ein Moor führt.

Die Bild­wahl ist ein schön­er Hin­weis darauf, wie die Bedeu­tung der Wen­dung auf dem Holzweg sein ‘sich irren’ mit der Zeit intrans­par­ent wurde – und zwar, weil das zuge­hörige Konzept für die bre­ite Bevölkerung immer unwichtiger wurde und den meis­ten Leuten heute unbekan­nt ist.

Ein Holzweg, wie in der Wen­dung gebraucht, ist näm­lich nicht ein ‘Weg aus Holz’, son­dern ein ‘Weg für Holz’. Also wie ein Hol­zlager, nicht wie ein Holzbein. Und das kam so: Weit­er­lesen

Schschschschschschschschschsch

Von Kristin Kopf

Beim Herum­le­sen in früh­neuhochdeutschen Tex­ten habe ich eine char­mante Betra­ch­tung über das Graphem <sch> gefunden:

In: Der Hochdeutsche Schlüszel Zur Schreib­richtigkeit oder Rechtschrei­bung (Leipzig, 1648)

Wann das (ch) auf ein (s) folget/so wird ein grobzis­chen­der Laut daraus/daß es fast seltzsam ist / wie doch solche drey Búch­staben sich zu der zis­chen­den Stimme gefun­den haben ; weil wed­er ein­er alleine/noch sie zusam­men solchen Tón zugében ver­mö­gen : wer­den dem­nach aus­ge­sprochen wie das Hebrais­che ש, als: erfrischen/&c.

Das <sch> ist ein soge­nan­nter “Tri­graph”: Man benutzt drei Buch­staben, um einen bedeu­tung­sun­ter­schei­den­den Laut (“Phonem”) aufzuschreiben. Das heißt man schreibt z.B. <Sau>, aber <Schau>, dabei wer­den bei­de Wörter nur mit jew­eils zwei Laut­en (einem Frika­tiv und einem Diph­thong) aus­ge­sprochen: /za̯ʊ/ und /ʃa̯ʊ/. Ähn­lich geht es mit <ch> (<Bach>, gesprochen /χ/) und <ng> (<hängen>, gesprochen /ŋ/).

Und, wie klug bemerkt, andere Schrift­sys­teme machen keine der­ar­ti­gen Umstände. Das hebräis­che Alpha­bet hat das z.B. <ש> (das allerd­ings sowohl als [s] als auch als [ʃ] aus­ge­sprochen wer­den kann), das ara­bis­che das <> und das kyril­lis­che das <ш>. Und auch das lateinis­che Alpha­bet kann man pri­ma anpassen, wie zum Beispiel das Rumänis­che mit <ș> zeigt.

Der Autor wun­derte sich über die selt­same Schreibprax­is, mit <s>, <c> und <h> einen Laut aufzuschreiben, der sich nicht aus den dreien zusam­menset­zt. Das ist aber gar kein so großes Hex­en­werk – in Wirk­lichkeit reflek­tiert sie eine ältere Aussprache. Unser heutiger Laut /ʃ/ kommt durch zwei Laut­wan­del­prozesse zus­tande: Weit­er­lesen

Etymologiequiz die Zweite

Von Kristin Kopf

Nach­dem das erste Ety­molo­giequiz ganz gut lief, kommt heute die zweite Ausgabe:

In diesem Wor­dle sind immer mehrere Wörter miteinan­der ver­wandt, das heißt sie gehen auf eine gemein­same Wurzel in ein­er früheren Sprach­stufe zurück, und, ich zitiere mich selbst

[d]ie Ver­wandtschaft kann ziem­lich weit zurück­ge­hen, weshalb der Bezug bei den wenig­sten offen­sichtlich ist. So wür­den, wären sie drin, Etat und Dis­tanz zusam­menge­hören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. sta­tus ‘Zus­tand’, was zu stāre ‘ste­hen’ gebildet wurde und Dis­tanz kommt von lat. dis­tan­tia, ein­er Abstrak­t­bil­dung zu dis­tāre ‘voneinan­der weg­ste­hen’, das sich aus dis- und stāre ‘ste­hen’ zusam­menset­zt.

