Schlagwort-Archive: Affixe

Fremdwörter gesucht!

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert sich hier jemand noch an meine Mag­is­ter­ar­beit? Da ging es let­ztlich um Plu­ral­bil­dung im Ale­man­nis­chen, hat eine Menge Spaß gemacht, aber auch eine Menge Fra­gen aufge­wor­fen, denen ich damals nicht nachge­hen kon­nte. Eine davon ist die, wie dialek­tal mit Fremd­wörtern umge­gan­gen wird.

Nun dachte ich mir let­ztes Jahr im Herb­st, es wäre ganz schön, das mal noch sys­tem­a­tisch anzuschauen, und entsprechend habe ich ein Abstract für eine Kon­ferenz ein­gere­icht, die nun schon bald ist. Es ist also höch­ste Zeit, Dat­en sam­meln zu gehen! Dazu fahre ich dem­nächst in den Schwarzwald. Ich habe schon alle nöti­gen Imp­fun­gen, aber was ich noch nicht habe, sind alle nöti­gen Items. Also die Wörter, deren Plu­ral­bil­dungsver­fahren ich unter­suchen will. Und da kommt ihr ins Spiel: Vielle­icht fall­en euch ja Wörter ein, auf die ich noch nicht gekom­men bin? Weit­er­lesen

Zur Erlustigung was über frühneuhochdeutsche Grammatikschreibung

Von Kristin Kopf

(Hin­weis: Die orangen Pas­sagen wur­den nachträglich geändert/hinzugefügt.)

Hach, wie schön es sich über Sprache schwär­men lässt … hier aus Der Hóchdeutsche Schlüszel zur Schreib­richtigkeit oder Rechtschrei­bung (Samuel Butschky, Leipzig 1648), weit­ge­hend wortwörtlich von Her­rn Schot­telius geklaut:

Sehr wohl ver­gle­icht Herr
Schot­tel / unsere Hóchdeutsche
Haupt= und Helden­spráche / einem
ansehlichen/fruchtbringendenBau=
me / welch­er seine saftre­iche Wur=
tzeln/ tief in den Erd­bó­den / und da=
rinn weit aus­gestrekt / also / daß er
die Feuchtigkeit / und das Mark der
Erden / ver­mit­tels sein­er äderlein/
an sich zeucht ; seineWurtzeln/durch
ein fruchtre­ich­es saftiges Naß /
zeucht ‘zieht’
durchhärtet/tauer­hafft macht / und
sich selb­st in die Natur einpfropffet:
Denn die Wurtzeln / und saftige
Stamwörter / unser­er Spráche /
haben den Kern/und das Mark/aus
der Ver­nun­ft geso­gen / und sich auf
die Haupt­gründe der Natur ge=
stam­met: ihren Stamm aber lassen
sie hóch empor ragen ; ihre Zweige/
tauer­hafft ‘dauer­haft’
und Reiser­lein / in unaussäglicher
Menge/ in steter Gewißheit / wun=
der­samer man­nig­faltigkeit / und an=
sehlich­er Pracht her­aus wachsen /
also/daß die Erlus­ti­gung an diesem
Wun­der­stükke / könne stets völlig/
Reiser­lein ‘Ästchen’
und die Genüßung dero süssesten
Früchte / unendlich seyn.
Genüßung ‘Genuss’

Viel Blabla? Die ganze Baum­meta­pher klingt zwar sehr abge­dreht, aber wenn man genau hin­li­est und nach­schaut, wovon im Text drumherum die Rede ist, wird klar, dass Wurzeln, Stamm, Äste und Reis­er den Kom­plex­itäts­grad von Wörtern beze­ich­nen. Weit­er­lesen

Fremde Wörter, fremde Schrift

Von Kristin Kopf

Beim Stöbern in alten Druck­en stößt man immer mal wieder auf inter­es­sante Dinge. Recht bekan­nt ist ja die funk­tionale Schriftartenteilung:

Während gebroch­ene Schriften für den deutschen Text einge­set­zt wur­den, wur­den in vie­len Druck­en Anti­quaschriften (unsere heutiger Nor­mal­fall) für Fremd­wörter benutzt. Ein willkür­lich gewähltes Beispiel:

… im Col­lo­quio zu Leipzig … (1559)

Schon span­nen­der wird es, wenn man sich anschaut, wo die Gren­zen der Fremd­wort­markierung ver­laufen: Was der eine Druck­er klar erken­nt, ist für den anderen nicht weit­er bemerkenswert. So ste­hen hier zwei Fremd­wörter nebeneinan­der, von denen nur das erste (Inter­ims) als solch­es markiert wurde, während pub­li­ca­tion (oder auch in der Zeile drüber Adi­apho­ris) unmarkiert bleibt:

… erst nach des Inter­ims pub­li­ca­tion vorgenom­men wor­den … (1559)

In diesem Text hinge­gen wurde sat­is­fac­tion ‘Befriedi­gung’, das dem sel­ben lateinis­chen Muster fol­gt, klar hervorgehoben:

… als in welchem Buche du völ­lige sat­is­fac­tion find­en würdest. (1712)

Inter­es­sant auch, dass hier der flämis­che Name Ver­heyen eben­falls als fremd markiert wird. (Sein Buch, von dem im Tex­tauss­chnitt die Rede ist, ist in der deutschen Über­set­zung hier zu find­en, der Herr ist dieser.)

