Am Ende des Tages [Neufassung]

Von Anatol Stefanowitsch
Bremer Sprachblog - Neufassung

Bre­mer Sprach­blog — Neufassung

Sprach­nör­gler zeich­nen sich häu­fig dadurch aus, dass sie immer wieder dieselbe Hand­voll sprach­lich­er Phänomene kri­tisieren: die ange­blich unl­o­gis­che Redewen­dung Sinn machen, den Ser­vice Point, die Bahn­hof­s­toi­lette Mc Clean und den Radlei­h­di­enst Call-a-Bike der Deutschen Bahn, das Schein­lehn­wort Handy. Man hat manch­mal den Ein­druck, mit fünf kleinen Änderun­gen am Sprachge­brauch könne man sämtliche Sprachkri­tik zum Ver­s­tum­men brin­gen. Ab und zu find­en die Anglizis­men­jäger aber doch ein neues Fein­dob­jekt. So haben sie vor kurzem die Phrase am Ende des Tages ent­deckt und auf die Liste der zum Abschuss freigegebe­nen  Redewen­dun­gen gesetzt.

Hier zunächst ein paar Beispiele für diese Redewendung:

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FIL SBASANDAINEN GEBUASTAK

Von Kristin Kopf

Ich war zu Ostern bei meinen Eltern und habe sie natür­lich immer heim­lich belauscht und mir badis­che Dialek­t­phänomene aufgeschrieben. Was ich aber auch getan habe: mir meine Bilder­samm­lung aus der Kinder­garten­zeit angeschaut. Weniger wegen der Bilder, als vielmehr wegen der Schrift. Und oh, was ich da für Schätze gefun­den habe! Fol­gen­des Schreiben ist auf ein halbes Jahr vor mein­er Ein­schu­lung datierbar:
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Die Birne ist hinfällig

Von Susanne Flach

Alt­bun­deskan­zler Hel­mut Kohl feierte gestern seinen 80. Geburt­stag. Der einzige Grund, ihn dafür nicht an seinem Geburt­stag zu würdi­gen, liegt im gestri­gen Artikel, den ich per­sön­lich zu schön fand, ihm auch gle­ich eine eben­bür­tige Konkur­renz aufzuhalsen.

Aber wid­men wir uns einem Beitrag auf NDR2, der gestern einen Nachruf, par­don, einen Beitrag über die Geburt­stagsnicht­feier­lichkeit­en Hel­mut Kohls sendete:

[Hel­mut Kohl] ist ein bißchen hin­fäl­lig gewor­den, aber er ist voll präsent. Ihm kann kein­er was vor­ma­chen; er nimmt am poli­tis­chen Leben insofern teil, als dass er sich über alles noch informieren lässt. Hel­mut Kohl ist geistig voll da, aber er ist kör­per­lich eben hinfällig.
(Diet­mar Riemer, ARD-Haupt­stadt­stu­dio Berlin,“Kuri­er um 12″, NDR2, 3. April 2010)

Ich stutzte sofort beim Adjek­tiv hin­fäl­lig. Weit­er­lesen

Einhällig und aufwendig

Von Kristin Kopf

Ich habe eben einen (übri­gens aus­geze­ich­neten!) Blog­beitrag von Ana­tol Ste­fanow­itsch zum iPad gele­sen und darin fol­gende Schrei­bung entdeckt:

Schon damals habe ich mich darüber gewun­dert, dass die Presse hier so ein­häl­lig einen Humor pflegt (oder auf­greift), der auf der krampfhaften Suche nach anstößi­gen Dop­peldeutigkeit­en beruht und der mir seit der sech­sten Klasse nicht mehr begeg­net ist.

Ein großar­tiger Satz, ganz neben­bei. Mir geht’s aber um das <ä> in ein­häl­lig. Das ist zwar ein Rechtschreibfehler, aber er deutet auf etwas span­nen­des hin: eine gelehrte Volk­se­t­y­molo­gie, denn hier wurde ein­hel­lig wahrschein­lich an hallen angeschlossen und entsprechend mit <ä> geschrieben.

