Blogspektrogramm 33/2015

Von Kristin Kopf

Woher kom­men Spi­one? Was haben Fam­i­lie Sauerteig und Fam­i­lie Beck­er mit Lin­guis­tik zu tun? Welche amerikanis­chen Schimpfwörter tre­f­fen wo beson­ders? Was passiert eigentlich sprach­lich bei den Min­ions? Und wie schreibt man Zeitungsar­tikel, die pursten Unsinn über Frauen und Sprache verzapfen? Alle Antworten gibt’s in unserem heuti­gen Spektrogramm:

  • DR. BOPP stellt sich die Frage, woher eigentlich das Wort Spi­on stammt, und ent­deckt, dass bei sein­er Entste­hung wohl Worts­pi­onage im Spiel war: »Weil das Aus­pi­onieren und das Fan­gen oder eben Nicht­fan­gen von Spi­o­nen in Deutsch­land ger­ade wieder ein­mal aktuell ist, habe ich mich gefragt, woher das Wort Spi­on eigentlich kommt. Es ist ein Wort, das – gar nicht so unpassend – in sein­er Geschichte die Sprach­gren­zen mehr als ein­mal über­schrit­ten hat.«
  • Das KULTURRADIO hat diese Woche kurz in einem Inter­view das Dig­i­tale Fam­i­li­en­na­men­wörter­buch Deutsch­lands vorgestellt (run­ter­scrollen bis »Online-Lexikon sämtlich­er Fam­i­li­en­na­men in Deutsch­land«), das derzeit entste­ht. Wer schon ein­mal in den ersten Wörter­buchar­tikeln blät­tern will, wird hier fündig.
  • Wie (be)schimpft man in den USA? Twit­ter liefert wun­der­bare Dat­en dazu, wie der GUARDIAN beschreibt: »Call­ing some­one an “ass­hole” in Geor­gia or Alaba­ma might upset some peo­ple, but in these states, it’s appar­ent­ly fine to use “bitch”, “damn” or “shit” to express every­day frustration.«
  • Sprechen die Min­ions eigentlich eine Sprache? Car­o­line Zola ist dem für LEXICON VALLEY nachge­gan­gen: »[W]hile some peo­ple do cre­ate com­plex lin­guis­tic sys­tems for made-up char­ac­ters (Na’vi for Avatar, Dothra­ki for Game of Thrones, Klin­gon for Star Trek, and Elvish for Lord of the Rings), it’s tough to call Min­ionese a true lan­guage. It’s more a com­bi­na­tion of cute and vague­ly rec­og­niz­able sounds strung togeth­er and deliv­ered with such mean­ing­ful inflec­tion that they get the mes­sage across.«
  • Deb­o­rah Cameron von LANGUAGE: A FEMINIST GUIDE haben wir hier schon gele­gentlich ver­linkt — in let­zter Zeit plagt sie sich mit Artikeln herum, die Frauen »Ratschläge« dazu geben, wie sie sprechen sollen. Daraus hat sie nun die ulti­ma­tive Anleitung für Bull­shi­tar­tikel zum The­ma des­til­liert: »You can estab­lish that the thing is a real thing by using anec­da­ta and exploit­ing con­fir­ma­tion bias. ‘Have you noticed that thing women do?’ you might begin. If the thing is already a cliché, like uptalk, then you’ll imme­di­ate­ly have them nod­ding; if it’s not then they prob­a­bly won’t have noticed it, but many of them will think that’s only because they’re not as obser­vant or as keen­ly attuned to the zeit­geist as you are. Either way, you’re prim­ing them to accept your premise. Then you can fol­low up with a tedious anec­dote involv­ing some every­day sce­nario your read­er can relate to.«

Begattungsängste und homophobe Etymologie

Von Anatol Stefanowitsch

Argu­mente gegen die Öff­nung der Ehe für homo­sex­uelle Paare lassen sich am Ende immer auf eine einzige Behaup­tung reduzieren: Die Ehe diene der Zeu­gung von Kindern und da homo­sex­uelle Paare keine Kinder zeu­gen kön­nen, könne man die Ehe für sie keines­falls öffnen.

Dieses Argu­ment hat eine offen­sichtliche Schwäche: Die Zeu­gung von Kindern ist ein­er­seits auch ohne Ehe möglich und ander­er­seits auch in der Ehe nicht zwingend.

