Schlagwort-Archive: Deutsch

Von alten Säcken und alten Damen

Von Anatol Stefanowitsch

Es fällt der taz in let­zter Zeit sichtlich immer schw­er­er, das eigene Niveau noch zu unter­bi­eten, aber Matthias Lohre ist es diese Woche wieder ein­mal gelun­gen: Er hat einen Text ver­fasst, der so unterirdisch verblödet und so unglaublich schlecht recher­chiert ist, dass man ern­sthafte Zweifel hegen muss, ob Texte bei der taz einen redak­tionellen Prozess durch­laufen, bevor sie freigeschal­tet werden.

Eine „neue Form der Diskri­m­inierung“ will der Kolum­nist gefun­den haben, eine, die er – offenkundig ganz ohne sich müh­sam mit der Forschungslit­er­atur zu Diskri­m­inierung zu befassen, mit inspiri­ert-beschwingtem Fed­er­strich „Alters­geschlechts­diskri­m­inierung“ nen­nt. Und die tre­ffe — wait for it — „auss­chließlich Män­ner, alte Männer“.

Für eine der­ar­tig absurde Behaup­tung dürften die für gesellschaftliche Diskri­m­inierung ver­mut­lich über­durch­schnit­tlich sen­si­bil­isierten LeserIn­nen der taz über­wälti­gend überzeu­gende Belege erwarten. Und diese Erwartung wird umge­hend mit ein­er Kon­se­quenz ent­täuscht, wie sie derzeit nur die taz an den Tag leg­en kann. Und da die Belege rein sprach­lich­er Natur sind, greife ich sie im Sprachlog kurz auf, obwohl Felis die wesentliche Antwort bere­its geliefert hat.

[Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beispiele sex­is­tis­ch­er und alters­diskri­m­inieren­der Sprache.] Weit­er­lesen

Wer ist maskulin, wer ist feminin?

Von Anatol Stefanowitsch

Wegen eines nicht beson­ders guten Blog­beitrags wurde heute in mein­er Twit­ter-Time­line disku­tiert, welch­es gram­ma­tis­che Geschlecht das Frage­pronomen wer hat – genauer, ob es sich wie in dem ver­link­ten Beitrag behauptet, um ein Maskulinum handelt.

Sprach­wis­senschaftlich ist das keine ein­fache Frage. In eini­gen Zusam­men­hän­gen ver­hält es sich wie ein soge­nan­ntes Utrum, eine Form die sich auf Men­schen (und manch­mal uns nah­este­hende Tiere), aber nicht auf unbelebte Gegen­stände bezieht. So kann mit wer nach Maskuli­na, Fem­i­ni­na und Neu­tra gefragt wer­den,  solange es Men­schen sind. Bei Gegen­stän­den muss dage­gen mit was oder welch­es gefragt wer­den: Weit­er­lesen

Sprachbrocken 14/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Sich über die Jugend und ihren Sprachge­brauch zu echauffieren, sei den Sprach­nör­glern, Kul­tur­fix­ier­ern und anderen Verän­derungs-verängstigten von Herzen gegön­nt – schließlich haben es schon ihre Großel­tern so gehal­ten, und deren Großel­tern und die Großel­tern der Großel­tern von deren Großel­tern. Aber spätestens wenn er sich unverse­hens dabei ertappt, mit Wladimir Putin ein­er Mei­n­ung zu sein, sollte auch der fanatis­chste Ver­gan­gen­heits­fun­da­men­tal­ist einen Augen­blick innehal­ten und über die gedanklichen Schritte nach­denken, die ihn in diese unan­genehme Sit­u­a­tion gebracht haben. Das ist Edwin Baum­gart­ner von der WIENER ZEITUNG nicht gelun­gen. Putins Gesetz gegen Kraftaus­drücke im Fernse­hen ziele zwar wegen sein­er willkür­lichen Ausleg­barkeit ein­deutig auf eine Zen­sur der öffentlichen Rede ab. Aber angesichts des durch die syn­chro­nisierten Fas­sun­gen amerikanis­ch­er Filme inspiri­erten zotig-vul­gären Sprachge­brauchs der heuti­gen Jugend (wirk­lich, das habe ich mir nicht aus­gedacht) sei es ja Zen­sur zu einem guten Zwecke.
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Von Beamten und Beamtinnen

