Sprachverfall

Von Susanne Flach

Die typ­is­che Form, den Wan­del der Sprache wahrzunehmen, scheint darin zu beste­hen, ihn als Ver­fall zu erleben. Ist es nicht merk­würdig, daß unter­schei­dliche Ver­fall­s­the­o­retik­er seit mehr als 2000 Jahren immer wieder den zunehmenden Ver­fall ihrer jew­eili­gen Mut­ter­sprache bekla­gen, ohne je ein Beispiel für eine tat­säch­liche ver­fal­l­lene Sprache vor­weisen kön­nen? Es scheint auch nie­man­den zu geben, der bere­it wäre, den Ver­fall sein­er e i g e n e n indi­vidu­ellen Sprache zu bedauern: “Ach, was schreibe ich für ein verkommenes Deutsch im Ver­gle­ich zu meinen Großel­tern!” Sprachver­fall ist immer Ver­fall der Sprache der anderen. Das sollte stutzig machen.

Rudi Keller. 2003. Sprach­wan­del. Tübin­gen: UTB. S. 23

Sprache dient men­schlich­er Kom­mu­nika­tion. Das scheint auf den ersten Blick triv­ial, ist aber ungle­ich wichtiger, wenn es um die Sprachver­falls­de­bat­ten geht. Jed­er Sprach­pfleger, der ja den Ver­fall unser­er Sprache her­auf­beschwören will, brächte sich in höch­ste Erk­lärungsnot, wenn er mit der Sprache Walther von der Vogel­wei­des, um’s mal auf die Spitze zu treiben, in die näch­ste Kneipe zöge.

Gut, mögen jet­zt einige sagen, was ist dann mit Irish, ein­er gestor­be­nen Sprache? Weit­er­lesen

[Filmtipp] Verner’s Law

Von Kristin Kopf

Memo hat mich auf eine kleine Film­rei­he bei YouTube aufmerk­sam gemacht, in der es um das Indoger­man­is­che, die Erste Lautver­schiebung und das Vern­er­sche Gesetz geht. Was für eine fan­tastis­che Idee! Lasst Euch nicht von der schlecht­en Ton­qual­ität am Anfang abschreck­en, das wird schnell bess­er. Ich hab mich enorm amüsiert! Die Illus­tra­tio­nen … hihihihi …

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=aal9VSPkf5s]

Zu Teil 2 und 3 …

Weit­er­lesen

Fragliche Unterwürfigkeit

Von Anatol Stefanowitsch

Ein Mem geht um unter den Sprach­nör­glern — das Mem der lin­guis­tic sub­mis­sive­ness („sprach­liche Unter­wür­figkeit“). Mit diesem Begriff, behaupten die Anglizis­men­jäger und Deutschbe­wahrer häu­fig, beze­ich­net die in Lon­don erscheinende Times die Entlehnung englis­ch­er Wörter ins Deutsche. Ein paar Zitate: Weit­er­lesen

Impotente Vokale: Die Umlautunfähigkeit

Von Kristin Kopf

Ich bin mal wieder zufäl­lig in die ale­man­nis­che Wikipedia gelangt, auf der Suche nach Lit­er­atur zur e- und n-Apokope. Es wäre ein­fach zu niedlich, wenn das zitier­fähig wäre 😉 Und wo ich schon mal dabei war, habe ich auch gle­ich geschaut, was sie so zu meinem The­ma, der Plu­ral­bil­dung, zu sagen haben. So weit ganz ordentlich, allerd­ings teil­weise unnötig kom­pliziert. Es wer­den z.B. zwei ver­schiedene Plu­ralarten auf -er genan­nt (Her­vorhe­bung von mir):

  • dur Umlut un Ändung ‑er: Huus (Hous, Hüüs)/Hiiser (Hejser/Hüüser/Hüser), Dach/Dächer (Dech­er), Blatt (Blett)/Bletter usw.
  • dur d Ändung ‑er: Näscht/Näschter, Liächt/Liächter, Fäscht (Fescht)/Fäschter (näbe Fes­cht)

Wenn man sich die Beispiele näher anschaut, bei denen nur -er antritt, aber kein Umlaut durchge­führt wird, fällt schnell etwas auf … die Fälle ohne Umlaut kön­nten auch beim besten Willen keinen besitzen. Sie sind näm­lich “umlau­tun­fähig”.

Weit­er­lesen

Kritik der Kritik

Von Susanne Flach

Ich empfehle — mal für Zwis­chen­durch — das Forum des “Vere­in Deutsche Sprache e.V.” (Quizfrage: Was am Namen des Vere­ins wider­spricht der nor­ma­tiv­en Gram­matik, vor dessen Altar diese fak­ten­re­sisten­ten Sprach­nör­gler rumrutschen?)

Oh weh; ich fürchte, ich mache hier für mich ein Fass auf, von dem ich gar nicht so viel fressen kön­nte, wie ich kotzen wollte. Wid­men wir uns also ein­er Ein­stel­lung, die lei­der so ziem­lich allem zu Grunde liegt, was die “vier alten Her­ren” (Zitat Bre­mer Sprach­blog) des VDS so von sich geben.

