Keine Wissenschaft ohne Mathematik

Von Anatol Stefanowitsch
Bloggewitter: Mathematik, Sprache, Wissenschaft

Blogge­wit­ter: Math­e­matik, Sprache, Wissenschaft

In einem mein­er ersten Beiträge hier im Sprachlog ging es um die Frage, ob das Deutsche als Wis­senschaftssprache an Bedeu­tung ver­liert, und wenn ja, ob das schlimm wäre. Meine Antwort auf die erste Frage, das wird nie­man­den über­raschen, war ein klares „Ja“. Meine Antwort auf die zweite Frage ist dif­feren­ziert­er. Für die Wis­senskul­tur in Deutsch­land, Öster­re­ich und der Deutschschweiz wäre es ein Ver­lust, wenn das Deutsche völ­lig aus der Wis­senschaft ver­schwände. Gesellschaftliche und kul­turelle Prozesse wer­den in diesen Län­dern in deutsch­er Sprache ver­han­delt, und eine Wis­senschaft, die an diesen Prozessen beteiligt sein will, kann auf die deutsche Sprache nicht verzichten.

Zumin­d­est in der Kom­mu­nika­tion nach außen muss Wis­senschaft also in der jew­eili­gen Lan­dessprache ver­mit­tel­bar bleiben, und dafür ist es sich­er von Vorteil, wenn auch ein Teil der Kom­mu­nika­tion unter Wissenschaftler/innen in dieser Lan­dessprache stat­tfind­et. Der große Teil der inter­nen Wis­senschaft­skom­mu­nika­tion muss aber in ein­er Sprache stat­tfind­en, die von anderen Wis­senschaftlern weltweit ver­standen und ver­wen­det wird. Der einzige Kan­di­dat für eine solche Sprache ist derzeit Englisch, und deshalb find­et die Kom­mu­nika­tion unter Wis­senschaftlern (der Ideenaus­tausch in Fach­pub­lika­tio­nen, auf Kon­gressen und natür­lich auch in den häu­fig inter­na­tion­al zusam­menge­set­zten Arbeits­grup­pen einzel­ner Lehrstüh­le und Insti­tute in englis­ch­er Sprache statt. Das ist gut so, und es ist für die deutschsprachige Wis­senschaft und die deutschsprachi­gen Sprachge­mein­schaften völ­lig unproblematisch.

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Wie man unnötig lange Vulkannamen zurechtstutzen kann …

Von Kristin Kopf

Schon seit Beginn des Aschewolk­endra­mas schreibt FAZ.net (nicht als einzige) ziem­lich kon­se­quent vom Eyjaf­jal­la. Eine Miniauswahl:

Zu Beginn des ganzen Dra­mas schrieb man zuweilen noch vom Eyjaf­jal­la-Gletsch­er und dem Aus­bruch des isländis­chen Vulka­ns am Eyjafal­la-Gletsch­er, aber auch schon vom Eyjaf­jal­la-Vulkan.

Gletscher = Berg = Vulkan?

Ich habe hin- und herg­erät­selt warum, denn wirk­lich Sinn ergibt das für mich nicht. Ich erin­nere: Eyjaf­jal­la­jökull heißt ‘Insel(n)bergegletscher’. Der Gletsch­er heißt so und der Vulkan unter dem Gletsch­er heißt auch so, sagt die deutsche Wikipedia.

Wenn man den ‘Gletsch­er’ weglässt, wie die FAZ das tut, erhält man also nicht den “echt­en” Namen des Vulkans.

Die Hart­näck­igkeit der FAZ hat mich dann aber doch verun­sichert, und so zog ich aus zu klären, ob das Wort auch wirk­lich den gesamten Berg inklu­sive Vulkan beze­ich­net. Weit­er­lesen

(Un)mögliche Sätze

Von Susanne Flach

Ich mag ja den sub­tilen Humor der Lin­guis­tik. Im Prinzip geht es im fol­gen­den Zitat um den Unter­schied zwis­chen möglichen und wahrschein­lichen bzw. attestierten Konstruktionen.

