Schlagwort-Archive: Althochdeutsch

Der Weltkopf 2010

Von Kristin Kopf

Als ich anf­ing Englisch zu ler­nen, fand ich es selt­sam, einen Pokal cup zu nen­nen, wo das doch ‘Tasse’ heißt. Mir war schon klar, dass ein Wort in ein­er Fremd­sprache Zusatzbe­deu­tun­gen haben kann, die es im Deutschen nicht hat, aber das schien mir doch weit herge­holt. World Cup, die Welttasse?

Mit­tler­weile weiß ich natür­lich, dass cup Gefäße ganz ver­schieden­er Art beze­ich­nen kann, neben Tassen, Bech­ern, Kelchen, Näpfen und Schalen eben auch Pokale und per (metonymis­ch­er) Über­tra­gung auch gle­ich das ganze Ereig­nis, bei dem der Pokal errun­gen und über­re­icht wird.

Was ich aber noch nicht so lange weiß: Dass das Wort cup einen Ver­wandten im Deutschen hat – den Kopf. Und das kommt so … Weit­er­lesen

Einhällig und aufwendig

Von Kristin Kopf

Ich habe eben einen (übri­gens aus­geze­ich­neten!) Blog­beitrag von Ana­tol Ste­fanow­itsch zum iPad gele­sen und darin fol­gende Schrei­bung entdeckt:

Schon damals habe ich mich darüber gewun­dert, dass die Presse hier so ein­häl­lig einen Humor pflegt (oder auf­greift), der auf der krampfhaften Suche nach anstößi­gen Dop­peldeutigkeit­en beruht und der mir seit der sech­sten Klasse nicht mehr begeg­net ist.

Ein großar­tiger Satz, ganz neben­bei. Mir geht’s aber um das <ä> in ein­häl­lig. Das ist zwar ein Rechtschreibfehler, aber er deutet auf etwas span­nen­des hin: eine gelehrte Volk­se­t­y­molo­gie, denn hier wurde ein­hel­lig wahrschein­lich an hallen angeschlossen und entsprechend mit <ä> geschrieben.

In Wirk­lichkeit stammt’s vom althochdeutschen Verb hel­lan ‘tönen’. Das ist heute aus­gestor­ben, an sein­er Stelle hat sich hallen durchge­set­zt, das seit dem 15. Jahrhun­dert belegt ist und vom mit­tel­hochdeutschen Sub­stan­tiv hal ‘Hall’ abgeleit­et wurde (welch­es wiederum doch auf hel­lan zurück­ge­ht, aber den Schlenker ers­pare ich euch lieber).

ä‑tymologische Schreibung

Dass man Wörter an ver­wandte Wörter mit <a> anschließt und entsprechend <ä> statt <e> schreibt, ist eine beliebte Prax­is. Ihr erin­nert euch vielle­icht dran, wie’s bei der Rechtschreibre­form hieß, dass man jet­zt <aufwändig> mit <ä> schreibt, weil es von <Aufwand> kommt und <Stängel> wegen <Stange>. Das Prinzip, das man damit ver­fol­gt, heißt “Mor­phemkon­stanz” – zusam­menge­hörige Wörter sollen auch durch die Schrei­bung als solche markiert werden.

Das ist ganz deut­lich bei den Umlaut­plu­ralen, wo man niemals <Hand> – <Hende> schreiben würde (aber dur­chaus mal getan hat), oder bei den Weit­er­lesen

Frohe linguistische Weihnachten!

Von Kristin Kopf

Die Bescherung ist vorbei:

Heute Abend will ich noch schnell eine Frage klären, und zwar warum es Wei­h­nachten heißt. Das ist eine alte Plu­ral­form, aber der Plur­al müsste ja eigentlich *Wei­h­nächte laut­en.

