Schlagwort-Archive: Deutsch

Von Lauten und Buchstaben

Von Kristin Kopf

Bei mir hat ein­mal ein/e Student/in Buch­stabe statt Phonem gesagt. Einmal.

Hm, ja. Bei mir im Sem­i­nar ist das erst let­zte Woche wieder passiert, und ich war ein wenig hil­f­los – im sech­sten Semes­ter und nach zahlre­ichen Pflichtver­anstal­tun­gen in der Lin­guis­tik müsste man es eigentlich bess­er wissen.

Aber worum geht es?

Wir sind enorm schrift­fix­iert, was bei sprach­wis­senschaftlichen Laien oft dazu führt, dass sie nicht unter­schei­den, was Schrei­bung ist und was nicht.

So habe ich zum Beispiel schon von Studieren­den gehört, dass man früher <Tax­en> geschrieben habe, jet­zt aber zunehmend <Taxis> schreibe. Das hat aber mit der Schrei­bung nichts zu tun – sie bildet nur einen Wan­del ab, der sich auf ein­er anderen Ebene vol­l­zo­gen hat: Aus ein­er Art der Plu­ral­bil­dung (auf -en am Wort­stamm) wurde eine andere (auf -s an der Grund­form). Auch ganz leicht zu merken daran, dass dieser Unter­schied auch beste­hen bleibt, wenn man sich nicht die Schrei­bung anschaut, son­dern das Wort gesprochen hört.

Dage­gen ist so etwas wie <Delfin> statt <Del­phin> ein reines Schreibphänomen, an der Gram­matik ändert sich da nichts. Den­noch waren in den heißen Zeit­en der Rechtschreibre­form viele der Mei­n­ung, die Sprache an für sich werde verän­dert, also das Missver­ständ­nis-Gegen­stück zu eben. Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Dialekt oder Sprache?

Von Kristin Kopf

In der Kat­e­gorie [Sch­plock trifft Lehre] halte ich Inhalte und Ergeb­nisse aus dem Sem­i­nar Rhe­in­fränkisch fest, das ich im Som­merse­mes­ter 2012 an der Uni Mainz gebe. (Zum Ein­stiegs­beitrag und zur Über­sicht)

Vielle­icht habe ich es in der ersten Sitzung mit dem Ansatz »spielerisch­er Ein­stieg« ein wenig gut gemeint – aber ander­er­seits, warum nicht? Nach tage­langem Herumge­google und einem exzel­len­ten Tipp von mein­er Kol­le­gin Luise habe ich die fol­gen­den Hör­beispiele aus­ge­graben. Bei welchen davon han­delt es sich um deutsche Dialek­te? Bei welchen um eigene Sprachen? Und welche Dialek­te oder Sprachen sind das jeweils?

(Zu den Quellen und Lösun­gen.) Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Dialekte: Wo und wie cool sind sie?

Von Kristin Kopf

In der Kat­e­gorie [Sch­plock trifft Lehre] halte ich Inhalte und Ergeb­nisse aus dem Sem­i­nar Rhe­in­fränkisch fest, das ich im Som­merse­mes­ter 2012 an der Uni Mainz gebe. (Zum Ein­stiegs­beitrag.)

Diese Woche hat das Semes­ter ange­fan­gen, und damit auch mein Ver­such der Sem­i­nar­doku­men­ta­tion hier im Sch­plock. Ein paar grobe Dat­en für die Inter­essierten: Das Rhe­in­fränkisch-Sem­i­nar beste­ht aus zwei Par­al­lelkursen (Don­ner­stag und Fre­itag). Bei­de sind so voll, wie die Räume es zulassen (je ca. 35 Teil­nehmerIn­nen), die Studieren­den sind in der Regel im 6. Semes­ter und studieren im Bach­e­lor of Edu­ca­tion, wollen also ein­mal DeutschlehrerIn­nen wer­den. Daher wer­den wir im Sem­i­nar, und das ist ein weit­eres Exper­i­ment, auch darauf einge­hen, ob und wie sich die The­men für Schü­lerin­nen und Schüler auf­bere­it­en lassen. Ich poste hier im Sch­plock nicht die kom­plet­ten Inhalte des Sem­i­nars, son­dern jew­eils das, was mir davon auch für eine bre­it­ere Öffentlichkeit inter­es­sant erscheint.