Auf diese Schwäche wer­den die Bewahrer der Het­ero-Ehe immer wieder hingewiesen, aber statt auf diese Hin­weise einzuge­hen, denken sie sich immer neue Begrün­dun­gen dafür aus, warum Ehe und die Zeu­gung von Kindern gegen alle Evi­denz doch untrennbar miteinan­der ver­bun­den sind. Da wird dann die Reli­gion bemüht, oder die Evo­lu­tion, oder die Tra­di­tion, oder die Per­ver­sion. Haupt­sache, es endet auf -ion, scheinen die Homo­phoben zu denken.

Nicht so der Jour­nal­ist Gün­ther Lach­mann, der jüngst im Deutsch­land­funk erk­lären durfte, warum Ehe und die Zeu­gung von Kindern ein und das­selbe sind. Er bemühte keine -ion, son­dern eine -ie: die Ety­molo­gie, also die Lehre von der Herkun­ft und Entwick­lung von Wörtern. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 32/2015

Von Susanne Flach

Eieieieieieiei! So viel los diese Woche und so vari­abel! Heute konkur­ri­ert das Sprach­bil­dung­spro­gramm aus Begriff­skri­tik, Prison Speak, schle­ichen­dem Aussprachewan­del, Orthografie und Ort­sna­menkarten mit Serv­er- und Com­put­er­prob­le­men in den Redak­tion­sräu­men des Sprachlogs. Ergeb­nis: die Sprach­links haben gewon­nen. Viel Spaß!

Kurze Geschichte eines Unworts: Asylkritiker

Von Anatol Stefanowitsch

Die Wörter asylkri­tisch, Asylkri­tik und Asylkri­tik­er haben sich in den let­zten Monat­en zu euphemistis­chen Ober­be­grif­f­en für alle möglichen Spielarten recht­en und/oder ras­sis­tis­chen Denkens und Han­delns entwick­elt. Zunächst geschah das fast unbe­merkt, aber seit ein paar Wochen bekom­men die Wörter endlich die kri­tis­che Aufmerk­samkeit, die ihnen zuste­ht: Schon im Juni kri­tisierte die Beratungsstelle für Betrof­fene rechter Gewalt in Sach­sen die For­mulierung „besorgte, asylkri­tis­che Bürg­er“, und in den let­zten Tagen gab es aus­führliche Kri­tiken in The Euro­pean, der Zeit und der taz. Inzwis­chen hat die dpa sog­ar angekündigt, dass sie die Wörter gar nicht mehr ver­wen­den wird.

Auch ich habe mich zu den Begrif­f­en geäußert, z.B. im in der Säch­sis­chen Zeitung, bei Radio Corax und bei MDR INFO. Eine Frage, die ich dabei nur all­ge­mein beant­worten kon­nte, war die, woher das Wort über­haupt kommt und seit wann es im Umlauf ist. Hier nun eine genauere Antwort auf diese Frage. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 31/2015

Von Kristin Kopf

Die deutschen Blogs scheinen alle Som­mer­pause zu machen — aber an Englis­chem gibt es einiges zu lesen:  Wenn man franzö­sis­ches Scrab­ble kann, kann man dann auch Franzö­sisch? Warum muss Fem­i­nis­mus sneaky sein? Und was tun Men­schen so, die das englis­che th nicht über die Lip­pen bringen?

  • Die DW hat sich bei Mar­i­je Michel erkundigt, was es eigentlich bedeutet, dass ein Neuseelän­der franzö­sis­ch­er Scrab­ble­meis­ter ist: »What’s impor­tant is that this guy did­n’t learn French — he learned French words. There’s a huge dif­fer­ence between learn­ing a lan­guage and learn­ing words. Learn­ing words is much more com­pa­ra­ble to learn­ing num­bers. […]  But what he learned is just the spelling. He does­n’t know what the words mean or how they’re con­nect­ed to oth­er words. He does­n’t know whether they are arti­cles or nouns or verbs and he does­n’t know how to put them in a sen­tence. He does­n’t even know how to pro­nounce them. In that sense, it’s just like a string of let­ters next to each oth­er for him.«
  • Katy Wald­man wun­dert sich auf LEXICON VALLEY darüber, dass Fem­i­nis­mus in den US-amerikanis­chen Medi­en häu­fig mit Adjek­tiv­en wie sneaky und sly verse­hen wird, wenn über Fernsehse­rien und Filme berichtet wird: »Call­ing some­thing “sneak­i­ly feminist”—the phrase is almost always complimentary—announces that you, unlike equal­ly right-think­ing but less rea­son­able indi­vid­u­als, are chill. You under­stand what it takes to be lik­able, appeal­ing. Not least, when you “dis­cov­er” a show’s “hid­den” fem­i­nism, you seem smart and cre­ative. That’s use­ful for a writer in search of a spark­ly frock in which to wrap her dis­mal obser­va­tion that some new thing in the cul­ture mirac­u­lous­ly doesn’t hate women, yay.«
  • Sis is out­ra­geous! Da haben wir wohl let­zten Okto­ber nicht aufgepasst, als Geoff Lind­sey auf SPEECH TALK über die Aussprache von th — das übri­gen zwei ver­schiedene Laute repräsen­tiert — geschrieben hat. Neben dem typ­isch deutschen s-Laut wird es auch häu­fig durch f erset­zt, w und d sind auch wichtig. Hier wird alles schön erk­lärt und mit vie­len Hör­beispie­len verse­hen: »When we look at vari­a­tion and change in lan­guages with den­tal frica­tives, it’s unsur­pris­ing to find that some accents lack them. Castil­ian Span­ish, for exam­ple, has θ, but words which have this sound in Castil­ian are wide­ly pro­nounced with s in Latin Amer­i­ca – in oth­er words, the Berlitz-Ger­man pat­tern. Native Eng­lish-speak­ing th-chang­ers do not gen­er­al­ly fol­low the Berlitz-Ger­man pattern.«