Das Wort Nacht war ursprünglich (im Althochdeutschen) ein soge­nan­ntes “Wurzel­nomen” und hat­te über­haupt keine Plu­ral­en­dung. Es hieß also in Ein- und Mehrzahl diu naht. Das war natür­lich äußerst unprak­tisch, weil man wed­er am Sub­stan­tiv selb­st, noch an umgeben­den Adjek­tiv­en o.ä. erken­nen kon­nte, um welchen Numerus es sich handelte.

Im Mit­tel­hochdeutschen guck­te das Wort sich daher ein anderes Ver­fahren bei ein­er anderen Gruppe von Sub­stan­tiv­en ab: Die Kom­bi­na­tion von Umlaut und -e, die z.B. bei MachtMächte existierte. Viel prak­tis­ch­er. NachtNächte.

Das war aber nicht das einzige Vor­bild: In eini­gen Gegen­den schaute sich Nacht bei Wörtern wie Gaben die Endung -en ab. Die gab es damals aber noch nicht im kom­plet­ten Plur­al, son­dern nur im Gen­i­tiv und Dativ: Später verän­derte sich diese Gruppe weit­er, sodass es zur Endung -en im ganzen Plur­al kam, aber da war die Nacht schon nicht mehr mit von der Par­tie, sie hat­te sich in Nächte verwandelt.

Jet­zt stellt sich nur noch die Frage, warum es Wei­h­nacht­en heißt, wenn das -en doch nur im Gen­i­tiv und Dativ auf­tauchte. Die Antwort? Wei­h­nacht­en war ein­mal eine Kon­struk­tion, und zwar ze den wîhen nacht­en ‘zu/an den geweihten/heiligen Nächt­en’. Man feierte nicht nur eine Nacht lang! Die Prä­po­si­tion ze forderte, wie zu heute, den Dativ, und der besaß die Endung.

Diese Kon­struk­tion wurde so inten­siv gebraucht, dass die Wörter wîhen nacht­en zusam­men­wuch­sen und Wei­h­nacht­en bilde­ten (das nen­nt man “Uni­ver­bierung”). Dabei bewahrten sie den alten Dativ Plural.

Lämmer, Kälber, Hühner: Der Plural auf ‑er

Von Kristin Kopf

Ich ver­spreche, dass es hier auch mal wieder The­men geben wird, bei denen es nicht um Sub­stan­tivflex­ion geht. Wirk­lich! Aber heute will ich Euch erzählen, woher unsere Plu­ral­en­dung -er kommt – die hat­te näm­lich mal eine ganz andere Funktion.

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Ich tränke, du trinkst – ich fälle, du fällst …

Von Kristin Kopf

Heute will ich was über Ver­ben erzählen. Und zwar über eine ganz bes­timmte Art von Ver­ben: Kausati­va. Kausati­va (von lat. causa ‘Ursache, Grund’)  sind Ver­ben, die aus­drück­en, dass man jeman­den (oder etwas)  zu etwas bringt:

fällen Weit­er­lesen

Es war einmal … das Mittelhochdeutsche

Von Kristin Kopf

Nach dem Althochdeutschen will ich mir heute das Mit­tel­hochdeutsche vorknöpfen.
2009-09-28-Mhd Die mit­tel­hochdeutsche Sprach­pe­ri­ode set­zt man von 1050 bis 1350 an – das ist die Zeit des Nibelun­gen­lieds (das man übri­gens mit einem kurzen i ausspricht) und Walthers von der Vogel­wei­de (bei dem der Gen­i­tiv zum Ruf­na­men gehört).

Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch – wo ist der Unterschied?

