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[Buchtipp] Heike Wiese: Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht

Von Kristin Kopf

Heute will ich euch  Heike Wieses »Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entste­ht« empfehlen. Viele von euch wer­den in den let­zten Wochen in den Medi­en etwas zum The­ma aufgeschnappt haben – im Rah­men der Buch­pub­lika­tion wurde Frau Wiese oft inter­viewt und rezen­siert. Sie forscht und schreibt  näm­lich über ein The­ma, bei dem die Emo­tio­nen hochkochen und manchen beim Geifern der Schaum aus dem Mund schlägt: Über eine sprach­liche Vari­etät, die sie Kiezdeutsch nennt.

Kiezdeutsch ist eine Jugend­sprache, die sich in mul­ti­eth­nis­chen Wohn­vierteln beson­ders in Berlin, also z.B. Kreuzberg und Neukölln, her­aus­ge­bildet hat. Von anderen Jugend­sprachen unter­schei­det sie sich dadurch, dass sehr viele der SprecherIn­nen zwei- oder mehrsprachig aufwach­sen – aber nicht alle: Weit­er­lesen

[Lesetipp] Der Geschichtenerzähler

Von Kristin Kopf

Dass Mario Var­gas Llosa den Lit­er­aturnobel­preis gewon­nen hat, erin­nert mich prompt an meine Semes­ter in der Kom­para­tis­tik. Ich denke das Sem­i­nar hieß “Interkul­turelles Erzählen”, ich hielt dort mein erstes und (hof­fentlich mit viel Abstand) grauen­haftestes Unirefer­at und ein Buch ist mir sehr, sehr ein­drück­lich in Erin­nerung geblieben: “Der Geschicht­en­erzäh­ler” (span. “El Hablador”) von obge­nan­ntem Llosa. Die Erzäh­lung spielt in Peru, ganz beson­ders im Regen­wald bei den Machiguen­ga und am besten man ver­rät vorher so gut wie gar nichts drüber. Der Sch­plock-Bezug? Das SIL kommt am Rande vor. (Eher unschme­ichel­haft, wenn ich mich recht entsinne.)

Ich werde diese Erin­nerung zum Anlass nehmen, das Buch endlich mal wieder zu lesen – will noch jemand? Dann würd ich gle­ich zwei Exem­plare bestellen.

Warhafftige Beschreibung …

Von Kristin Kopf

Let­zte Woche bin ich auf einen großar­ti­gen Buchti­tel gestoßen und habe gemerkt, dass Twit­ter und Face­book­sta­tus zu klein dafür sind … daher also hier:

Warhafftige
Beschreibung
Von denen Drey wilden
Hunden
Welche sich
unweit Leipzig in der gegend Dölitzsch/Brena/
Bitterfeld/Kühne und Schenckenbergk/im Jahr 1710.
vom Monat Augus­to biß zum Ende des Novem­br. sehen las=
sen/und was sie vor grossen Schaden an
Schaff=Vieh gethan/
Auch wie ein­er im Dorff Rhödigen/so in die Gerichte
des Her­rn Cammer=Herrn von Miltitz und in das Schen=
cken­ber­gis­che Kirch=Spiel gehörig/den 29. Nov. mit Ge=
walt getödtet worden.
Nach glaub­würdi­ger Nachricht von obbe­melden Orthen
selb­st einge­holt und nebst
gelehrten Anmerckungen
Ob Men­schen sich in solche Hunde ver­wan­deln können?
oder es nur in der Phan­tasie beste­he? ob dieses tolle oder wilde Hun=
de gewe­sen? woher solche wilde Hunde kom­men? und ob sie aus ei=
ner Antipathie gegen die Schaffe solchen Schaden gethan?

Erschienen in Leipzig 1711. Hier kann man sich ein Foto davon anschauen. Oder es gle­ich für 850 Euro kaufen

Ganz ehrlich? Für diese Ver­wen­dung von Antipathie lohnt es sich wahrschein­lich schon.

Und damit der lin­guis­tis­che Touch erhal­ten bleibt: Laut Kluge haben wir das Wort aus dem Lateinis­chen (antipathîa), was wiederum von griechisch antipátheia kommt. Das ist eine Abstrak­t­bil­dung zu antipathes ‘ent­ge­genge­set­zt füh­lend’, in dem páthos, die ‘Gemüts­be­we­gung’ drin­steckt. Wir haben’s seit dem 16./17. Jahrhundert.