Von Anatol Stefanowitsch

Die neue Straßen­verkehrsor­d­nung ist ja in den let­zten Tagen wegen ihrer geschlechterg­erecht­en Sprache von den üblichen Verdächti­gen inten­siv kri­tisiert wor­den. Eine Ver­linkung auf die Kri­tiken ers­pare ich Ihnen und ver­linke stattdessen auf die aus­führliche sach­liche Diskus­sion des Lexiko­grafieblogs. Wie dort, und auch in der hier am Fre­itag disku­tierten Pressemel­dung des Auto Club Europa ange­merkt wird, sind bei der Anpas­sung vere­inzelt Wörter im Maskulinum ste­henge­blieben. In eini­gen Fällen, die das Lexiko­grafieblog auflis­tet, scheint das reine Nach­läs­sigkeit zu sein, da die betr­e­f­fend­en Wörter an anderen Stellen durch geschlecht­sneu­trale For­mulierun­gen erset­zt wur­den, doch bei einem Wort liegt das Prob­lem möglicher­weise tiefer. In Para­graf 36, Abs. 1 der StVO heißt es nach wie vor: Weit­er­lesen

In Memoriam Douglas Adams

Von Anatol Stefanowitsch

Heute wäre der große Dou­glas Adams 61 Jahre alt gewor­den. Mir bleibt er natür­lich als großar­tiger Sci­ence-Fic­tion-Autor, aber vor allem als genialer Wort- bzw. Bedeu­tungss­chöpfer in Erin­nerung. In The Mean­ing of Liff recycelt er Ort­sna­men, um Bedeu­tun­gen ein Wort zu geben, die bis­lang keines haben. ((Es gibt auch eine deutsche Über­set­zung, Der Sinn des Labenz von Sven Böttch­er; außer­dem betreibt Kil­ian Evang vom „Textthe­ater“ eine Web­seite, auf der er soge­nan­nte „Laben­ze“ sammelt.))

Um sein­er zu gedenken, biete ich hier drei eigene Zweitver­w­er­tun­gen über­flüs­siger Ort­sna­men an. Ich würde mich natür­lich freuen, wenn Leser/innen des Sprachlogs zusät­zliche selb­st aus­gedachte Vorschläge beisteuern.
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Sprachbrocken 6–10/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Der Latei­n­un­ter­richt verkommt an deutschen Schulen zwar langsam aber sich­er zu dem Anachro­nis­mus, der er im Herzen schon lange ist, aber er hat eine erstaunlich bis­sige Lob­by. Kaum eine Woche, in der ich bei der Suche nach Sprach­brock­barem nicht auf einen Artikel stoße, der die die Vorzüge der Sprache Cäsars predigt. Ein gutes Argu­ment habe ich dabei nie gese­hen — bis Joseph Ratzinger seine Rück­zugspläne ankündigte, und die fast unbe­merkt geblieben wären. Denn, wie unter anderem die TAZ berichtete, gab Ratzinger seine bevorste­hende Pen­sion­ierung in ein­er Rede bekan­nt, die er auf Latein hielt, und bescherte der einzi­gen Lateinkundi­gen unter den anwe­senden Journalist/innen, der ANSA-Kor­re­spon­dentin Gio­van­na Chirri, den Scoop ihres Lebens. Wenn das kein Grund für einen flächen­deck­enden Latei­n­un­ter­richt ist, dann fällt mir auch kein­er mehr ein.
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Sprachschmuggler in der Wikipedia?

Von Anatol Stefanowitsch

In mein­er gestri­gen Lau­da­tio zum Anglizis­mus des Jahres 2012, Crowd­fund­ing, sprach ich meine Ver­mu­tung an, dass die vere­inzelt zu find­ende Ein­deutschung „Schwarm­fi­nanzierung“ eine Wortschöp­fung von Anglizis­muskri­tik­ern sei, die diese über den Wikipedia-Ein­trag zum Crowd­fund­ing zunächst in den jour­nal­is­tis­chen Sprachge­brauch eingeschleust hät­ten. Diese Ver­mu­tung stützt sich auf die Tat­sache, das die früh­este Ver­wen­dung, des Wortes, die ich find­en kann, eben aus diesem Wikipedia-Ein­trag, genauer, in der Artikelver­sion vom 23. März 2011 stammt. Einge­tra­gen wurde es von einem anony­men Nutzer, weshalb die Wikipedia-Soft­ware nur die IP-Adresse des Bear­beit­ers doku­men­tiert. Eine Über­prü­fung der Bear­beitun­gen, die unter dieser IP-Adresse im sel­ben Zeitraum vorgenom­men wur­den, zeigt, dass außer­dem das Schlag­wort „Schwarm­fi­nanzierung“ mit ein­er Weit­er­leitung auf den Artikel zu Crowd­fund­ing angelegt und das Wort Schwarm­fi­nanzierung in den Ein­trag zu ein­er bes­timmten Crowd­fund­ing­plat­tform hinein redigiert wur­den. Dass es sich bei dem anony­men Nutzer um einen Sprachkri­tik­er auf Sprach­säu­berungsmis­sion han­delte, schließe ich daraus, dass das Wort „Schwarm­fi­nanzierung“ im Anglizis­menin­dex des Vere­ins Deutsche Sprache ste­ht (dazu gle­ich mehr). Weit­er­lesen