Syn­tac­ti­cians dis­cuss sen­tences which are pos­si­ble but not nec­es­sar­i­ly occur­rent. Only in rare cas­es do they lim­it them­selves to actu­al­ly attest­ed sen­tences. Most syn­tac­ti­cians would find the fol­low­ing exam­ple to be a per­fect­ly well-formed sen­tence, even though it has, I take it, nev­er occurred in lan­guage use and is unlike­ly to. […] The Min­is­ter of Edu­ca­tion announced that a sum of forty mil­lion dol­lars per year was being set aside to boost research in Lin­guis­tics, par­tic­u­lar­ly Mor­phol­o­gy, over the next ten-year peri­od. (meine Her­vorhe­bung) (Bauer 2003: 77)

Übri­gens rechne ich mich der hier qua­si unter­schla­ge­nen Frak­tion zu. Ich halte viel von Kor­puslin­guis­tik, also der Diskus­sion von Wörtern oder Sätzen, die auch tat­säch­lich doku­men­tiert sind. Der Beschrei­bung und Analyse der gesproch­enen oder geschriebe­nen Sprache geht natür­lich immer auch erst eine Betra­ch­tung der Möglichkeit bzw. Gram­matikalität voraus: so gese­hen ist der her­vorge­hobene Satz vol­lkom­men kor­rekt, er wird nur ver­mut­lich nie gefall­en sein (oder fallen).

Aber schön wär’s. Also das mit den 40 Millionen.

Bauer, Lau­rie. 2003. Intro­duc­ing Lin­guis­tic Mor­phol­o­gy. 2nd Edi­tion. Edin­burgh Uni­ver­si­ty Press.

Von der Natürlichkeit der Katastrophe

Von Susanne Flach

Derzeit bedro­ht Öl die amerikanis­che Gol­fre­gion. Dieses Bild ist in Wahrheit noch zynis­ch­er, als es klinkt. Wom­it wir beim The­ma wären. Ver­schiedene Medi­en, darunter Spiegel Online, Focus und die Zeit, sprechen von ein­er Naturkatastrophe*.

Moment. Der Tsuna­mi 2004 war eine Naturkatas­tro­phe. Sichuan und Haiti waren Naturkatas­tro­phen. Es wäre ver­mut­lich stre­it­bar, ob der Aus­bruch des Eyjaf­jal­la­jökull eine Naturkatas­tro­phe im eigentlichen Sinne war — er war es immer­hin für die Ange­höri­gen der audio­vi­suellen Medienlandschaft.

Und auch wenn die Men­schheit dem schwarzen Gold wie einem Gott huldigt, ist eine Ölpest nichts Natür­lich­es. Die Explo­sion auf der Deep­wa­ter Hori­zon und seine Fol­gen ergeben eine Umweltkatas­tro­phe, eine vom Men­schen verur­sachte, also nicht-natür­liche Katas­tro­phe. Wie jede Ölpest. Für die Finanzwelt aus­ge­drückt: wenn Oba­ma sagt, dass BP für die Katas­tro­phe bezahlen wird, dann gibt es einen Schuldigen. Bei Naturkatas­tro­phen gibt es den nicht.

Lin­guis­tisch sind bei­de Wörter soge­nan­nte Kom­posi­ta, in diesem Fall zusam­menge­set­zte Sub­stan­tive. Aber sie unter­schei­den sich in ihrer Kopf-Kern-Struktur:

  • Naturkatas­tro­phe = ’natür­liche Katas­tro­phe’ (siehe auch engl. nat­ur­al dis­as­ter -> Adjek­tiv (nat­ur­al) + Substantiv)
  • Umweltkatas­tro­phe = ‘Katas­tro­phe für die Umwelt’

In bei­den Fällen ergeben sich zwar Auswirkun­gen für Natur und Umwelt — in der Umweltkatas­tro­phe sind diese auch seman­tisch zugänglich­er. Im Fall der Naturkatas­tro­phe wer­den die ver­heeren­den Auswirkun­gen aber nicht vom Sub­stan­tiv ‘Natur’ getra­gen — dieses sagt lediglich aus, dass es sich um eine natür­lich Ursache han­delt, z.B. bei Erd­beben, Flutereignis­sen, Vulka­naus­brüchen. Die Ursache der Katas­tro­phe ist wieder­rum in Umweltkatas­tro­phe nicht sofort ersichtlich (wobei es sich grund­sät­zlich um vom Men­schen verur­sache Ereignisse han­delt). Es ist auch eine Frage der Kon­ven­tion: und die ist (noch), dass Umwelt- und Naturkatas­tro­phen zwei Paar Schuhe sind. So gese­hen dürften Jour­nal­is­ten das Isländis­che für die Kom­po­si­tion Eyjaf­jal­la­jökull ver­ant­wortlich machen (genau genom­men find­en sich in Eyjaf­jal­la­jökull auch Ele­mente von Deriva­tion und Flek­tion, aber belassen wir es mal dabei).

Aber men­schlich­es Gewinnstreben bleibt eine Umweltkatastrophe.