Es gibt natür­lich eine ganze Rei­he von Unter­schieden, aber mit am auf­fäl­lig­sten ist wohl die soge­nan­nte “Neben­sil­ben­ab­schwächung”. Während im Althochdeutschen noch fast jed­er Vokal an fast jed­er Stelle im Wort vorkom­men kon­nte, konzen­tri­ert das Mit­tel­hochdeutsche klan­gliche Vielfalt auf eine einzige Silbe pro Wort: Weit­er­lesen

[Surftipp] Etymologie entdecken

Von Kristin Kopf

Ich habe einen tollen Onlinekurs in Ety­molo­gie ent­deckt – wer sich für die Herkun­ft von Wörtern inter­essiert, sollte ganz schnell hingehen:

2009-09-26-etym2

Alle Infor­ma­tio­nen sind in kleine, leicht ver­ständliche Ein­heit­en gegliedert. Es geht nicht nur um Einzel­wort­geschichte, son­dern um über­greifende Konzepte wie Bedeu­tungswan­del und auch um den Ein­fluss von Laut­wan­del. Wenn man Lust hat, kann man das Gel­ernte am Ende in einem kleinen Quiz testen. Super gemacht und präsentiert!

Es war einmal … das Althochdeutsche

Von Kristin Kopf

Ich werfe hier ja ständig mit Sprach­pe­ri­o­den­beze­ich­nun­gen wie Althochdeutsch, Indoger­man­isch oder Früh­neuhochdeutsch um mich. Wahrschein­lich kön­nen sich die meis­ten von Euch vorstellen, dass Althochdeutsch sehr alt ist, aber in welche Jahrhun­derte es konkret fällt, ist wohl kein Allgemeinwissen.

Diese Es-war-ein­mal-Rei­he will Abhil­fe schaf­fen: Ich ordne eine der Vorstufen des Deutschen zeitlich ein und erzäh­le ein bißchen was drüber. Los geht’s mit dem Althochdeutschen, weil das die älteste Form des Deutschen ist.

2009-09-24-AhdDas Althochdeutsche wird für die Zeit zwis­chen 500 und 1050 nach Chris­tus ange­set­zt, also für rund 550 Jahre. Das ist eine Menge Zeit, man kann sich also schon denken, dass man da nur schw­er von ein­er ein­heitlichen Sprache aus­ge­hen kann.

500/750? Hä?

Der Beginn des Althochdeutschen wird oft mit einem lusti­gen Schrägstrich angegeben. Das heißt nicht, dass man ihn sich aus­suchen kann – für bei­de Zahlen gibt es gute Gründe:

[Ich benutze jet­zt erst­mals diese Abschnitts­funk­tion um mehr als nur Fußnoten zu ver­steck­en. Für den Haupt­teil des Artikels also hier klicken:]

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Will sell ebber?

Von Kristin Kopf

Num­mer 2 in der Rei­he “Badis­che Wörter selt­samen Ursprungs”: ebber ‘jemand’.

[Nach­trag: Eben habe ich ein Ver­wen­dungs­beispiel in meinen Auf­nah­men gefun­den – es geht um erhal­tene Bur­gen im Mittelrheintal:

ja, äh, wuh­nd doo na no ebber drin? (ja, äh, wohnt da denn noch jemand drin?)

]

Mal wieder kein erkennbar­er Bezug zum hochdeutschen Wort – aber dafür ähnelt es einem anderen Dialek­t­wort auf­fäl­lig: ebbis ‘etwas’, unbe­tont auch oft ebbs. Bei­de Wörter sind soge­nan­nte “Indefinit­pronomen”, also Pronomen, die nicht näher Bes­timmtes bezeichnen.

2009-09-14-ebbis

Das dialek­tale ebbis ist his­torisch mit dem hochdeutschen etwas verwandt.

Das Grimm­sche Wörter­buch gibt althochdeutsch ëddeshuaʒ und mit­tel­hochdeutsch ët(e)swaʒ an, das schließlich zu unserem heuti­gen etwas wurde. Es ken­nt aber auch die For­men eppas, eppes, die es als von der “Volkssprache” assim­i­liert bezeichnet.

