Schlagwort-Archive: Chinesisch

Besserwisserei: Teekesselchen im Chinesischen

Von Anatol Stefanowitsch

Die häu­fig­sten Beschw­er­den, die wir von den Sprachlogleser/innen zu hören bekom­men, sind erstens, dass wir nicht klein­lich und besser­wis­serisch genug sind, und zweit­ens, dass wir häu­fige Beschw­er­den oft ein­fach erfind­en. Wenig­stens bezüglich des ersten Prob­lems wollen wir gerne an uns arbeit­en, und ab jet­zt regelmäßig klein­liche Besser­wis­sereien anbieten.

Die Qual­itätsme­di­en liefern ja täglich Anlass dazu. Zum Beispiel schrieb die WAZ diese Woche:

Die Hand saust nach unten. Baowen Shis Hand­kante schnei­det die Luft wie ein Schw­ert. Immer wieder. Zack. So zeigt die Lehrerin ihren Schülern, in welche Rich­tung die Beto­nung geht: Tang – Beto­nung nach unten. Denn die Melodie macht den Unter­schied. In diesem Fall zwis­chen: super, Zuck­er, liegen oder heiß. Willkom­men in der ersten Stunde Chi­ne­sisch. Die Sprache mit 1000 Teekesselchen. (WAZ, 26.9.2013)

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[Videotipp] The linguistic genius of babies

Von Kristin Kopf

Ich bin dieser Tage ganz furcht­bar beschäftigt und komme lei­der kaum zum Sch­plock – wird aber wieder bess­er. Spätestens übernäch­ste Woche. (Näch­ste Woche ist DGfS-Jahresta­gung, sieht man da jeman­den von euch?)

Inzwis­chen ein schneller Videotipp: Patri­cia Kuhl spricht über Spracher­werb. Sehr kurz, aber span­nend. (Momen­tan nur auf Englisch, aber vielle­icht kom­men ja dem­nächst noch deutsche Unter­ti­tel dazu.)
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=qRRiWg6wYXw]

Verzählt

Von Anatol Stefanowitsch

Da wende ich dem Wis­senschafts­feuil­leton nur kurz den Rück­en zu, um mich ein paar Tage lang auf ein­er der wichtig­sten Kon­feren­zen der deutschen Sprach­wis­senschaft herumzutreiben, und ver­passe dabei glatt die sprach­wis­senschaftliche Sen­sa­tion des Jahrhun­derts. Hol­ger Dambeck weiß auf Spiegel Online näm­lich Fol­gen­des zu berichten:

So sehr sich amerikanis­che und europäis­che Kinder in Mathe-Tests anstren­gen – ihre Altersgenossen aus Chi­na sind bess­er. Dank eines ein­facheren Zahlen­sys­tems kön­nen sie schon früh bess­er zählen und rech­nen. Sprach­forsch­er glauben, dass die Methodik auch deutschen Kindern helfen würde. [SPIEGEL.de/Dambeck 2010]

Bevor ich erk­lären kann, was daran eine Sen­sa­tion wäre, muss ich erk­lären (wie es auch der Artikel tut), was mit einem „ein­facheren“ Zahlen­sys­tem gemeint sein soll: näm­lich ein Sys­tem sprach­lich­er Aus­drücke, das sich möglichst streng an der Dez­i­malschreib­weise ori­en­tiert. In dieser Schreib­weise gibt es, wie wir alle wis­sen, eigene Sym­bole für die Zahlen von Null bis Neun, ab der Zehn wer­den alle Zahlen als Kom­bi­na­tion dieser Sym­bole geschrieben, in der Ein­er, Zehn­er, Hun­dert­er, usw. in absteigen­der Rei­hen­folge genan­nt wer­den. Die Zahl „Ein­hun­dert­fün­fzehn“ etwa wird 115 geschrieben, was ja soviel heißt wie „Ein Mal Hun­dert, und ein Mal Zehn, und fünf Mal eins“.

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Osnabrück, nicht Bar Celona: DGfS-Jahrestagung 2009

Von Kristin Kopf

Diese Woche war ich auf der Jahresta­gung der DGfS in Osnabrück (übri­gens die Haupt­stadt des schlecht­en Wortwitzes) und habe viele, viele Vorträge gehört, viele berühmte und weniger berühmte Men­schen gese­hen und wenig geschlafen. Es war ein Riesenspaß!

Ich habe natür­lich unglaublich viele span­nende Dinge gel­ernt, aber lei­der eignen sich immer nur Split­ter davon für ein Blog – meine per­sön­lichen High­lights waren die Plenumsvorträge von Mar­i­anne Mithun und Adele Gold­berg, die sich aber nicht gut zer­schnipseln lassen.