*Im Zuge von Recherchen scheint zumin­d­est SpOn den Lap­sus bemerkt zu haben und hat Naturkatas­tro­phe durch Umweltkatas­tro­phe erset­zt. Der Ver­dacht liegt übri­gens nahe, dass die fraglichen Medi­en eine Agen­turmel­dung über­nom­men haben. Wäre wohl ein Fall für die Jungs hier.

[Veranstaltungstipp] StuTS-Werbung die 2.

Von Kristin Kopf

Das Sch­plock muss momen­tan etwas Hunger lei­den, denn erstens schreibe ich näch­ste Woche Don­ner­stag meine Mag­is­terk­lausur und zweit­ens pla­nen wir wie ver­rückt die 47. StuTS, die in der Woche darauf stat­tfind­et (12.–16. Mai). Dafür möchte ich hier auch noch ein­mal wer­ben. Die StuTS, oder lang “Stu­den­tis­che Tagung Sprach­wis­senschaft”, find­et jedes Semes­ter an ein­er anderen Uni statt und bietet Studieren­den einen Ein­blick in das, was andere Lin­guis­tik­in­ter­essierte so machen – und neben Vorträ­gen und Work­shops gibt es natür­lich auch jede Menge Freizeitspaß wie z.B. Stadt­führun­gen, eine Kneipen­tour, einen Gril­l­abend und eine Party.

Wir haben dies­mal enorm viele Vorträge und Work­shops. So kann man auf der StuTS unter anderem ein bißchen in die Deutsche Gebär­den­sprache hinein­schnup­pern, ägyp­tis­che Hiero­glyphen ler­nen, erfahren, ob Tolkiens Kun­st­sprache Quenya typol­o­gisch dem europäis­chen “Durch­schnitt” entspricht, hören, wie man Feld­forschung in Rus­s­land macht und die Auf­nah­men in einem Audioko­r­pus erfasst, her­aus­find­en, ob Deos für Män­ner anders heißen als für Frauen und man kann drüber disku­tieren, ob die EU eine roman­isch basierte Kun­st­sprache als Ver­ständi­gungssprache braucht (ich würd ja sagen: nee).

Außer­dem wer­den Miniführun­gen durch das neu­rolin­guis­tis­che Labor und das DFG-Pro­jekt Deutsch­er Fam­i­li­en­na­me­nat­las ange­boten und die Mainz­er Lin­guis­tik stellt sich vor. Und nicht zu vergessen: Im Gastvor­trag spricht Dr. habil. Mar­i­on Grein über Kom­pli­mente in ver­schiede­nen Sprachen und Kul­turen, z.B. “Du bist aber dick geworden!”

Noch kann man sich für die StuTS anmelden, 15 Euro Teil­nah­mege­bühr für Mainz­erIn­nen, 20 für Auswär­tige (enthal­ten sind Unterkun­ft (auf Schlaf­sack & Iso­mat­te), Früh­stück, Kaf­fee, Bustick­et (nur noch bis Mon­tag), Stadt­führung und einige Freigetränke auf der Party).

Ich würde mich riesig freuen, neben suz noch weit­ere Sch­plock-LeserIn­nen auf der StuTS zu sehen! Das wird ein Spaß!

Der Adler ist ausgeflogen

Von Anatol Stefanowitsch

Der aktuelle XKCD behan­delt mal wieder ein sprach­lich­es Phänomen:

Außerhalb der Saison beschäftige ich einen Dompteur, der mir dabei hilft, Geheimagenten mit Situationen zu konfrontieren, die sie nicht per Funk weitermelden können.

Außer­halb der Sai­son beschäftige ich einen Domp­teur, der mir dabei hil­ft, Geheim­a­gen­ten mit Sit­u­a­tio­nen zu kon­fron­tieren, die sie nicht per Funk weit­er­melden können.

 

© 2010, xkcd
(Deutsche Bear­beitung © 2010 Ana­tol Stefanowitsch).
Sowohl das Orig­i­nal als auch die deutsche Bear­beitung ste­hen unter der Creative-Commons-BY-NC‑2.5‑Lizenz.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

Danebenliegende Sprachnörgelnde

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurz­er Nachgedanke, der im Beitrag vom Fre­itag keinen Platz mehr hat­te. Joffe geißelt in sein­er Kolumne die „Sprach-Ver­schlin­gun­gen durch ‚Gen­der-Main­stream­ing‘“ und ver­weist auf Max Goldt, der diese Ver­schlin­gun­gen „anhand der Phrase ‚ster­bende Studierende‘ (nach einem Uni-Mas­sak­er)“ aufzeige: „Wie kann man gle­ichzeit­ig ster­ben und studieren?“