Tablet [Anglizismus 2012]

Von Kristin Kopf

Das Tablet ist ein Wiedergänger: Bere­its let­ztes Jahr hat es Anspruch auf den Anglizis­mus­des­jahresti­tel erhoben. Wer sich für die aus­führliche Besprechung inter­essiert, sollte sich daher den dama­li­gen Blog­beitrag dazu anschauen – heute unter­suche ich, wie sich das Wort sei­ther gemacht hat und ob es 2012 eine Gewin­n­chance hat.

Rein sub­jek­tiv rechne ich mit ein­er enor­men Fre­quenz­zu­nahme, basierend auf der Beobach­tung, dass die Geräte immer häu­figer zu sehen und für viele Men­schen zu einem All­t­ags­ge­gen­stand gewor­den sind.

Ein Blick in die Zeitung bestätigt das:

Vorkom­men pro Mio Tex­twörter. Quelle: Nürn­berg­er Nachricht­en, Mannheimer Mor­gen, Ham­burg­er Mor­gen­post, Braun­schweiger Zeitung via Cos­mas II. (n=1.632)

Erst­mals über­traf 2012 das blanke Wort Tablet (grüne Lin­ie) verdeut­lichende Zusam­menset­zun­gen wie Tablet-PC oder Tablet-Com­put­er (blaue Lin­ie). Das Konzept ist jet­zt also fest genug bei der Zeitungsle­ser­schaft ver­ankert, es bedarf sprach­lich­er Hil­festel­lung nicht mehr unbe­d­ingt. Damit ist einge­treten, was ich let­ztes Jahr ger­adezu prophetisch prog­nos­tiziert habe – und zwar schneller als gedacht:

Ich wage zu behaupten, dass sich die Form Tablet, falls das Gerät über­lebt, auf lange Sicht gegenüber Tablet-Com­put­er durch­set­zen wird. Ist kürz­er, und wenn man weiß, was gemeint ist, braucht kein Men­sch mehr eine deskrip­tive Benennung.

Diese Zusam­menset­zun­gen wer­den in den kom­menden Jahren sich­er noch weit­er zurück­ge­hen. ((Sag ich jet­zt, damit ich bei der AdJ-2013-Nominierung erneut auf meine prophetis­chen Fähigkeit­en ver­weisen kann.))

Im Gegen­zug braucht man mit­tler­weile mehr Dif­feren­zierungsmöglichkeit­en, um all die Tablets voneinan­der unter­schei­den zu kön­nen: Kom­posi­ta mit einem Erst­glied, das das Tablet näher bes­timmt (lila Lin­ie) nehmen weit­er zu. In fast allen Fällen wird hier Bezug auf den Her­steller oder Verkäufer (Apple, Aldi, Sony-Tablet, …) oder auf Leis­tungs­fähigkeit und Größe genom­men (High­end-, Full-HD-, Sieben-Zoll-, Riesen-Tablet, …).

Zwar war der Anstieg des Wortes Tablet von 2010 nach 2011 viel deut­lich­er (um 3,8 Prozent­punk­te) als der von 2011 nach 2012 (um 2,2 Prozent­punk­te) ((Eine Suche über Begriffe im Wan­del der ZEIT liefert zwar für Die Zeit einen sprung­haften Anstieg 2012, hier in ich aber skep­tisch, was die Daten­ba­sis bet­rifft. Über den Bug­fix­ing-Modus gelangt man an absolute Zahlen, das sind für 2012 genau 116 Tre­f­fer, die sich recht gle­ich­mäßig über das Jahr verteilen (z.B. je 10 im Novem­ber und Dezem­ber). Hier muss also bei der Nor­mal­isierung etwas schiefge­gan­gen sein.)), allerd­ings würde ich das nicht sofort als AdJ-Aus sehen. Das Tablet hat 2012 an Land gewon­nen, beson­ders gegenüber bemut­tern­den Bil­dun­gen, in denen es nur Erst­glied ist. Es ist zwar sprach­lich nicht beson­ders aufre­gend, aber man kann von so einem Anglizis­mus jet­zt auch nicht alles erwarten.