Gewisse Sprach­wis­senschaftler hier und ander­swo soll­ten sich über das The­ma gutes und schlecht­es, richtiges und falsches Deutsch bess­er enthal­ten, da es für sie erk­lärter Maßen diese Kat­e­gorien gar nicht gibt. (Nutzer “Wolf­gang” im VDS-Forum zur Diskus­sion: “Bas­t­ian Sick Kom­pe­ten­zen in Fra­gen der Sprache”)

[Haut mich, aber entwed­er wurde im Titel des Threads auf Flek­tierung verzichtet oder gängige Inter­punk­tion­skon­ven­tio­nen mis­sachtet. Hm, und ob man sich “über ein The­ma enthal­ten” kann?]

Okay, ver­mut­lich muss ich ein wenig aus­holen. Weit­er­lesen

Sprachliche Unterwürfigkeit

Von Anatol Stefanowitsch

Das Sprach­blog ist nicht etwa schon wieder eingeschlafen, ich war in den let­zten Wochen nur damit beschäftigt, die Vor­bere­itun­gen für die Vierte Inter­na­tionale Kon­ferenz der Deutschen Gesellschaft für Kog­ni­tive Lin­guis­tik auf den Weg zu brin­gen, die im Okto­ber 2010 an der Uni­ver­sität Bre­men stat­tfind­en wird.

Und kaum ist man mal ein paar Tage beschäftigt, schon treibt der VDS unges­traft Unfug. In einem „offe­nen Brief“ hat sich dessen Vor­sitzen­der, der Dort­munder Sta­tis­tikpro­fes­sor Wal­ter Krämer, an den „neugewählten“ Rek­tor der Uni­ver­sität Siegen gewandt (der tat­säch­lich bere­its seit Mai dieses Jahres im Amt ist). Der will näm­lich ange­blich den Fakultäten sein­er Uni­ver­sität englis­che Namen ver­passen: Weit­er­lesen

StuTS in Bochum

Von Kristin Kopf

Ich war diese Woche auf der 46. StuTS in Bochum und hat­te eine Menge Spaß mit ein­er Menge großar­tiger Men­schen. Es gab super­viele span­nende Vorträge – hier zwei Rand­no­ti­zen für Euch:

  • Regen­schirm heißt auf Lux­em­bur­gisch Präbbe­li. Das kommt vom gle­ichbe­deu­ten­den franzö­sis­chen para­pluie. (Fränz)
  • Das griechis­che Alpha (Α, α) kommt vom phönizis­chen Alef. Im Griechis­chen ste­ht es für den a-Laut, das war aber ursprünglich im Phönizis­chen nicht so – dort stand es für den Kon­so­nan­ten, den wir im Deutschen am Wor­tan­fang vor Vokalen aussprechen: den Glot­tisver­schlus­slaut [ʔ] (hier zu hören, immer vor dem a). Den hat­te das Alt­griechis­che wahrschein­lich nicht, der erste Laut, den die Griechen also hörten, war [a].  So wurde das Zeichen uminter­pretiert. (Julia & Ste­fan)

Und noch was zum Gucken:

Weit­er­lesen

Ich tränke, du trinkst – ich fälle, du fällst …

Von Kristin Kopf

Heute will ich was über Ver­ben erzählen. Und zwar über eine ganz bes­timmte Art von Ver­ben: Kausati­va. Kausati­va (von lat. causa ‘Ursache, Grund’)  sind Ver­ben, die aus­drück­en, dass man jeman­den (oder etwas)  zu etwas bringt:

fällen Weit­er­lesen

Von Tausend zur Million: Augmentativa

Von Kristin Kopf

Was haben Kar­ton, Bal­lon, Bat­tail­lon, Salon, Medail­lon und Mil­lion gemein­sam? Ganz zu schweigen von Mine­strone, Can­nel­loni und Tortel­loni?

Mehrere Dinge … zunächst ein­mal sind es ganz klar Fremd­wörter. Weit­er­lesen

Casting

Von Anatol Stefanowitsch

Zur Aktion Lebendi­ges Deutsch fällt mir diesen Monat nichts ein. Statt Cast­ing wollen die Aktioneure zukün­ftig „Rol­lenbe­set­zung“ sagen, statt Incen­tive „Anreiz“. Der erste Vorschlag greift aktion­styp­isch zu kurz (bei Cast­ings geht es nicht immer um „Rollen“), der zweite ist seman­tisch sich­er richtig (weshalb Wörter­büch­er ja incen­tive genau so über­set­zen). Von der Kon­no­ta­tion (den mitschwin­gen­den Assozi­a­tio­nen) ist Incen­tive natür­lich enger, aber einen großen Vorteil sehe ich in keinem der Wörter (vor allem, da Incen­tives anscheinend wenig brin­gen). Im laufend­en Monat wird eine Alter­na­tive für Spot­light gesucht. Ich empfehle den Aktioneuren, sich die Suche zu sparen und auch hier ein­fach ins Wörter­buch zu schauen. Weit­er­lesen