Das deutet darauf hin, dass das Wort nicht nur im Badis­chen auf­taucht – und siehe da: In zahlre­ichen Dialek­twörter­büch­ern find­et es sich, z.B. im Pfälzis­chen (ębəs, ębis, abəs), Rheinis­chen (ębəs, mit der weit­eren Bedeu­tung ‘sehr’), Elsäs­sis­chen (eppis) und Lothringis­chen (èpəs, èbs, èbəs). Im Lothringis­chen Wörter­buch ste­ht als Anmerkung dabei: Kommt in fast allen ober- und mit­teldeutschen Maa. [=Mundarten] vor”. Ost­mit­teldeutsche Wörter­büch­er gibt’s lei­der nicht online, Hin­weise dazu wer­den dankbarst aufgenommen!

2009-09-14-ebber

Jet­zt aber zu ebber! Das Wort ähnelt ebbis nicht umson­st, es geht näm­lich auf eine ähn­liche Grund­lage zurück:

  1. mhd. ëtes-was
  2. mhd. ëtes-wër

Im Mit­tel­hochdeutschen (und auch schon früher) wur­den die Indefinit­pronomen also regelmäßig gebildet, und zwar aus etes und dem entsprechen­den Frage­pronomen (was für Dinge, wer für Men­schen).

Außer­dem kon­nte etes auch vor -lîch (etlich), -(‘irgend­wo’), -war (‘irgend­wohin’), -wenne (‘manch­mal’) und -wie (‘irgend­wie’) ste­hen, immer mit der unbes­timmten Bedeu­tung. Lei­der bin ich grade fern von meinem ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch, aber wenn wir wieder glück­lich vere­int sind, werde ich mal nach­schauen, ob für etes zu ein­er früheren Zeit eine konkretere Bedeu­tung belegt ist.

ebber ist also eine Vari­ante von etwer, das es im Neuhochdeutschen nicht mehr gibt. Statt dessen ver­wen­den wir jemand oder irgendw­er.

Wie ebbis ist auch ebber weit­er ver­bre­it­et: Im Pfälzis­chen (ębər, ębɒr), Elsäs­sis­chen (epper) und Lothringis­chen (èbər). Das Elsäs­sis­che ken­nt darüber hin­aus auch noch eppe ‘etwa’ und eppen(e) ‘irgend­wann, von Zeit zu Zeit’ (wahrschein­lich aus mhd. eteswenne).

Von tw zu bb

Wie kon­nte aber et-w… zu eb… wer­den? Die Grimms sprechen von ein­er Assim­i­la­tion, aber hier wird ja nicht t zu w oder w zu t, son­dern es verän­dern sich gle­ich bei­de Laute. Das ist eine soge­nan­nte “reziproke Assim­i­la­tion”, bei der sich die bei­den Laute gegen­seit­ig bee­in­flussen. Das neue [b] bein­hal­tet also Merk­male der bei­den vorheri­gen Laute (grün = Stimmhaftigkeit, blau = Artiku­la­tion­sort, orange = Artiku­la­tion­sart):

  • <t> ist ein stimm­los­er alve­o­lar­er Plo­siv [t]
  • <w>
    • war früher mal ein labi­al­isiert­er stimmhafter velar­er Approx­i­mant (=Hal­b­vokal) [w] – wie heute noch im Englischen –
    • und ist jet­zt ein stimmhafter labio­den­taler Frika­tiv [v]
  • <b> ist ein stimmhafter bil­abi­aler Plo­siv

Nun ist es etwas schwierig zu sagen, was genau wann passiert ist. Ist ebber ent­standen, als wir noch ein [w] hat­ten, oder erst, als es schon ein [v] war? Ich tippe auf ersteres. Dann hätte das [t] seinen Artiku­la­tion­sort ver­lagert, um dem [w] ent­ge­gen­zukom­men. Das [w] ist velar, das heißt der Zun­gen­rück­en ist bei der Bil­dung hin­ten am Gau­men, aber wichtiger ist hier, dass es labi­al­isiert ist. Das bedeutet, dass man bei der Bil­dung bei­de Lip­pen benutzt. Wenn man zur Bil­dung eines Plo­sivs, was das [t] ja ist, die Lip­pen ein­set­zt, dann wird er bil­abi­al und somit ein [b] oder [p]. Wir hät­ten also den Zwis­chen­schritt *ebwas.