Im Gegen­satz zum let­zten Mal sind es dies­mal nicht immer Paare, es kön­nen auch drei Wörter zusam­menge­hören. (Ins­ge­samt gibt es 16 Grup­pen.) Lösungsvorschläge und wilde Speku­la­tio­nen kön­nen in die Kom­mentare gepostet wer­den und erscheinen dann alle auf ein­mal am näch­sten Mon­tag. Und wie let­ztes Mal will ich darauf hin­weisen, dass der Blick in ein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch die ganze Sache lang­weilig macht. Aber muss man selb­st wissen 😉

Viel Spaß!

Update (20.6.2011): So, jet­zt gibt’s auch die Lösung. David hat alles richtig, her­zlichen Glück­wun­sch! Und für die visuell Ver­an­lagteren nach dem Cut … Weit­er­lesen

Taboobrüche

Von Anatol Stefanowitsch

In seinem Blog „Deutsche Sprak schwere Sprak“ macht sich Lud­wig Tre­pl, der oft auch in den Kom­mentaren im Sprachlog hin­ter­sin­nige und manch­mal etwas ver­schlun­gene Sprach­nörgelei betreibt, Sor­gen um die deutsche Sprache.

Er befürchtet, dass das „let­zte Tabu“ fällt, weil er auf der deutschen Ver­sion der Web­seite eines spanis­chen Hotels die Schreib­weise Taboo gefun­den hat: Weit­er­lesen

Von EHEC zu Ehec

Von Kristin Kopf

Mir ist heute aufge­fall­en, dass sich <EHEC> in <Ehec> ver­wan­delt hat – und zwar enorm schnell. Man ken­nt das ja von anderen Akro­ny­men wie <AIDS>/<Aids> oder aktueller <SARS>/<Sars>, aber da hat es, bilde ich mir ein, doch ein Stückchen länger gedauert und bei­de Schreib­weisen sind üblich (bei AIDS) oder gar duden­sank­tion­iert (bei SARS).

Bei der Suche nach Ehec im faz.net-Archiv zeigt sich, dass es mit der Anpas­sung sog­ar noch schneller ging, als ich dachte:

Absolute Zahlen <EHEC> vs. <Ehec> bei faz.net.

Schon am vierten Tag der Berichter­stat­tung dominierte <Ehec>. Eine kluge Wahl, wis­sen damit dann doch auch die Fernsehlosen, dass man das Ding nicht E‑ha-e-ze ausspricht. (Nein, ich war nicht die einzige in meinem Umfeld!) Andere Medi­en hal­ten an EHEC fest, so z.B. die ARD mit der Tagess­chau.

SARS hinge­gen Weit­er­lesen

1/2 7 vs. 7 1/2 Uhr

Von Kristin Kopf

Achim hat kür­zlich in einem Kom­men­tar nach ein­er speziellen Uhrzei­tangabe gefragt:

Mir ist bei den Uhrzeit­en einge­fall­en, dass früher (man find­et es z.B. auf alten The­aterzetteln in Pro­grammheften) Uhrzei­tangeben wie „7 1/2 Uhr abends“ üblich waren. Ich tippe ja, dass das „19.30“ und nicht „18.30“ bedeutet, aber hat da jemand Hand­festeres als meine Ver­mu­tung? Ist ja inter­es­sant, dass das neben „halb acht“ existiert hat.

Die Schreib­weise mit nachgestell­tem ½ find­et sich tat­säch­lich häu­fig in älteren Tex­ten, so zum Beispiel hier:

… Von München tre­f­fen diese Pack­wä­gen am Mittwoch um 10 1/2, und am Son­ntag um 7 1/2 Uhr Abends dahi­er ein, und gehen am Mittwoch um 10 3/4 und am Son­ntag um 7 3/4 Uhr Abends nach Regens­burg ab.