In Wirk­lichkeit stammt’s vom althochdeutschen Verb hel­lan ‘tönen’. Das ist heute aus­gestor­ben, an sein­er Stelle hat sich hallen durchge­set­zt, das seit dem 15. Jahrhun­dert belegt ist und vom mit­tel­hochdeutschen Sub­stan­tiv hal ‘Hall’ abgeleit­et wurde (welch­es wiederum doch auf hel­lan zurück­ge­ht, aber den Schlenker ers­pare ich euch lieber).

ä‑tymologische Schreibung

Dass man Wörter an ver­wandte Wörter mit <a> anschließt und entsprechend <ä> statt <e> schreibt, ist eine beliebte Prax­is. Ihr erin­nert euch vielle­icht dran, wie’s bei der Rechtschreibre­form hieß, dass man jet­zt <aufwändig> mit <ä> schreibt, weil es von <Aufwand> kommt und <Stängel> wegen <Stange>. Das Prinzip, das man damit ver­fol­gt, heißt “Mor­phemkon­stanz” – zusam­menge­hörige Wörter sollen auch durch die Schrei­bung als solche markiert werden.

Das ist ganz deut­lich bei den Umlaut­plu­ralen, wo man niemals <Hand> – <Hende> schreiben würde (aber dur­chaus mal getan hat), oder bei den Weit­er­lesen

Von Tablet PCs und Damenbinden

Von Anatol Stefanowitsch

Das iPad sym­bol­isiert alles, was an Apple has­senswert ist, seit man in Cuper­ti­no das Wort „Com­put­er“ aus dem Fir­men­na­men gestrichen hat: es fes­selt die Nutzer an Apples pro­pri­etäre Dateifor­mate, an Apples dig­i­tales „Rechte“-Management, an Apples iTunes-Soft­ware, an Apples App­Store, an Apples Update-Zyk­lus — es entzieht den Nutzern also kom­plett die Kon­trolle über ihre Geräte.

Das Tech­nikfeuil­leton stört sich an all dem nicht. Es wird höch­stens moniert, dass das Gerät in Flash pro­gram­mierte Inhalte nicht wiedergeben kann. Stattdessen macht man sich gerne über den Namen lustig. Das fing schon kurz nach der Präsen­ta­tion des Geräts im Jan­u­ar an. Ich nenne nur drei Beispiele.

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Morphologie für Anfänger

Von Susanne Flach

Ich beschäftige mich momen­tan aus ver­schiede­nen Grün­den mit Mor­pholo­gie. Mor­pholo­gie ist die Beschrei­bung und Analyse von Wörtern, Wort­struk­turen und Wort­teilen, deren Bil­dung, Ableitung, Flek­tion und Bedeu­tung. Kurz gesagt. Aber begin­nen wir mit ein­er kleinen Anekdote.

Im let­zten Jahr machte ich ja eher zum Spaß ein Prak­tikum bei Stu­dio Ham­burg, was zumin­d­est meinem Hin­terkopf zu kurz­er Berühmtheit ver­half (in der zweit­en Folge war ich auch von vorne im Hin­ter­grund zu sehen). Ich knechtete in einem sehr net­ten Team in der Set-Auf­nah­meleitung, also als “Arsch für alle(s)”; das sind die, die immer sehr wichtig und mit Head­set durch die Gegend laufen.

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Schplockflaute trotz Linguistikleben

Von Kristin Kopf

Eigentlich sollte man denken, dass ich momen­tan vor Sch­plock-Ideen ger­adezu über­spru­dle – immer­hin bere­ite ich ger­ade elf ver­schiedene und extrem span­nende Prü­fungs­the­men vor1. Aber nix da, jed­er Ver­such, darüber zu schreiben, artet in zähe, enzyk­lopädisch-belehrende Abhand­lun­gen aus.