In einem zweit­en Schritt hätte dann das [b] auf das [w] eingewirkt und es in sein­er Artiku­la­tion­sart verän­dert: Vom Hal­b­vokal zum Plo­siv. Et voilà, ebbas.1 Übri­gens: Heute schreibt man zwar noch <bb>, aber in Wirk­lichkeit ist es längst auf einen b-Laut zusam­mengeschrumpft. (Den Vor­gang nen­nt man “Degem­i­na­tion”.)

Das [a] wurde später oft abgeschwächt, sodass man dialek­tal meist ebbes hat. Woher das ale­man­nis­che [i] stammt, kann ich lei­der nicht schlüs­sig erk­lären. Das Ale­man­nis­che ist aber sehr i-phil, vielle­icht wurde die abgeschwächte Endung ein­fach als ehe­ma­liges [i] analysiert und dann wieder ver­stärkt. Das ist jet­zt aber reine Spekulation!

Einen ganz ähn­lichen Vor­gang kann man übri­gens zum Lateinis­chen hin beobacht­en: aus indoger­man­is­chem *dw wurde im Lateinis­chen b (z.B. *dwis ‘zweimal’ > bis). Im Deutschen hinge­gen haben wir das ursprüngliche *dw beibehal­ten, es wurde lediglich durch andere Laut­wan­del­prozesse verän­dert (indogerm. *dw > germ. tw (1. Lautver­schiebung) > ahd. zw (2. Lautverschiebung)).

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Auf Feldforschung im Ur… ähm, Schwarzwald

Von Kristin Kopf

Das Sch­plock lei­det ger­ade unter meinem ver­stärk­ten Ein­satz für die Mag­is­ter­ar­beit – ich bin für ein paar Tage im Schwarzwald und mache Dialek­tauf­nah­men. Da ich nicht wirk­lich Zeit habe, an andere Dinge zu denken, erzäh­le ich ein­fach mal ein bißchen darüber.

LaptopUndAufnahmegerät

Das Ziel

Ich unter­suche ja die Plu­ral­bil­dung im Ale­man­nis­chen (bzw. in einem ale­man­nis­chen Dialekt). Dazu will ich für alle hochdeutschen Möglichkeit­en min­destens zwei Beispiele haben – also zwei Fem­i­ni­na auf Umlaut+e (z.B. Städteund Nächte), zwei Fem­i­ni­na auf -s (z.B. Kam­eras und Unis), zwei Neu­tra auf -er (z.B. Häuser und Kinder) und so weiter …

Außer­dem will ich auch noch min­destens zwei Beispiele für alle althochdeutschen Möglichkeit­en haben, und dann noch eine Menge Wörter, bei denen ich den leisen Ver­dacht habe, dass sie im Ale­man­nis­chen ganz anders gehen als im Hochdeutschen oder Althochdeutschen.

Ins­ge­samt hat das zu ein­er Auswahl von ca. 250 Wörtern geführt, die ich aus meinen Infor­man­tInnen her­aus­lock­en will. Diese Wörter brauche ich a) in der Ein­zahl, b) in der Mehrzahl und c) mit ihrem Genus (männlich, weib­lich oder sächlich).