posten [Anglizismus 2012]

Von Susanne Flach

Nachtwerk­er hat uns posten beschert, was zu sein­er „eige­nen Über­raschung“ Runde 1 über­standen hat. Die Skep­sis war nicht unbe­grün­det: „Ach was, viel zu alt!“. Aber eine kon­tinuier­liche Steigerung seit Jahren ist eine Möglichkeit, das Kri­teri­um FREQUENZZUWACHS zu inter­pretieren: Und: posten ist wirk­lich nicht unspannend.

Ursprung & Integration

posten hat einen Ein­trag im Duden (und ste­ht natür­lich auf sonem Anglizis­menin­dex, aber der wächst erfahrungs­gemäß schneller, als Sie fail! sagen kön­nen). Im DUDEN liest man zum Ursprung: „englisch to post, eigentlich = mit der Post ver­schick­en, zu: post < franzö­sisch poste“. Die konzeptuelle und orthografis­che Par­al­lele zur deutschen Post ist nahe­liegend, ety­mol­o­gisch nicht falsch und kön­nte dazu geführt haben, es beson­ders mit schreiben, aber auch den Alter­na­tiv­en senden oder schick­en ein­deutschen zu wollen (die ganz uner­schüt­ter­lichen schla­gen auch schon mal veröf­fentlichen, kom­men­tieren oder ein­stellen vor).

Des Dudens Aussprachehil­fe ist [poʊstn] (mit [oʊ] an nor­damerikanis­che Vari­etäten angelehnt; im britis­chen Englisch ist es [əʊ]). Weil mich das nicht überzeugt hat, habe ich vor der Bib­lio­thek kurz­er­hand zwei hip­pen jun­gen Men­schen [po:stn] aus dem akustis­chen Jute­beu­tel geleiert und nehme das mal als heute gängigere Form an. Im Gegen­satz zur deutschen Post (kurz­er hal­bof­fen­er Vokal) liegt bei posten ein langer hal­bgeschlossen­er Vokal vor. Das ist wenig ver­wun­der­lich: /oʊ/ ist ein Laut (z.b. wie in go, low oder boat), den wir im Deutschen nicht haben und deshalb mit Bor­d­mit­tel erset­zen. Das ist ein nor­maler Vor­gang und ist bei Alt-Anglizis­men wie Koks nicht mehr erkennbar ([ko:ks] statt [kəʊks]). ((Sie sehen, wir näh­ern uns der Fort­set­zung der Keks-Trilo­gie.))

Auch mor­phol­o­gisch fügt sich posten naht­los ins heimis­che Flex­ion­spar­a­dig­ma: ich poste, du postest, sie postet oder er hat gepostetAnders als bei manchen Entlehnun­gen gibt’s bei posten kaum orthografis­che Ver­wirrung: gepostet ist mit über 5 Mil­lio­nen Google-Tre­f­fern deut­lich vor gepost­ed mit etwa ein­er hal­ben Mil­lion. Das kön­nte an der laut­lich bere­its erfol­gten Inte­gra­tion liegen und/oder ist durch das <t> im Stamm von posten begün­stigt (bei adden beispiel­sweise ist das Ver­hält­nis etwa 2:1 für geadded). Auch im Teilko­r­pus „Wikipedia-Diskus­sio­nen 2003–2011“ im DeReKo liegt gepostet mit etwa 1,400 Tre­f­fern klar vor gepost­ed mit 29.

Schreiben? veröffentlichen? Posten!

Wir posten Fotos, Sta­tus­meldun­gen, Videos oder Links auf Face­book, Beiträge auf Blogs oder Kom­mentare und Tipps in Foren und Mail­inglis­ten. Nun kön­nte man auch sagen, dass man einen Blog­beitrag schreibt, Fotos veröf­fentlichtNachricht­en inner­halb ein­er Mail­inglist sendet/verschickt oder in Foren kom­men­tiert. Zu argu­men­tieren, dass wir mit posten ein Wort für all diese Dinge haben, würde diesen Beitrag aber nur unnötig abkürzen und posten aus dem Ren­nen werfen.