Dann war Chom­sky in Mainz, da kön­nte man ja auch was drüber schreiben – oh, aber er war so unin­spiri­erend und hat all das gesagt, was man so ken­nt und was einen nach den faulen Tomat­en greifen lässt. (“The Min­i­mal­is­tic pro­gram is just an effort to show what’s true is true”, “You don’t have to learn the syn­tax and seman­tics [of for­eign lan­guages] because it’s there already”, “The entire study of lan­guage for 2500 years is kind of off track”) Und dann klumpten sich massen­weise Leute hin­ter­her auch noch um ihn herum zusam­men und ließen sich Auto­gramme geben. Peinlich.

Was ist noch passiert in meinem Lin­guis­tik­leben? Ich war bei ein­er Pro­jek­tvorstel­lung in der Mainz­er Akademie der Wis­senschaften für das geplante Dig­i­tale Fam­i­li­en­na­men­wörter­buch Deutsch­lands, was super­span­nend war. Das Wörter­buch soll alle Fam­i­li­en­na­men Deutsch­lands erfassen und ety­mol­o­gisieren (inklu­sive denen fremd­sprachiger Herkun­ft). Und online ver­füg­bar sein. Und für Laien ver­ständlich for­muliert. Ooooh! Also ganz fest die Dau­men drück­en, dass es bewil­ligt wird.

Diese Woche war ich für drei Tage bei einem tollen Work­shop zu Wort- und Sil­ben­sprachen in Freiburg. Übri­gens inter­es­sant, wie die badis­che Iden­tität in Freiburg immer und über­all betont wird – da wird man auf einem Plakat an der Uni Willkumme geheißen, auf der Speisekarte gibt’s Brägele (Brägili) und Schäufele (Schi­ifili), und Ver­sicherung­sun­ternehmen und Banken bemühen sich um Werbe­sprüche, die irgend­wo badisch beinhalten.

Da der Work­shop ein sehr spezielles The­ma hat­te, lässt er sich kaum für’s Sch­plock auss­chlacht­en. (Einen Lesetipp zum The­ma hat­te ich hier ja schon.) Einen großar­ti­gen Schweiz­erdeutschen Satz aus dem Vor­trag von Beat Sieben­haar will ich euch aber auf keinen Fall voren­thal­ten: blitstststsu:g Über­set­zungsver­suche willkommen!

So, das näch­ste Mal hof­fentlich etwas kohärenter. Bis dahin ein Ver­weis auf meine let­ztjährige Oster­rei­he.

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Deutsch im Außendienst

Von Anatol Stefanowitsch

Beson­ders span­nend ist es nicht, aber irgend­wie habe ich das Gefühl, ich müsste ein paar Worte dazu sagen: Seit ein paar Tagen wird in der deutschen und europäis­chen Presse ein Brief des deutschen Außen­min­is­ters Gui­do West­er­welle an die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicher­heit­spoli­tik Cather­ine Ash­ton disku­tiert, in dem es um die Rolle der deutschen Sprache im derzeit in der Pla­nung befind­lichen Europäis­chen Auswär­ti­gen Dienst (EAD) gehen soll. Viel genauer kann ich es nicht sagen, denn der Text des Schreibens ist nicht öffentlich. Ich habe ver­sucht, ihn direkt vom Auswär­ti­gen Amt zu erhal­ten, aber man möchte den Inhalt des Briefes dort nicht öffentlich machen, ange­blich, um die Ver­hand­lun­gen um den EAD nicht zu gefährden. Warum es keine Gefahr ist, dass der Brief in der Presse bre­it­ge­treten wird, erschließt sich mir nicht, aber sei’s drum. Grob gesagt scheint es in dem Schreiben darum zu gehen, dass bei der Ein­stel­lung für den EAD deutsche Sprachken­nt­nisse vorgeschrieben bzw. Bewerber/innen mit solchen Ken­nt­nis­sen bevorzugt behan­delt wer­den sollen:

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