Zum Ein­stieg, und weil ich neugierig war, welche Vorken­nt­nisse meine Studieren­den besitzen, habe ich einen kleinen wahrnehmungs­di­alek­tol­o­gis­chen Test gemacht, der sich ganz grob am Kiel­er DFG-Pro­jekt Der deutsche Sprachraum aus der Sicht lin­guis­tis­ch­er Laien ori­en­tiert (das auch ein Blog besitzt!), allerd­ings wesentlich kürz­er. Wer mag, kann ihn hier eben­falls machen. Weit­er­lesen

[Schplock trifft Lehre] Rheinfränkisch

Von Kristin Kopf

Ich jam­mere ja nun schon seit einiger Zeit darüber, dass ich kaum mehr Zeit fürs Sch­plock habe. Das liegt vor allem daran, dass ich so viel unter­richte. Schon let­ztes Semes­ter habe ich aber immer wieder über­legt, ob einzelne Sem­i­narthe­men nicht auch sch­plock­fähig wären, und dieses Som­merse­mes­ter will ich die Verblog­gung von Unter­richtsin­hal­ten nun ern­sthaft angehen.

Ver­such­sob­jekt wird mein Sem­i­nar zum Rhe­in­fränkischen. Das geht näch­ste Woche los, und dann will ich jede Woche einen kurzen Artikel über das Phänomen schreiben, das wir besprochen haben. Schlau wie ich bin, kündi­ge ich euch das jet­zt an, damit ich keinen Rückzieher mehr machen kann. Los geht es dann übernäch­ste Woche, denn das, was ich näch­ste Woche machen will, erledi­ge ich größ­ten­teils in diesem Post schon.

Das Sem­i­nar gebe ich nicht, weil ich unglaublich viel über den rhe­in­fränkischen Dialek­traum weiß, son­dern weil ich gerne unglaublich viel darüber wis­sen würde. Wird also auch für mich span­nend. Ich denke, ich habe jet­zt einen ganz guten Überblick für den Anfang. Was ich auch habe, ist eine viel zu lange Liste mit möglichen The­men, deshalb werde ich die Studieren­den darüber abstim­men lassen, was sie beson­ders inter­essiert. Heute will ich euch diese Liste ganz kurz vorstellen. Weit­ere Ideen sind natür­lich her­zlich willkommen!

Rhe­in­fränkisch; CC-BY-SA 3.0 Hans Erren (Wikipedia)

Zunächst ein­mal aber: Wo befind­en wir uns eigentlich? Das Rhe­in­fränkische ist ein Dialek­t­ge­bi­et des West­mit­teldeutschen, Mainz liegt drin, allerd­ings ist man sich son­st nicht ganz einig, was alles dazuge­hört. Die klas­sis­che Ein­teilung (Beispiele bei der Wikipedia, im dtv-Atlas Deutsche Sprache) set­zt einen bre­it­en Streifen von Saar­brück­en bis Kas­sel an, die Unterteilung von Wiesinger nimmt hinge­gen das Hes­sis­che (d.h. das dunkellila Gebi­et auf der Karte rechts) weit­ge­hend aus. Was wir uns im Sem­i­nar dann let­ztlich anschauen wer­den, hängt von den einzel­nen Phänome­nen ab.

Die Ein­teilung der west­mit­teldeutschen Dialek­te erfol­gt meis­tens anhand des Durch­führungs­grads der 2. Lautver­schiebung. Unter der Über­schrift Rheinis­ch­er Fäch­er find­et ihr hier etwas dazu. Im Rhe­in­fränkischen sagt man also, abwe­ichend von der hochdeutschen (und süd­deutschen) Lau­tung, Abl ‘Apfel’ und Pund ‘Pfund’, aber übere­in­stim­mend damit das, Dorf und machen (statt der nördlicheren Vari­anten dat, Dorp, mak­en). Das ist ein The­ma, das defin­i­tiv im Sem­i­nar drankom­men wird. Eben­falls schon sich­er ist die Koronal­isierung (ch wird zu sch), ein generell mit­teldeutsches Phänomen, das ich im Sch­plock mal am Beispiel von Kirsche ‘Kirche’ besprochen habe und sei­ther innig liebe. Hier gibt es auch ein paar Beispielka­rten aus dem Atlas der deutschen Alltagssprache.