Hier also meine DGfS-Nachlese:

AG 1: Formen und Funktionen von Satzverknüpfungen

Ferraresi/Weiß – Und-(?!)Nebensätze

Mit und kon­nte in mit­tel- und früh­neuhochdeutsch­er Zeit nicht nur Koor­di­na­tion aus­ge­drückt wer­den, son­dern auch Subordination:

(1) alse lieb und ich dir bin ‘so lieb wie ich dir bin’ (modal-ver­gle­ichend)

(2) zuvor und er zu mor­gen eszbevor er früh­stücke’ (tem­po­ral)

(3) erget­zet sie der lei­de unt ir ir habet getân ‘entschädigt sie für das Leid, das ihr ihr ange­tan habt’ (rel­a­tivisch)

AG 5: Formen des Ausdrucks von Höflichkeit/ Respekt im Gespräch

Hentschel — Alle Men­schen wer­den Brüder

Im Ser­bis­chen kann man (wie in vie­len Sprachen) Ver­wandtschafts­beze­ich­nun­gen auch für Nicht-Ver­wandte benutzen. Dabei benutzt man sine ‘Sohn’ sowohl für junge Frauen als auch für junge Män­ner. Die Beze­ich­nung für ‘Tochter’ kann gar nicht ver­wen­det wer­den. Wahrschein­lich hat es damit zu tun, dass die männliche Form als pos­i­tiv­er wahrgenom­men wird.
Im Chi­ne­sis­chen haben die Beze­ich­nun­gen für großer Brud­er und kleine Schwest­er teil­weise die Bedeu­tun­gen ‘Ban­denchef’ und ‘Pros­ti­tu­ierte’ bekom­men, wo sie nicht auf wirk­liche Geschwis­ter referieren.

Haase — Ref­er­enten­honori­fika­tion zwis­chen Gram­matik und Lexikon

Im Bask­ischen gibt es eine Markierung für Vertrautheit/Familiarität (im Gegen­satz zu den meis­ten Sprachen, die Höflichkeit/Distanz/Respekt markieren) – dabei wird extrem viel palatal­isiert und es wer­den Ele­mente in Ver­ben eingeschoben, die z.B. die Tran­si­tiv­ität verän­dern (das nen­nt man Alloku­tiv). Diese Art zu sprechen wird meist nur gegenüber Fam­i­lien­ange­höri­gen (aber nicht den Eltern), kleinen Kindern oder Tieren ver­wen­det. Weil sie auf so einen engen Kreis beschränkt ist, hat sie eine sehr hohe Var­i­anz — jede Fam­i­lie entwick­elt ihre eigene Version.

Simon — Zur Gram­matik der indi­rek­ten Anrede im Afrikaans und im älteren Deutsch

Im Afrikaans gibt es bes­timmte Beze­ich­nun­gen (Ver­wandtschafts- und Berufts­beze­ich­nun­gen), die man für die Anrede benutzt, um höflich zu sein. Dabei wer­den diese For­men nicht nur ein­mal zur Anrede gebraucht (wie “Herr Pfar­rer, …”), son­dern auch an Stellen, wo andere Sprachen ein Reflex­iv- oder ein Pos­ses­sivpronomen gebrauchen wür­den. Wenn man im Afrikaans über jeman­den spricht, sagt man z.B.

(1) Dom­i­nee skeer hom. ‘Der Pfar­rer rasiert sich

bei höflich­er Anrede wird es aber zu 

(2) Dom­i­nee skeer Dom­i­nee ‘Herr Pfar­rer, Sie rasieren sich (wörtl.: Herr Pfar­rer rasieren Her­rn Pfar­rer)’.

AG 13: Comparison constructions and similarity-based classification

Hahn — What makes things similar

Mit wenig Sprach­bezug, aber kong­ni­tiv sehr span­nend: Wenn wir Dinge miteinan­der ver­gle­ichen, ist die Ver­gle­ich­srich­tung wichtig. Wenn wir eine Lin­ie von 85° sehen, stim­men wir wahrschein­lich schnell zu, dass sie fast ver­tikal ist, wenn wir eine ver­tikale Lin­ie sehen, stim­men wir aber eher nicht zu, dass sie fast 85° hat.

Plenarvortrag

Gold­berg — Items and Generalizations

Es gibt im Englis­chen Adjek­tive, die nicht vor dem Bezugswort ste­hen kön­nen, son­dern eigentlich nur prädika­tiv ver­wen­det wer­den können:

(1) ??the asleep child

ist komisch, aber

(2) the child is asleep

geht. Das sind alles Adjek­tive die mit a- begin­nen (der Laut ist ein Schwa [ə]) und die meis­tens früher mal Prä­po­si­tion­alphrasen waren (also z.B. on sleep > asleep). Man kann sie heute noch sehr gut tren­nen, nach Wurzel und a:

(3) a|sleep, a|float, a|live, a|blaze

im Gegen­satz zu ähn­lich aussehenden/klingenden Adjek­tiv­en mit ein­er anderen Quelle (absurd, acute, aduld) die attribu­tiv ver­wen­det wer­den kön­nen (the absurd sit­u­a­tion). Heutige SprecherIn­nen ler­nen also eigentlich eine his­torische Regel, indem sie die For­men, bei denen das a- vom on stammt, anders behan­deln. Darüber sind sie sich allerd­ings nicht im Klaren, sie fol­gen eben dem Gebrauch der­er, von denen sie ler­nen, und da sie in Kon­tex­ten, in denen z.B. asleep gebaucht wird, nie den attribu­tiv­en Gebrauch hören, ler­nen sie die Regel. Im Vor­trag war das nur ein kleines Beispiel zur Begrün­dung eines bes­timmten Sprach- und Gram­matikver­ständ­niss­es, das aber hier den Rah­men spren­gen würde.