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

[Buchtipp] The Unfolding of Language (Du Jane, ich Goethe)

Von Kristin Kopf

Lan­guage is mankind’s great­est inven­tion – except, of course, that it was nev­er invent­ed. (Guy Deutscher)

Schon wieder ein Buchtipp! Ui! Heute will ich Euch “The Unfold­ing of Lan­guage” von Guy Deutsch­er ans Herz leg­en. Ich hab’s auf Englisch gele­sen, es gibt aber auch eine deutsche Über­set­zung: “Du Jane, ich Goethe”. Keine Angst, der Inhalt wurde bedeu­tend bess­er über­set­zt als der Titel befürcht­en lässt, ich hab mal in der Buch­hand­lung reingelesen.

The Unfolding of Language

The Unfold­ing of Language

Worum geht es? Darum, wie Sprache entste­ht und sich verän­dert. Deutsch­er hat als großes Ziel vor Augen zu erk­lären, wie kom­plizierte Satzstruk­turen und Gram­matik ent­standen sein kön­nten. Da die Entste­hung der Sprache viel zu lange her ist, um darüber irgendwelche Aus­sagen zu tre­f­fen, wählt Deutsch­er “neuere” Beispiele aus ganz ver­schiede­nen Sprachen, nur wenige Jahrhun­derte oder Jahrtausende alt. Die all­ge­meinen Prinzip­i­en, die darin wirken, ver­mutet er auch schon zu früheren Zeit­en. Der unter Laien ver­bre­it­eten Ansicht, dass unsere Sprache ein­mal per­fekt war und jet­zt nur noch ver­fällt, wider­spricht er entschieden.

Das Buch kommt kom­plett ohne Fachter­mi­ni aus – und ist den­noch wis­senschaftlich fundiert. (Gram­matikalisierung, Analo­giebil­dung und Ökonomie spie­len z.B. eine große Rolle.) Ich hat­te eine Menge Spaß beim Lesen, und das, obwohl ich die meis­ten präsen­tierten Fak­ten und Gedanken schon kan­nte – es ist ein­fach richtig gut geschrieben und clever aufge­baut. Mein per­sön­lich­es High­light war die The­o­rie zur Entste­hung der Wurzelkon­so­nan­ten im Ara­bis­chen, ein The­ma, über das ich mir noch nie Gedanken gemacht hatte.

Deutschen würde ich übri­gens eher zur deutschen Aus­gabe rat­en, die keine bloße Über­set­zung ist. Viele Grund­la­gen wer­den näm­lich im Orig­i­nal an kleinen Beispie­len aus dem Englis­chen erk­lärt. Für die deutsche Über­set­zung wurde, wo es möglich war, nach deutschen Beispie­len gesucht, die das gle­iche zeigen. So geht es zum Beispiel ein­mal darum, dass im Englis­chen die Entwick­lung von th zu f eigentlich ganz nahe­liegend ist und auch in eini­gen Dialek­ten vorkommt. Den Laut th gibt es im Deutschen aber nicht, so dass schließlich p zu b gewählt wurde, etwas, das man z.B. im Hes­sis­chen beobacht­en kann.

Wer sich für Sprache und Sprachen inter­essiert, dem kann ich das Buch wirk­lich nur empfehlen!

[Buchtipp] Watching the English

Von Kristin Kopf

Buchtipps sind keine Spezial­ität von mir. Nicht, dass ich nicht einen ganzen Stapel von empfehlenswerten Büch­ern auf meinem Nacht­tisch liegen hätte. Aber irgend­wie kann ich mich nur sel­ten davon überzeu­gen, was drüber zu schreiben. Und wenn ich’s dann tue, sind es schon alte Hüte. Jet­zt will ich die Zahl der drin­gend nöti­gen Tipps auf drei verringern:

2009-08-20-foxWatch­ing the Eng­lish. The Hid­den Rules of Eng­lish Behav­iour” habe ich vor eini­gen Jahren gele­sen und mit­tler­weile ist seine große Zeit in den deutschen Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen (denn da ste­ht es eigentlich in jed­er größeren Stadt) schon fast wieder vorüber. Als ich es mein­er Mut­ter schenk­te, hat­te sie es sich schon selb­st gekauft. Als ich es Memo empfehlen wollte, kan­nte er es schon längst. Ihr müsst es also lesen, Grup­pen­zwang und so! Aber ganz abge­se­hen davon, ist es wirk­lich großartig.