Die weit­eren möglichen The­men liste ich euch jet­zt auf, immer mit einem Beispiel­satz, ein­er kurzen Erk­lärung und eventuell Links. Die Beispiel­sätze stam­men, sofern nicht anders angegeben, aus “Kud­del­mud­del ums Kup­perdibbe”, dem Mainz­erischen Aster­ixband: Weit­er­lesen

[Buchtipp] Heike Wiese: Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht

Von Kristin Kopf

Heute will ich euch  Heike Wieses »Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entste­ht« empfehlen. Viele von euch wer­den in den let­zten Wochen in den Medi­en etwas zum The­ma aufgeschnappt haben – im Rah­men der Buch­pub­lika­tion wurde Frau Wiese oft inter­viewt und rezen­siert. Sie forscht und schreibt  näm­lich über ein The­ma, bei dem die Emo­tio­nen hochkochen und manchen beim Geifern der Schaum aus dem Mund schlägt: Über eine sprach­liche Vari­etät, die sie Kiezdeutsch nennt.

Kiezdeutsch ist eine Jugend­sprache, die sich in mul­ti­eth­nis­chen Wohn­vierteln beson­ders in Berlin, also z.B. Kreuzberg und Neukölln, her­aus­ge­bildet hat. Von anderen Jugend­sprachen unter­schei­det sie sich dadurch, dass sehr viele der SprecherIn­nen zwei- oder mehrsprachig aufwach­sen – aber nicht alle: Weit­er­lesen

Etymologiequiz die Dritte

Von Kristin Kopf

So, Semes­ter­fe­rien. Bißchen Zeit zum Luft­holen und, juhu, für’s Sch­plock! Heute gibt es die dritte Aus­gabe des Ety­molo­giequiz: Ich gebe euch einen Haufen Wörter und ihr sagt mir, welche davon auf einen gemein­samen Ursprung zurück­ge­hen. Die Neuerung dies­mal: Es han­delt sich um deutsche und englis­che Wortpaare.

So gehören zum Beispiel engl. very ’sehr’ und dt. wahr zusam­men: Bei­de haben ihren Ursprung in der indoger­man­is­chen Form *weros-. Fun fact: Das englis­che Wort hat nicht den Weg über die his­torischen Vorstufen des Englis­chen genom­men, son­dern Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres 2011: Shitstorm

Von Kristin Kopf

Ihr habt es auf dem ein oder anderen Weg bes­timmt schon mit­bekom­men: Der Anglizis­mus des Jahres 2011 ist gewählt! Auf den ersten Platz hat es Shit­storm geschafft, zu dem ander­swo schon viel geschrieben wurde (Lau­da­tio, AdJ 2010, AdJ 2011) und das auch der Favorit des Pub­likums war.

Den zweit­en Platz hat Stresstest gemacht (Besprechung im Sprachlog). Das war auch ein­er mein­er Top-3-Kan­di­dat­en (unter uns gesagt, der top­ste davon), und weil bish­er qua­si alle Medi­en meine Begrün­dung dafür bis zur Unken­ntlichkeit verkürzt haben, kriegt Ihr sie hier in voller Länge. Nicht furcht­bar kreativ, aber komplett:

Die Bil­dung gefällt mir beson­ders gut, weil das Wort auf den ersten Blick gar nicht so fremd aussieht: Sowohl Stress als auch Test sind schon lange bestens inte­gri­ert. Dass das Kom­posi­tum, neben älteren Bil­dun­gen, neu entlehnt wurde, wird an der Ver­wen­dung im Sinne von ‘Über­prü­fung der physis­chen Belast­barkeit’ deut­lich. Dabei hat das Sim­pliz­ium Stress diese neue Bedeu­tung (noch) nicht angenom­men, sie bleibt auf das Kom­posi­tum beschränkt.
Ein leicht­es Minus muss das Wort bezüglich der seman­tis­chen Lücke in Kauf nehmen: Den extrem ähn­lichen Belas­tung­stest gab es bere­its. Die Moti­va­tion für die Entlehnung dürfte damit eine andere gewe­sen sein.

Der drit­ten Platz ist mit circeln beset­zt, ein Kan­di­dat, dem ich, ganz ehrlich, gar nichts abgewin­nen kann. Andere schon. Hm, wer weiß, vielle­icht über­rascht er mich ja eines Tages doch noch positiv.

So, das war’s für 2011. Hat Spaß gemacht, war aber auch eine Art ganz per­sön­lich­er Stresstest. Was Euch anbe­langt: Gehet hin und entlehnet neue Kan­di­dat­en für den AdJ 2012!