Am besten sind aber die haarspal­ter­ischen Druck­er. Das sind die, die bemerk­ten, dass an einem Fremd­wort ja nicht alles fremd ist: Weit­er­lesen

Vokalharmonisches Türkisch

Von Kristin Kopf

Ich habe Anfang des Jahres zum ersten Mal seit ewig eine Zwiebelfis­chkolumne gele­sen. Und erstaunlicher­weise am Ende nicht angewidert weggek­lickt, son­dern eher neu­tral. Ne Kolumne halt. Es geht um Sprache und Sprach­spiele und er ver­sucht nicht, sprach­wis­senschaftlich zu sein. Vielle­icht kann ich ihn vom Erzbösewicht zum nor­malen Bösewicht run­ter­stufen? Mal im Auge behalten.

Der Text han­delt von der ü-Affinität des Türkischen und davon, dass es im Deutschen ja auch eine Menge ü’s gibt. Aber Äpfel und Bir­nen. Dass bei­de Sprachen den Laut ü besitzen, ist eine ziem­lich lasche Gemein­samkeit. Das ü ist zwar ein nicht sooo häu­figer Laut, find­et sich aber doch in ein­er ganzen Rei­he von uns umgeben­den Sprachen, so im Franzö­sis­chen (culture ‘Kul­tur’), im Schwedis­chen (tysk ‘deutsch’), im Nieder­ländis­chen (huren ‘mieten’) und im Ungarischen (kön­nyű ‘ein­fach’). Die weltweite Ver­bre­itung in einem Sam­ple von 562 Sprachen kann man sich im WALS anschauen (und habe ich auch hier schon ein­mal behandelt):

Sprachen mit ü (rot, 6) und mit ü und ö (pink, 23)

Auf­fäl­liger ist (wie Sick auch bemerkt), dass bei­de Sprachen den Laut als <u> mit zwei Punk­ten drauf ver­schriften. Aber mir geht’s um die Verteilung dieser ü’s. Dass Deutsch und Türkisch den Laut haben und gle­ich schreiben, heißt näm­lich noch lange nicht, dass sie ihn auch gle­ich nutzen … Weit­er­lesen

[Anglizismus des Jahres] entfrienden/entfreunden?

Von Kristin Kopf

Heute beschäftige ich mich mit einem der Kan­di­dat­en, bei denen nicht das kom­plette Mate­r­i­al entlehnt wurde, näm­lich dem Dop­pelka­n­di­dat­en ent­frien­den/ent­fre­un­den. Hier haben wir es mit ein­er Ableitung zu tun. Ihre Bedeu­tung würde ich unge­fähr fassen als: ‘eine bei einem sozialen Netzwerk/Computerspiel/… beste­hende Verknüp­fung (“Fre­und­schaft”) wieder auflösen’.

Vor man entfrienden kann, muss man frienden!

Will man diese Bil­dung unter­suchen, dann muss man sich zunächst ein­mal anschauen, wie ihre Basis, also frien­den/fre­un­den, zus­tande kam, wie man sie in den fol­gen­den Beispie­len findet:

Noch mehr Leute hier, die ihre Eltern bei Face­book nicht gefrien­det haben? (Quelle)

Ich hab so viele Leute gefrien­det, wenn ich nicht mehrmals täglich die Frienslist lesen würde, käme ich gar nicht mehr hin­ter­her! (Quelle)

Ella Lin­gens Gym­na­si­um kann man nicht “frien­den” nur “liken”, oder? (Quelle)

Hab ein paar von euch gefre­un­det ‚hoffe das ist ok! (Quelle)

Auf­fäl­lig ist, dass hier meist das Par­tizip vorkommt, d.h. über die Hand­lung öfter in der Ver­gan­gen­heit gesprochen wird. Mir selb­st kommt der Infini­tiv schon fast ungram­ma­tisch vor. Weit­er­lesen

When you friend someone …

Von Kristin Kopf

Bevor ich mich im Rah­men der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres 2010 mit ent­fre­un­den/-frien­den im Deutschen beschäftige, will ich kurz den Hin­ter­grund im Englis­chen beleucht­en – zumin­d­est das davon, was ich einiger­maßen klären konnte.