Kate Fox ist eine britis­che Anthro­polo­gin, die sich einem skur­rilen Inselvolk wid­met: Den Englän­dern. Sie analysiert das Volk mit dem Beschrei­bungsin­stru­men­tar ihres Fach­es und schafft es dabei, uns die Englän­der zunächst völ­lig zu ent­frem­den und sie uns dann wieder sehr nahe zu brin­gen. Man sollte das Buch keines­falls zu kurz vor ein­er Reise auf die Insel lesen – die daraus entste­hende Angst davor, all diese geheimnisvollen gesellschaftlichen Regeln zu brechen, kann in enormem Stress resultieren.

Warum ich “Watch­ing the Eng­lish” so fan­tastisch finde? Es ist wis­senschaftlich fundiert – aber nicht vollgestopft mit unver­ständlich­er Ter­mi­nolo­gie. Kate Fox erk­lärt genau, wie sie arbeit­et und warum sie es so tut. Es ist lebendig – zur Illus­ta­tion dienen oft mit­ge­hörte Gespräche oder selb­st gemachte Beobach­tun­gen, aber auch kleine Anek­doten. Es ist humor­voll – nicht zum Brüllen komisch, aber auf eine sehr feine, schmun­zel­nde Art humor­voll. Kate Fox nimmt ihre Arbeit ernst, kann aber auch wun­der­bar selb­stiro­nisch sein.

Das Buch beste­ht aus zwei Teilen, “Con­ver­sa­tion Codes” und “Behav­iour Codes”. Im ersten Teil geht es um sch­plock­rel­e­vantes, näm­lich Sprache und Kom­mu­nika­tion. Dabei kommt natür­lich das beliebte Wet­ter zur Sprache, aber es geht auch darum, wie ein Gespräch zwis­chen zwei Unbekan­nten ver­läuft, in welchem Ver­hält­nis Sprache und Klasse zueinan­der ste­hen und welche Beson­der­heit­en in einem Pub zu beobacht­en und ‑lauschen sind. Wusstet ihr zum Beispiel, dass man sich beim Ken­nen­ler­nen nie direkt mit Name und Beruf vorstellt? Der Name wird erst ganz am Schluss und ganz beiläu­fig genan­nt, den Beruf lässt man sein Gegenüber erraten.

Der zweite Teil wid­met sich ver­schiede­nen Lebens­bere­ichen und ihnen eige­nen Ver­hal­tens­mustern. Es wird erk­lärt, warum my home my cas­tle ist, es geht um Arbeit, Freizeit, Klei­dung und vieles mehr. Auch die enorme Bedeu­tung des Schlange­bildens wird unter die Lupe genom­men: Englän­der stellen sich über­all an und hal­ten die Rei­hen­folge peni­bel ein. Selb­st wenn sie ganz alleine sind.

Alle “Regeln” arbeit­et Fox durch Beobach­tun­gen, Inter­views und auch kleine Exper­i­mente her­aus – sie bricht sie und analysiert die Reak­tio­nen darauf. Diese Regeln fügen sich nach­her zu etwas zusam­men, das sie “the Gram­mar of Eng­lish­ness” nen­nt, ein Regel­w­erk, das von eini­gen weni­gen Prinzip­i­en bes­timmt wird und alle Ver­hal­tens­muster auf ein gemein­sames Grund­muster zurückführt.

Watch­ing the Eng­lish” gibt es – das The­ma legt es nahe – nur auf Englisch. Wer von Euch davon genug zum Bücher­lesen kann, dem sei es aller­wärm­stens ans Herz gelegt!

Hier noch eine der kleinen Regeln zum Reinschnuppern:

The Weath­er-as-fam­i­ly Rule

While we may spend much of our time moan­ing about our weath­er, for­eign­ers are not allowed to crit­i­cize it. In this respect, we treat the Eng­lish weath­er like a mem­ber of our fam­i­ly: one can com­plain about the behav­iour of one’s own chil­dren or par­ents, but any hint of cen­sure from an out­sider is unac­cept­able, and very bad manners.

Although we are aware of the rel­a­tive­ly undra­mat­ic nature of the Eng­lish weath­er – the lack of extreme tem­per­a­tures, mon­soons, tem­pests, tor­na­does and bliz­zards – we become extreme­ly touchy and defen­sive at any sug­ges­tion that our weath­er is there­fore infe­ri­or or unin­ter­est­ing. […] Indeed, the weath­er may be one of the few things about which the Eng­lish are still unself­con­scious­ly and unashamed­ly patriotic.