[Anglizismus des Jahres] Publikumsabstimmung

Von Kristin Kopf

Für alle, die’s noch nicht mit­bekom­men haben: Noch bis ein­schließlich 11.2. läuft die Pub­likumsab­stim­mung für den Anglizis­mus des Jahres 2011! Noch sind 16 Wörter im Ren­nen, nämlich

-gate, Bar­camp, circeln, Cloud, Con­tent­farm, Cyberkrieg/-war, Euro-Bonds, Hack­tivism, Hair­cut, Mas­terand, Occu­py, Post-Pri­va­cy, Script­ed Real­i­ty, Shit­storm, Stresstest, Tablet

Ich bin ger­ade dabei, mir für die Juryab­stim­mung eine Mei­n­ung zu bilden und finde es ziem­lich schwierig. Ganz ehrlich: Eigentlich haut mich kein Kan­di­dat so richtig um. Bei eini­gen sehe ich Poten­zial für in ein, zwei Jahren, hmja. Aber mal schauen, zu welchen Erken­nt­nis­sen ich heute Nacht gelange, wenn ich alle Blog­beiträge der Jury noch ein­mal gründlich gele­sen habe.

[Anglizismus des Jahres] Emanzipiert sich das Tablet?

Von Kristin Kopf

Heute also das Tablet. Ein flach­er, tas­tatur­los­er Com­put­er von umstrit­ten­em Nutzen und auf jeden Fall ein Wort, das mir für eine Analyse auf den ersten Blick ähn­lich unat­trak­tiv erschien wie die let­ztjährige App: Vor meinem inneren Auge türmten sich Berge von trock­en­er Tech­nikberichter­stat­tung und Wer­bege­fasel, ganz vorne mit dabei die Fir­ma Apple. Aber, coole Sache: So schlimm war’s gar nicht bzw. man kon­nte sehr schnell drüber­scan­nen. Und meine Recherche liefert sog­ar richtig schöne Ergeb­nisse, schaut mal:

(Suche in Nürn­berg­er Nachricht­en, Mannheimer Mor­gen, Ham­burg­er Mor­gen­post, Braun­schweiger Zeitung, per Cos­mas II web; absolute Zahlen)

Das war eine Kor­pus­recherche in den vier Zeitun­gen, die ich auch für -gate genutzt habe.1 Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] Greift ‑gate um sich?

Von Kristin Kopf

Unter den Vorschlä­gen für den Anglizis­mus des Jahres 2011 gab es auch ein Wort­teil von nicht so recht bes­timm­barem Charak­ter, näm­lich -gate. Das will ich mir heute genauer anschauen – par­al­lel zu suz, die zeit­gle­ich mit mir ihre Beobach­tun­gen zum The­ma postet.

Vorgeschla­gen wurde es von Patrick Schulz, der let­ztes Jahr den Gewin­ner leak­en nominiert hat, und zwar mit der fol­gen­den Begründung:

Ich schlage dieses Jahr das Skan­dal­isierungssuff­fix -gate zum AdJ vor. Es wird dazu benutzt, die seman­tis­che Deno­ta­tion seines Kopfes (Also die Bedeu­tung dessen, an das es sich ran­hängt) zu einem Skan­dal von nationaler Trag­weite zu erk­lären oder auch zu verk­lären. Diese mitunter iro­nisierende Nebenbe­deu­tung hebt es m.E. von beste­hen­den Äquiv­a­len­ten ab.

Ganz aktuelle Beispiele sind u.a. padgate, Gut­ten­gate oder Jena­gate.

Es geht dabei weniger darum, irgendwelche kur­zlebi­gen Wörter, die auf ‑gate enden, für den AdJ2011 vorzuschla­gen, son­dern dieses gebun­dene und sie verbindende Mor­phem, welch­es an beliebige Kopflex­eme ange­hängt wer­den darf um eine sozial- und/oder medi­enkri­tis­che Botschaft zu ver­mit­teln. Es ist dabei im höch­sten Maße pro­duk­tiv, wie die eben erwäh­n­ten Beispiele zeigen. Noch dazu geht es mit eini­gen inter­es­san­ten pho­nol­o­gis­chen Prozessen ein­her, so heist es etwa Gut­ten­gate, nicht aber *Gut­ten­berggate o.ä..

Ich will in diesem Beitrag über­prüfen, ob -gate wirk­lich so häu­fig neue Wort­bil­dun­gen einge­ht und falls ja, wozu sie dienen. Patrick ver­mutet ja einen iro­nis­chen Unter­ton, was ich nicht ganz von der Hand weisen will. Ob der aber nur durch den Äußerungskon­text entste­ht, oder wirk­lich schon dem Ele­ment anhaftet, bleibt zu klären. Weit­er­lesen