Dass es sich nicht um eine Vari­ante von ½ 7 (halb sieben) han­delt, wird schnell klar, wenn man sich Weit­er­lesen

Viren und ihr Genus

Von Anatol Stefanowitsch

SciLog­ger Sören Schewe hat heute Mit­tag per Twit­ter nachge­fragt, ob es der Virus oder das Virus heißen muss. Anlass war wohl dieser Tweet des Nachricht­en­por­tals „Der Westen“.

Anders als son­st war ich bere­it, hier eine absolute Regel zu nen­nen: der bei Com­put­er­viren, das bei allen anderen Viren. Ich habe das behauptet, weil ich meine, das schon ein­mal empirisch unter­sucht zu haben (vielle­icht im Bre­mer Sprach­blog) und eine ziem­lich ein­deutige Ten­denz bestand. Der West­en hat sich gle­ich unter Beru­fung auf den Duden vertei­digt, denn dort ste­ht: „das, außer­halb der Fach­sprache auch: der Virus“. Das ist aber natür­lich keine echte Vertei­di­gung, da der Duden, wie die Sprach­nör­gler nicht müde wer­den, ihm vorzuw­er­fen, lediglich fes­thält, welche For­men im Sprachge­brauch mit ein­er gewis­sen Häu­figkeit vorkom­men (wenn er nicht ger­ade aus PR-Zweck­en erfun­dene Wörter aufn­immt). Weit­er­lesen

[Lesetipp] Fugen‑s auf dem Vormarsch

Von Kristin Kopf

Heute mal ein Lesetipp in eigen­er Sache: Die Press­es­telle der Uni Mainz hat eine, wie ich finde ganz gelun­gene, Pressemit­teilung zu meinem Pro­mo­tion­spro­jekt veröf­fentlicht. Wer sich also dafür inter­essiert, woran ich so arbeite, kann es hier nach­le­sen gehen.

Pfarrer Assmann und Pfarrer Nolte

Von Anatol Stefanowitsch

Leser Lukas Ruge hat sich dieser Tage mit fol­gen­der Frage an das Sprachlog gewandt:

Wenn es ihr gän­zlich egal war, meinte meine Oma immer, ich solle das doch ein­fach machen wie der Pfar­rer Ass­mann. Fragte ich nach, wie der es gemacht habe, bekam ich zu hören, er habe es gehal­ten wie der Pfar­rer Nolte. „Und der?“ „Der machte es wie er wollte.“

Ich sage das noch heute und freue mich, wie meine Groß­mut­ter, jedes Mal, wenn jemand nach­fragt. Nun musste ich mit Entset­zen fest­stellen, dass viele mein­er Fre­unde denken, die Autoren der Serie Stromberg hät­ten diese Red­wen­dung erfun­den. Nun ist meine Groß­mut­ter vor der Erstausstrahlung der Serie Stromberg ver­stor­ben, das kann also so nicht sein. Ich dachte natür­lich sofort, dass das Inter­net mir weit­er­helfen kön­nte, doch bish­er ohne Erfolg. Zwar find­et sich in Google oft die Frage nach der Herkun­ft, aber keine Antwort.

Hier ein Beleg für die Ver­wen­dung der Redewen­dung in der Serie „Stromberg“: Weit­er­lesen

Kurzer Diskussionshinweis

Von Kristin Kopf

Kein richtiger Artikel, nur ein schneller Hin­weis: In den Kom­mentaren zu Wir gedenken an den Tod von Jesus hat sich eine Diskus­sion darüber entspon­nen, ob man sprach­liche Phänomene, und beson­ders Sprach­wan­del, langfristig als gut oder schlecht beurteilen kann und sollte. Ich finde es span­nend zu lesen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass wir uns nicht so recht aneinan­der annähern.

Übri­gens habe ich dieses gedenken an jet­zt hier so oft gele­sen, dass ich jedes Mal beim Aufrufen des Beitrags stutze und über­lege, was daran noch mal so selt­sam war. (A pro­pos stutzen: Die 49. StuTS nähert sich und wird zweifel­sohne großartig!)