Aller guten Dinge sind 2: Alles Gute, liebes Schplock!

Von Kristin Kopf

Heute wird das Sch­plock zwei Jahre alt! Weil man einem Blog nichts schenken kann, schenkt das Sch­plock aus diesem freudi­gen Anlass Euch was! Ich ver­lose unter allen, die bis ein­schließlich Son­ntag einen Kom­men­tar oder ein Ping­back hin­ter­lassen, eines der Buchtipp-Büch­er. Zur Wahl stehen:

Aus gegeben­em Anlass geht es heute um die Zahl 2, und zwar auf zweier­lei Wegen:

Drei Formen der Zahl zwei und ihre Verstecke

Im Indoger­man­is­chen hieß ‘zwei’ *dwôu und hat­te bere­its dieselbe Bedeu­tung – ziem­lich unspan­nend eigentlich. Was aber inter­es­sant ist: zwei kon­nte früher flek­tieren, d.h. die Zahl richtete sich im Genus nach dem Gezählten. Wie Adjek­tive heute. Die For­men waren im Alt- und Mit­tel­hochdeutschen zwêne (maskulin), zwô, zwâ (fem­i­nin), zwei (neu­trum). Ein paar Beispiele?

  • di zwene mar­c­graven gere vnt ekke­wart ‘die zwei Mark­grafen Gere und Ekke­wart’ (Der Nibelunge Not I,9,3) – mar­c­grav ist maskulin → zwene
  • Under im in eyn­er kamern waren zwo jungfrauwen besloßen ‘unter ihm in ein­er Kam­mer waren zwei Jungfrauen eingeschlossen’ (Pros­alancelot 1281) – jungfrauw ist fem­i­nin → zwo
  • der worhte zwei mezzer, diu ez sniten ‘der schuf zwei Mess­er, die es schnit­ten’ (Wol­fram von Eschen­bach: Parzi­val 490,21) – mezzer ist neu­trum → zwei

Dieses Phänomen hat sich teil­weise dialek­tal erhal­ten, zum Beispiel in manchen schweiz­erdeutschen Dialek­ten. Munske (1983:1007) gibt die Beispiele

  • zwee Hünd ‘zwei Hunde’
  • zwoo Chüe ‘zwei Kühe’
  • zwäi Hüen­er ‘zwei Hühner’

Im Neuhochdeutschen gibt’s neben zwei auch noch die Vari­ante zwo, durch die man eine Ver­wech­slung mit drei ver­hin­dern will (“An Gleis zwo fährt jet­zt ein …”). Das ist die alte fem­i­nine Form.

zwei selb­st ist zwar ety­mol­o­gisch recht ein­fach, aber es steckt in ein­er ganzen Rei­he von Wörtern, in denen wir es heute nicht mehr unbe­d­ingt ver­muten würden:

  • als Zwi- in Zwieback (zweimal geback­en), Zwillich (zweifädi­ges Gewebe), Zwill­ing, Zwirn (urspr. zwei­drähtiger Faden), zwis­chen (urspr. zweifach, bei­de), Zwist, Zwitter
  • als Zwei- in Zweifel (von zweifältig, ges­pal­ten), Zweig (in zwei gegabelt)
  • und in Zuber (Gefäß mit zwei Henkeln).

Einzahl, Zweizahl, Mehrzahl

Im heuti­gen Deutschen haben wir zwei Numeri, den Sin­gu­lar (die Ein­zahl) und den Plur­al (die Mehrzahl). Danach flek­tieren wir Ver­ben (ich gehe vs. wir gehen), Sub­stan­tive (das Kind vs. die Kinder) und Adjek­tive (die kleine Katze, die kleinen Katzen).

Es gibt aber Sprachen, die nicht nur unter­schei­den, ob es um ein Ding/Wesen oder um mehrere geht, son­dern die es auch wichtig find­en, zu markieren, wenn es um exakt zwei geht. Diese Kat­e­gorie nen­nt man “Dual”. In ein­er Vorstufe des Deutschen muss es den Dual ein­stens gegeben haben: im Indoger­man­is­chen. Im Slowenis­chen hat er sich tapfer erhal­ten. Hier ein paar Beispiele (Quelle):

Der Dual beim Verb: Wenn von zwei Per­so­n­en die Rede ist, wird eine andere Verb­form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • gov­orim ‘ich spreche’ – 1. Per­son Singular
  • gov­ori­va ‘wir bei­de sprechen’ – 1. Per­son Dual
  • gov­o­rimo ‘wir (mind. 3 Leute) sprechen’ – 1. Per­son Plural

Der Dual beim Sub­stan­tiv: Wenn über zwei Dinge gesprochen wird, wird eine andere Form benutzt, als wenn es um min­destens drei geht.