Denn wir kön­nen keine Büch­er posten (sehr wohl aber schreibenveröf­fentlichen oder schick­en), Lady Gaga postet keine neue Sin­gle (höch­stens das dazuge­hörige Video), und ob ich einen Kom­men­tar poste oder einen Kom­men­tar kom­men­tiere sind zwei ver­schiedene Dinge. Aber auch hier wäre die Diskus­sion eher langweilig.

Neben dem seman­tis­chen Unter­schied, welche nicht-/realen Objek­te ich posten kann oder nicht, liegt eine syn­tak­tis­che Erk­lärung darin, mit welch­er Argu­mentstruk­tur posten über­wiegend assozi­iert ist. Anders als viele poten­tielle Konkur­renten wie schicken/schreiben wird posten meist tran­si­tiv ver­wen­det (das hat es mit veröf­fentlichen gemein), etwa ich poste ein Bild oder er postet seine Mei­n­ung (im Forum); sel­tener intran­si­tiv (sie postet oft nachts) und noch sel­tener ditran­si­tiv. Eine ditran­si­tive Ver­wen­dung würde ein/e Empfänger/in und einen intendierten Trans­fer implizieren und braucht deshalb einen beson­deren Inter­pre­ta­tion­skon­text: ?ich poste dir mor­gen einen Link (auf die Wall) oder ??sie postet ihrem Pro­fil ein Video.

Warum? Weil der Prozess des Postens bzw. das, was wir posten, keine/n lokalisierbare/n, bestimmte/n Empfänger/in hat oder haben muss. Zumin­d­est liegt der Fokus über­haupt nicht darauf, den Trans­fer­vor­gang zu jeman­dem abzuschließen oder zu beto­nen: ich kön­nte mir nen Wolf posten mit Bildern, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos — unab­hängig davon, ob’s jemand sieht, hätte ich immer noch Bilder, Sta­tus­meldun­gen, Links, Kom­mentare, Blog­beiträge und Videos gepostet (aber immer noch nicht geschickt).

Damit unter­schei­det sich posten grundle­gend von schreiben oder schick­en (wer hat sich eigentlich und übri­gens diese Alter­na­tiv­en aus welchem Ärmel gezo­gen?), die in ihrer pro­to­typ­is­chen Ver­wen­dung ditran­si­tiv sind und deshalb mit Prozessen von DINGEN/OBJEKTEN > EMPFÄNGER/INNEN assozi­iert sind (ich schreibe dir einen Brief, er schickt mir ein Paket). Weil in tran­si­tiv­en Ver­wen­dun­gen wie bei posten das indi­rek­te Objekt fehlt, fehlt natür­lich auch der Fokus auf den Empfänger/innen.

Und bei schreiben und schick­en (trans.) son­st so? Die Behaup­tung, diese bei­den Alter­na­tiv­en wer­den über­wiegend ditran­si­tiv ver­wen­det, fehlt ein Plau­si­bil­itätskern. Klar, denn sie kön­nen einen Kom­men­tar schreiben, dessen Sig­nale nie­mand wirk­lich empfängt (ich schreibe einen Beitrag). Aber schreiben Sie tat­säch­lich URLs und RAW-Dat­en in Ihre Sta­tuszeile bei Face­book? Eben. Die These wäre dann ja noch zusät­zlich, dass man mit posten üblicher­weise das Ver­bre­it­en von Din­gen und Gedanken beze­ich­net, die gar keinen schreiberischen Charak­ter haben, oder, wenn das bei Sta­tus­meldun­gen doch der Fall ist, der Fokus auf dem Gesamtkunst­werk liegt. Aber selb­st wenn Sie URLs abtip­pen wür­den (nein, nein, es heißt nicht copy & post), beze­ich­nen wir den abgeschlosse­nen oder geplanten Vor­gang mit posten, nicht den Prozess des, äh, Abtippens.