Max Goldt ist ein inter­es­santes Phänomen. Er hat bril­liante Momente (hier dür­fen Ver­weise auf Katz und Goldt und Ich und mein Staub­sauger nicht fehlen), aber wenn er sich dem The­ma Sprache zuwen­det, wie in der von Joffe angeris­se­nen Pas­sage, bleibt von sein­er Bril­lianz nichts übrig:

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Über ubër

Von Kristin Kopf

Kür­zlich bin ich auf ein­er englis­chen Inter­net­seite auf das Wort ubër gestoßen und habe danach fest­gestellt, dass die Schrei­bung im Inter­net nicht ger­ade sel­ten ist.1 Da gibt es das Ubër high mileage MPV, den ubër ubër cheap stuff, die Ubër Bin­go Oscars, die ubër-cor­po­ra­tion Google und sog­ar Ubër uns in der deutschen Ver­sion ein­er tschechis­chen Seite. (Weit­ere ubërs in deutschen Texten …)

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Sprachverbote

Von Anatol Stefanowitsch

Ich ver­suche nor­maler­weise, alles zu ignori­eren, was Josef Joffe von sich gibt. Er schafft es immer wieder, unin­formiert kon­tro­verse Mei­n­un­gen zu vertreten (der Irak-Krieg ist gut, Kli­mawan­del existiert nicht, das Inter­net böse und Print­jour­nal­is­mus ist immer Qual­ität­sjour­nal­simus), ohne dabei irgen­det­was Inter­es­santes zu sagen. Aber manch­mal klicke ich aus Verse­hen auf einen Link auf eine sein­er Kolum­nen, und wenn ich erst ein­mal ange­fan­gen hat, zu lesen, überkommt mich eine der­ar­tig bleierne geistige Trägheit, dass ich nicht aufhören kann, bis der Text zu Ende ist.

In ein­er aktuellen Kolummne geht es ums The­ma Sprache, speziell zu „Denk- und Sprechver­boten“. In typ­is­ch­er Joffe-Manier mäan­dert die Kolumne vor sich hin und es bleibt, wie so oft, unklar, worauf er eigentlich hin­auswill, außer, dass irgend­wie die Post­mod­erne, die Polit­i­cal Cor­rect­ness und der Mul­ti­kul­tur­al­is­mus an allem Schuld sind.

Er ver­mis­cht munter völ­lig ver­schiedene Arten von Sprachregelun­gen und Sprachver­boten, vom alttes­ta­men­tarischen Ver­bot, den Namen Gottes auszus­prechen über das Ver­bot der Majestäts­belei­di­gung bis hin zum Ver­bot der Volksver­het­zung und von Euphemis­men über poli­tisch kor­rek­te Sprache bis hin zu Orwells Neusprech. Alles inter­es­sante The­men und Grund genug für mich, mich ein­mal selb­st mit diesen Sprachregelun­gen auseinan­derzuset­zen, und sei es nur, um wieder wach zu werden. 

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[Surftipp] Language Log und der Eyjafjallajökull

Von Kristin Kopf

Heute nur ein schneller Surftipp: Mark Liber­man hat beim Lan­guage Log über die Aussprache von Eyjaf­jal­la­jökull (dem lusti­gen, asches­puck­enden isländis­chen Vulkan) geschrieben, mit vie­len Hörbeispielen.

Das ist ein Kom­posi­tum aus drei Wörtern: Eyjafjal­lajökull ‘Insel(n)+berge+gletscher’. fjal­la ist Gen­i­tiv Plur­al, bei eyja bin ich mir nicht sich­er – kön­nte Nom­i­na­tiv Sin­gu­lar oder Gen­i­tiv Plur­al von eyja sein, oder nur Gen­i­tiv Plur­al von ey, bei­des heißt wohl ‘Insel’. (Alle Kasus­bes­tim­mungen nach diesem Wörter­buch.)

Vulkan heißt auf Isländisch übri­gens eld­f­jall ‘Feuer­berg’ oder eld­stöð, dessen Zweit­glied ich aber nicht über­set­zen kann.

Update 20.4.

Da zur Zeit sehr viele Leute über die Suche “Eyjafal­la­jökull Aussprache” herg­er­at­en, aber nur unge­fähr zwei Drit­tel von ihnen zum Lan­guage Log weit­erk­lick­en, hier ein prag­ma­tis­ch­er Aussprachevorschlag mit dem deutschen Schrift­sys­tem: ej.ja.fjat.la.jö.kütl (alle Vokale kurz). Und ein Link zur gesproch­enen Ver­sion der Wikipedia: Eyjafal­la­jökull.

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