  • knji­ga ‘Buch’ – Singular
  • knji­gi ‘zwei Büch­er’ – Dual
  • knjige ‘Büch­er (mind. 3)’ – Plural

Bei vie­len Sprachen find­et sich der Dual nur in einem Teil des Sys­tems, näm­lich bei den Per­son­al­pronomen. Es gibt also ver­schiedene Wörter für ‘ich’, ‘du’, ‘er’, ‘sie’, ‘wir bei­de’, ‘ihr bei­den’, ‘sie bei­de’, ‘wir’, ‘ihr’, ‘sie’.

So, und jet­zt schwinge ich mich wieder auf mein Zweirad und urlaube weiter.

[Buchtipp] Vernäht und zugeflixt!

Von Kristin Kopf

Ich hat­te gehofft, diese Woche noch etwas Span­nen­des schreiben zu kön­nen – geplant sind z.B. noch ein, zwei Beiträge zu Ver­wandtschaftssys­te­men. Da jet­zt aber meine Hausar­beit über sel­bige in den let­zten Zügen liegt und mor­gen fer­tig wer­den soll, gibt’s nur einen schnellen Buchtipp.

2009-03-27-vernahtBere­its let­ztes Jahr erschienen, ist “Ver­flixt und … Vernäht und zuge­flixt! Von Ver­sprech­ern, Flüchen, Dialek­ten & Co.” von Ilse Achilles und Ger­da Pigh­in zwar kein Geheimtipp mehr, aber emp­fohlen wer­den muss es den­noch noch – vor allem den­jeni­gen unter Euch, die nicht aus der Lin­guis­tikecke kommen.

Ziel des Pro­jek­tes war es, Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen und inter­essierte Laien zusam­men­zubrin­gen, ein pop­ulär­wis­senschaftlich­es Buch mit Anspruch über Sprache zu schreiben. In elf Kapiteln stellen die Autorin­nen ver­schiedene The­men vor, die die Sprach­wis­senschaft beschäfti­gen. Jedes Kapi­tel hat eine Art “Pat­en” aus der akademis­chen Welt – Sprach­wis­senschaft­lerin­nen und Sprach­wis­senschaftler liefer­ten die Infor­ma­tio­nen, die Autorin­nen machen sie angenehm les­bar. Es geht z.B. um Sprach­wan­del, Jugend­sprache, Dialek­te, Rechtschrei­bung, Sprachen­ler­nen, Bilin­gual­is­mus, Fremd­wörter, Flüche, Ver­sprech­er, Gebär­den­sprache und Computerlinguistik.

Sprache ist ja so ein The­ma, bei dem es unglaublich viele selb­ster­nan­nte Experten gibt – dass man aber auch pop­ulär­wis­senschaftlich schreiben kann, ohne in die üblichen Schimpfti­raden über die Ver­lot­terung der Sprache, Denglisch und die Rechtschreibre­form zu ver­fall­en, wird hier unter Beweis gestellt. Wer sich bish­er noch nicht mit Sprach­wis­senschaft beschäftigt hat, wird in diesem Büch­lein einen wun­der­baren Ein­stieg find­en und ent­deck­en, dass man über Sprache auch ganz, ganz anders denken und urteilen kann, als das nor­maler­weise geschieht.

Hät­tet Ihr übri­gens errat­en, dass die Autorin­nen für Frauen­zeitschriften schreiben oder geschrieben haben?

Wir haben umler­nen müssen,” sagt Stein­bach, ein hochgewach­sen­er Mann, mit kräftigem Haar und angenehmem Lachen.

Nie im Leben, ne?

Von der sluntrœr und der äffinn

Von Kristin Kopf

Heute will ich ein ganz altes Buch vorstellen: Das Buch der Natur. Kon­rad von Megen­berg beant­wortet alle Fra­gen, die die Men­schen im Mit­te­lal­ter quäl­ten, häu­fig mith­il­fe zuver­läs­siger Autoritäten wie Plin­ius oder Aris­tote­les. Darunter zum Beispiel:

Wie sieht es bei Tieren mit der Ver­mehrung aus?