Anfreunden auf Englisch

in the Facebook sense”

Das deutsche Verb frien­den kommt vom gle­ichbe­deu­ten­den englis­chen to friend. Als heutige Bedeu­tung würde ich anset­zen  ‘bei einem sozialen Netzwerk/Computerspiel/… eine Verknüp­fung (“Fre­und­schaft”) erstellen’. Ein bißchen anders sieht es die englis­che Wikipedia (eigen­er Ein­trag seit dem 1. Novem­ber 2010):

As a neol­o­gism, the term is a tran­si­tive verb mean­ing “to send a friend request on Facebook.”

Hier wird als Bedeu­tung also ‘jeman­dem auf Face­book eine Fre­und­schaft­san­frage schick­en’ angegeben. Das finde ich etwas zu eng, wird doch auch ander­swo, z.B. bei Live­Jour­nal oder MySpace, eine ganze Menge gefrien­det. Außer­dem stellt sich natür­lich die Frage, ob frien­den etwas ist, das man völ­lig eigen­ständig tun kann (also die Anfrage stellen), oder ob es nicht eher reziprok getan wer­den muss (der zukün­ftige “Fre­und” muss ja zus­tim­men). Wäre vielle­icht ganz span­nend, Beispiele daraufhin zu unter­suchen, ob im alltäglichen Gebrauch schon der Ver­such der Fre­und­schaft­sknüp­fung als to friend gew­ertet wird.

Face­book selb­st, das oft als Ursache für die Entste­hung angegeben wird, ver­wen­det das Wort übri­gens nicht, son­dern bedi­ent sich ein­er Umschreibung:

Face­book auf Englisch: “Add as Friend”

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Namenlandschaften 2: Kleine Räume

Von Kristin Kopf

Heute gibt es, wie ver­sprochen, Beispiele für Namen, die sehr klein­räu­mig ver­bre­it­et sind. Im ersten Teil zu Namen­land­schaften habe ich geschrieben:

Wenn ich in den Süden fahre, merke ich nicht nur am isch und kannsch und weisch, dass ich zuhause angekom­men bin, son­dern auch daran, dass die Leute plöt­zlich Him­mels­bach, Göp­pert und Ohne­mus heißen.

Vielle­icht hat ja jemand von euch die Namen schon kartiert und fest­gestellt, dass ich aus dem Orte­naukreis in Baden-Würt­tem­berg komme. Einen anderen Schluss lassen sie näm­lich wirk­lich nicht zu:

v.l.n.r.: Ohne­mus, Him­mels­bach, Göppert

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Häppscher und andere Kleinigkeiten

Von Kristin Kopf

Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind For­men, bei denen trotz Verkleinerung ein Plur­al gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:

Meenzer Häppscher

Süpp­sch­er als Meen­z­er Häppscher

Wo es im Stan­dard­deutschen das Häppchendie Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbil­dung also unverän­dert bleibt, sagt man auf Rhein­hes­sisch ’s Häppsche(n) die Häppscher.

Ob und wie der Plur­al bei Verkleinerungs­for­men (“Diminu­tiv­for­men”) markiert wer­den kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die For­men für Apfel­bäum­chen im Plur­al zeigt: Weit­er­lesen

uMzantsi Afrika: Sprachen in Südafrika

Von Kristin Kopf

Ja, ne, Kristin ver­sucht krampfhaft, der WM lin­guis­tis­che Aspek­te abzugewin­nen. Weniger von der Fußball­seite (zu der es natür­lich auch – teil­weise weniger glob­ale – Unter­suchun­gen gibt) als vom Aus­tra­gung­sort her: Welche Sprachen wer­den in Südafri­ka eigentlich gesprochen?

Oh Gott, viel zu viele für einen Sch­plock­beitrag! (Eth­no­logue zählt 31.) Ich beschränke mich mal auf die elf offiziellen:

Afrikaans, Nde­bele (auf der Karte isiN­de­bele), Nord-Sotho (Sesotho sa Leboa), Süd-Sotho (Sesotho), Swati (siSwati), Tsonga (Xit­songa), Tswana (Setswana), Ven­da (Tshiv­en­da), Xhosa (isiX­hosa), Zulu (isiZu­lu) und Englisch.

Alle außer Afrikaans & Englisch gehören zu den soge­nan­nten Ban­tus­prachen (von denen ich Xhosa schon ein­mal wegen sein­er Klick­laute erwäh­nt habe!).

Offizielle Sprachen Südafrikas in ihren dom­i­nan­ten Regio­nen — Quelle: Wikipedia (Htonl),

Wahrschein­lich ist den meis­ten von euch gle­ich aufge­fall­en, dass die Ban­tus­prachen zwei sehr ähn­liche Beze­ich­nun­gen haben – je eine davon besitzt einen Zusatz am Anfang: isiNde­bele, Sesotho sa Leboa, Sesotho, siSwati, Xitsonga, Setswana, Tshiven­da, isiXhosa, isiZulu.

Das ist kein Zufall, son­dern liegt in ein­er gemein­samen gram­ma­tis­chen Beson­der­heit begrün­det. Weit­er­lesen