Gepostete Daten

Eine lose Belegsamm­lung aus den Wikipedia-Diskus­sio­nen (DeReKo):

Den Link zum Raub­druck-Ver­lag habe ich gepostet, falls du dir das Heft zum Nach­le­sen kaufen willst. [WDD11/A00.16711]

Sor­ry dass ich anonym poste, aber ich habe mich noch nicht angemeldet. [WDD11/A01.05660]

darf ich jet­zt trotz­dem was posten, auch wenn ich (noch) nicht auf alle argu­mente einge­he? [WDD11/A00.10032]

Ich wäre dir dankbar, wenn Du hier mal zu deinem Males­ta entsprechende Links posten würdest. Vielle­icht wirds dann ja klar­er. [WDD11/A00.16711]

Im übri­gen poste ich Beiträge wenn ich Zeit und Lust dazu habe und nicht wenn du es dir wün­scht. [WDD11/A02.06862]

Er hat ihn ein­fach nur aus Prinzip gepostet … typ­isch. [WDD11/A02.82922]

Der Fokus liegt hier natür­lich auf der inter­ak­tiv­en Kom­mu­nika­tion zwis­chen Wikipedia-Autor/in­nen mit erhofften Empfänger/innen, aber die tran­si­tive Ver­wen­dung über­wiegt (Links, Quellen, Beiträge, Mei­n­un­gen). Weil nach gut 100 Bele­gen keine ditran­si­tive Ver­wen­dung zu find­en war, habe ich auf Google expliz­it danach gesucht:

Like & ich poste dir was auf die pin­nwand [Quelle]

ich poste dir meinen skype­na­men pri­vat. [aus einem Coach­ing-Forum]

Ich poste dir mal einen trig­ger mit dem man per aufer­ste­hung Helden wieder­bel­ben kann, den musst du prinzip­iell nur noch an deinen anpassen [aus einem Gam­ing-Forum, mit Code]

Im Unter­schied zu kom­men­tieren oder veröf­fentlichen ist die ditran­si­tive Ver­wen­dung aber dur­chaus möglich (bei ?Ich veröf­fentliche ihr was auf die Pin­nwand wär ich skep­tisch). In diesen Beispie­len tritt die Trans­ferbe­deu­tung in den Vorder­grund: Inten­tion und ein Fokus auf Emp­fang und Empfänger/in. Denn entwed­er ist posten in der Bedeu­tung von schicken/emailen zu ver­ste­hen (1 & 2, wobei in 2 eine eher untyp­is­che Ver­wen­dung vor­liegt) oder, wie im let­zten Beispiel, erfüllt das dir eine Funk­tion ‚hab ich mal extra für dich gemacht und eingestellt‘.

Vielle­icht ist es ein quan­ti­ta­tiv wack­liger Ver­such. Aber die Ten­denz ist ein­deutig: posten hat sich seman­tisch und konzeptuell und syn­tak­tisch in genau die Lücke geset­zt, die das Web im deutschen Inven­tar geris­sen hat. Von der Beschränkung auf einen irgend­wie konkreten, aber irgend­wie nicht-physikalis­chen Kon­texts natür­lich ganz zu schweigen. 

Fazit (postende)

Bei son­er Wahl sollte man sich immer über­raschen lassen.

Blackfacing [Anglizismus 2012]

Von Anatol Stefanowitsch

Das Wort Black­fac­ing ist abgeleit­et vom Englis­chen black­face, der Beze­ich­nung für eine ursprünglich aus den USA stam­mende The­ater- und Vari­eté-Tra­di­tion, bei der weiße Schauspieler/innen oder Sänger/innen auf meis­tens über­trieben stereo­typ­isierte Weise als Schwarze geschminkt auftreten.

Einen soli­den Ein­stieg in die Geschichte des Black­face bietet die englis­che Wikipedia. Für die Geschichte des Lehn­worts Black­fac­ing ist zunächst entschei­dend, dass diese Prax­is in dop­pel­ter Weise ras­sis­tisch belegt ist: Erstens, weil die Tra­di­tion aus einem zutief­st ras­sis­tis­chen his­torischen Zusam­men­hang stammt, in dem ein Auftreten schwarz­er Schauspieler/innen als inakzept­abel gegolten hätte, und zweit­ens, weil beim Black­face nicht nur das Make-Up selb­st und die dazuge­hörige Mimik über­trieben stereo­typ­isiert ist (dicke rote Lip­pen, strup­pige Haare, weit aufgeris­sene Augen, wie auf dem weit­er unten abge­bilde­ten zeit­genös­sis­che Plakat), son­dern auch die Zusam­men­hänge, in denen es ver­wen­det wurde (Schwarze als naive, immer fröh­liche Unterhalter).

[Hin­weis: Der fol­gende Beitrag enthält eine ras­sis­tis­che Abbil­dung.] Weit­er­lesen