Die Ein­zahl brauche ich, um bes­tim­men zu kön­nen, was genau die Mehrzahlen­dung ist. So habe ich z.B. das Wort t’Zeg­ger ‘die Zeck­en’ bekom­men. Ohne die Ein­zahl kön­nte ich denken, dass das Wort aus Zegg+er beste­ht, also in eine Klasse mit Geis­chd+er, Kind+er, … gehört. Wenn ich aber weiß, dass es in der Ein­zahl auch Zeg­ger heißt, kann ich es kor­rekt in eine Klasse mit Schäfer, Fis­ch­er, … einord­nen, die auch in der Ein­zahl schon auf -er enden, also einen soge­nan­nten Nullplur­al haben (d.h. das Wort verän­dert sich in der Mehrzahl nicht).

Die Methode

Ich arbeite haupt­säch­lich mit Bildern. Am Anfang habe ich sie noch aus­ge­druckt, aber das war sehr papier­in­ten­siv und die Fotos waren sehr klein. Jet­zt samm­le ich sie alle in ein­er Bild­schirm­präsen­ta­tion und zeige sie meinen Infor­man­tInnen am Laptop:

2009-09-11-Präsentation

Der Rei­he nach die Bilder für: Wiesen, Bäche, Brück­en, Gebirge, Land­schaft, Gänse, Schafe, Ziegen, Käl­ber, Hasen, Uhus, Schlangen, Bären, Läm­mer, Zeck­en, Zecke, Wespen, Bienen, Hor­nissen, Hähne, Raben, Spatzen, Rinder, Felle, Tiroler

Ich ver­suche für jedes Wort zwei Bilder zu find­en: eines mit mehreren der gesucht­en Dinge und eines mit nur einem. Die bei­den fol­gen i.d.R. nicht direkt aufeinan­der, son­dern sind weit voneinan­der ent­fer­nt, meis­tens sog­ar in ein­er anderen Sitzung.

Damit ich auch wirk­lich eine Plu­ral­form als Antwort bekomme, stelle ich bei den Bildern mit mehreren Objek­ten die Frage Was sin des? ‘Was sind das?’. Es klappt nicht immer, aber doch ganz schön oft.

Wörter, die sich nicht abbilden lassen, ver­suche ich mit Fra­gen zu erheben, z.B.:

  • Masern und Wind­pock­en sind …? (Krankheit­en)
  • Was waren Deutsch­land und Frankre­ich im Krieg? (Feinde)
  • Wenn man zur Beichte geht, was wird einem dann vergeben? (Sün­den)

An manchen Wörtern scheit­ere ich aber auch. Z.B. Bre­it­en oder Tiefen habe ich bish­er noch aus nie­man­dem her­aus­lock­en kön­nen – zu abstrakt, zu sel­ten in der Mehrzahl gebraucht.

Die Technik

2009-09-11-ZoomIch nehme die kom­plet­ten Gespräche mit einem Auf­nah­megerät auf. Das habe ich mir vom Mainz­er Ger­man­is­tikin­sti­tut aus­geliehen und es ist wirk­lich enorm prak­tisch. Alle Auf­nah­men wer­den als mp3s gespe­ichert und ich kann sie anschließend von ein­er SD-Karte auf meinen Rech­n­er kopieren.

Die Analyse

Wenn ich die Auf­nah­men habe, höre ich sie mir noch ein­mal ganz genau an. Dabei erfasse ich jedes Sub­stan­tiv auf ein­er elek­tro­n­is­chen Karteikarte – u.a. mit dialek­taler Plu­ral­en­dung, Genus, genauer Posi­tion auf den Auf­nah­men und neu- und althochdeutschen Klassen. Das dauert ewig. Drei Stun­den Auf­nah­men kön­nen gut und gerne in zwei Wochen Analy­sear­beit mün­den. Und wenn ich das alles beisam­men habe, muss ich natür­lich noch ein­mal analysieren: Dann muss ich schauen, welche Wörter sich im Dialekt anders ver­hal­ten als im Hochdeutschen, ob sie etwas gemein­sam haben, wie der Unter­schied ent­standen sein kön­nte, … und zuguter­let­zt muss ich das auch noch alles auf­schreiben. Was ein Stress! Und was ein Spaß!