  • diu kränchinn stêt, wenne si der kranch vogelt.
  • diu äffinn hât ain ding sam ain weip und der aff ainz sam ain hunt.
  • die störch tœtent iriu weip, diu êbrecherinn sint und sich niht gereinget habent in den wazzern nâch irr pôshait.

Warum bekommt man graue Haare?

daz hâr grâwet von der kel­ten des hirns, wenne diu nâtür­le­ich hitz sô krank wirt, daz si des hirns kel­ten nicht mag gesen­fti­gen, ez sei von alter oder von sor­gen oder von unfuor.

Und warum wer­den Män­ner kahl, Frauen aber nicht?

dar umb auch wer­dent die haizen man kal wenne si unkäusch pfle­gent, aber die frawen kalwent niht, dâ von daz si kel­terr nâtûr sint wan die man.

Wozu braucht man Augenbrauen?

Die augen­prâwe sint den augen nôt­dürftig, dar umb, wenn daz tier slâf, daz kain auzwendigz dinch in daz aug valle.

Was ist ein Echo?

Die stimm sint zwaier­lai: aineu ist hin­laufend, diu ander her­wider­laufend. diu hin­laufend ist die von dem ges­timten tier gêt hin­dan; diu wider­laufend die haizet ze latein echo, und geschi­ht wenn der ges­timt luft sich wider­stôzt an pau­men oder an häusern, die in ainem tal der­hœht sint und sô gele­gen sint, daz si den ges­timten luft ze samen hal­tent, daz er under der stimm form beleiben muoz.

Wozu ist eine Speis­eröhre gut?

Diu slun­trœr haizt ze latein ysoph­a­gus oder mery und ligt hin­den gegen dem hals. die rœrn haizt Aris­totiles des magen munt, dar umb, daz si rüert unz an der zun­gen ursprunch und nimt daz ezzen und daz trinken und tregt ez in den magen, daz ez diu nâtûr kocht und beraitt, daz ez nütz allen gelidern. 

Und wie war das mit der aus­gle­ichen­den Gerechtigkeit?

ez gêt auch daz kindel in die werlt des êrsten mit dem haupt. aber ez gêt wider auz der werlt des êrsten mit den füezen, wan man kêrt im die füez für, sô man ez ze grab tregt.

Das Buch ist ein wahrer Schatz, und ich habe den Ein­druck, dass man auch ein bißchen was davon ver­ste­hen kann, wenn man keine Ahnung von Mit­tel­hochdeutsch hat. 

Ein paar Hin­weise zur Schreibung:

  • <p> ist oft das heutige <b> — pôshait ‘Bosheit’, prâwe ‘Braue’, pau­men ‘Bäu­men’
  • <z> kann für heutiges <s> ste­hen — daz ‘dass’, muoz ‘muss’, füezen ‘Füßen’, ezzen ‘essen’
  • <e> kann für unser heutiges <ä> ste­hen — tregt ‘trägt’
  • <v> ste­ht oft für heutiges <f> - valle ‘falle’
  • Der Zirkum­flex zeigt an, dass ein Vokal lang ist.

Oh, und noch ein Dis­claimer, nicht dass ich mich Ver­stor­be­nen gegenüber poli­tisch inko­r­rekt ver­halte: Ich weiß, dass Kon­rad das nicht komisch gemeint hat und ern­stzunehmendes Wis­sen zusam­menge­tra­gen hat. Die ver­flosse­nen Jahrhun­derte haben allerd­ings einen gewis­sen Lustigkeits­fak­tor ins Spiel gebracht.

Bücher für umsonst! (quasi)

Von Kristin Kopf

Hier kön­nen Studierende (meist sprach­wis­senschaftliche) Büch­er aus den Rei­hen narr stu­di­en­büch­er und bach­e­lor-wis­sen zum Testle­sen bestellen. Als Gegen­leis­tung füllt man ein ein­seit­iges For­mu­lar zum entsprechen­den Buch aus, und das war’s. (Wenn man das nicht macht, muss man doch noch bezahlen …)
Ich habe es aus­pro­biert, klappt alles ein­wand­frei, jet­zt besitze ich eine Ein­führung in die rus­sis­che Sprachwissenschaft.
Wer also schon immer mal DAS SCHWARZE BUCH haben wollte … los, los, los!

Update April 2009: Noch ein kurz­er Hin­weis darauf, dass das, was man in das For­mu­lar schreibt, vom Narr-Ver­lag auf sein­er Home­page dazu ver­wen­det wer­den kann, das entsprechende Buch zu bewer­ben. Mit vollem Namen und Studienort.