Jugendwortschutz

Von Anatol Stefanowitsch

Seit Tagen herrscht helle Aufre­gung im deutschen Qual­itäts­blät­ter­wald, weil das Wort „Alpha-Kevin“ auf der Liste der nominierten Jugend­wörter erst auf- und nach ein­er Panikreak­tion des ver­anstal­tenden Ver­lagshaus­es wieder abtauchte. Wir veröf­fentlichen geheime Aufze­ich­nun­gen, die zeigen, wie es zu dieser Entschei­dung kam.
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Blogspektrogramm 30/2015

Von Susanne Flach

Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­mer­loch, Som­merl— oh, Sprach­links! Heute mit Schreib­schrift­sys­te­men, Women’s Talk, Big Data bei Schimpfwörtern und ein paar bedeu­tung­sun­ter­schei­den­den Diakritika.

  • Der Sprach­his­torik­er Peter von Polenz schreibt, in keinem Land Europas sei die Frage der Schrift­wahl ide­ol­o­gisch so aufge­laden gewe­sen wie in Deutsch­land.“ Matthias Heine in der WELT über die „Schrift, die selb­st Hitler zu deutsch war“.
  • Let­zte Woche haben wir einen Artikel von Deb­o­rah Cameron über Frauen­sprache ver­linkt — auf SCPR disku­tieren Ann Fried­man und Deb­o­rah Tan­nen über das soge­nan­nte „vocal fry“. Und Ann Fried­man hat im NYMAG darüber geschrieben: „Can we just, like, get over the way women talk?“.
  • How to curse like a prop­er Amer­i­can. Der GUARDIAN berichtet über die Schimpf­wortkarten von Jack Grieve.
  • Etwas, was die Akzep­tanz von geschlecht­sneu­traler Sprache auch ver­hin­dert? Korrekturleser/innen, die sie wieder rausedi­tieren. Eine Per­spek­tive, die Ben Zim­mer zum Englis­chen ‚sin­gu­lar they‘ auf­macht, unter anderem.
  • Warum Umlaute bzw. Diakri­ti­ka so wichtig sind: von schwülem und schwulen Wet­ter — nicht nur im Deutschen. (Für alle Dozent/innen, die bald wieder Ein­führun­gen in die Lin­guis­tik vor­bere­it­en: neue Min­i­mal­paare! \o/)

Blogspektrogramm 29/2015

Von Kristin Kopf

Links, Links, Links: Heute gibt es hier Dessous, ange­blich unsich­er sprechende Frauen, jede Menge Scheiße, ein wenig Inter­netlin­guis­tik und unter­halt­same Reime. Los geht’s:

  • Wer seine her­ren­lose Dame­nun­ter­wäsche sucht, soll sich melden? Auf LAUT UND LUISE amüsiert sich Luise Pusch über eine Zeitungsmeldung.
  • Warum schreibt man Frauen immer wieder vor, wie sie sprechen soll­ten, um ern­stgenom­men zu wer­den? Und sprechen sie wirk­lich so, wie man landläu­fig ver­mutet? Deb­o­rah Cameron sieht sich die Sache auf LANGUAGE: A FEMINIST GUIDE genauer an»Dur­ing an item in which the come­di­an Viv Groskop dis­cussed her new show about women’s habit of con­stant­ly say­ing sor­ry, anoth­er guest, the lin­guist Louise Mul­lany, point­ed out that the stereo­type of women con­stant­ly say­ing sor­ry has not been borne out by research. But the pre­sen­ter and Groskop just brushed this aside. Every­one knows that women ‘over-apol­o­gize’. The ques­tion is—to quote the trail­er on the programme’s website—‘why do women do it, and how can they stop?’« (Via @texttheater)
  • Christo­pher Bergmann macht sich auf ISOGLOSSE Gedanken zu Fäkalien im Deutschen, Englis­chen und Nieder­ländis­chen und trifft auf ein großes Wort­durcheinan­der: »Some hun­dreds of years ago, [the Dutch word shi­jt] still referred to fae­ces, or to liq­uid stool in par­tic­u­lar, but the only mean­ing in con­tem­po­rary lan­guage is ‘the state of hav­ing diar­rhoea’. Unlike ‘Scheiße’ and ‘shit’, ‘schi­jt’ is not used as a swear­word in Dutch.« (Via @Vilinthril)
  • LINGUISTLAURA stellt eine Unter­suchung zur Bedeu­tung von cheeky vor, zu der sie durch ein Meme angeregt wurde: »Do you call a mis­be­hav­ing child a cheeky mon­key? Do you ever go for a cheeky beer after work? Would you take your Sig­nif­i­cant Oth­er out for a cheeky Valentine’s Day din­ner at a nice Ital­ian restau­rant? Chances are you said no to the last ques­tion, not because you would­n’t make such a roman­tic ges­ture, but because cheeky does­n’t sound right in that sen­tence. What’s more, if you’re from the Unit­ed States, you prob­a­bly aren’t as keen on the word cheeky in the first place. At least that’s what we thought when the cheeky Nando’s meme went viral a few weeks ago.« 
  • Auf SENTENCE FIRST hat Stan Carey Reime zu lin­guis­tis­ch­er Fachter­mi­nolo­gie gesam­melt, die er Anfang Juli getweet­et hat. Für Laien nicht so amüsant, für Men­schen mit ein bißchen Hin­ter­grund umso mehr: »A is for ARBITRARY: a sound’s tie to meaning.
    B is for BACK-FORMED, like dry-clean from dry-clean­ing. It is CLEFT that C is for, the clause now divided.
    D is for DESCRIPTIVISM, objec­tive­ly guid­ed.E is for ETYMON, whose ety­mon is Greek.
    F is for FRONT, like the vow­els in sneak peek

Blogspektrogramm 28/2015

Von Susanne Flach

Die heutige Hitzewel­leaus­gabe ist kurz, aber gewohnt knack­ig — mit Chemie, Sex, Drugs und Sex und — naja, wenn Ihnen das jet­zt zu heiß ist, gehen Sie erst­mal an den Bade­see, dem Rest wün­schen wir jet­zt schon viel Spaß!

Blogspektrogramm 27/2015

Von Kristin Kopf

Heute gibt es ein min­i­mal­is­tis­ches Spek­tro­gramm, aber dafür the­ma­tisch per­fekt abges­timmt: Über Like-Dau­men, Ironie im Inter­net und Hashtags.

  • Ein kleines Kom­mu­nika­tion­ss­chnipselchen habe ich diese Woche im TECHNIKTAGEBUCH fest­ge­hal­ten.
  • Sarkas­mus und Ironie gehen im Inter­net oft ver­loren — wie man versucht(e), sie schriftliche zu trans­portieren, hat Gretchen McCul­logh für THE TOAST aufgeschrieben: »But while these genius­es were com­ing up with fan­ci­ful addi­tions to the key­board, reg­u­lar cit­i­zens were tak­ing mat­ters into their own, air-quot­ing hands. We’ve end­ed up with a whole lot of them, and for the most part they’ve been spon­ta­neous­ly invent­ed by res­i­dents of the inter­net. Let’s take a look — and then we’ll get back to why these meth­ods suc­ceed­ed where cen­turies of pro­posed irony punc­tu­a­tion had failed.« (Via @inkbotkowalski)
  • Vyvyan Evans argu­men­tiert im GUARDIAN dafür, dass Hash­tags für sprach­liche Inno­va­tion sor­gen: »[T]he hash­tag, devel­oped for use in dig­i­tal com­mu­ni­ca­tion, is now cross­ing over into more tra­di­tion­al modes of lan­guage pro­duc­tion, such as sto­ry writ­ing. So what has prompt­ed chil­dren, nor­mal­ly too young to hold Twit­ter accounts, to begin to use the hash­tag in this new way? And what does this inno­va­tion say about new forms of dig­i­tal com­mu­ni­ca­tion: is tech­nol­o­gy giv­ing rise to new types of language?«